1054 Maria und Josef
In der christlichen Tradition kommt der Heilige Josef als
Nährvater eigentlich nicht so gut weg. Seine Frau bekommt ein Kind von „Gott“,
er muß sich sozusagen unter diese Übermacht ducken und man kann schon den
Eindruck haben – so wie die Geschichte vermittelt und tradiert wird – was ja
nicht heißt, daß sie so stattgefunden hat: daß der Josef eine Nebenfigur war
und das eigentliche Paar sind Jesus und Maria, also Mutter und Sohn. Die
obszöne Mutter-Sohn-Ehe - nicht der
Mann, sondern der Sohn ist der Partner und die wichtigste Bezugsperson der Frau
– ist eine typische Erscheinung des Patriarchats – ich kann mich noch genau ans
Schlafzimmer meiner Großeltern erinnern, wo – wie damals ganz üblich – Bilder
von Jesus und Maria – gleichaltrig – hingen und im Gästezimmer dahinter ein
Kriegsbild des bevorzugten Sohnes, nämlich meines Vaters als SS-Mann – die
Runen wegretouchiert und in aufwändigem Rahmen – diese Mutter-Sohn-Ehe ist ja
brandgefährlich, vor allem für die Töchter (Darin folge ich W. Döbereiner, der
das Ganze als Matriarchat bezeichnet, worin ich ihm nicht folge), wie
sich ja auch in der Kirchengeschichte zeigt: Mutter Kirche hetzt ihre
kastrierten Nabelschnursöhne vor allem auf ihre weibliche Konkurrenz (so in
etwa Döbereiner): die Hexen und Zauberinnen als weibliche Orientiererinnen,
Heilerinnen und Transzendenzvermittlerinnen.
Irgendwann hat mich dieses Josefsbild zu stören begonnen,
denn immerhin hat Josef genug Energie gehabt, den Engel, der ihn vor dem
Bethlehemitischen Kindermord warnte, wahrzunehmen und zu verstehen. Damit das
klar ist: zu allen Betroffenen dort in Bethlehem ist der zuständige Engel
gekommen und hat ihnen gesagt: „Steh auf! Nimm das Kind und seine Mutter und
fliehe ...“. Josef war der Einzige, der ihn gehört und ernst genommen hat.
„Engel“ sprechen dauernd zu uns und wollen uns leiten, wir sind nur zu sehr mit
unserem Ego beschäftigt um ihn zu hören und zu sehen. Wobei ich vermute, daß es
sich beim „Engel“ in dieser Geschichte um den „energetischen Zwilling“ (C.
Castaneda) handelt, unseren „Doppelgänger“ aus reiner Energie, der sieht und
mit uns, aber auch direkt mit der Transzendenz verbunden ist und weiß, was los
ist. (In der christlichen Tradition würde dem am ehesten die Vorstellung des
Schutzengels entsprechen)
Da also Josef zu dieser Wahrnehmung fähig war, muß er ein
guter Seher gewesen sein – und ein solcher ist zwar demütig und nimmt die
Vorgaben des Transzendenten (oder wie Sie das Dings nennen wollen) an, aber er
ist kein Seicherl, wie er als „Nährvater“ oft rüberkommt.
Mir ist aber ganz wichtig festzuhalten: ich weiß nicht, was
alles zwischen Himmel und Erde möglich ist; ich weiß nur, daß es tausendmal
mehr ist, als es uns unser Pimperl-Alltagsbewußtsein vorgaukelt (wir nutzen zum
Aufrechterhalten dieser unserer Alltagswelt nur Promille unserer angeborenen
menschlichen Fähigkeiten). Also halte ich es für möglich, daß im sozusagen
transzendenten, energetischen Bereich eine rein energetische Begegnung stattfinden kann, aus der ein Kind entsteht. Wie gesagt, ich halte so etwas für möglich, weiß
es aber nicht, ob es wirklich so war oder sein kann, denn ich bin kein Seher.
Wie, so vermute ich, auch meine Leserinnen und Leser nicht sind. Anfügen möchte
ich noch, daß jede „normale“ irdische Zeugung auch einen energetischen,
Diesseits-transzendierenden Aspekt hat.
Viele, die eine – wie soll ich sagen – rein transzendente
Zeugung für unmöglich halten, meinen dann: Josef war halt der wirkliche Vater
Jesu und alles andere wurde in Glorifizierungsabsicht dazuerfunden. Das kann
natürlich auch sein. Wir wissen es nicht.
Aber wenn nicht durch ein überirdisches Wunder, dann kommt
mir eine ganz andere Variante viel plausibler vor. Ich betone an dieser Stelle
nochmals, daß ich es nicht weiß und das eine reine Spekulation von mir ist.
Es gab in der Antike Gerüchte, daß Maria mit einem römischen
Soldaten namens Panthera herumgemacht habe und der Vater Jesu dieser römischer
Soldat sei. Das kann natürlich bloße Gegenpropaganda und
Desinformationskampagne in den antiken Auseinandersetzungen gegen das und im
Christentum gewesen sein. Für mich ist aber auch denkbar, daß sie von einem
römischen Soldaten vergewaltigt wurde – die Unterstellung, ein Soldatenflittchen
zu sein, widerspricht dem nicht, denn in patriarchalischen Gesellschaften wird
immer der Frau die Schuld gegeben.
Zur damaligen Zeit war es üblich, die Kinder sehr früh zu
verheiraten, wie es in Clan-dominierten Gesellschaften häufig ist. Das war nach
damaliger Rechtsauffassung ein gültiger Ehevertrag (wie zwischen Josef und
Maria). Die beiden Kinder - oder wenn der Mann schon erwachsen war (vermutlich
die häufigere Variante): nur das Mädchen - lebten so lange unter elterlicher
Aufsicht, bis sie als alt genug für den Vollzug der Ehe, also für den
Geschlechtsverkehr, angesehen wurden. Dann zogen sie zusammen, respektive das
Mädchen zum Mann („Heimholung“) und üblicherweise begann damit auch das
eheliche Geschlechtsleben.
Damals gab es in Israel wegen der römischen Besatzung die
Tendenz, auch die Heimholung möglichst früh anzusetzen, denn für die römischen
Besatzungssoldaten waren – wie immer und überall – die jungen Mädchen Freiwild,
sodaß es zu zahlreichen Vergewaltigungen kam. (Blödsinn: es „kam“ nicht zu
Vergewaltigungen: die Soldaten vergewaltigten viele Mädchen.) Bei verheirateten
und mit einem Mann zusammenlebenden Frauen scheinen diese Machos
zurückhaltender gewesen zu sein, denn dann bekamen sie es mit dem Clan des
Mannes zu tun. Die Vergewaltigung eines unbemannten Mädchens schien weniger
gefährlich zu sein, denn auch für den Clan des Mädchens war diese damit
erledigt und eine Schande für die Familie, wie es in solchen patriarchalischen
Gesellschaften oft zu beobachten ist. Sie wurde als Hure angesehen und war nach
damaligem Recht wegen unerlaubten Geschlechtsverkehrs zu steinigen. Dieses
himmelschreiende Unrecht gibt es ja noch heute in vielen Ländern – in manchen
Gesellschaften muß der Vater oder der Bruder das Mädchen töten, auch wenn sie
vergewaltigt worden ist und auch bei uns gibt es das, abgeschwächt zwar und in
„zivilisatorischer Verkleidung“ (W. Döbereiner), wenn ich an Mütter denke, die
ihre Tochter einem Mann überliefern, der ihnen selber gefällt, aber die Tochter
ohrfeigen, wenn sie mit einem Kind nach Hause kommt.
Zurück zu Josef und Maria.
Als Josef sieht, daß seine sehr junge Verlobte schwanger
ist, müßte er sie als rechtschaffener und gesetzestreuer Mann anzeigen und
somit der Hinrichtung ausliefern. Das tut er nicht. Er entläßt sie aus dem
Ehevertrag und will seiner Wege gehen. Im Kontext der damaligen
Männlichkeitsvorstellungen schon eine äußerst großzügige Tat beziehungsweise
Unterlassung, die mir diesen Mann sehr sympathisch macht, denn sie zeugt von
Souveränität und Stärke.
Dann – so wird erzählt – erscheint dem Josef ein Engel und
sagt ihm, er soll Maria nicht wegschicken, sondern heimholen und als seine Frau
annehmen. Dadurch gilt das Kind rechtlich und auch sonst als sein Kind und
Maria ist nicht mehr von einer Hinrichtung bedroht. Er hört auf den Engel und
macht das!
Zu dieser Version – und ich betone es zum dritten Mal, daß
das meine reine Spekulation ist, die mir zwar plausibler als andere Versionen
erscheint – was ja nicht allzuviel heißt – zu dieser Version würde gut passen,
daß dieses Ereignis dann als Christentum aufs römische Reich sozusagen
„zurückgeschlagen“ hat.
Jedenfalls ist in dieser Version der Geschichte Josef ein
wahres männliches Vorbild, an dem mann sich orientieren kann und
keinesfalls eine schwächliche Nebenrolle.
(9./10.8.2018)
©Peter
Alois Rumpf August 2018
peteraloisrumpf@gmail.com
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