Dienstag, 31. Juli 2018

1048 Der Entschluß


Wie ich heute Nacht so wach liege, war ich endlich in der Lage, in einer hinausgeschobenen Sache einen Entschluß zu fassen. Mein Plan ist es schon seit Jahren, meine alten, essayistischen Texte zu überarbeiten, weil ich sie so nicht mehr schreiben würde, aber sie sich dennoch um mir sehr wichtige Themen drehen. Zwar lasse ich sie so stehen, wie sie sind, aber schreibe Ergänzungen aus heutiger Sicht dazu. So kann sich die Leserin/ der Leser ein besseres Bild von der Entwicklung machen – ich glaube, das ist interessanter als die Texte einfach „auszubessern“. Jetzt hatte ich endlich eine Idee, wie ich das angehen könnte: ich trinke zum Frühstück meinen üblichen Kräutertee, meist den für die Leber, ergänzt mit ein wenig Brennessel und dem bitteren Tausendgüldenkraut. Aber den Kaffee hebe ich mir fürs Paim auf. Denn gleich nach dem Frühstück werde ich dort hingehen und nehme meine gebundene Sammlung meiner ersten 23 Texte mit – damals in der Illusion, daß das mehr als zwei Personen interessiert, angelegt – genügend Zettel und fange mit Text 1 an. Zu Hause – ich weiß nicht – der Schreibtisch ist vollgeräumt, dauernd fällt mir etwas ein: Blumen gießen, etwas essen, dies und das. Ja, im Paim (Espressobar) könnte es gehen. Der Entschluß ist gefaßt.

Und so mach ich es auch. Zwar habe ich bis halb Zehn geschlafen, weil ich in der Nacht lange wach gelegen bin, aber das ist egal. Als allererstes: rasieren. Gut, das Badezimmer ist besetzt. Warten. So, jetzt ist es frei. SMS am Handy. Das kläre ich auch. Erledigt. Frühstück. Ich mache mir eine Kanne Kräutertee. Was übrig bleibt, gieße ich in eine Karaffe und nehme so den Tee in mein Zimmer hinauf und trinke ihn über den Tag verteilt. Zum Umgießen brauche ich ein kleines Trichterchen. Ich suche es und suche es und finde es nicht. Eine meiner Töchter hat ihre Schlüssel verloren und ich muß noch irgendwo ein oder zwei Ersatzschlüssel haben. Suchen. Finden. Übergeben. Den kleinen Trichter suche ich immer noch. Weil ich mich schon oft dabei blamiert habe, wenn ich losschreie: “verdammt! Wo ist denn schon wieder mein Trichterlein!“ und sich dann herausstellt, daß es direkt vor meiner Nase liegt, such ich alles fünfmal durch. Laden, Ablagen, Geschirrspüler, Kastln …  Meine Frau hat wieder einmal umgeräumt und nichts ist mehr dort, wo ich es gewohnt bin. Mein Ärger steigt, aber ich hüte mich loszubrüllen, nicht nur wegen der Tageskinder, sondern wegen der möglichen Blamage. Gut, aber wenn ich zum Arbeiten kommen will, muß ich das Ding finden!
Meine Frau ist als Tagesmutter im vollen Stress, ihre ganze Aufmerksamkeit und Konzentration gilt ihrer Arbeit und den Kindern. Deshalb spreche ich sie währen ihrer Arbeit nach Möglichkeit nicht an. Aber jetzt muß ich sie fragen: „ich suche mein Trichterchen, hast du eine Ahnung …?“ „Das habe ich oben in den Kaffeefilteraufsatz gelegt.“ Der steht auf dem obersten Ablagebrett und von unten kann ich nicht oben reinschauen, aber da ist es wirklich. So vergeht die Zeit. Umgießen, Rauftragen. Ich mache mein Bett und fange an, alles für meine Schreiberei zusammenzupacken. Aber meine andere Tochter braucht ein Pflaster und ich bin der Letzte, der noch welche auf Lager hat; alle anderen Depots sind schon ausgeräumt und wurden nicht nachgefüllt. Gerade deswegen habe ich ja den Hang, mir meine separaten, anfänglich geheimen Depots verschiedenster Dinge anzulegen, bin dann aber nicht hart genug, sie konsequent zu verheimlichen, sodaß bald doch alle wissen, bei mir könnte es noch dies und das geben (Kugelschreiber, Bleistifte, Pflaster, Reserveschlüssel, Klebebänder, Plastikhüllen, Kuverts, Hefte, Papier …) und auch meine Depots werden ausgeräumt, ohne daß die Dinge, wenn sie ausgehen, nachgekauft oder wenigsten auf den Einkaufszettel notiert werden, und auch so stehe ich manchmal vor meinen leeren Depots und wundere mich, wo alles hingekommen ist. Diesmal aber bin ich anwesend und finde ein Pflaster und gebe es meiner lieben Tochter.

Ich mache mit dem Einpacken meiner Schreibutensilien weiter. Anruf meiner Tochter (der mit ohne Schlüssel), sie ist nämlich schon unterwegs: es ist ihr gerade eingefallen, daß sie heute noch ihren Meldezettel braucht, ob ich weiß, wo der ist. Nein, weiß ich nicht, aber ich kann ihn suchen, denn morgen früh fahren sie schon weg. Jetzt fangen schon die Kaffeentzugsymptome an, ich werde immer hektischer und verschwitzter, und ärgerlicher, letztlich aber nicht auf meine Familie, sondern auf mich, weil ich mich so leicht ablenken lasse und meine Arbeit, das Schreiben, so wenig schützen kann.
Diesmal gehe ich gleich zu meiner Frau und frage, wo der Meldezettel sein könnte (früher hab ich alle Dokumente unserer Kinder verwaltet, inzwischen ist das meiste schon zu ihr hinübergewandert). Sie gibt mir einen Tipp, wo der Zettel sein könnte, aber suchen muß natürlich ich. Ich blättere einen ganzen Stoß loser Papiere durch und finde zuerst eine Kopie des Meldezettels auf einem Blatt, wo auch der Meldezettel der anderen Tochter kopiert ist. Ich nehme die Schere und schneide das Blatt auseinander. Weil ich nicht sicher bin, ob eine Kopie genügt oder ob das Original vorzulegen nötig ist, suche ich weiter und finde wirklich den gesuchten Zettel und lege ihn meiner Tochter auf ihren Schreibtisch. Ich denke noch, es wäre fair, wenn ich ihr simse, daß ich ihn gefunden habe, denn am Telefon vorhin habe ich noch gesagt, daß ich keine Ahnung habe, wo er ist. So mache ich es.

Endlich habe ich alles beisammen und gehe los ins Paim, nicht ohne mir vorher noch mit meiner anderen Tochter ein halb scherzhaftes Wortgeplänkel über meine Belehrungssucht zu liefern.

Endlich! Mit zwei Stunden Verspätung bin ich dort und endlich Kaffee, der alles runder macht.
Was mich jetzt noch von meinem Arbeitsplan abhält, ist nur die Einbildung, daß ich das alles noch erzählen und aufschreiben muß. Also. Einen zweiten Cappuccino, bitte! In Gottes Namen,  geh'n wir's an!









(31.7.2018)













©Peter Alois Rumpf    Juli 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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