Montag, 30. März 2020

1808 Ja, gut! Mein Gott!


Fast schon dieses Anblickes entwöhnt gaffe ich wieder einmal auf meine Klein-Albertina am und über dem Bücherregal – den Unterschied zwischen Original und Abbild ignorierend. Seltsam leer ist das Ganze, als hätte das schwarze Loch in der Corona allen Inhalt eingesaugt. Auch meine drei Bilder sind leer, vielleicht habe ich bisher alles Herausgelesene und Herausgeklaubte vorher gläubig hineingelegt … und jetzt ist nichts mehr da. Tote Stücke alles, auch die Skulpturchen und Gegenstände an Bücherregal … nicht unhübsch arrangiert, ein gelindes Spiel, aber sinnlos.
Macht jedoch nichts.

Ich suche die Abbildungen angezogener, halbnackter und nackter Frauen und verweile bei ihnen: Manguins Siesta, Vallottons Blanche et Noir und violettem Hut, Pechsteins Frau im Liegestuhl, Modiglianis Prostituierter – da fällt mir erst auf, daß eine Bildkarte heruntergefallen sein muß, beim Lüften heruntergeweht – wie ich vermute, aber trotz genauer Suche kann ich sie nicht finden.

Von diesen Frauenbildern erwarte ich mir, ein wenig angesprochen und angeregt zu werden, aber das kommt kaum über die Schwelle der Wahrnehmbarkeit.
Auch das macht nicht. Gar nichts.

Meine zwei liebsten der aufgestellten Bildkarten – Kokoschkas London und Chagalls Papierdrachen – rufen bloß ein Hauch erinnerter Gefühle hervor. Aber vielleicht sitze und liege ich zu weit weg.

Zurück zu meinen drei eigenen Bildern: … ja, gut! Mein Gott!











(30.3.2020)












©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1807 Wie alles hier


Ich blicke seit Langem wieder auf mein Potjemkinsches Reich. Ich kann es fast sehen, daß mein Bücherregal bloß eine Fassade ist, wie alles hier, wie alles hier. In meinem Blick verschwimmt schon die ganze Welt, die Augen jucken, tränen, fallen zu und brennen leicht.

Eine Krähe ruft in mein Einschlafen; ich bedanke mich bei ihr, wie ich mich bei allem für alles bedanke.








(25.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 11. März 2020

1806 Die nackten Bäume


Draußen im Hof ist alles wie von silbrigem Weiß überzogen. Der Himmel: vom Sonnenlicht hinter den dünnen Wolken geschärftes strahlendes Weiß. Die Mauern: milchiges Weiß. Selbst die roten Dächer scheinen von weißem unsichtbarem Mehlstaub überzogen. Und erst recht die nackten Bäume: das Grau der Rinde ist sehr weißlich.

Dieses Weiß scheint über alles gelegt zu sein und alles miteinander zu verbinden. Nicht die Konturen und Gegensätze sind betont, sondern alles ist einander angenähert. Alles schwimmt und schwebt in diesem milchigen Lichtäther. Das ist schön, ich genieße diesen Anblick vom Lehnstuhl im Atelier aus.

Dann beginnt der Wind in den Zweigen der Bäume zu wühlen; die Bäume schwanken beängstigend hin und her – mir zumindest kommt es so vor, als würde der Wind versuchen, mein betrachtetes Gesichtsfeld zu zerreißen. Dann beruhigt er sich wieder und wird zärtlich zu den Bäumen.

Oder erschrecke ich, weil er mir in mein labiles Gleichgewicht meine eigene, versteckte Wildheit aufrührt? Auch dieser Anblick der wankenden Bäume ist nicht bloß erschreckend, sondern schön.


Später dann hat der Wind die Wolken verjagt und alles strahlt im Sonnenlicht und tritt scharf hervor.












(11.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1805 Verlang


Hurra, wir haben einen schönen blauen Schatten! Ich suche Zusammenhänge in meinem Zimmer und Namen in meinem verschlüsselten Gedächtnis.

Ein harter Knall. Eine kleine Haltestelle. Rucksackkontrolle. Die Katze spitzt die Ohren, denn es gibt wieder ein Knacken und Kleschen.

Ein traumhafter Blick in den aperen Winterwald. Hoffentlich helfen meine bannenden Blicke.

Verlang.

(Liebe Leserinnen! Keine Ahnung, was „Verlang“ heißen soll. Wenn ich im Halbschlaf schreibe, bin zehnmal legasthenischer als normal. Außerdem schreibe ich zehnmal schlampiger und unleserlicher als sonst. Könnte es „Vorhang“ heißen? Aus einem Traumbild heraus? Ich erinnere mich nicht. Auch beim Gedanken an ein abgekürztes oder gar abgewürgtes „Verlangen“ macht es nicht bingo! Überhaupt nicht! Eine abgeschnittene „Verlängerung“ macht doch auch überhaupt keinen Sinn! „Verlauf“ - mein Gott! Ja, die Schrift verläuft nach rechts unten, was ein deutlicher Hinweis ist, daß ich beim Schreiben schon einschlafe – aber daß ich das hinschreibe? - Nein! Verlangts bitte von mir keine Erklärung, ich weiß es einfach nicht!)

Sicher ist: Schatten geht sich jetzt keiner mehr aus. Das Tageslicht ist schon zu hell.











(11.3.2020)












©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1804 So richtig!


Ich sitze am Bankerl vor der Verbrüderung – oder soll ich Confraternität mit Mitgeschwisterlichkeit übersetzen? - in der Sonne und warte auf meinen Psychotherapietermin ein paar Hausecken weiter.
Der Ausblick in den – wie es ausschaut – Park wäre mir lieber als auf die überdimensionale Plakat- und Reklamewand, mit der medizinischen Betreuung bester Qualität beschrieben, aber what shell's! Die Sonne scheint mir ins Gesicht und vielleicht auch sollen wandelnde Patienten sichtgeschützt werden.

Das Leben - zu Fuß und per Auto – flutet an mir vorbei, schreit, raucht, schimpft (auf Vorarlbergerisch), schiebt Kinderwägen vorbei, singt dem raunzenden Baby vor. Ein E-Auto tankt sich voll, der Autobus läßt den Motor laufen (Tschüss!), die Tauben signieren das Ganze für den Himmel (c/o Döb.).

Die Sonne kommt jetzt so richtig! durch die Wolken und wärmt so richtig! mein Gesicht, ehe sich wieder dünne Wolken vorschieben und ein kalter Wind aufkommt.

Es ist Zeit.










(10.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1803 Mit Felix Baumgartner


„... sind schon vom Schlaf erwacht.“ Ich höre keine Vögel singen. Keine Amsel, keine Krähe. Nur ein lautes Surren, das mich von allen anderen Geräuschen abschirmt. Lediglich das Kratzen des Kugelschreibers am Papier kann ich noch ausnehmen, meine lauteren Atemzüge vulgo Schnaufer und ein leises, unmerkliches wischendes Geräusch, das ich mit meinem Herzschlag in Zusammenhang bringe. Dann das Gefühl, als hätte sich ein fremdes Zweitgeräusch dazugehängt.

Die Bilder gleiten schneller vorbei, als daß mein eingeschlafenes Bewußtsein sie erfassen könnte.

Irgendein zerfetztes Stück Holz wird von der Donau, die an meinem inneren Auge vorbeiströmt, vorbeigetragen und ich versuche, das alles zu ergründen.

Irgendein Herausgeber und Kommentator hat Hitlers Mein Kampf zu einem lesenswerten und interessanten Buch gemacht - dies zieht so an mir vorüber – ebenso B. mit ihrem viel besser zu ihr passenden Freund – bei seinem Anblick wird auch mir alles über mich selbst klar.

Ehe ich mir's versehe, bin ich in einen plötzlich-physikalischen Todesschlaf gefallen (schon mit dem komisch-glücklichen Felix Baumgartner in großer Höhe schwebend! Und ich schwebe noch weiter, noch höher). (Ist es in Tibet, wo die Toten in den Bäumen bestattet werden?)

Ein Bild von Hans Pfefferle wird gebracht.

(„Schlaf in seliger Ruhu, schlaaf in seliger Ruh“)

Im Traum drehe ich das Licht an und plötzlich ist es im Raum hell, richtig hell.









(10./11.3.2020)











 ©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 9. März 2020

1802 Ich geniere mich


Heute habe ich den Weg zur Albertina mit der Straßenbahn zurückgelegt, bin beim Burggarten ausgestiegen, habe den durchquert und an der Stelle, an der einmal fast ein Wunder geschehen ist, gelächelt, bin zur Albertina hinten die Stiege rauf und nach Durchquerung der Eingangskontrolle kurz ratlos dagestanden mit der Frage, wo ich denn heute mit meinem Rundgang beginnen könnte, und bin dann zielstrebig in den Bereich marschiert, der mich immer etwas nervös macht – weiß der Teufel, warum – und so sitze ich nun im zweiten Raum der Hahnlos-Sammlung und betrachte ein Bild von Cézanne und die alte Bekannte, die dunkle Bretonin von Gaughin.

Was bremst hier meine Euphorie? Das Viollette, das ich als Farbe nicht so mag, aber mit der originalen Hängung der Bilder zu tun hat?

Ich kann zwar dem Häuschen in der Provence nicht widerstehen und will es auch gar nicht; die sommerliche Hitze ist spürbar.

Ich drehe mich um zu den leichten Aquarellen von Cézanne, die mir plötzlich wie Vorläufer zu Weiler vorkommen – kunstgeschichtlich wohl etwas verquer, oder? - und gehe dann weiter.

Nun hocke ich mit den zwei Nackten bei Manguin und Matisse und gehe schon wieder weiter, obwohl ich Nackerte und schattenspendende Gärten und den Mittagsschlaf sooo gern habe.

Jetzt stehe ich vor Marguets Notre Dame und suche Erinnerung und Wiedererkennen aus meiner wahrlich, wahrlich verrückten Pariser Zeit.

Zwei Redons nehmen mich noch kurz gefangen und sogar der gezeichnete Kleiderfaltenwurf – aber nur der! - auf einem Toulouse-Lautrec.

Beim Vallotton schaue ich die bekannten und unbekannten Nackten an (vorallem), aber einige gehen mir nicht so recht auf (wo ich Nackerte doch sooo gern habe!) - ob es an der Malweise liegt? An den Frauen? An mir? Dafür beschäftigt mich sein Karren mit der wesenhaften Hecke.

Die Lithographien und Bilder von Vuillard und Bonnard sind mir wieder zugänglicher. Malweise und Farbauftrag kommen mir und meinem Subjektivismus entgegen (ich schreibe ja keine objektiven Abhandlungen über Kunstwerke, sondern immer nur über mich selbst).

Sogar vom Hodler gefallen mir sein Wetterhorn außerordentlich und auch sein Jungfraumassiv, das mir wie eine riesige Tempelanlage vorkommt – also beides Heilige Berge – für soetwas bin ich anfällig.

Je länger ich das Wetterhorn anschaue, desto außergewöhnlicher finde ich das Bild (die Zauberer dürften schon recht haben: daß Kunstwerke Geistfänger sein können – aber ich erlaube meinem Geist gerne diese Ausflüge – alles andere ist mir egal – man gönnt sich ja sonst nichts). Die anderen Bilder von ihm – außer diesen zwei – lasse ich links und rechts liegen respektive hängen. Diese zwei werde ich heute mitnehmen, an sie werde ich mich erinnern.

Und immer und bei allen Bildern, die ich der Betrachtung würdig finde, finde ich das Nähe-Distanz-Spiel so spannend: nah zum Bild, ein paar Meter Abstand; mit, ohne Brille. Das ist so unglaublich!

In der Batliner-Sammlung bleibe ich als Erstes bei Vuillards blauem Zimmer hängen (und denke dabei an das blaue Zimmer in Rettenschöss), als Zweites bei der Werefkin (eigentlich Huber-Sammlung. Nein, meine Sammlung darf nicht Rumpf-Sammlung oder Sammlung Rumpf heißen, sondern Sammlung Sternenhimmel, ich bleibe dabei), dann drehe ich mich auf der Bank unelegant um und schaue aus einiger Entfernung auf die zwei Jawlensky-Landschaften, durch BesucherInnen und KnipserInnen ständig abgelenkt.

Meine Erholungsstation bei den zwei Städtebildern von Kokoschka und zunehmend rutscht auch der Boeckl rechts (Bildnis M.B.) herein. Jetzt merke ich schon meine Müdigkeit und aufkommende Unterzuckerung; der Thöny, den ich eigentlich mag, kommt gegen die Kokoschkas und meine anhebende Erschöpfung nicht auf. Es wird Zeit für den Nach-Hause-Weg.

Die Kokoschka-Himmel wären allein schon eine Reise wert, der über London zum Beispiel ist ein Wahnsinn! Oder Elbe und Themse!

An meinem blauen Lieblings-Chagall und den Klees eile ich flott vorbei, stelle entsetzt fest, daß Giacomettis Käfig fehlt und raste bei den Sphinxen vorm wirklichen Aufbruch.
Ein Photo will ich noch machen: Hand am Bü der rechten Sphinx.

Da jetzt gerade viele Leute durchgehen, kann ich das nicht fotografieren. Wartend betrachte ich mich im Spiegel und stelle fest: ich sitze wie ein armer Wicht da, angelehnt, den Kopf schief wie bettelnd – und jetzt geht es!

Done. Will noch ein zweites Photo probieren.

Geht nicht. Es kommt mir einfach zu blöd vor. Ich geniere mich!










(9.3.2020)












©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1801 Die Dohnal meldet sich


Reich an Sätzen, Bildern und Traumfetzen versuche ich, etwas davon aufs Papier zu bringen, aber beim Formulieren eines richtigen Satzes entgleitet mir jedesmal der Stoff, aus dem meine Texte sind.
Auch die Dohnal meldet sich per Traumbotschaft, aber in meinem Kopf bleibt kein Wort davon zurück, nur eine auf lautlos gestellte Mundbewegung, die mir nichts sagt, weil ich von den Lippen nicht lesen kann.

Ich kiffle an meiner Altersangabe herum, komme ebenso zu keinem Ergebnis. Ich weiß nicht, wie alt ich bin.

(Aus dem verlorenen Stoff heute ginge sich ein großer Roman aus. Behaupte ich mal.)

Ein geisterhaftes Knacken draußen vor der Tür läßt mich meine Schreibversuche aufgeben.










(9.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 7. März 2020

1800 Loch in der Wand


Ich liege in der Schlafkoje und blicke auf ein Stück blaues Papierklebeband an der linken Wand, das ein Überbleibsel eines an die Wand gehefteten Zettels ist, auf dem meine liebe Frau Begriffe aus dem Yoga notiert hatte, um sie sich so besser einprägen zu können.

An seinem linken Ende ist dieser blaue Papierstreifen etwas aufgebogen und macht deshalb dort einen kleinen Schatten. Nach längerem Hinstarren verwandelt sich der Schatten in eine gelbe, leuchtende Flamme, als wäre das Papier entzündet und brennte ein Loch in die Wand. Oder überhaupt: der Realitätsfilmstreifen hat an dieser Stelle Feuer gefangen und ist durchgebrannt (die ganze Wahrnehmung bloßes Kino).

Nach ein paar Sekunden verschwindet das Phänomen – oder Antiphänomen, denn vielleicht ist die wahre Wirklichkeit zum Vorschein gekommen – und die Realität ist wieder normal.
Schön wärs, wenn das nicht bloß eine Netzhautstörung gewesen wäre, sondern wenn sich darin das energetische Dingansich zumindest ein wenig enthüllt hätte.











(7.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1799 Viel zu viel Stutzen


Vor meinen drei Grazien (Trio 4). Und sie leuchten nach zwei Sekunden wieder auf. Gott oder wem auch immer sei Dank – vor allem aber dem Alex Katz.
Eine weibliche Dreifaltigkeit: stiller Schrecken, stille Trauer, stille Fröhlichkeit. Mir war noch nicht bewußt, daß jemand aus Trauer gelangweilt und arrogant sein kann. Ich lerne dazu.

In meiner geliebten psychodelischen Ecke höre ich John Frusciante und sitze einfach da – beschrieben habe ich sie schon – „ich will das jetzt genießen“ - fast schon wie angekommen.
Vornübergebeugt mache ich meine Notizen, die Beine überschlagen.
Heute bin ich etwas menschenfreundlicher und schaue diese auch an.
Am längsten versenke ich mich in Liliane Tomaskos Fierce und Sounds.

Ich darf auch wieder über die abstrakten Richter staunen und den roten Scheibl habe ich nochmals photographiert um ein besseres Hintergrundbild für mein Handy zu bekommen.

Ich gaffe zur Cecily Brown und weide ihre Kutteln und Zitronen augenmäßig aus. Ich habe sie mir immer als schwarze Frau vorgestellt – warum? - verbinde ich diese gelben Farben mit Afrika? Im Ohr meine Andachtsmusik.

Das wird heute ein kurzer Besuch in der Albertina gewesen sein. Ich bin nämlich schon bei den Spinxen, die sich zunehmend zu meinem Verabschiedungspersonal entwickeln.

Ein Blick in den Spiegel – die Haare stehen – wie sie sollen – zu Berge, genauer: zur Seite – der Pullover schief über die Schultern geworfen – paßt! - Kaugummi kauende rustikale Ex-Schilehrer wandern vorbei, die Hände vor Verlegenheit keck zu Hälfte in die Hosentaschen gesteckt.
Mein rechtes Hosenröhrl ist beim Überschlagen des rechten über das linke Bein viel zu weit rauf gerutscht und so sieht man viel zu viel vom Stutzen.

Ich will noch ein Foto von mir mit der Sphinx machen, aber jetzt beschäftigt sich gerade ein Kleinkind mit ihr und greift ihr auf die Nase. Danke Universum für den Hinweis, denn ich habe anderes vor.

Foto gelungen: ich starre der rechten Sphinx auf ihren nackten, marmornen Busen.






(6.3.2020)








©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 6. März 2020

1798 b – a – c - h


Meine Finger liegen auf den Seiten des Notizbuches wie die eines Klavierspielers über den Tasten, bereit, loszuspielen. Aber es kommt nichts.
Schlag doch irgendeinen Ton an, irgendeinen, und schau, wie es sich weiterentwickelt.
Nach dem ersten Ton kommt eine lange, lange Generalpause.

Die Ohren jucken, der Regen tröpfelt, die Haut im Gesicht – besonders um die Augen – spannt, in der linken Armbeuge ein Zucken ...

Das Surren moduliert fast schon wie eine sanftere Bohrmaschine. Jetzt prasselt der Regen.

Das Gleichnis vom Blinden Passagier gefällt mir (wobei sich die Frage – aber nicht ich mich vom Bett – erhebt, wieso der Passagier blind sein soll und nicht die, die ihn nicht sehen?!).
Dafür, daß ich ein blinder Passagier bin, habe ich es mir super toll eingerichtet! Hochachtung mein Freund für deine Zähigkeit, Ausdauer, dein großes Improvisationstalent und deinen guten Geschmack!

Bin ich wirklich am falschen Planeten gelandet? Gehörte ich in eine andere Welt? Was weiß ich: Paradies, Aldebaran, hinterm Orion, auf der Capella, Ixtlan?
Egal! Es ist wie es ist!

Spiel ich eigentlich in Dur oder Moll? Was für eine blöde Frage! Möcht untertänigst darauf aufmerksam machen, daß zuviel Moll den Genuß verringert. Variatio delectat. Nach ein bißerl Dur kann sich der Moll viel besser entfalten! Danke für die Ratschläge – du gibst also den Takt an?

Ja! Und das ist eine Superidee! (die habe ich vom Leipziger Thomaskantor gestohlen!): ich werde mein Lebensmusikstück mit den Noten r – u – m – p – f – f – f – f ausklingen lassen!








(6.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1797 Blinder Passagier


Blinder Passagier. Versteckt in einem unreifen Zimmerchen. Aber es ist groß genug. Ich muß schon selber lachen, wie sehr ich mein Zimmer, wie sehr ich mein Bett liebe (da besteht auch die wenigste Gefahr entdeckt zu werden).










(5./6.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 5. März 2020

1796 Die Bücherwand


Meine auch optisch geliebte Bücherwand, geschmückt wie die Leitkuh beim Almabtrieb – ich weiß, manche Vergleiche hinken nicht nur, sondern stolpern und dann prackts'es hin – die Freude meiner wachen Stunden im Bett! Geschmückt neuerdings mit vielen Kunstkarten – der innere puritanische Purist sagt: zu viel! - aber schon länger mit Figürchen aus Holz und Ton, leeren Joghurtgläsern mit Drehverschluß – früher habe ich darin Samen für meine nun verbotenen Blumenkisterl aufbewahrt – Klebebänderrollen verschiedenen Formates, eine große Schere, einen Vulkanstein vom Vesuv, eine leere Fiuggi-Mineralwasser-Flasche, daneben eine leere Schnapsflasche mit Bügelverschluß, zu drei Viertel mit jahrelang schon unbenütztem Weihwasser gefüllt, eine verstimmte, schwarze Ukulele, eine Rolle rot-weiß gedrehter Dokumentenspagat, ein kleines Bild aus Eigenproduktion, das ich zu faul war wegzuräumen, nachdem ich es mit einem zweiten dort aufgestellt hatte, um eines der beiden als Geschenk für eine Cousine auszuwählen.

Heute strahlt die im trüben Nebel untergehende Wintersonne besonders klar vom kleinen, eingerahmten Photo. Sind nicht auch Roßkastanien am Regal? Ich finde sie nicht. Vielleicht habe ich sie schon weggeschmissen.

„Alois Peter, Sohn des Emmerich, liebst du mich?“ „Jaja!“ „Weide meine Äuglein“
„Alois Peter, Sohn des Emmerich, liebst du mich?“ „Hmmmh“ „Weide meine Augen!“
„Alois Peter, Sohne des Emmerich und der Leopoldine, liebst du mich?“ Da wurde Peter traurig, weil er ihn zum drittenmal gefragt hatte. Er gab zur Antwort: „du weiß doch, daß ich ordentlich traumatisiert und schwer depressiv bin und über wenig Empathie verfüge! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?! Aber die Augen, die weide ich gern und überall und täglich mindestens zweimal da an dieser Bücherwand!“


(Das Training, jedem Schmarrn eine besondere Bedeutung zuzuschreiben, aber so, daß die Bedeutung aus dem Schmarrn herausgeholt erscheint. Manche Bücher im Regal neigen dazu, mir recht zu geben.)










(5.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1795 Vollgeschrieben


Vollgeschrieben. Ich habe alles geschrieben, was man am Morgen über mein Zimmerchen sagen kann. Darum bleibt das Blatt – draußen ist es noch finster – leer. Würde jemand alle meine Texte lesen, er/sie/es könnte ein fotorealistisches Bild meines Zimmers malen oder brushen oder zeichnen.

Wenn ich auf meine Tiroler Landschaft schaue, so hat sie sich etwas umgestellt. Alles Kompakte ist in die Mitte gerückt und deswegen bekommt das Bild etwas zentralgewichtiges.

Die Stille hier ist absolut, laut und völlig unbeweglich. Ich kann es kaum glauben: ist mein Leben, mein Schicksal stehen geblieben?

An der Uferstraße sehe ich zum ersten Mal viele kleine Kräfte nach rechts ziehen, während die Hauptbewegung nach links oben geht. Und im kleineren Lošinj-Bild schmelzt der zentrale Lichtlavastrom das Bild fast auseinander.

Wie reich ich in diesem Zimmer bin!








(5.3.2020)












©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1794 Das wär's


„Ein nichts zu sein, trägt es nicht lääänger, alles zu werden strömt zu Hauf!“ Zu Hauf? Ich weiß nicht recht. Hätte es nicht auch Vorteile, wenn ich nichts bliebe? (Ich rede von mir, nur von mir.) Lassen wir das restliche Leben entscheiden.
Hören tu ich nur Surren und Schnurren.
Das wär's.









(4./5.3.2020)













©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 4. März 2020

1793 Sechs Stationen


Ich sitze vor meinen drei Grazien (Trio 4) und lasse mich von ihrem Leuchten infiltrieren. Es dauert bei mir immer zwei, drei Sekunden, bis das Bild „aufgeht“ und zu wirken beginnt. Das ist heute meine erste albertinische Station.

Wie fast immer, wenn ich in die Welt hinaus auf Ȃventiure gehe, hänge ich meine Amulette um: irgendsowas mit Kupferdraht, das irgendwelche Strahlungen abhalten soll – wer's glaubt, wird selig, wer's nicht glaubt vielleicht auch – mir ist es wurscht: ich habe es als Schmuckstück gekauft, das ich als Amulett verwende. Am zweiten Faden hängen drei Stücke: eine Blechmadonna ohne Kind (geweiht oder nicht? Who knows?) alias Aphrodite alias Ischtar etceterae; ein Holzkreuz (Holz! Nicht Hohl-), angeblich aus einem Ölbaum aus Bethlehem, wie es Firmlinge so zwei Jahre nch der Firmung zur Wiedereinholung von unserem Kardinal Christoph von Schönborn (steht im Brief! Aber eh ohne von) per Post zugeschickt und geschenkt bekommen – ich habe es meiner Tochter weggenommen, weil sie es eher entsorgt hätte. Mir ist es wurscht: das Kreuz als Symbol ist älter als der Kardinal und das Christentum, horizontal, vertikal, diachron, synchron, Himmel und Erde und Hölle („hinabgestiegen in die Hölle“) - der vertikale Balken geht ja auch hinunter. Außerdem haben sie das Kreuz (Saturn) leicht aufgewellt (Neptun) so in Richtung τ (Tau) und Taube (Uranus-Venus) soll mir auch recht sein: der Geist weht, wo er will und der Krieger nutzt die Requisiten, die ihm die Bühne seines Lebens, seiner Zeit und seiner Kultur bietet. Und einen mexikanischen Schmuckstein, auf dem ein Psilocybe-Relief eingraviert ist – diese Pilze sollen bei Depressionen sehr heilsam sein, aber ich tumber Tor habe natürlich keine Ahnung wo und keinen Mut und unsere Heilmittelwirtschaft ist in den Klauen der Pharmaindustrie.

Das sind meine Amulette. Dazu am linken Handgelenk eine scheußliche als Uhr fast unbrauchbare Uhr, auf der Sturm für Sturm Graz steht - ich sichere mich nach allen Richtungen ab und scheue dabei nicht vor optischen Täuschungen zurück – und an der linken Hand drei Ringe: einen dicken männlichen, metallenen, silbrigen: Mittelfinger; einen mit einem (der Liebe und des) Meereswellen-Relief – vermutlich ein antikes Motiv: Ringfinger; und einen kleinen, feminin-mädchenhaften Ring mit Zopfmuster und einem weißen, mir unbekannten Stein („weil ich ein Mädchen bin!“) am kleinen Finger und rechts: wie immer und Tag und Nacht: der Ehering mit eingravierten Namen und Datum: Ringfinger.

Zurück zu den drei Grazien (gell! Sie inspirieren mich ganz brav und tapfer!) und sie jagen mir als plastische leuchtende Wesen einen angenehmen Schauder über den Rücken. Danke, ihr Hübschen! Danke, ihr schönen Frauen! (Moment! Das Bild ist aus dem Jahr 2009. Passt!) (Jetzt wird er frech, der alte gekrümmte Doddel!)

Zweite Station. Peter setzt sich in die geliebte Psychodelische Ecke und gibt der Wächterin seine Visitenkarte. Vor Aufregung, weil ich die Aufsicht angesprochen und ihr meine Visitenkarte aufgedrängt habe, kann ich die Bilder hier gar nicht anschauen. Ich sehe nichts. Sie werden schon trotzdem auf mich einwirken.
Ich werde wohl weitergehen, besser gesagt: vor meiner eigenen Courage flüchten.

Dritte Station. Peter rastet nach der Hahnlosausstellung bei den Sphinxen und ist ganz zufrieden. Was mir alles in der Hahnlossammlung aufgefallen ist – sie macht mich immer noch nervös. Keine Ahnung, was das soll – bin ich zu faul um es aufzuschreiben. Nur die van-Gogh-Zeichnungen, die ich überhaupt nicht kannte – ich meine, ich habe noch nie Zeichnungen von van Gogh gesehen – haben mich sehr beeindruckt, aber auch verschiedene Bilder verschiedener Maler.
Und jetzt bin ich müde. Ich bin sehr schnell von Eindrücken überlastet, auch wenn ich gar keinen Anspruch auf emotionale Ergriffenheit, tiefste Erkenntnis, feinsten Kunstgenuß stelle.

Vierte Station. Peter verläßt die Albertina und macht sich auf den Weg zur U-Bahn.

Fünfte Station. Peter geht durch die Opernpassage und hört hallende Schreie und riecht die stinkende Ausdünstung eines Jugendlichen nach Energiedrinks.

Sechste Station. Peter wird in der U-Bahn schlecht vor Schwäche, aber er hält tapfer durch und schleppt sich nach Hause.









(4.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1792 Optimismus und Lebensfreude


Ein freier Tag ohne Termine liegt vor mir. So kann ich ruhig, gelassen und mit Vorfreude in die Morgendämmerung blicken. Ganz ruhig und entspannt hocke ich da im Bett, habe keine Eile mit dem Aufstehen, kann auch weiterschlafen, wenn ich will.

Einen Besuch in der Albertina habe ich ins Auge gefaßt, irgendwann im Laufe des Tages, wenn es paßt. Der tumbe Tor reitet auf Ȃventiure. Nun, nach einem frugalen Frühstück wird das schon gehen – immerhin hat er ja eine Jahreskarte der Wiener Verkehrsbetriebe und eine Jahreskarte für die Albertina. Und so kann der tumbe Tor als alter, gekrümmter Doddel (ich war gerade im Badezimmer und habe zufällig in den Spiegel geschaut) auf große Fahrt gehen.

Das klingt ja regelrecht nach Optimismus und Lebensfreude! Danke, für diesen schönen Morgen. Danke für diesen neuen Tag. Danke …











(4.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1791 Schwarze Wolken


Aufatmen und große Erleichterung: endlich im Bett. Ich rette mich, wie ich kann. Ich schicke meine Augen im Kreis, einmal so, einmal so, einmal links, einmal rechts, diagonal, einmal hin, einmal her, rundherum das ist nicht schwer.

Lange lasse ich die Augen über meine neuen Kunstkarten dort im Regal streichen, vorallem über die drei halbnackten Frauen – bei dem Abstand und der Entfernung und überhaupt bleibt alles sehr züchtig – dann erst komme ich auf die Idee, seit langem wieder auf meine Bilder zu schauen:

die Uferstraße wölbt und löst sich schon auf und verbrennt in kalten, grauen Flammen; und eine weiße Wolke, ein Rauch – kompakt und mit eigenem Wesen – klammert sich an einen Rauchfang oder einer Fahnenstange – ich kann es von hier aus nicht erkennen – jedenfalls ist es mehr als ein bloßes Anhalten; die Rauchwolke will das Haus einnehmen und vielleicht sogar niederreißen.
Auch das Meer wühlt sich auf und scheint zum Angriff überzugehen.

Und in der Tiroler Landschaft bricht die Erde auf, furcht sich auf, wirft sich auf wie in Schmerz und ein Berg löst sich in Licht auf verschwindet, während ein anderer sich immer dichter und schwerer werdend krümmt und biegt und bald einstürzt.

Und auf das Meer zu, von der Küste her – das sehe ich erst jetzt – dräuen schwarze Wolken heran.











(3.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 3. März 2020

1790 Unaufgeregt


Fünf Uhr. Ich halte meine linke Hand verkrampft und beiße die Zähne zusammen. Ich hocke da wie ein Beutetier im Versteck. Mein Herzschlag jedoch scheint mir unaufgeregt.

Allmählich kommen Schwingungen herein. Oh! Ich darf wieder die Wellen spüren!

Ich lockere meine linke Hand, damit sie die Wellen auch erreichen können, und achte darauf, mein Unterkiefer hängen zu lassen.

Das Knacken in den Heizkörpern der anspringenden Heizung weckt mich wieder auf.









(3.3.2020)









©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1789 Klarer Blick


Nach drei, vier Stunden Schlaf erquickt und aufgewacht, schaue ich mit klarem Blick in mein Zimmer. Die Katze an meiner Brust, das Notizbuch auf den Knien starre ich in die tiefe Nacht. Wille und Absicht schlafen. Ein Richten findet nicht statt.

Ich spüre allerdings die Kälte der Luft, die ich einatme.

Ich bin voller Optimismus, daß ich heute zu einer bürgerlichen Zeit aufstehen und alle Vorhaben erledigen werde.

Leiser Hustenreiz hängt sich in meinen Lungen fest.

Allmählich kommt wieder Schlaf auf.











(2./3.3.2020)













©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1788 Ein Alb


Ich bin an dem Ort, an dem ich am besten ausheilen kann: im Bett. Die Ohren singen, ein Alb drückt auf meine Seele, meine Leibesmitte ist leergerissen, kein Gedanke, kein Satz kann mich stützen. Ich stehe beim Abgrund. Es würgt mich innen bis zum Hals herauf. Und doch: alles nur Theater? Ich weiß es selbst nicht. Ich weiß nicht, was echt und was unecht ist.

Ein unwillkürlicher Atemzug verschafft mir oder was von mir noch da ist oder meinem Konglomerat aus Versatzstücken oder was auch immer etwas Raum und Luft.

Ich lege wieder alles weg.










(2.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 2. März 2020

1787 Fachleut


Die zwei Figuren vor dem schönen Blau. Ich bin nicht in der Albertina, sondern in meinem Zimmer im Bett und blicke nicht auf – was weiß ich – Giacometti-Figuren, sondern auf Kinderbasteleien, vor einer Reihe von Büchern aus der Romano-Guardini-Gesamtausgabe gestellt, die den schönen blauen Hintergrund abgeben.

Ein unsägliche Trauer sucht mich gerade heim. Ich versuche erst gar nicht, sie abzuschütteln, ich finde sie okay.

Zwei Stock tiefer jault sich eine Bohrmaschine durchs Weltgeschehen.

Ein Traum sagt mir, ich gehöre nicht mehr an die Plätze und Orte der Jugendlichen.

Ich bin auch kein Fachleut für irgendwas.










(2.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


1786 Zurück


Kopf schmerzt. Kreuz ebenso. Am meisten jedoch die Seele. Als würde etwas in mir nagen, als würde mich innen etwas auffressen.

Ich werde das zulassen. Ich denke, je mehr Schmerz ich aushalte, desto besser. Dann muß ich nicht so oft ausweichen und mich ablenken.
Und ich denke, das wäre ein gute Vorbereitung auf das Sterben. Damit meine ich nicht die Vorbereitung auf körperlichen Schmerz auf Grund von körperlichen Krankheiten – das wäre ein eigenes Kapitel – sondern den seelischen Schmerz, wenn ich meinen Lebensfilm anschauen darf (das hoffe ich sehr, daß man im Sterben mit den reinen Wahrnehmungen und unverstellten Erkenntnissen seines Energiekörpers konfrontiert wird und ich hoffe inbrünstig, daß ich es schaffen werde, den Film bis zu seinem Ende (oder Anfang – vielleicht läuft er in der Zeit zurück) anzuschauen) und dann kann ich sehen, was an Potential in meinem Leben da war und wie ich es vermasselt habe – keine Ausreden, keine Rechtfertigungen werden meine Lebenslügen schützen und stützen – das kann schon weh tun, zu sehen, welche Chance man nicht ergriffen hat – aus Angst, aus Hochmut, was auch immer – zu sehen, wie viel Liebe doch da war, die ich nicht angenommen habe und so weiter. Halte ich bis zum Schluß durch und lasse mich vom Schmerz nicht zerreißen, dann werde ich auch verstehen können, warum alles so gekommen ist und warum ich so und nicht anders gehandelt habe – ohne Scham und Verurteilung, denn dann wäre ich am Ort jenseits von Gut und Böse.


Ich werde jetzt alles weglegen und in mich hineinhorchen und hineinspüren versuchen, oder zumindest in einen erquickenden Schlaf fallen.









(1./2.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com


Sonntag, 1. März 2020

1785 Umnachtung


Der Anblick von gestern ist heute wie ein gewalztes Richterbild. Was hat der geschwind für einen Vornamen? Karl? Nein, ich glaub das ist der Dirigent. Jaroslav? Ne ne, der Musiker. Valentin? Nein! Gerhard? Gerhard? Könnt sein! Aber möglicherweise doch falsch.

Mein Gehirn tut nicht mehr richtig mit. Es hat genug davon, mein verwirrtes Leben ordnen zu müssen. Es beginnt zu streiken. Wirft mir mein Chaos vor die Füße: „mach deinen Scheiß selber!“
Ich kann's ihm nicht verdenken. Mich freut's ja auch nicht mehr, ständig Ordnung schaffen zu versuchen müssen, respektive ständig mich zum Aufräumen müssen aufrufen glauben zu müssen. Warum nicht einfach zerfallen? Was spricht ernsthaft dagegen, außer spießbürgerliche Konvention? Ich komm nicht mehr über den Berg, warum dann dauernd noch anrennen? „In geistiger Umnachtung!“ Na und?

Umnachtung. Alles schläft, einsam wacht. Alles wacht, einsam schläft. Der Schlaf des Gerechten. Der Schlaf des Ungerechten.
Wäre die Umnachtung dann die lange Nacht der Kirchen? der Museen? der langen Messer? Die tiefste, tiefste Nacht, ich rief? Die Nacht der Nächte? Die Nacht des Friseurs? Die Liebesnacht oh stille mein Verlangen? Wenn die Nacht am tiefsten ist … Ton Steine Scherben?

Nachtmittag? Die Nacht der Nachtportiere? der Nachtdienste? Die längste Nacht auf Erden? Wen die Nachtigall ruft? Es ist die Amsel, nicht die Nachtigall? Kuckuck! Kuckuck ruft's aus dem Wald! Nachtportier Hotel Sacher? Die Nacht des Sacher-Masoch? Die dunkle Nacht des Heiligen Johannes von Kreuz? Die Nacht des Nachtfalters, der das Wissen bringt?










(1.3.2020)











©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

1784 Wellen


Ich liege entspannt am Rücken und von Zeit zu Zeit erfassen mich wellenartige Zuckungen, die durch mich hindurch laufen und von meiner Körpermitte ausgehen. Ich finde das Phänomen unglaublich interessant, angenehm und intensiv und schaue darauf, dem möglichst wenig Widerstand entgegen zu setzen und es möglichst lange zu halten. Aber nach nicht allzu langer Zeit läßt es nach und läuft mit einem Vibrieren im ganzen Körper aus.

Mehrmals gehen diese Wellen durch meinen Körper und obwohl sie in meiner Körpermitte beginnen, vermitteln sie mir den Eindruck, sie kämen aus dem Universum – oder genauer: sie sind das Universum als System von Schwingungen und ich bin ein Teil davon.

Selbst jetzt im Sitzen spüre ich noch ein leichtes, sanftes, angenehmes, aber schon fast unmerkliches Vibrieren im Bauch.
Wenn ich genauer hinspüre, dann kommen die Vibrationen bis zu den Füßen und Händen und in den Kopf.

Selbst jetzt im Sitzen, wo ich in mich hineinhorche, kommen ein paar Mal diese Wellen als Zuckungen über mich, durch die gekrümmte Sitzhaltung jedoch schaumgebremst.
Der Nacken scheint ein wenig eine Barriere der Wellenausbreitung zu sein, trotzdem schwappt manchmal eine Welle bis in den Kopf und bearbeitet deutlich spürbar den Scheitel.

Ich verweile einfach in diesem Zustand, denn er ist so schön.










(1.3.2020)










©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com