Montag, 9. März 2020

1802 Ich geniere mich


Heute habe ich den Weg zur Albertina mit der Straßenbahn zurückgelegt, bin beim Burggarten ausgestiegen, habe den durchquert und an der Stelle, an der einmal fast ein Wunder geschehen ist, gelächelt, bin zur Albertina hinten die Stiege rauf und nach Durchquerung der Eingangskontrolle kurz ratlos dagestanden mit der Frage, wo ich denn heute mit meinem Rundgang beginnen könnte, und bin dann zielstrebig in den Bereich marschiert, der mich immer etwas nervös macht – weiß der Teufel, warum – und so sitze ich nun im zweiten Raum der Hahnlos-Sammlung und betrachte ein Bild von Cézanne und die alte Bekannte, die dunkle Bretonin von Gaughin.

Was bremst hier meine Euphorie? Das Viollette, das ich als Farbe nicht so mag, aber mit der originalen Hängung der Bilder zu tun hat?

Ich kann zwar dem Häuschen in der Provence nicht widerstehen und will es auch gar nicht; die sommerliche Hitze ist spürbar.

Ich drehe mich um zu den leichten Aquarellen von Cézanne, die mir plötzlich wie Vorläufer zu Weiler vorkommen – kunstgeschichtlich wohl etwas verquer, oder? - und gehe dann weiter.

Nun hocke ich mit den zwei Nackten bei Manguin und Matisse und gehe schon wieder weiter, obwohl ich Nackerte und schattenspendende Gärten und den Mittagsschlaf sooo gern habe.

Jetzt stehe ich vor Marguets Notre Dame und suche Erinnerung und Wiedererkennen aus meiner wahrlich, wahrlich verrückten Pariser Zeit.

Zwei Redons nehmen mich noch kurz gefangen und sogar der gezeichnete Kleiderfaltenwurf – aber nur der! - auf einem Toulouse-Lautrec.

Beim Vallotton schaue ich die bekannten und unbekannten Nackten an (vorallem), aber einige gehen mir nicht so recht auf (wo ich Nackerte doch sooo gern habe!) - ob es an der Malweise liegt? An den Frauen? An mir? Dafür beschäftigt mich sein Karren mit der wesenhaften Hecke.

Die Lithographien und Bilder von Vuillard und Bonnard sind mir wieder zugänglicher. Malweise und Farbauftrag kommen mir und meinem Subjektivismus entgegen (ich schreibe ja keine objektiven Abhandlungen über Kunstwerke, sondern immer nur über mich selbst).

Sogar vom Hodler gefallen mir sein Wetterhorn außerordentlich und auch sein Jungfraumassiv, das mir wie eine riesige Tempelanlage vorkommt – also beides Heilige Berge – für soetwas bin ich anfällig.

Je länger ich das Wetterhorn anschaue, desto außergewöhnlicher finde ich das Bild (die Zauberer dürften schon recht haben: daß Kunstwerke Geistfänger sein können – aber ich erlaube meinem Geist gerne diese Ausflüge – alles andere ist mir egal – man gönnt sich ja sonst nichts). Die anderen Bilder von ihm – außer diesen zwei – lasse ich links und rechts liegen respektive hängen. Diese zwei werde ich heute mitnehmen, an sie werde ich mich erinnern.

Und immer und bei allen Bildern, die ich der Betrachtung würdig finde, finde ich das Nähe-Distanz-Spiel so spannend: nah zum Bild, ein paar Meter Abstand; mit, ohne Brille. Das ist so unglaublich!

In der Batliner-Sammlung bleibe ich als Erstes bei Vuillards blauem Zimmer hängen (und denke dabei an das blaue Zimmer in Rettenschöss), als Zweites bei der Werefkin (eigentlich Huber-Sammlung. Nein, meine Sammlung darf nicht Rumpf-Sammlung oder Sammlung Rumpf heißen, sondern Sammlung Sternenhimmel, ich bleibe dabei), dann drehe ich mich auf der Bank unelegant um und schaue aus einiger Entfernung auf die zwei Jawlensky-Landschaften, durch BesucherInnen und KnipserInnen ständig abgelenkt.

Meine Erholungsstation bei den zwei Städtebildern von Kokoschka und zunehmend rutscht auch der Boeckl rechts (Bildnis M.B.) herein. Jetzt merke ich schon meine Müdigkeit und aufkommende Unterzuckerung; der Thöny, den ich eigentlich mag, kommt gegen die Kokoschkas und meine anhebende Erschöpfung nicht auf. Es wird Zeit für den Nach-Hause-Weg.

Die Kokoschka-Himmel wären allein schon eine Reise wert, der über London zum Beispiel ist ein Wahnsinn! Oder Elbe und Themse!

An meinem blauen Lieblings-Chagall und den Klees eile ich flott vorbei, stelle entsetzt fest, daß Giacomettis Käfig fehlt und raste bei den Sphinxen vorm wirklichen Aufbruch.
Ein Photo will ich noch machen: Hand am Bü der rechten Sphinx.

Da jetzt gerade viele Leute durchgehen, kann ich das nicht fotografieren. Wartend betrachte ich mich im Spiegel und stelle fest: ich sitze wie ein armer Wicht da, angelehnt, den Kopf schief wie bettelnd – und jetzt geht es!

Done. Will noch ein zweites Photo probieren.

Geht nicht. Es kommt mir einfach zu blöd vor. Ich geniere mich!










(9.3.2020)












©Peter Alois Rumpf,  März 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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