Donnerstag, 16. November 2023

3467 Zahnausflug

 



Vor den frühneuzeitlichen Häusern sitze ich auf der Bank, und vorm polnischen Institut, der Hannakenbrunnen über den betrügerischen Bader ist auch da. 9:30 ante meridiem ist es und ich bin schon so früh unterwegs zu einem Zahnarzttermin (-in genaugenommen). Tauben patroullieren am Passauerplatz und Passantinnen gehen auf die Stiege zur gestadeten Maria zu. Dünne, gerippte Wolken rasen mit erstaunlicher Geschwindigkeit über das Firmament; hier herunten wehen nur kleine Lüftchen (so und so). Ein schöner Anblick diese Häuser und der Platz; die Proportionen angenehm für das Auge. Und wieder wird eine Schulklasse der nahen Schule irgendwohin getrieben. Sind das Linden da hinter und neben mir? Ich bin unsicher (Yes! Winterlinden – ich habe im Baumkataster nachgeschaut – der Eintipper).

Frühstückssatt (das zweite!) und koffeingepusht sitze ich nun nach der Zahnbehandlung im wunderbaren Espresso Burggasse, der Zeitungslektüre voll und schön beschallt (zu Beginn sogar The Smiths – da weht mich eine Blueboxnostalgie an, wenn auch die Zeit um 12 Stunden verschoben ist) und nuckle noch am kalten Kaffee (der zweite!) und am Wasser in zwei Gläsern herum, mit einer gewissen inneren Fröhlichkeit (der nächste Zahnärztintermin ist noch weit weg) und einem schönen Tag mit abendlichem Fußballspiel live übertragen (Estland versus Österreich) sollte nichts im Wege stehen. Die Klos sind im Moment beide außer Betrieb (das der Damen kaputt, das zum Unisexklo deklarierte Herren- - wie auf einem Zettel steht – nur für kurz wegen einer schnellen Reparatur). Ich unterdrücke meinen gemütlichen Stuhldrang (das auch mit einer gewissen resignationsaffinen Selbstverhinderungslust) und beschließe als nicht allzusehr überschlagende Ersatzhandlung zu schreiben. Erstaunlicherweise bin ich von den zwei Cappuccini noch nicht in vollem Koffeinrausch, sondern nur angenehm angetörnt. Deshalb überlege ich, ob ich eine Nummer drei riskieren kann oder ob ich dann überschnappe. Der Stuhldrang macht mich etwas unruhig auf der Bank. Zur Ablenkung schaue ich aufs Smartphone.

So! Alles ist überstanden; das Klo wieder offen. Also noch einen Cappuccino? Ja, was soll’s! Einen Kaffeerausch halte ich schon aus. Das Lokal ist nun etwas leerer, was mir angenehm ist. (ach! ihr Logiker! Ich weiß: etwas ist leer oder eben nicht. „leerer“ ist unlogisch. Trotzdem kann ein jeder (sic!) verstehen, was gemeint ist. Ihr kritisiert die Sprache anhand einer Logik, die ihr erst aus der Sprache unter Reduktion ihrer Komplexität extrahiert habt. Eure Logik liegt in der Sprache und nicht außerhalb. Die Sprache ist umfassender als eure Logik, weil sie – natürlich nur mit ihren beschränkten Mitteln, aber in echt – auch Brücken und Stege ins Unartikulierte und Unsagbare bauen will, wobei sie an Grenzen stößt und dafür nicht ausreicht. Nicht ausreicht – trotzdem sind ihre Versuche nicht sinnlos). (Meine Schrift und meine Sprache zeigen schon Züge von Uberkandidelung.) Aber das kann ich jetzt schon sagen: mein Ausflug in das Café heute ist ein voller taktischer, emotionaler, psychophysischer Erfolg (ob schriftstellerisch wird sich erst weisen). Zeitungspause. Die Musik klingelt so dahin. Innere unglaubwürdige Selbstrechtfertigungsmonologe (gerichtet an die Menschen da draußen). Mein erfolgreicher Besuch hier neigt sich dem Ende zu; ich spüre bereits die Aufbruchsstimmung aufsteigen. Der Kellner kratzt sich am Kopf. Ich werde allmählich unruhig. Ich freue mich auf den Spaziergang nach Hause. Zahlen. Luxus hat seinen Preis. Auf die Rechnung wartend starre ich ins Narrenkastl (in das Geglitzer der metallenen Kaffeemaschinenverkleidung).




(16.11.2023)




Peter Alois Rumpf November 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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