Freitag, 24. November 2023

3473 Besuch bei Boeckl und Kokoschka

 



Ich bin auf Besuch bei Boeckl und Kokoschka in der Albertina modern. Im großen Saal habe ich mich jetzt hingesetzt. Mir gefällt das sehr; und dass die Albertina diese ihre Schätze herzeigt. Meine Augen machen mir Schwierigkeiten beim Finden und Einstellen des richtigen Abstandes: mit und ohne Brillen passt er nicht. So verlieren sich meine Blicke in der Weite des Saales. Am stärksten macht sich von hier aus die Boeckel’sche Frau (Stehender Frauenakt (Tertschi),1953, Öl auf Holz) bemerkbar. Kein Wunder: das Bild ist groß, farbig, die große, schöne, starke Frauengestalt lächelt und leuchtet geradezu hervor aus ihrer bläulichen Umgebung, und steht so stark und gekonnt da.

Ich habe den Platz gewechselt. Der blaue Krug von Boeckl gefällt mir auch (alles mehr oder weniger Zufallstreffer). Lange betrachte ich seine hochschwangere Frau. Unglaubliche Intensität (zum Beispiel auch der Boden).

Ein bisserl noch bei den Kokoschkas, dann werde ich gehen. Fürs erste genügt es (Naproxen HCS 550 mg). Ich werde sicherlich öfters kommen.


(24.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3472 Leerer Blick

 



10:26 a.m. Ich bin in der Schreibvorbereitungsphase erstarrt und schaue mit leerem Blick aus meiner Position im Bett auf mein Zimmer, während ungewöhnliche, vermutlich Baugeräusche an die Fensterscheiben drängen. Vom unteren Stockwerk kommen die geschäftigen Geräusche der Tageskinder herauf und helfen mir bei der Verankerung in der Realität. Oh, jetzt gibt es unten einen großen Jammer; der zieht all meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich werde wohl aufstehen, aber vorher strecke ich noch meine Glieder.


(24.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 23. November 2023

3471 Von Graz über Schweden nach Wien

 



Mit 24 Jahren bin ich von Graz nach Wien übersiedelt. Mein Studium hatte ich aufgegeben, mit dem Tischlerkurs war ich defacto gescheitert, wenn auch nicht „de iure“, denn formal hatte ich die Gesellenprüfung geschafft, aber ich war viel zu ungeschickt, hatte Angst vor den Maschinen, war viel zu weltfremd und konnte handwerklich viel zu wenig (nicht umsonst bin ich unter der Ansage „du hast zwei linke Hände, du bist für nichts zu gebrauchen“ aufgewachsen). Als ich nach dem Studiumabbruch den als Umschulung vom Steuerzahler bezahlten Tischlerkurs begonnen hatte, wollte ich wirklich schlicht und demütig ein einfacher, braver Handwerker werden und habe das auch beim mißtrauischen, vielleicht prophetischen Arbeitsamtbeamten („… dann wollen sie alle irgendwas mit Kunst machen …“) durchgesetzt. Was für eine Illusion dieser Plan vom braven Handwerker war! Aber während ich den Kurs absolvierte und weil ich mich in dieser Zeit mit meiner linken Blase (soziologisch gemeint!) überworfen hatte, kam ich auf die Idee, nach Schweden auszuwandern, weit in den Norden, weitab vom Schuß, möglichst in einen langweiligen Ort, um einsam und isoliert ein bescheidenes Dasein zu fristen. Das aber war eine genauso unrealistische Idee wie die vom Tischlerkurs, wie ich nach Abschluß des Kurses bei meiner Schwedenreise – zum Teil per Zug, zum Teil per Autostopp – feststellen mußte: Ich bin dort nur sinnlos herumgeirrt und wußte nicht, wie ich auch nur irgendeinen Job auftreiben könnte.

Also wieder zurück. Auf dem Weg nach Graz per Autostopp fand ich eine Mitfahrgelegenheit nach Bruck an der Mur, denn die Frau fuhr nach Wien. Nach einiger Zeit im Auto dachte ich mir: „du mußt eine Arbeit suchen, du mußt ein Zimmer suchen … du kannst genauso gut in Wien anfangen“ – erleichtert dadurch, dass ich mit „meiner“ Szene in Graz total gebrochen hatte. So landete ich zufällig in Wien.

In Graz hatte ich schon – nachdem ich Castaneda zu lesen begonnen hatte und mich diese Geschichten völlig gepackt hatten – alle Arten von Drogen (Alkohol, Kaffee,Tee, Zucker, Selbstbefriedigung – mit Haschisch hatte ich ohnehin kaum Erfahrungen und mit anderen Mittelchen überhaupt keine) und damit meinen vorher üblichen Lebenswandel aufgegeben und mir Nüchternheit, Disziplin und Konfrontation mit der Wirklichkeit verordnet. Außerdem hatte ich weniger gegessen und deutlich abgenommen.

Von Wien war ich zunächst sehr geschockt. An der Arbeitsstelle war ich, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ich handwerklich weit vom Niveau eines Gesellen entfernt war, als Hilfsarbeiter angestellt - was mich wegen des geringeren Anforderungsprofils durchaus erleichtert hat und mir deshalb aus meiner Erfahrung dort (Konfrontation mit der Wirklichkeit) dann recht war – aber selbst dafür war ich zu unselbständig, zu unsicher, zu ungeschickt („Peda! Sei nit schaasaugert!“), sodass ich (Spoiler!) später nach ein paar Monaten auch als Hilfsarbeiter gekündigt wurde. Mein Plan, als bescheidener Mensch ein bescheidenes Dasein zu fristen, löste sich – wiewohl ich es vor lauter Entsetzen zunächst nicht recht wahrhaben wollte, aber wahrgenommen habe – auf; ich war also nicht nur mit meinem Studium gescheitert, sondern scheitere gerade auch mit meinem Plan B.

Und die Stadt: alles war mir fremd, die Sprache unsympathisch, die Leute zu laut, zu aufgeregt, zu frech; die Stadt selbst so grau, so grau, so grau (1978) und zu weitläufig. Ich wohnte im 20. Bezirk in einer Substandardwohnung des Wiener Zuwanderungsfonts (befristet), der Bezirk ein absoluter Kulturschock, vor den Nachbarn, den Leuten im Betrieb hatte ich Angst, vor den Leuten in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich lebte wohl in einer Art Angststarre, dennoch versuchte ich tapfer, die Folgen meiner Lebensentscheidungen, welche ich tapfer versuchte nicht zu bewerten und nicht zu bereuen, zu akzeptieren und die Konsequenzen auszuhalten. Ich habe es noch vor meinem inneren Auge, wie ich gegen 6 Uhr in der Früh bei der damaligen schlechten Verbindung vom 20. in den 15. Bezirk im Bus sitze, von Angst und Kälte (Herbst) bedrängt, kaum in der Lage, wenigstens ein minimales seelisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, Castanedas „Reise nach Ixtlan“ lesend, an das ich mich geklammert habe um nicht durchzudrehen und alles tapfer, tapfer – ich betone: tapfer auszuhalten. In der Wohnung hatte ich kein Bad, kein Klo (nur am Gang), und – nur mit einem Rucksack angereist – außer den vier damals bereits erschienen Castanedabänden keine Bücher, kein Radio, keinen Plattenspieler – also keine Musik – Fernseher sowieso nicht. So war ich fast ohne Ablenkungsmöglichkeit bei meiner „Konfrontation mit der Wirklichkeit“ und – wie es so schön heißt: „auf mich zurückgeworfen“ und gnadenlos mit meinem Scheitern konfrontiert. Die Wohnung war absolut kein „kuscheliger“ Ort, Küche und Kabinett mit Glastür zum Flur, klein, kalt, scheußlich eingerichtet, alles abstoßend designt (ich durfte nichts ändern; wäre aus Geldmangel auch nicht möglich gewesen), als Heizung nur ein Radiator, der selbst denn kleinen Raum kaum ausreichend erwärmen konnte. Gerade zu Beginn meines Jobs hatte ich kein Geld – ich bin mit leeren Händen nach Wien gekommen – sodass ich tatsächlich zu wenig zu essen hatte und zumindest bis zur ersten Lohnauszahlung darbte („Hearst Peda! Host ka Moach!“ (Mark) schrie mich der Chef an, als ich beim Spanplattenschleppen fast eingegangen bin). Ja, ich passte dort überhaupt nicht hin; so ungeeignet wie nur was.

Ich hatte mir auch angewöhnt am Rücken zu schlafen (das schon in Graz, weil ich schon damals merkte, dass ich mich gegen die Angst nicht noch mehr in Seitenlage einkrümmen und ausblenden konnte und mich auch so, am Rücken, offen meine Leibesmitte preisgebend, mich der Wirklichkeit stellen wollte) und das hat dazu geführt, dass ich auch an meinen freien Tagen sofort nach dem Aufwachen aufgestanden bin. Meistens bin ich stundenlang in der Lobau herumgewandert; Kaffeehaus, Gasthaus, Kino, Konzerte, Theater – das alles war finanziell überhaupt nicht drinnen; nur ein Abo in einem Souterrain-Bodybilder-Loch hatte ich mir vom Mund abgespart, weil ich meine körperlichen Kräfte fürs Spanplattenschleppen stärken wollte – in der proletarischen Szene dort war ich genauso fremd, verängstigt und völlig fehl am Platz – ich fand auch keinen Kontakt und somit keinen Sparringpartner zum Trainieren, somit ging nichts weiter und so hatte ich das dann auch bald aufgegeben (wieder gescheitert!). Mein Sonntagsabendgefühl war damals noch schlimmer als zur Schulzeit, weil ich als Erwachsener mir mit meinen Entscheidungen meine grauenhafte Situation selbst eingebrockt hatte. Es war wirklich grauenhaft und ich mußte alle meine seelischen und geistigen Kräfte mobilisieren, um das alles auch nur auszuhalten.

Dennoch – oder gerade deswegen – hatte ich auch interessante Erfahrungen: ich hatte die „erste Pforte des Träumens“ – wie es meine „Referenzzauberer“ nennen – erreicht, die erste Stufe des magischen Träumens, wo man luzide träumt und beginnt, seine gewöhnlichen Träume zu stabilisieren und damit zu verwandeln und in ihnen bewußt zu agieren, als ich einmal beim Einschlafen mein normales Bewußtsein nicht verlor, sondern - der Körper schlafend – wach in einem roten Ambiente ohne übliche Traumszenen dalag. Mehr als Anklopfen an diese Pforte war es nicht, eher noch weniger, denn um dieser Tor zu durchschreiten muß man mit der Alltagswelt zurecht kommen und sein Inneres geordnet haben (um genug Energie für diese Reise zu haben und keine herumschlagenden offenen Ende in seinem Leben). Ich aber kam mit der Alltagswelt (außen und innen) nicht zurande, im Gegenteil, ich war nichteinmal in der Lage, mir günstiges und nicht überteuertes Geschirr oder passende Schuhe zu kaufen – ich meine: ich habe trotz eklatantem Geldmangel überteuertes Geschirr – eh nur das notwendigste: einen Teller, eine Schüssel, einen Topf und Messer, Gabel, Löffel – und zu kleine Arbeitsschuhe gekauft.


(23.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3470 Etwas Weinerliches

 



3:08 a.m. Etwas Weinerliches in mir sehnt sich nach etwas Unbestimmten; das fühlt sich fast wie Liebeskummer an, aber wer oder was ist gemeint? Ein Schmerz, der sich auf Herz reimen könnte. Ich weiß selbst nicht, was ich davon halten soll: ist das etwas völlig Verlogenes, Aufgesetztes oder kann eine echte Empfindung sich nur so entstellt artikulieren, weil ich sie so sehr abdränge? Es bringt mich beim Anhören von Musik zum Weinen und hat doch - so kommt mir vor – resignativen Charakter. Ach und jetzt senkt sich wieder mein Gesichtsfeld nach unten und bleibt doch an derselben Stelle; ein vertikaler Schwindel sozusagen, wo sich alles nicht rund um einen als Wirbelsäulen-Achse dreht, sondern so, dass einem die Drehachse quer durch den Kopf geht, etwa von Ohr zu Ohr; vorne nach unten, hinten hinauf.


(22.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3469 Die Blätter fallen lassen

 



13:40. Der Hof neun hat schon die meisten Blätter fallen gelassen; zwei Lindenbäume - einer links außen und einer rechts außen - halten noch Stand. Die Blätter wandern von links nach rechts, einzelne reiben so richtig am Asphalt dahin. Der Wind ändert die Richtung und dreht sich nach allen Seiten. Ein Vogel singt (Meise?). Daraufhin kehrt der Wind wieder auf links nach rechts zurück. Das Sonnenlicht oben auf den Fassaden ist erstaunlich weiß. Die weißen Wolken am blauen Himmel wandern von rechts nach links. Menschenleer wie vorhin ist es hier nun nicht mehr. Ein Blatt auf der Wiese katapultiert sich in lauter Saltos nach rechts. Jetzt geht es richtig los, die Blätter stieben nach allen Richtungen. Der Himmel ist fast wolkenlos.


(20.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 17. November 2023

3468 Enorm wichtig

 



10:59 a.m. Immer wenn ich ins Narrenkastl auf mein Bücherregal starre und da – weil die Karte geradezu blickzentral dort lehnt – auf das Bild der frankophonen Schweizerin, wird diese in meiner Wahrnehmung so dick, wie sie es gar nicht ist. Vielleicht ist das der Effekt der weißen, züchtig niemals der Sonne ausgesetzten Haut, deren gemalte Helligkeit so stark abstrahlt und damit den üppigen Eindruck hervorruft. Ein kleiner, herzlicher Husten erinnert mich daran, dass ich ein alter Mann bin und akzeptieren sollte, dass die nackte Haut halbnackter Frauen mich allmählich nichts mehr angehen sollte, wenn ich halbwegs würdig sterben will (nicht so wie mein Vater, der im Sterben noch unbedingt den Busen der rumänischen Vierundzwanzigstunden-Betreuerin sehen wollte).

Obwohl: würdig sterben, ist das so wichtig? Vielleicht nur fürs Ego und das ist im Sterben sowieso erledigt. (Irgendwo ist da ein gewaltiger Denkfehler; ich spüre und ahne ihn, bin aber zu faul, die Sache jetzt aufzudröseln).

Gut, dann stehe ich auf.

Nachtrag: wahrhaftig und aufrecht in den Tod gehen ist enorm wichtig.


(17.11.2023)

Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 16. November 2023

3467 Zahnausflug

 



Vor den frühneuzeitlichen Häusern sitze ich auf der Bank, und vorm polnischen Institut, der Hannakenbrunnen über den betrügerischen Bader ist auch da. 9:30 ante meridiem ist es und ich bin schon so früh unterwegs zu einem Zahnarzttermin (-in genaugenommen). Tauben patroullieren am Passauerplatz und Passantinnen gehen auf die Stiege zur gestadeten Maria zu. Dünne, gerippte Wolken rasen mit erstaunlicher Geschwindigkeit über das Firmament; hier herunten wehen nur kleine Lüftchen (so und so). Ein schöner Anblick diese Häuser und der Platz; die Proportionen angenehm für das Auge. Und wieder wird eine Schulklasse der nahen Schule irgendwohin getrieben. Sind das Linden da hinter und neben mir? Ich bin unsicher (Yes! Winterlinden – ich habe im Baumkataster nachgeschaut – der Eintipper).

Frühstückssatt (das zweite!) und koffeingepusht sitze ich nun nach der Zahnbehandlung im wunderbaren Espresso Burggasse, der Zeitungslektüre voll und schön beschallt (zu Beginn sogar The Smiths – da weht mich eine Blueboxnostalgie an, wenn auch die Zeit um 12 Stunden verschoben ist) und nuckle noch am kalten Kaffee (der zweite!) und am Wasser in zwei Gläsern herum, mit einer gewissen inneren Fröhlichkeit (der nächste Zahnärztintermin ist noch weit weg) und einem schönen Tag mit abendlichem Fußballspiel live übertragen (Estland versus Österreich) sollte nichts im Wege stehen. Die Klos sind im Moment beide außer Betrieb (das der Damen kaputt, das zum Unisexklo deklarierte Herren- - wie auf einem Zettel steht – nur für kurz wegen einer schnellen Reparatur). Ich unterdrücke meinen gemütlichen Stuhldrang (das auch mit einer gewissen resignationsaffinen Selbstverhinderungslust) und beschließe als nicht allzusehr überschlagende Ersatzhandlung zu schreiben. Erstaunlicherweise bin ich von den zwei Cappuccini noch nicht in vollem Koffeinrausch, sondern nur angenehm angetörnt. Deshalb überlege ich, ob ich eine Nummer drei riskieren kann oder ob ich dann überschnappe. Der Stuhldrang macht mich etwas unruhig auf der Bank. Zur Ablenkung schaue ich aufs Smartphone.

So! Alles ist überstanden; das Klo wieder offen. Also noch einen Cappuccino? Ja, was soll’s! Einen Kaffeerausch halte ich schon aus. Das Lokal ist nun etwas leerer, was mir angenehm ist. (ach! ihr Logiker! Ich weiß: etwas ist leer oder eben nicht. „leerer“ ist unlogisch. Trotzdem kann ein jeder (sic!) verstehen, was gemeint ist. Ihr kritisiert die Sprache anhand einer Logik, die ihr erst aus der Sprache unter Reduktion ihrer Komplexität extrahiert habt. Eure Logik liegt in der Sprache und nicht außerhalb. Die Sprache ist umfassender als eure Logik, weil sie – natürlich nur mit ihren beschränkten Mitteln, aber in echt – auch Brücken und Stege ins Unartikulierte und Unsagbare bauen will, wobei sie an Grenzen stößt und dafür nicht ausreicht. Nicht ausreicht – trotzdem sind ihre Versuche nicht sinnlos). (Meine Schrift und meine Sprache zeigen schon Züge von Uberkandidelung.) Aber das kann ich jetzt schon sagen: mein Ausflug in das Café heute ist ein voller taktischer, emotionaler, psychophysischer Erfolg (ob schriftstellerisch wird sich erst weisen). Zeitungspause. Die Musik klingelt so dahin. Innere unglaubwürdige Selbstrechtfertigungsmonologe (gerichtet an die Menschen da draußen). Mein erfolgreicher Besuch hier neigt sich dem Ende zu; ich spüre bereits die Aufbruchsstimmung aufsteigen. Der Kellner kratzt sich am Kopf. Ich werde allmählich unruhig. Ich freue mich auf den Spaziergang nach Hause. Zahlen. Luxus hat seinen Preis. Auf die Rechnung wartend starre ich ins Narrenkastl (in das Geglitzer der metallenen Kaffeemaschinenverkleidung).




(16.11.2023)




Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3466 Genug Platz

 



14:50. Am kleinen Säulengleditschienplätzchen vor „unserem“ Haus warte ich auf der Bank mit meinen mega Einkäufen im vollen Trolley die Tageskinderabholphase ab (Rushhour im Vorzimmer). Kalt ist es für diese Jahreszeit wirklich nicht, aber frisch. Die weißen Wolkenfetzen ziehen in enormem Tempo über das Firmament (das in Wirklichkeit gar nicht so stark und fest ist). Akustisch dominieren irgendwelche Sirenen (ich kann sie weder nach Melodie, noch nach Sound unterscheiden und zuordnen). Die ersten Eltern verlassen mit ihren Kindern das Haus. Der Wind ist sehr lebhaft; zupft und taucht an allem herum, das leicht und irgendwie beweglich ist. Eine Nebelkrähe kommt auf Besuch, läßt sich aber von ein paar lauten Buben gleich wieder vertreiben. Außerhalb des Tageskinderkontextes (sprich: in unserer Wohnung), also auf der Straße, erkenne ich die Eltern nicht wirklich beziehungsweise ist meine Unsicherheit, ob das die Mutter, der Vater von … ist, sehr groß (ich muß bei Krimis oft meine Frau fragen: „ist das jetzt die Kommissarin oder die eine Verdächtige?“ – meine Gesichtserkennungsfähigkeit ist als scheinanwesender Paria eingeschränkt). Der letzte Vater mit seinem Kind kommt aus dem Haus. Jetzt sollte für den vollen Trolley genug Platz durchs Vorzimmer sein.


(15.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3465 Laternenfest

 



2:40 a.m. Ich habe nichts mehr zu erzählen. Alles Wichtige habe ich schon erzählt (das weiß ich, weil ich in letzter Zeit einige meiner alten Texte wieder gelesen habe). Bleibt nur noch das Unwichtige. Gibt es überhaupt Unwichtiges? Alles passiert zwischen Leben und Tod! So schaue ich vor mich hin und warte auf Erleuchtung. Schon etwas spät dafür, denn die Augen wollen nicht mehr offen bleiben. Eine ganz subtile Fremdheit zieht herein und dieser Luftzug will mir Unbehagen machen. Das Laternenfest heute war schön (Laternenfest! nicht Lampenlöschfest!). Schön haben die Papiermachékugeln geleuchtet in der frühen Finsternis.


(15.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 14. November 2023

3464 Hello Darkness

 



„Hello Darkness my old Friend“ geht mir seit Tagen im Kopf herum. Ich sitze bei den zwei Sphinxen, aber befrage die zu großköpfigen Weiber nicht (ich will, wenn, dann eine verbindliche Antwort, nicht zwei). Die Katharina Grosse habe ich schon absolviert (ego te absolvo); mehr mag ich heute gar nicht anschauen: der Helnwein interessiert mich überhaupt nicht und zu meiner geliebten Sammlung Batliner mag ich nicht raufsteigen. Immerhin habe ich mein Zimmer verlassen, das muß für heute genügen. So sitz ich auf der Fensterbank und will etwas über die Vielen schreiben, die da vorbeigehen, aber mir fällt nichts auf, beziehungsweise sind sie zu kurz in meinem Blickfeld, als dass ich vom ersten Begegnungsschock noch zum Wahrnehmen überwechseln kann. Überhaupt bin ich hier zu exponiert. Ein paar kurze Blickwechsel, wenn ich aufschaue, zum Beispiel mit einer besorgten Frau, die ihren Mann, der sich um auszurasten auch auf die Bank gesetzt hat, abholen kommt (vielleicht war sie am Klo). Oder jetzt eine festere Frau mit kurzem, abenteuerlustigem Blick (ob sie selbst von ihrer Abenteuerlust weiß, oder die nur eine sozialisationsbedingte rustikale Angewohnheit ist ohne Bezug zu ihren tieferen Schichten, weiß ich nicht; auch nicht, wenn die Abenteuerlust (oder eventuell auch ländliche Demütigungslust) wirklich da ist, wie weit sie geht. Interessiert mich auch nicht). Hello darkness my old friend. Kritische Blicke gibt es auch. Meistens sitze ich mit gesenktem Kopf, nicht nur, aber vornehmlich des Schreibens wegen. Hello darkness my old friend. Warum habe ich damals den Text des Liedes nie gehört oder aufgenommen? Vermutlich habe ich von vornherein angenommen, dass ich den englischen Text nicht verstehen kann; dabei habe ich damals das Lied gemocht. Ein einsamer, aber fröhlich grinsender Mann mit Hut geht flott vorbei. Und einer mit einem Goscherl wie ein Flascherlkind. Aber Leute ausrichten ist zu wenig für einen ordentlichen Text; da muß mehr kommen. Jetzt geht gerade niemand vorbei. Nur die Stimmen. Jetzt geht es wieder los. Ich glaube, ich werde den Platz verlassen.

Am Weg auf meinen neuen Platz draußen vor der Tür habe ich in den vielen Spiegeln gesehen: ich gehe steif wie ein alter Mann. Und hier auf der Albertinarampe, im Freien, kalt ist es nicht, aber ein starker Wind bläst mir die aus meinem Rossschwanz herausgelösten Haare ins Gesicht und treibt Blätter und Laub in die Flucht. Es ist genug – ich gehe jetzt nach Hause. Gottseidank habe ich eines (ausgeborgt). Ach ja! Viele Schulklassen werden zur Albertina hin und durch sie durch getrieben.

(14.11.2023)

Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3463 Staub

 



2:05 a.m. Der Staub tanzt im Lichtkegel der Leselampe. Die meisten Staubpartikel fliegen nach oben, wie es ausschaut in die Lampe hinein („unter deinem Schutz und Schirm …“), einzelne Staubflanken setzen sich auch an den hellerleuchteten Rand des Lampenschirmes; im Licht kann ich sie sehen. Ich muß niesen und die ganze Performance fängt wieder von vorne an. Mein Geist greift ins Leere, aber schlafen kann ich auch noch nicht. Ich denke mir – aber unsystematisch, fragmentarisch und ohne Linie und inkonsequent irgendwelche Dialoge aus (also weit entfernt von Hörspiel, Theaterstück oder Roman); das geht so nebenbei und meistens erkläre ich fiktiven GesprächspartnerInnen etwas oder mich. Ich betrachte wieder die Stäubchen am Lampenschirmrand und schaue, ob eines dazugekommen ist. Ich sehe keine Veränderung.


(13.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 10. November 2023

3462 Chemische Prozesse

 



8:30 a.m. Mali Lošinj ist heute so groß, wie ein grauer Schlund, der sich vor mir auftut und näher kommt und sich auf mich stürzen will. Ich schließe die Augen, die brennen. Inzwischen war ich im Hohlraum des Beobachtungsbaumes (wo die „Schlange“ sitzt und fälschlicherweise „Äpfel“ verkauft?). Wie soll das weitergehen? Vielleicht sollte ich mir zur Vorbereitung angewöhnen, mich als Konglomerat von - zum Beispiel - chemischen Prozessen zu sehen. Vielleicht ist dann alles besser auszuhalten.


(10.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3461 Gestammel über Miles Davis

 



2:39 a.m. Ich habe mir gerade einen Miles Davis angehört: „Bitches Brew“ (die habe ich noch nicht lange). Es ist unglaublich, wie schön diese Musik ist; mein Favorit: „Feio“ (Wayne Shorter). Und es ist unglaublich, dass damals Davis mit seinen Musikern Konzertsäle und Festivals füllen konnte. Das kommt mir für heute unmöglich vor. Diese Musik verträgt kein Berieseln; es lohnt sich, sich darauf konzentriert einzulassen, mit aktivem Zuhören. Vor knapp fünfzig Jahren war es „Big Fun“, die ich wieder und wieder angehört habe; die habe ich regelrecht rauf und runter studiert (mittels Anhören, nicht mit Analyse), und diese Stimmung damals kann ich fast immer abrufen: die verdämmernden Nachmittage in der kleinen Studentenbude und mein andächtiges Zuhören. Wie da immer wieder musikalische Spannung aufgebaut wird, die sich dann wieder entlädt. „Herzzerreißend“ möchte ich fast herschreiben, wenn dieser Begriff nicht im Kitsch gefangen wäre; man möge ihn etwas wörtlicher nehmen. Diese Musik (Big Fun, Bitches Brew) ist absolut auf der Höhe der Zeit. Sie spiegelt unsere Leben in der modernen Zeit (vor der Postmoderne, die ich im Verdacht habe, nicht viel anderes zu sein als der Ringstraßenbaustil, also verlogen. Freilich muß man auch da schauen, wie man auch in solcher Zeit zurecht und weiterkommt und einiges wird schon gelingen können). Wie wir unbehauste Menschen jeden Schritt selbst erfinden müssen und den Zusammenhang. Oh! - wie viel Feingefühl und Aufmerksamkeit das braucht. Immer wieder passieren „Fehler“, mit denen man weitergehen muß und die man annehmen muß im kreativen Sinn. Immer wieder stößt man an Kontras, Widerstände und Einbrüche und muß damit klarkommen und weiterspielen, ohne von einem Orientierungsgebäude (sprich gesellschaftlich verbindlichem Sinnhorizont) geschützt und geleitet zu sein. So ein fragiles Gewebe, keine Flucht ins – angeblich – Selbstverständliche, fast alles muß neu gefunden werden. Und beglückend, wie es gelingt. Das Auskosten des einzigartigen Moments. Es gibt kein äußeres Gesetz. Alles muß von Innen kommen und empfunden und gefunden werden. Ja, ja, es ist ja noch der Bass, der alles zusammenhält (fast wie bei Bach; aber gut, davon versteh ich wirklich überhaupt nichts!) und der das Geschehen sanft, entschieden und kraftvoll weitertreibt, aber ohne jede Angeberei, ohne autoritär zu sein. Ich würde fast sagen: diese Musik ist auf areligiöse Weise religiös. Ja gut, dass ist völlig mißverständlich und kann alles Mögliche und Unmögliche heißen. Ich meine: diese Musik schafft es, den Zusammenhang herzustellen (der nicht selbstverständlich vorgegeben ist wie in früheren Zeiten) und über sich hinauszuweisen. Und zwar durch Schau nach innen, die Musiker (und auch der Hörer) muß nach innen horchen. Die Musiker müssen nach so einem Konzert völlig erschöpft gewesen sein von dieser seelischen, geistigen und körperlichen Anstrengung. Dass für die Schallplatten das Material oft bearbeitet und neu zusammengestellt wurde, ändert nichts daran; die das machten, mußten wie die Musiker beim Liveauftritt arbeiten, ungeschützt und mit demselben Feingefühl und derselben Konzentration.


(10.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 9. November 2023

3460 Nicht tapfer

 



9:55 a.m. Noch zerbröselt mein Zimmer in lauter einzelne Lichtpunkte, noch ärgert mich ein neuerlicher Anruf mit falscher Nummer und regt mich auf. Ich atme tief durch und die Welt wird etwas kompakter, aber irritiert bin ich noch (das Floß, auf dem ich durchs Leben treibe, ist sehr fragil). Ein ungewöhnlich heftiger Frust hat mich gepackt und hält mich fest. Lange wird mein Versteck nicht mehr halten. Bald werde ich auffliegen. Auffliegen als jemand, der wehrlos ist und sich nicht wehren kann (ich weiß, redundante Verdoppelung; ist mir unabsichtlich so passiert; wollte etwas von gequält werden hinschreiben). Das wird den Abschaum nur so anlocken; wie in meiner Kindheit; und die politischen und gesellschaftlichen Umstände werden dem Pöbel kaum Einhalt gebieten. Das Schlimmste aber werden meine Angst und meine Korrumpierbarkeit sein. Darum bleibe ich lieber im Bett und genieße noch die Stille in der Ruhe vor dem Sturm, so gut es geht. Ich werde nicht tapfer sterben.


(9.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3459 Der Dings

 



2:36 a.m. Oh! Heute Nacht gafft mich wieder einmal die Katz’sche Junge Frau so kalt, präzise und hochmütig an. Auch die Munch’sche Geliebte schaut so verschwommen und schiefköpfig her und zeigt ihre esoterischen Brüste. Über die anderen Weiber will ich nichts sagen, drum schaue ich auch nicht richtig hin. Ich bleibe ein wenig bei der psychedelischen Altarszene, bevor ich wieder optisch und geistig herumschweife, ziellos, interesselos und müde. Ach, der trefflichste Kubin und seine Stadt im Drogenrausch! Die Gehölze vom … Dings … ach, mein Hirn! … mit seinem Bruder habe ich eine zeitlang studiert … vom Mosbacher! Wegen dem Vornamen Alois schaue ich auf zum Neuvalis, aber die zwei Visionäre sind im Dunklen und ich sehe dort fast nichts. Um Kokoschkas Linz zu sehen, muß ich mir fast den Hals umdrehen.

Langsam wird mir unter der Bettdecke warm. Ach, diese Stille! Mein Horchen will ich auf das universelle Dröhnen in den Tiefen einstellen, aber das Surren ist sehr stark. Ich verletze meinen rechten kleinen Finger leicht an der Papierkante des Notizbuches, wie ich zum Platzsparen bis an den Rand schreibe (manchmal kommt halt der ängstliche, kleinmütige Spießbürger durch). Es wird alles ein wenig unübersichtlich, lau und frustrierend.


(9.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 8. November 2023

3458 So!

 



2:48 a.m. Die Stille hier ist immer so köstlich, bis ich das Surren entdecke, dann ist sie laut und schrill. Es ist recht frisch im Zimmer und mir ist ein wenig kalt. Die Dinge am Regal beginnen sich schon abzusenken ohne ihre Plätze zu verlassen. Im Kopf (oder wo ist das innen wirklich?) lege ich Passagen aus der zuletzt gehörten Musik über mein Surren aus den Ohren. Die Augen fallen mir zu und ich öffne sie wieder. Diese innere Musik bringt mich dazu, die laute Stille wirklich schön zu finden. Ich verweile noch.

9:55 a.m. Mitten im vollen Vormittag bin ich aufgewacht, aber mein Zimmer hält eine gewisse Stille, die wieder recht laut wird, wenn die Alltagsgeräusche rundherum aussetzen. Ich war gerade dabei, mir mit den Augen einen Patzen Traurigkeit herbeizuwinken, aber habe mich noch rechtzeitig abgestoppt. Ich weiß allerdings noch nicht, ob das ein Pyrrhussieg war. Denn die Alltagswelt ruft mich schon recht deutlich, aber ich stehe noch nicht auf und verweile noch unter der warmen Decke und in der Übergangsphase. Hinter meinen zugefallenen Lidern und vor meinen inneren Augen spielen sich Szenen aus dem Tierreich ab. In mein träumerisches Abgleiten hinein höre ich die Tageskinder reden und spielen. Ich verstehe sie zwar aus diesem Abstand kaum, aber kann die Geräusche der Legobausteine – groß – identifizieren. Übergangslos bin ich jetzt in einer traumhaften Kindheitsszene. Es ist diesmal meine rechte Hand, die den Pilotstift hält, die jetzt verkrampft ist. Ich schüttle sie aus und bewege die Finger in der Luft. Dann strecke ich den ganzen Arm aus und schüttel und drehe ihn hin und her, aber ganz löst sich die Verkrampfung nicht. Ich werde alt. Nun vibriere ich meine beiden Hände wie die Maori die ihren beim Haka und wie Tschudo-Judo die seinen im wunderbaren Märchenfilm „die schöne Warwara“. Ganz löst sich der Krampf nicht. Ich schlenkere mit der rechten Hand herum, es knackst auch ein wenig, aber so ein Sehnen-Muskel-Knötchen bleibt. Ich könnte ja mit der linken Hand schreiben, aber das ist mir jetzt zu langsam und zu aufwendig. Der schwarze Rabe mit dem fälschlicherweise gelben Schnabel schaukelt beim Fenster in der Aufwärme hin und her. Ein Anruf, den ich annehme, wo eine weibliche Stimme schnell etwas sagt und gleich wieder auflegt, aber wo ich - da zu leise - nichts verstanden habe, reißt mich heraus und als ich, um die Sache zu klären, zurückrufe, sagt mir die Telefonansage, dass diese Nummer nicht existiert.

Willkommen in der beschissenen Alltagswelt mit ihren beschissenen, weil undurchsichtigen und irgendwie betrügerischen Manövern! Ich meine: wie geht das? Ein komischer Anruf, am Display eine Nummer, und als ich anrufe, behauptet eine anonyme, technische Realität, dass die Telephonnummer, die mich soeben angerufen hat, nicht existiert. Existieren muß sie! Vielleicht versperrt sie sich Rückrufen, aber was soll dann der hektische Anruf? Noch dazu so schnell und leise gesprochen, dass ich nichts verstehen konnte? Wie kann eine existierende Nummer, die mich anruft, sich als nicht existent ausgeben? (Existiere ich eigentlich?) Wie kann der Gesetzgeber solche linken Manöver zulassen? Ist wieder so ein kommerzieller Betrug dahinter? Ah! Die tüchtigen Leistungsträger werden von den Huren der Reichen in Regierung und Gesetzgebung verhätschelt; die dürfen alles. Warum lautet die Ansage bei meinem Rückruf nicht: „du Trottel kannst uns mal! Geh zum McDonalds und halte deine Gosche!“ Oder wenn ich bei der Nummer gesperrt bin, warum lautet dann die Ansage nicht: „Sie sind bei dieser Nummer gesperrt“ (oder von mir aus, weil’s eh schon wurscht ist, warum dann nicht nehammerisch „du bist bei dieser Nummer gesperrt“)? Konsumentenschutz - pfff!

Ja, willkommen in der so tüchtigen, wichtigen Realität als kleines Würschtel, dass von gesetzlich geschützten Gaunern (Leistung muß sich lohnen) nach Strich und Faden verarscht wird. So!


(8.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 7. November 2023

3457 Calle Gran Capitan

 



3:01 a.m. Ich blicke zum Fenster hinüber und die Schatten in der Fensternische bewegen sich. Sie bewegen sich wirklich. Ich führe das auf meine vom Lesen ermüdeten Augen zurück, aber ein wenig bin ich doch erschrocken. Ich lasse mir das auch alleine mit dem Universum nicht anmerken, wie ich mein ganzes Leben versucht habe, mir nichts anmerken zu lassen.

10:01 a.m. Die übliche Morgengräue. Will sagen: das Grau rieselt nur so im Zimmer herum, aber die Bilder, Bücher und Kunstkarten halten optisch dagegen. Und die bunten CDs im hoch aufgerichteten CD-Turm. Allmählich dringt die Unruhe von der unteren Etage in mein verschlossenes Zimmer und meine versteckte Seele. Noch bleibe ich im grauen Versteck. Ich beruhige mich wieder.

11:26 a.m. Warum Calle Gran Capitan? Weil ich auf meiner Spanienreise vor 35 Jahren in Salamanca dort gewohnt habe und mir dieser Straßenname seit Tagen im Kopf herumgeht mit einem ganz vagen und undeutlichen Bild der Gasse im Sonnenlicht, wie ich in sie einbiege und hinaufgehe. Auf meine Erinnerung ist kein Verlaß.

Ich erinnere mich an den Schmerz, der alle meine Handlungen begleitet hat.

„Ein bedeutungsloses Leben saust vorbei wie ein Zug, der am eigenen Bahnhof nicht hält.“ (Carlos Ruiz Zafón, „Der Schatten des Windes“)


(7.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 4. November 2023

3456 In meiner Schräglage

 



8:57 a.m. Heute ist es etwas heller im Zimmer (ich kann ohne Lampe schreiben). Im linken Oberarm zuckt ein Muskel, meine Augen nehmen optimistisch die Lichtstrahlen mit den Korpuskeln auf, schicken die zu elektrischen Impulsen umgewandelten Infos ans Gehirn, auf dass dieses jenes in ein stilles, eher fröhliches, ein wenig verschwommenes Bild verwandelt (Fachleute! Kann man das laienhaft so sagen?). Tatsächlich: das Licht hier hebt mich nach dem Aufwachen aus meiner Albtraumstimmung heraus. Ich fühle mich ganz, ganz wohl hier im Bett, mein Zimmer betrachtend. Kein „Ich sollte …!“ (zum Beispiel: „aufstehen!“) quält mich, die Angst aus dem Albtraum ist wirklich weg, kein Schuldgefühl („warum habe ich es im Leben zu nichts gebracht!“), kein Rechtfertigungszwang („ich konnte nicht anders, weil …“), keine Selbstvorwürfe („hätte ich doch damals …“), nichts von all dem. Ruhig und zufrieden (wörtlich!) liege ich in meiner Schräglage warm zugedeckt da, liebevoll betrachte ich den CD-Turm und gütig lasse ich meinen Blick über das Bücherregal und den Bildern und Kunstkarten gleiten, ohne mich in etwas zu verbeißen.

9:39 a.m. Ich hocke immer noch zufrieden in meinem Bett und habe keine Not. Und obwohl sich mein Geist mit Erinnerungen aus meiner Kindheit zu beschäftigen begonnen hat, zuckt er weder aus, noch verfällt er in Depression.

9:58 a.m. Mein Zimmer ist eine kleine Landschaft und an der rechten Seite – von mir aus gesehen – sogar eine Felswand von wildromantischer Gebirgigkeit. Ich bin so zufrieden hier (wörtlich! in Frieden), dass es keinen Grund gibt aufzustehen, außer wenn ich dann essen will.

10:10 a.m. Gemma Frühstück.


(4.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 3. November 2023

3455 Der ewige Student

 



2:34 a.m. Der Regen klopft an den Fensterblechen seine wunderschöne Melodei (sic!). Ich blicke auf einen guten Tag zurück. Ich liege schon im Bett und meine Muskel werden unruhig; anscheinend wollen sie bewegt werden. Aber ich bin müde und gähne, gähne, gähne. Der Regen wird stärker. Gute Nacht.


10:25 a.m. Gestern stapfte der ewige Student- Hinausschieber und verantwortungsscheu - tapfer durch die Unmengen an Jesus Christus an der Buchhandlung Herder vorbei mit dem Reformhaus Staudigl als Ziel (Lebertee, Prostatatee, Entschlackungstee), unterbricht begegnungserfreut und gerne seinen kopfgesenkten Gang durch die Stadt und trinkt – eingeladenerweise – in der Aida einen Kapuziner/Cappuccino. So schön kann das Leben sein! Später dann, nach dem Erwerb der geplanten Tees reist er weiter in den nostalgisch geliebten 7. Bezirk, ebenfalls ein paar Einkäufe (Cannabisöl und Wilden Lattich gegen die chronischen Schmerzen) zu erledigen – schließlich ist Monatsbeginn mit Weihnachtsgeldauszahlung.

Und heute hockt der alte Mann in seinem düsteren Zimmer im Bett, den Albträumen gerade erst entkommen, das Gesichtsfeld zittert noch an seinem Rand, die Ohren surren im Alarmmodus, die Fußsohlen brennen. Meine Augen fixieren eine Stelle im Bücherregal, wo die Bücher ganz schlecht geschlichtet sind und mein Geist überlegt, wie er das verbessern könnte. Vielleicht sollte ich gleich duschen, um die Albträume abzuwaschen. Jetzt warte ich noch im Bett und schaue den rauen, beige-grauen Verputz der Hausmauer im Lichtschacht an, von dem allein etwas Licht von außen in meine Kemenate abstrahlt. Sonst fällt mir nichts ein. Meinen Mund umschließt ein ganz leichtes Vibrieren, meine Hände fühlen sich ein wenig bamstig an. Im CD-Turm hat sich wieder eine CD schräg gestellt: wieder einrichten oder das als göttlichen Hinweis nehmen und die CD anhören? Naja, schälen wir uns aus dem Bett. Die Miles-Davis-CD lege ich einmal heraus auf meinen Schreibtisch. Keinen schlechten Musikgeschmack die Götter. Ich werde sie im Laufe des Tages anhören.


(3.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

3454 Der ÖFB-Cup

 



11:48 a.m. Der Rabenvogel am Fenster schaukelt und die Angst ist wieder da. Ich könnte schreien vor Angst. Auch die Möwe über meinem Kopf schaukelt. Ich atme tief durch, die Angst in der Leibesmitte läßt etwas nach. Ich beruhige mich und sage mir, die Angst kommt bloß von den Begegnungen mit den anorganischen Lebewesen in den Träumen. Also alles normal. Mein Energiekörper muß sich nur noch ein wenig beruhigen und sich in die Alltagswelt einpassen. That’s it.

Ich bilde mir ein, jetzt ist es im Zimmer etwas heller geworden. Ganz verschwunden ist die Angst noch nicht, aber bald kann ich aufstehen. Und dann wird es schnell gehen: Essen hält Leib und Seele beisammen (wenn ich wirklich nur eine Löffelspitze echten in meinen falschen Kaffee beimische). Die Mittagsglocken läuten; das alarmiert mich wieder (eigenartig: ansonsten beruhigt mich Glockengeläut). Ich werde einfach in einem Kraftakt aufstehen, mich zwingen müssen, mit diesem Angstknoten loszulegen, im Vertrauen darauf, dass er sich in den Alltagsaktivitäten auflöst: Frühstücken, die Einkaufstour zu Monatsbeginn (verschiedene Kräutertees, Heilsalben fürs Kreuz, Cannabisöl gegen die chronischen Schmerzen …), vielleicht sogar mit einer Einkehr ins Espresso Burggasse, am Abend ÖFB-Cup (GAK - Sturm Graz) im Fernsehen … ich habe eine Perspektive.

Ich versuche mich zu sammeln, aber die Angst würgt mich von innen, dass mir flau wird (wie geht der Spruch? „Der Tod sitzt im Gedärm“).


(2.11.2023)


Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com