Mittwoch, 29. Mai 2019

1362 Wie laut diese Stille ist


Wenn es und ich ganz still werden wie in diesem Moment so knapp nach acht Uhr in der Früh, dann öffnet sich der innere Raum und ich kann hören, wie voll und laut diese Stille ist.

Diese Innenwahrnehmung hält nur kurz an, denn nun lösen sie meine wieder aufkommenden Gedanken und die unvermeidlichen Außengeräusche langsam auf und mir fallen meine Vorhaben für heute ein (und ich freue mich).

Beim zweiten Versuch zur Inneren Stille erzeugt mein mit der Feststelltaste fixierte Impuls, meine Wahrnehmungen aufzuschreiben, einen gehörigen Auftrieb in die seichtere Zone und zurück an die Oberfläche.

Dort schwimmt freilich jede Menge Plastikabfall – löst sich lange Jahre nicht auf und bringt die Ökologie meines Unter- und Oberbewußtseins gehörig durcheinander – Plastikmist meines Lebens, die Abfälle falscher Entscheidungen und nicht integrierter Anteile zum Beispiel – und verhindert den „wohldosierten Umgang mit der Welt“ (C.C.), wie auch mein gutes inneres Gleichgewicht.

Der dritte Versuch zur Inneren Stille gelingt gar nicht mehr.










(29.5.2019)












©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1361 Meine Facebookkorrespondenz


Der zur Zimmerbelüftung zwischen die zwei rechten Fensterflügel eingeklemmte äußere linke – der innere linke steht einfach offen – stößt und klopft von Zeit zu Zeit, vom Wind bewegt, der auch das Rouleau sich wölben läßt, gegen die beiden anderen. Ein ertragreicher Tag geht zu Ende und ich beginne meine Abendbetrachtung des Tages mitten in der Nacht. Ich liebe die Regentage, nie sonst ist die Melancholie so sanft und schön und erquickend. Ich bin auf meinen heutigen Wegen trotzdem nicht nennenswert naß geworden; es ist sich alles gut ausgegangen. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Tagewerk, mit meinem Leben und mit meiner Facebookkorrespondenz.










(28./29.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 28. Mai 2019

1360 Eine Welle von Euphorie


Vater, Mutter, Kind – alles wirbelt in meinem Kopf herum, während mein physikalisches Herz ein wenig schmerzt, naja, ein bißchen sticht. Kaffee? Aufregung? Eine Welle von Euphorie kündigt sich über mir – also nicht am horizontalen Horizont – an und ich bin in Erwartung, in Erwartung, in Erwartung: Etwas Großes könnte bald passieren: ob ein Millionengewinn im Lotto, obwohl ich zur Zeit nicht Lotto spiele; mein Durchbruch als Autor, Schriftsteller oder als was-weiß-ich-was; oder daß schon die Bombenflugzeuge auf Wien zu fliegen – die soetwas erlebt haben, schildern, daß vorm Bombenangriff, bevor noch die Alarmsirenen losgingen, immer eine starke Unruhe und irre Euphorie in der Bevölkerung der betroffenen Gebiete aufgetreten ist (der Energybody jubelt, wenn er wieder zum Großen Energiekonglomerat, aus dem er stammt, zurückkehren darf).
Oder was kann es noch sein? Meiner Phantasie sind Grenzen gesetzt, der des Universums keine. Oder viel weitere.

Achja! Das wollte ich auch noch sagen: ich bin sehr glücklich, wenn ich Gelegenheit habe, zu jemandem – wie heute im Bus – freundlich und nett zu sein. Ich bin richtig glücklich dabei, und „'nett' ist der kleine Bruder von Scheiße“ vel der bajuwarische Affenarsch ist mir dabei schnurz – um nicht zu schreiben: scheiß egal.


Ich sitze im Espresso an einem bisher nie benutzten Platz – weil mein Lieblingsplatz besetzt war und das Lokal ziemlich voll – und blicke und schaue auf die Bar mit dem spiegelgläsernen Regal für die Flaschen der härteren Sorte; und gleich bekommt die Vorstellung, mich langsam – das dann bei mir immer recht schnell geht – mit dem Zeug dort zu betrinken, einen ungewissen Reiz aus, aber gewiß ist, daß ich diesem Reiz nicht nachgeben werde.










(28.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1359 Die Traumfrau


Wie „schwer“ ich es als Schriftsteller zwischen Wahn und … äh! … zwischen Traum und Wirklichkeit habe, können Sie daran sehen, daß ich heute erzählen will, wie mir im Traum eine Frau eine ganz wichtige Erkenntnis zukommen läßt und ich sie – ich schätze – schon mindestens fünfmal aufgeschrieben habe, in sorgfältig ausformulierten Sätzen, wohlgeordnet, durchdacht, aber jedes Mal feststellen muß: das Aufschreiben war bloß geträumt.
Diszipliniert und willensstark machte ich mich nach jedem Versuch wieder daran, die Szene zu rekonstruieren, mich an alles zu erinnern, meine Sätze wiederzufinden oder neu zu formulieren, nur um wiederum festzustellen: ich habe wieder nur geträumt, die Geschichte aufgeschrieben zu haben; die Notizbuchseite war leer.
Der Verdacht ist aufgekommen, daß nach jedem Versuch ein wenig vom ursprünglichen Traum und der ursprünglichen Botschaft versickert ist. Und wirklich: jetzt habe ich keine Ahnung mehr, was mir diese Traumfrau sagen wollte.
Ich meine, ich hätte nichts dagegen, im Traum oder als Geträumter zu schreiben, wie es wohl meine Zauberer konnten, aber ich kann das eben auch nicht.

Nur eine kurze Szene aus einem anderen Traum heute kann ich schreibend wiedergeben und anbieten:
Ich treffe meine Eltern irgendwo, nicht zu Hause, möglicherweise alle auf  Reisen, und irgendwann schaut meine Mutter einen Haufen Rechnungen und Kassenbons durch, die einfach so durcheinander in irgendeine Tasche gestopft waren, Rechnungen, die ich bei diesem meinen Aufenthalt eingezahlt habe. Dann sagt sie: „du hast zu viel gezahlt!“ - will sagen, ich habe sowohl nicht berechtigt gestellte Rechnungen, als auch an meine Mutter adressierte Rechnungen bezahlt, die sie jetzt selber zahlen wollte, nicht nur meine eigenen.
Ich erinnere mich im Traum noch dumpf darauf, es irgendwie geahnt zu haben, und daran, daß ich nicht sicher war, ob ich alle diese Rechnungen bezahlen muß, daß heimlich auch der Gedanke aufgetaucht ist: vielleicht zahlt sie alle Rechnungen, aber Hemmungen hatte, meine Mutter darauf offen anzusprechen. Und dann habe ich – begleitet von einer wegwerfenden, scheinsouveräne und pseudogroßzügige Wurschtigkeit suggerierenden Handbewegung und wegen letzterem Gedanken auch nicht ohne Schuldgefühl gedacht: „Dann zahl ich halt alles!“









(18.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1358 Madame La Chatte


Meine zur Tag- und Nachtdecke mutierte Tagesdecke ist schon ziemlich katzenbehaart, aber zu dieser frühen fünften Morgenstunde, da mich Madame La Chatte so lange getatzelt hat, bis ich kreislaufschwindlig und katzenbewacht schnurgerade hinunter gewankt bin, um ihr (in verschlafener Wurschtigkeit viel zu viel) Fressen zu geben, ist mir das egal. Und genau genommen zu den anderen Zeiten auch.

Mein Denken und Assoziieren ist stehen geblieben wie eine Uhr, der die Batterie leer geworden ist. So hänge ich schief und unentschlossen nicht in den Seilen, aber jetzt wieder im Bett, in meine Surrerei eingehüllt und weiß mit dem Schreiben nicht weiter. Ich warte auf Inspiration – sozusagen von oben, oder Intuition - sozusagen von unten-innen (das ist kein Gendersprachenscherz!), daß halt irgendwas aus den Tiefen aufsteigt.
Aufs Bett gesprungen ist jetzt wieder Frau Katz, offensichtlich mit ihrem Frühstück fertig und nun meine Zuwendung einfordernd und ihre anbietend.

Irgendwer in meinem Inneren sortiert irgendetwas in Regale.

Im spanischen Bürgerkrieg verurteile ich die fünfte Kolonne Stalins, die an anderen Mitkämpfern gegen Franco (Sozialisten, Trotzkisten, Syndikalisten, Anarchosyndikalisten, Anarchisten) Morde verübt hat. Durch das ernste politische Thema aufgeschreckt, wache ich aus diesem Traum auf und versuche mir über alle Kombattanten in diesem Krieg – also auch den Faschisten – Klarheit zu verschaffen, über die Untaten, die sie verübt und die sie und die mehr oder weniger (mas y menos) unbeteiligte Bevölkerung erleiden mußten, und zu einem umfassenden Urteil zu kommen – gleich jetzt im Bett, ohne Recherche, nur mit dem, was mir von meiner lange zurückliegenden Lektüre in Erinnerung geblieben ist. Aber gleich jedoch vertage ich – ob auf den St. Nimmerleinstag wird sich weisen – das Ganze, um im Dämmerzustand verbleiben zu können. Nun, lieber zurück in den Schlaf (schließlich habe ich ja keinen Lehrstuhl).

Was noch anzumerken ist: wären wir noch in den Fünfzigerjahren, in denen ich aufgewachsen bin, müßte ich Mademoiselle La Chatte und Fräulein Katz schreiben! (Oder gar Fräu'n Katz für ein älteres, unverheiratetes Semester!)










(28.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1357 Gezackte Linien


Die vibrierenden, gezackten Linien, von bläulich-weißem Lichte umgeben, laufen durch mein Gesichtsfeld und deshalb weiß ich, daß etwas verrutscht ist an meinem Energybody. Das ist immer von stärkerem Surren begleitet, in höchsten Tönen. Erschrecken tut es mich nicht; ich denke mir nur: „aha!“

Ich führe das auf die Medikamente plus meinem Kaffeekonsum zurück; ich wiederhole mich und werde nicht müde zu betonen: Kaffee ist eine echte Droge.

Dann ist der Spuk wieder vorbei und mein Gesichtsfeld klar.

Heute war ein Tag, an dem ich die Wohnung nicht verlassen habe; nicht einmal das Postfach habe ich ausgeleert.












(27./28.5.2019)
















©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 27. Mai 2019

1356 Eine sitzendere Position


Meine morgendlichen Schreibversuche „scheitern“ an der Katze, weil sie mich anmaunzt, wann immer ich aufhöre, sie zu streicheln. Ein schönes „Scheitern“, das ich genießen kann.

Auch die Katze hat ihre Gewohnheiten: wenn ich flach am Rücken liege, legt sie sich gerne links von mir, wenn ich mir die Pölster in den Rücken stopfe, um fürs Schreiben in eine sitzendere Position zu kommen, ist sie lieber auf der rechten Seite, wenn sie sich dann nicht – so wie jetzt – auf meinen Schoß legt und den Platz auf meinen Oberschenkeln, wo ich mein Notizbuch zum Schreiben hinlege, besetzt hält.

Langsam und gemächlich drehe ich mich – unterstützt vom Wirbel der Tageskinder unten – aus dieser meiner Morgenkonstellation heraus und der Gedanke, bald aufzustehen, wird am Horizont spürbar.

Die Katze leckt mir meine streichelnde Hand und putzt sich dann selbst. Anschließend steht sie auf und geht aus dem Zimmer (nicht ohne sich kurz überlegt zu haben, sich in meinen offenen Kleiderschrank zu setzen - was ich gar nicht gern habe).

Nach einem Innehalten, wo ich nach innen horche, und die Katze wieder ins Zimmer kommt und mir – ich bin ziemlich sicher, daß ich sie richtig verstanden habe – zuruft, ich möge jetzt das Bett ihr überlassen, sie mag es nun für sich allein haben, ist es auch für mich soweit und ich verlasse meine Liegestatt. Diszipliniert gehe ich mein Tagewerk in Bad und Küche an.









(27.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1355 Stummgeschaltete Computerspiele


Von Aufregung wachgehalten einerseits, die ich mit Musikhören (und gleichzeitig mit den schlichten, und dabei stummgeschalteten Computerspielen Mahjongg-Festung und Solitär) andrerseits besänftigt habe, ist es drei Uhr in der Nacht geworden. Ich bin müde; Trauer, Schmerz und Bruchstücke der schönen Melodien der wunderschönen Lieder klingen in mir nach und schenken mir das Empfinden großen inneren Reichtums.

Ein tiefer, tiefer Atemzug weitet mir meine Brust und erlaubt meinen Tränen, ein wenig in die Augen zu steigen; was für ein schönes Leben! In Gedanken breite ich meine Arme aus und umarme die Welt. Hier herinnen, in meiner Kammer, zu dieser nachtschlafenden Zeit, kann mir niemand meine Liebe zum Leben streitig machen. (Vor fünf, sechs Stunden noch habe ich geflucht und geschimpft, lautstark, rücksichtslos und war nicht einzubremsen.) Aber nun atme ich auf.

Es tut mir gut, wenn die meisten Leute schlafen, die Atmosphäre ist dann besser; weniger Bewußtseinswellen werden ausgeschickt. Die Menschen schlafen und träumen und sind in anderen Welten und mit ihrem Bewußtsein nicht hier. Auch ich werde jetzt mein Bewußtsein aus dieser irdischen Atmosphäre holen und in eine andere Welt reisen lassen.











(26./27.5.2019)













©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 25. Mai 2019

1354 Die Menschen warten


Das elegische, schon sommerlich leuchtende Nachmittagslicht auf dem roten Haus. Man könnte auch in ganz anderen Städten sein. Die Menschen warten, so auch ich; der ankommende Zug hat Verspätung.

Ein gewisser Frieden liegt über den Wartenden, nur die neben mir zappelt – mir den Rücken zugedreht – unglaublich herum. Auch wenn die Bremsen jetzt fürchterlich und schmerzhaft quietschen: auch ihr spreche ich den Frieden nicht ab.

Die breite Stromgitarrenstraße breitet sich vor meinem Inneren aus und bringt meine Füße zum Wippen. Von diesem Musikstrom getragen treibe ich hör- aber unsichtbar dahin.

In zehn Minuten sollte der Zug kommen. Drei Gleise vor mir steht ein ungewöhnlich gelber Zug. Das rote Haus ist immer noch im Licht, das immer abendlicher wird.











(25.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1353 Die Freude jedes Voyeurs


Sonnenflecken auf dem Kaffeetisch, aufgeglitzertes Wasser im Glas und schöne, transparente Schatten, auch von den Wasserflecken der Karaffe. Selbst die Heizungsrohre bemühen sich stellenweise um weißen Glanz, die weiße Wand der Fensternische sowieso.
Hinter mir der Dschungel, vor mir sein ausgeschnittenes Spiegelbild. Auf dem cappuccinischen Milchschaum schwimmen ebenso tausende Glitzerpunkte (nachgezählt habe ich nicht). Draußen (ja, ich weiß, das kommt in fast jedem Text vor; aber wo soll ich sonst hinschauen?) sehe ich beobachtende und beurteilende Augen, nicht unschön und mit lächelndem Leuchten. Nachdem sie mich, den durch das Fenster Gaffenden, bemerkt haben, nehmen sie viel vom Glanz zurück und behalten ihn für sich. Der war nicht für mich gedacht. (Trotzdem ein paar Sekunden davon unbemerkt zu erhaschen ist die Freude eines jeden Voyeurs), die Augen und die ihres Begleiters sind nur mehr aufs Smartphone gerichtet, wollen kein Strahlen an die Umgebung abgeben (oder blicke ich so streng und verurteilend? Könnte natürlich auch sein. Ich meine es so: daß mich mein Großinquisitorenblick schützen soll! Mir kommt vor, ich verbreite mehr Angst und Schrecken, als ich es wahrhaben will).

Was soll's! Ich muß einkaufen gehen. Ja, den Zettel habe ich eingesteckt.











(25.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1352 Die kleine Sonne


Die kleine Sonne hinter dem Nebel ist mir ein wenig unheimlich – das Photo zwischen den Bildern sticht mit seiner diffusen Sonnenhelligkeit heraus. Auf zwei der drei Bilder daneben gibt es jedoch auch weiße Lichtexplosionen, nur am dritten sind die ganz klein. Im Regal darunter finde ich ebenso solche heftige Stellen, aber mein Geist verliert bald sein Interesse an diesem Suchspiel, weil er sich der Grammatik und dem Sprachgefühl zuwenden muß.

Die Katze hat mich diesmal sanft zu ihrer Fütterung aufgeweckt; es ist wirklich zu früh, schon aufzustehen; im Surren dröhnt noch meine Traumreise nach. Ich lasse es zu, daß meine Augen zufallen.









(25.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 24. Mai 2019

1351 Fünf Meter


Zack, zack, zack – der zweite Cappuccino. Alle sitzen draußen. Peter allein im Lokal. Die Musik ist sehr laut aufgedreht. Geht aber. Bis 20:30 kann ich hier sitzen bleiben, dann ist reserviert; das sind noch zweieinhalb Stunden. Kurier und Standard habe ich durch, der Falter, den ich vorgestern schon erstgelesen habe, liegt noch bereit.

Kellnerin und Kellner sausen raus und rein, um den Schanigarten zu versorgen. Durchs Fenster sehe ich die vielen jungen Leute in der Sonne, ihre aufstrebenden Gesichter leuchten vom späteren Licht. Nur ein alter Mann, der schaut etwas verzwickt drein; und er geht jetzt und hat schon seinen – wie ich vermute – Autoschlüssel in der Hand – hoffentlich findet er sein Selbst.

Jetzt kommt noch ein alter Mann in mein Gesichtsfeld, von unten, vom Sessel, aus dem er sich erhebt, kommt er herauf, lacht mit hoher, etwas forcierter Stimme – will er seine Jugendlichkeit  - so alt ist er nämlich gar nicht; gerade noch in den besten Jahren – beweisen? Er bewegt sich wirklich flott und ohne Rückenprobleme.

Ich muß es einmal sagen: viele schöne Frauen sind da unter der Sonne, lächeln in ihre Smartphones, rauchen, kauen Kaugummi oder laptopisieren (zum Beispiel: ziehen den Reißverschluß der Laptoptasche sinnierend hin und her, auf und zu und beobachten das Geschehen am/im/auf dem Reißverschluß ganz genau und in Konzentration vertieft, ja, vertieft wie ein spielendes Kind).

Der Kellner raucht draußen. Er und seine Kollegin, beide habe wunderschöne Tattoos – mein Gott! Wenn ich jetzt reich wäre – ich würde mir den ganzen Sternenhimmel auf meinen Rücken pecken lassen! („dem Himmel bin ich auserkoren“).

So aus der distanzierten Nähe (fünf Meter) habe ich eine große Menschenliebe und lasse alles durchgehen – alles was ich jetzt hier sehe – sogar bei mir.








(24.5.2019)










 ©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1350 Aufsteigende Turbulenzen


Aufsteigende Turbulenzen im Gesichtsfeld, schaukelnde Tendenzen im Körper. Und ich habe schon lange nicht mehr mein Surren erwähnt, dieser hohe, mehrstimmige, wenn ich mich nicht erschrecken lasse nur leicht alarmierende und ins Schrille kippende Ton.
Schön liege ich da, die neuen Sorgen lasse ich nicht an mich heran, aber ganz lassen sie meinen Geist auch nicht los. Oder umgekehrt.

Viel Zärtlichkeit für die Katze. Wir fallen wieder in den Schlaf zurück, die Katze an meine linke Seite geschmiegt und als ich wieder aufwache, narren mich meine Traumbilder: ich will auf die Uhr schauen und sehe die Sonnenuhr am Kirchturm halb eins anzeigen; ich wache in Träume auf und merke es nicht gleich; wenn ich in meinem Zimmer aufwache, hüllt mich eine zähe Masse ein, die mich handlungsunfähig macht.
Auch jetzt beim Schreiben kämpfe ich damit und fühle diese zähe Masse noch auf einzelnen Körperteilen und auf meinem Geist. Wenn ich die Augen schließe, bekomme ich sie nur mit großer Willensanstrengung wieder auf. Das Zufallen geht ganz von allein. Die Traumfetzen und Gedankensplitter tanzen wild durcheinander, aber ich will aufstehen, da muß ich mein geliebtes, zwischen Wachsein und Schlaf changierendes Schreiben aufgeben; noch dazu, wo jetzt die Katze unterwegs ist. Wenn sie wieder kommt, wird das Aufstehen nochmals schwerer.













(24.5.2019)














©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 22. Mai 2019

1349 Trompete


Ein Trompeten-Summertime aus den Lautsprechern – natürlich der Louis mit dem starken Arm (hihihi) – während es draußen in den Straßen kalt und naß ist und ich im Paim sitze. Fast so schön wie meine Morgenidylle heute, aber solche ist bedroht. Die Miete ist um zweihundert Euro gestiegen und ich komme der Anforderung, wieder arbeiten gehen zu müssen, fast nicht aus. Ich warte noch (um ehrlich zu sein: auf ein Wunder); ich kann es nicht mehr meiner Frau allein überlassen. Ich hätte halt gerne: von meiner Pension ein Auskommen mit Therapie und Taschengeld für Kaffeehausbesuche. Schade, daß ich meiner Familie nicht versprechen kann, daß nach meinem Tod meine Texte veröffentlicht und erfolgreich sein werden und meinen Erben wenigstens ein bißchen ein Einkommen bescheren (für mich fällt diese Phantasie unter die Kategorie Größenwahn).

Zwei Tische weiter reden zwei Frauen über Antidepressiva – nur dieses Wort habe ich aufgeschnappt – und gern hätte ich aufgezeigt: „ich auch! ich auch!“.

Jetzt war ich längere Zeit depressionsfrei, aber in Gestalt meiner „sozialen Lage“ (wie ich diesen Begriff nach der Übersättigung in meiner linken, Grazer Studentenzeit über hatte!) droht sie mich wieder einzuholen. Ich muß mich ersteinmal ablenken.


Was ich noch erklären wollte: vereinfacht gesagt gab es in Österreich Städte, Märkte, Dörfer. Städte hatten Marktrecht und das Recht auf eine Stadtmauer, der Markt hatte ein eingeschränktes Marktrecht und kein Recht auf eine Stadtmauer, und Dörfer weder noch. Wie Kirchtage – meist, aber nicht immer an den Tagen des jeweiligen Kirchenpatrons – in dieser Ordnung stehen, weiß ich jetzt nicht genau und es ist mir auch nicht gelungen, das schnell im Internet zu recherchieren. Kirchtage sind jedenfalls jährlich abgehaltene Markttage – ob das schon das Marktrecht der Märkte war und darüber hinaus keine Märkte in Märkten erlaubt waren – wie ich es vermute  - weiß ich jetzt nicht. Auch nicht, ob es für Märkte vielleicht verschiedene Marktrechte gab: was weiß ich: einmal, zweimal, monatlich, wöchentlich (wöchentlich: das vermute ich nur für Städte) für je verschiedene Orte, das weiß ich auch nicht. Nix für ungut, bitte, das dient jetzt nur der Ablenkung.







(22.5.2019)








©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1348 Das schöne Leben


Ein schöner Regenmorgen mit dem Duft von Kaffee von der Küche herauf.
Schon wach, aber wieder im Bett.
Die Leselampe aufgedreht, aber ohne Vorsatz und Plan.
Die Katze streichelnd, aber doch die Schreibhand frei.
Oh mein Gott! Was hab ich für ein schönes Leben!










(22.5.2019)








©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 21. Mai 2019

1347 Beim Jonasreindl


Während ich wartend auf einer Bank sitze, beim Jonasreindl, und nachdem mich ein echter oder eher unechter Augustinverkäufer etwas bedrängt hat (eine gute Übung im Abgrenzen und Nein-Sagen. In solchen harmlosen Fällen, bei solchen Lappalien erwarte ich, Peter Rumpf, im Finanzranking und in der gesellschaftlichen Stellung unten angesiedelt, erwarte ich also nicht, daß Polizei und Justiz das Nein-Sagen für mich erledigen und mich vor solchen „Prüfungen“ bewahren und vor solchen Begegnungen „schützen“ - nein, so etwas kann ein jeder aushalten!), während ich auf der Bank sitze und mir meine heutigen Kaffeehausbesuche überlege und plane (ich muß innerlich lachen, wenn ich immer noch ernsthaft grüble, ob ich auf einen Kaffee gehe, als wäre ich nicht schon längst süchtig!) fällt mir etwas ein, das ich unbedingt aufschreiben will, aber das ich jetzt vor lauter Einleitung vergessen habe – so demoliert ist mein Gedächtnis, aber von wem? wodurch? - ah, es war nur ein Wort, ein zusammengesetztes Substantiv: … verdammt! Gerade war es fast da! Vorm inneren „Auge“, dem inneren Aufmerksamkeits- und Radarschirm ist es schon gestanden in verschwommenen Konturen. Ein luzides Wort - wie mir vorgekommen ist – das vieles meiner Seele erklärt. Ich wollte nur das Wort aufschreiben, ohne Geschichte oder Beschreiberei rundherum.
Vorher, vor dem Aufpoppen des nun gesuchten Wortes in mir habe ich mir gedacht: Gottseidank bin ich nicht erfolgreich – ich wäre unerträglich! Nach so langer Zeit im Gefühl, besiegt, zurückgesetzt, übersehen, verdrängt worden zu sein, dann obenauf, das kann nur zu einem Desaster führen; keiner Versuchung könnte ich widerstehen, jeden Blödsinn würd ich machen … Ich finde die Abzweigung zum gesuchten Wort doch nicht mehr.

Ich sitze bequem hier, der Wind ist mir gar nicht unangenehm; ich höre über meine Ohrenstöpsel Aldous Harding – meine neue Liebe und Leidenschaft. Und ich werde jetzt – Zeit genug! - zu Fuß zu meinem Therapietermin gehen.





So! Mitten in der Nacht auf heute, den 22. ist das gesuchte Wort mitten im Schlaf in mir hochgestiegen und die verbergende Hülle aufgeplatzt. Eigentlich sind es zwei Wörter, ein zusammengesetztes Substantiv und ein besitzanzeigendes Fürwort (das muß noch aus der Volksschule kommen!) und jetzt zögere ich, es hinzuschreiben; nach so einem Aufwand kann es nur eine Enttäuschung sein. Na gut, ich bin ja nicht so: mein Treuefimmel. (22.5.)









(21.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1346 Ein schiefes Gesichtsfeld


Die Grundaufregung dieser Tage läßt mich auch heute den ganzen Tag nicht los (ich wollte nie nach Ibiza!). Jetzt habe ich gerade eine Sendepause in der Anlieferung von News (ich sitze ja auch im Espresso und nicht vor der Glotze. Internethandy: nein! Das gibt es bei mir nicht und wird es auch nicht geben.)

Nun sind nur mehr zwei alte Herren im Cafe, einer davon bin ich. Ich träume tagträumerisch davon, daß irgendjemand hereinkommt, der oder die mir so nahe steht, daß ich ihn oder sie freudig begrüßen und umarmen kann. Sagen wir, ich habe ihn oder sie schon lange nicht mehr getroffen (da gibt es schon Kandidaten und Innen). Und zwar zufällig, nicht von mir, sondern von den Göttern oder den Kräften des Schicksals arrangiert (gell, das ist schon ein größenwahnsinniger Anspruch! Aber billiger will ich es nicht geben. Sich selber darum kümmern … wo sind wir denn!)

Ich neige den Kopf nach links und, so mit schiefen Kopf – laut dem bajuwarischen Dobraner ein Zeichen von Verlogenheit – blicke ich über den Rand meiner meine Intellektualität unterstreichende und demonstrierende Brille den Menschen zu, die vom Gastgarten herein aufs Klo gehen und dann wieder retour.

Den Macher der Musik glaube ich zu kennen, obwohl ich die Musikstücke nicht kenne. Kapiert? Aber sicher bin ich mir nicht. Doch, doch, ziemlich sicher.

Am rechten oberen Rand meines immer noch schiefen Gesichtsfeldes – wenn mein Scheitel der Norden ist, dann im Sinne meiner Blickrichtung Nordost – senkt sich eine Dunkelheit herab, wie eine Jalousie geht sie in einer – schätzungsweise – ein Dezimeter großen Breite nieder, aber der dunkle Balken löst sich während seiner Ausdehnung immer heller und transparenter werdend immer mehr auf.

Ich kippe die Cappuccinos runter wie in den Saufphasen das Bier. Ein teurer Spaß! (für die Legitimierung dieser Sätze siehe Beitrag Nummer 1345 ... mein Rechtfertigungsversuch (nicht nur durch Gnade?)) (Überhaupt: meine Schublade ist eine Fundgrube interessanter „Studien“ und Geschichten; wer mich so richtig aufplatteln will, gehe zurück zu den Texten 1 bis 84!)

Aus dem Nichts sitzt plötzlich ein junger Mann mit Laptop zwei Tische weiter vor mir; der alte Mann rechts von mir ist verschwunden. (Bin ich noch im gleichen Traum? Sicher! Ganz sicher, lieber Freund; um deine Träume so schnell und elegant zu verlassen und in einen anderen überzuwechseln, bist du viel zu schwerfällig.) Ich kann ja als Realitycheck das machen, was ich als Kind gemacht habe, um aus Albträumen herauszukommen: die Augen fest schließen, die Lider fest aufeinanderpressen, ein paar Sekunden warten und dann wieder aufmachen. Damals hat es meistens funktioniert. Aber Albtraum ist das hier gar keiner – also, was soll's! Ich kann ja in diesem Traum bleiben, bis er sich von alleine auflöst.










(20.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1345 Ja


Ich weiß nicht, welches Datum wir haben (ich, ich, ich). Es beunruhigt mich und macht mich nervös, daß ich das nicht weiß. Wieso eigentlich?
Dann fällt mir ein, ich kann ja auf mein Handy schauen.

Jetzt eine ernsthafte Frage an dich, Schreiberling: Was ist daran so interessant, daß du das aufschreibst und veröffentlichst? Für weltbewegend wirst du diesen Vorgang - „Vorgang“ ist ja auch schon übertrieben – wohl nicht halten, für so offen egozentrisch halte ich dich nicht. Auch sprachlich, textlich, literarisch gibt das nicht soviel her, oder?

Antwort: ich weiß es nicht. Ich habe schon einmal geschrieben, daß das Flaschenpost ist, einfach so ins Universum geworfen. Dann denke ich mir manchmal, vielleicht kann jemand damit etwas anfangen, irgendwer ist von einer Formulierung oder dem Inhalt berührt, oder kann analysierend etwas von und an den geschilderten oder indirekt sichtbar gewordenen psychischen Abläufen erkennen, begreifen, entdecken oder seine Hypothese bestätigt oder widerlegt finden. Für mich selber mag es ein Ventil sein, ein Versuch, mit dem Leben zurechtzukommen, möglicherweise auch, mein Ego aufzublasen, mir Erleichterung zu verschaffen. Außerdem ist es für mich ein Vergnügen, zu schreiben, ich komme dabei leicht in einen Flow, der mich in unerwartete Gegenden treibt und mich überrascht. Und man kann auch am Kleinen immer das Ganze sehen und erkennen.
Genügt diese Skizze als wenigstens vorläufige Antwort?

Ja.








(20.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 19. Mai 2019

1344 Zu viel Wirbel


Einigermaßen Wirbel herrscht hier im posttherapeutischen Espresso beim posttherapeutischen Cappuccino (der in Wirklichkeit das selbe ist wie eine Melange), mein Gedankenkarussell dreht sich so schnell, daß alle Aufmerksamkeit, die ganze Energie, die Gedanken fürs Schreiben zersteuben. Aber in Pension ist mir das egal. Fast möchte ich sie als Lebenspension bezeichnen: ich habe mich vom Leben pensionieren lassen – damit ist alles wurscht und alles was noch kommt,  mehr, als zu erwarten war. (Mein Innerer Wahrheitsapostel will diese Aussage wieder korrigieren, zurechtstutzen und relativieren – ich lasse ihn aber nicht! (Ich gebe schon zu, daß ich froh bin, daß es ihn gibt, aber ein wenig wird man doch noch schwindeln dürfen! Zumindest probieren!))

Vor lauter Nebenbemerkungen, Einschüben und Randnotizen habe ich jetzt den Faden verloren. Ahja: Wirbel, Cappuccino, Pension und ob ich wirklich nur mehr auf Bruder Hain warte, abgekürzt: Wicape (den Hain laßma weg). Wicape mein neues Biedermeier (ich, „der Biedermann und der Brandstifter“? Solange mein inneres Kabarett läuft, mach ich mir nicht allzu große Sorgen).
Ich habe ja wirklich den Verdacht, daß die Kabarettisten die heutigen Volksprediger und Aufklärer, meinetwegen Missionare sind.

Zu viel Wirbel; ich gehe. Vielleicht paßt Ruhe, Cappuccino, Pension besser zu mir und dem Biedermann: Rucape. Genug vom Blödsinn. Ich gehe jetzt wirklich!










(17.5.2019)










©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1343 Garstig und grantig


Direkt aus Schlaf, Traum und Dösen in den Tatandrang aufgewacht: ich muß den gestrigen Text – schon auf der Schublade veröffentlicht – dringend überarbeiten. … Die Tageskinder singen ohne Anleitung, aus sich heraus und mit Inbrunst die Vogelhochzeit im Chor und laufen dabei im Kreis herum. … Ich muß den Text dringend korrigieren, es kann jedoch sein, daß mir die Hälfte meiner halbtraumatischen (hier kommt „traumatisch“ von Traum) Ideen - bis es so weit ist - entfallen sind. Außerdem gibt es da noch meine Katze und ihren warmen, weichen, schnurrenden Einfluß auf mich und meinen Impuls, gleich aufzuspringen und an den Computer zu stürzen (der Kompromiß ist dieser Text, der gerade entsteht). Aber das will ich doch korrigieren und ergänzen am gestrigen Text: ich war ziemlich garstig zu meiner Frau, habe sie in kränkender Weise kritisiert, wohl wissend, wie sinnlos das ist, nur weil ich meinen Grant und Unmut loswerden wollte.

Gut, so ist es auch nicht ganz angemessen gesagt, schließlich gibt es auch bei mir und meinem Grant um etwas im Kern berechtigtes.

Gut, ich werde es langsam angehen.









(17.5.2019)









©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 17. Mai 2019

1342 Kaki Peter


Kurz, ganz kurz ist mein Blick magisch geworden, während ich am Klo saß und auf den Fußboden starrte, denn plötzlich ist mein Gesichtsfeld in Stücke gebrochen, die gegeneinander beweglich waren und übereinander geschoben werden konnten. Endlich ein g'scheiter, wenn auch minimaler Drogenrauscheffekt meines mir verschriebenen Medikamentencocktails.
Aber jetzt ist schon das Kopfweh da, soeben eingetroffen, zu Beginn der Notiz noch nicht.

Die Tagis unten spielen Geburtstagfeiern und singen Happy Birthday. Weil wieder Hospitantinnen anwesend sind, werde ich wohl noch länger im Bett bleiben, obwohl ich schon hungrig bin. Ich habe ja genug Lesestoff neben meinem Bett liegen: eine Büchermauer aus vier Stapeln a zirka zehn ungelesenen Büchern im Durchschnitt und das Buch, das ich gerade lese, hat 485 Seiten; ich bin auf der Seite 245 (links oben: „Paprika“ - rechts unten: „nichts“).

Nach einiger Zeit des Lesens müde streichle ich die Katze und schlafe wieder ein. Als ich aufwache ist es unten still. Die Hospitanten sind auf Mittagspause, die Kinder schlafen: die ideale Zeit für mein Frühstück. Ich gehe die Treppe hinunter und gerade wie ich unten angekommen bin, kommen meine Frau und ein Tageskindmädchen aus dem Schlafraum und das Mädchen, drei Jahre alt, flüstert – um ihre schlafenden Freunde nicht zu wecken – flüstert mir so im Vorbeigehen „Kaki Peter!“ zu. Im Bemühen, einerseits leise zu sein und andererseits nah genug, daß ich ihre Botschaft hören kann, streckt sie auch ihren Kopf in meine Richtung und das schaut ein wenig aus und hört sich ein wenig so an - zumindest ist dies das Bild, das in meinem Geist auftaucht - wie das Gewisper der Monroe Richtung John F. Kennedy am Ende ihres Geburtstagsliedes – natürlich hier auf kindliche Art und ohne erotischen Kontext, aber mit „Charme“. Innerlich muß ich lachen und denke mir: „so kann man es auch machen“ und in einem – wie mir schien – günstigen Augenblick will ich das gleich meiner Frau, die gerade den Kühlschrank öffnet, weitergeben, beuge mich zu ihr und wispere ihr ganz zärtlich „Kaki Daniela!“ ins Ohr.
Sie reagiert unwirsch und ablehnend. Sie ist so im Stress und, wie sie betont, in einem jämmerlich-zittrigen Zustand.
Das hat zur Folge, daß meine Ruhe beim so lange aufgesparten Frühstück gefährdet ist. Auch ich, der ich unterzuckert und durch den Medikamentencocktail sowas von schwach und schwankend bin, daß ich nur mit festem Griff am Treppengeländer selbige Treppe heruntergekommen bin (der innere Wahrheitsapostel spricht: „jetzt übertreibt er!“ und wirft mir vor, mich vom Schreiben, den Sprachbildern und Assoziationen mitreißen lassen zu haben), akzeptiere sofort, daß mein liebes Weib nicht angesprochen werden will, aber muß jetzt ihre überflüssigen, unter Stöhnen und Seufzen hervorgebrachten Erklärungen abwehren und meinen vorbereiteten und zurechtgeräumten, von ihr wieder verstellten Frühstücksplatz wieder zurechträumen: da ist mein Teller, da ist das Brot vorbereitet (von dem sie sich einfach nimmt), da das Hummus, dort das Gemüse, Obst, Salatblätter, Oliven etcetera, hier der Käse. Dort die Kaffeekanne (aus Sparsamkeitsgründen hatte ich beschlossen, heute in kein Espresso zu gehen, sondern den Kaffee zu Hause zu trinken, weil ich sowieso sechs, sieben, nein: fünf angestaute Notizbuchtexte in den Computer tippseln und dabei verbessern muß) die Kaffeekanne also hingestellt und neben ihr Platz für mein Kaffeehäferl freigemacht, weil ich beim ersten Eingießen in das Häferl noch den Filteraufsatz auf der Kanne habe, um kochendes Wasser nachgießen zu können, und so muß ich diesen Filteraufsatz so geschickt hochheben, daß nichts neben das Häferl rinnt, was am leichtesten geht, wenn Kanne und Häferl praktisch „Haut an Haut“, also ganz beieinander stehen. Und weil meine Frau gerade ganz arm ist, hat sie keine Scheu, mich um dieses und jenes für sie zu Erledigende zu bitten, während ich endlich etwas in den Magen bekommen will – es ist schließlich schon Dreizehnuhrfünfzehn. Ich bin unwillig, aber führe ihre Aufträge aus. Von meinem bemerkbaren Unwillen läßt sie sich nicht abhalten, mir Aufträge zu geben; da hat sie ein ungefährdetes Selbstbewußtsein und Gefühl, im Recht zu sein, was mir komplett fehlt.

Es ist trotzdem alles gut gegangen. Ich bin zu meinem Kaffee und meinem frugalen Mahl gekommen. Ihre klagend vor sich hingeredeten Sätze wie „wo sind die Kuverts! Ich habe hier doch Kuverts gehabt!“ - genau wissend, daß bei mir im Zimmer drei Stöße Kuverts in drei verschiedenen Größen lagern – die habe ich trotz des Eindrucks eines mitgelieferten Appells an mich – ignoriert. Entweder bittet sie mich offen mit „lieber Peter, bitte hole mir ein Kuvert aus deinem Zimmer“ - das ist freilich schwer, wenn ich schon grantig bin – oder sie geht selber hinauf und holt eines – was keine Minute dauert und wo ich doch eh beim wachen Tageskind bin. Oder nach der Arbeit. Warum soll ich springen? Ach ja, sie ist gerade so arm.
Ihre jetzt unglaublich langsamen, fast dysfunktionalen Herumräumversuche (das ist jetzt natürlich gemein gesagt! Kaki Peter!) beim abzuwaschenden Geschirr empfinde ich auch als stillen Appell an mich (nicht ganz still. Sie kann dabei ein ziemlich ein Geklesch und Geschepper erzeugen) also ein Appell an mich, der ich sowieso fast jeden Tag das Geschirr inklusive das der Tageskinder mache (je mehr Appell, desto ungerner. Außer es gelingt mir, mich quasi neu und authentischer erfindend aus dieser Rolle herauszuheben und meine Arbeit - wie ich es empfinde: - trotz ihres Versuchs, sie unter ihre Kuratel zu spannen, als meine freie Arbeit und eigenen Anteil am gemeinsamen Leben fröhlich und ohne inneren Widerstand zu tun). Weil sie mir leid tut und sie wirklich großen Stress hat und weil mich auch das Geschepper beim friedlichen Frühstücken stört, und weil ich sowieso vorhabe, das Geschirr zu machen, sage ich ihr, sie solle das lassen, ich mache das schon. Auch ihre mir übertrieben vorkommenden Dankesbezeugungen empfinde ich fast als provozierend: wieso bedankt sie sich, wenn ich meine Arbeit mache? Es ist ja nicht nur ihr, sondern unser Haushalt und ich bin kein Dienstbote. Ja ja ja: diesen Haushalt haben nicht wir zwei, sondern sie und ihr erster Mann aufgebaut. Aber nach gut zwanzig Jahren könnte ich schon in ein Wir angekommen sein. Ja, und ich lebe momentan auch von ihr – ohne sie, nur mit meiner Pension wäre ich jetzt auf der Straße und obdachlos. Aber dennoch. Beweise ich nicht mit meiner Zurückgenommenheit einigermaßen Selbstdisziplin und daß ich mir meines sekundären Auftretens bewußt bin? Indem ich mich in unserer Wohnung aus ihrer Arbeit heraushalte, mich nicht im Wohnzimmer aufhalte und versuche, auch beim Frühstück nicht zu stören? Ich spüre es schon deutlich, daß ich während der Arbeitszeit unten nicht erwünscht bin und akzeptiere es. (Das war nicht immer so, früher konnte ich mich manchmal auch für eine halbe Stunde zu den Tageskindern setzen und unbefangener in der eben nicht wirklich eigenen Wohnung herumgehen.) (Aber ich sehe schon, daß ich oft die Tageskinder aus ihrem Spiel ablenke.)











(16.5.2019)












©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1341 Die tote Tür


Noch etwas interessantes (ich habe mich jetzt endgültig entschlossen, das Wort nach „etwas“ klein zu schreiben – „etwas“ ist eben etwas und „interessantes“ ist nach meinem Sprachgefühl ein Adjektiv; das geht doch nicht: „Interessantes“ wäre das Substantiv und „etwas“ ein Adjektiv! Ja, ich kenne mich in der Grammatik nicht aus, darum sage ich ja „Sprachgefühl“), also noch etwas interessantes aus dem Leben eines teilnahmslosen Schreiberlings (also daß „etwas“ klein geschrieben wird, dafür kann ich nichts!):

Wie schon öfters erwähnt, befindet sich mein Zimmer im oberen Stockwerk der Wohnung. Die obere Wohnungstür ist eine tote Tür und wird nicht benützt. Ich habe vor ihr (von innen aus gesehen) das Katzenkisterl stehen, den Sack mit Katzenstreu, den gedeckelten Eimer mit den ausgeschaufelten Kakis und Lulis und das Schauferl genau dafür. Es gibt für diese Tür auch keine Adresse, denn die ganze Wohnung läuft über die untere Adresse für die „lebendige“ Wohnungstür.

Trotzdem kann es vorkommen, daß jemand an die obere Tür klopft: meistens Leute, die nicht wissen, daß es in diesem Haus zwei Stiegen gibt, sinnigerweise beide mit jeweils eigener Zählung der Türen von jeweils Nummer eins an. Daß jemand oben anklopft kommt schätzometrisch (ich hab's halt mit der Pubertätssprache) fünfmal im Jahr vor.

Aber heute, heute hat es knapp nach sechs Uhr früh geklopft: die Rauchfangkehrerin – wie sich herausstellen wird – die eigentlich einen Wohnungsplan des Hauses mit hat und nicht das erste Mal hierher kommt. So habe ich nicht reagiert, noch ohne zu wissen, wer es ist (ich reagiere auf das falsche Geklopfe zunehmend grantig und will nicht mehr losspringen). Dann habe ich mich umgedreht und weiterschlafen wollen, aber da die Klopferei nicht aufgehört hat, bin ich doch aufgesprungen, jedoch bevor ich die Tür öffnen konnte, hat meine Frau unten bei der richtigen Tür durchs Stiegenhaus nach oben gerufen. Ich habe jedoch - da schon aus dem Bett - die Situation gleich genützt und bin wie verlangt nüchtern zur Blutabnahme gegangen.

Das war in der Früh. Jetzt, zu Mittag, bin ich von meinem Ausflug zurückgekehrt und habe mich  zum Lesen ins Bett gelegt – bei Regen genauso schön wie Kaffeehaussitzen – und da die Katze bei mir gelegen und geschnurrt hat, ich vom Lesen und der Wärme müde geworden bin, habe ich die Pölster (D: Kissen) aus dem Rücken getan und mich zum Schlafen flachgelegt. Kaum schlafe ich ein, klopft es heute zum zweiten Mal an die tote Wohnungstür gleich vor meinem Zimmer. Zuerst will ich wieder nicht reagieren, aber weil es nicht aufhört, springe ich verärgert, aber doch auf, ziehe mir eine Hose an, schiebe Katzenkistl und Streusack weg und mache auf: ein Paketzusteller, der auch nichts von der zweiten Stiege wußte. Ich meine: ich bin zu dem Klopfer nicht unfreundlich, er kann ja meist nichts dafür; hier: nichts dafür, daß der Besteller/ die Bestellerin (in unserer Familie wären es hauptsächlich die Damen, die gern über Internet bestellen) bei der Angabe ihrer Adresse die Stiegennummer nicht dazuschreiben. Also erkläre ich ihm alles und wünsche aufrichtig einen guten Tag.

Wenn aber heute noch ein drittes Mal an diese Tür geklopft wird, nehme ich es als Omen (nur: Omen wofür?) und denke mir eine unzuerwartende Reaktion meinerseits aus (Zum Beispiel KlopferIn gleich nach Türöffnen küssen oder säbelzahntiegerisch anpfauchen).  (Und: gottseidank mußte ich meine Ansage nicht einlösen!)












(15/16.5.2019)













©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1340 Ein verregneter Morgen


Meiner größten und so weit ich weiß einzigen Feindin – und das heißt: ich bin ihr Feind - verdanke ich es, daß ich die Musik des Atahualpa Yupanqui kenne und liebe. Danke! (Das ist viele Jahrzehnte her.) (Jahrzehnte zählen sich langsamer und sind deswegen schneller „viel“.)

Zurück zur Gegenwart: ich gönne mir nach einer nüchternen Blutabnahme den Luxus eines Frühstücks im Mima.

Übrigens: ich bin stolz darauf, jemanden zu haben, die mich ernsthaft einer Feindschaft für würdig hält. Das muß man sich erst verdienen. Lange Zeit habe ich nicht begriffen, wieso ich zum Feind wurde. Erst viel später konnte ich es nachvollziehen, auch wenn ich mich in dieser Geschichte als weit überschätzt vorkomme. So wichtig bin ich auch wieder nicht. Aber: meine egozentrische (ich erlebe mich doch oft als auf mich und die Frage, was denn mit mir los sei und was an mir so falsch, zurückgeworfen) Empathielosigkeit kann schon - bei allem freundlichen Getue - recht kalt und grausam sein.

Zurück ins Cafe: ein verregneter Morgen bei einem Frühstück in einem guten Cafe – in meinem Alter kann ich mir fast nichts schöneres vorstellen: die leise Melancholie im momentan noch ruhigen Lokal ist von schöner, sanfter Stromgitarrenmusik begleitet. Außerdem ist dieses Cafe mit bunten Blumen, bunten Stoffen und vor allem bunten Bildern bunt geschmückt. Und ich bin ja ein Freund ausufernder Ikonostasen, besonders wenn zwei Madonnen mit Kind, indische Götter, meditierende Buddhas vorkommen – was will meine verwundete Seele mehr bei so viel Heilung und Trost!

Draußen am Markt sehe ich keine bösen Menschen vorbeigehen – gut, ich habe auch nur einen leicht fröhlichen Mann gesehen. Aber auch die drei festen Arbeiter jetzt, die vorbeigehend ihre Jausen verzehren, wirken stark und fröhlich. Der Wind schaukelt Bäume, Sträucher, Hängeblumentöpfe und Sonnensegel.

Ein herrlich glücklicher Schauer über meinen Rücken auf meiner frühen Schlechtwetter-Cafetour. Zu Hause werde ich mich wieder ins Bett legen und lesen.











(15./16.5.2019)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1339 Der rote Berg


Der in der Hauptfarbe rote Berg meiner Bettdecke leuchtet sozusagen im Abendlicht. Weil meine Leselampe auf mein Notizbuch strahlt, das am Berg meiner hochgezogenen Knie lehnt, wird die Bettdecke – eigentlich die Tagesdecke, die ich aber wegen der vielen Katzenbesuche nie mehr runtergebe – wie von einer tiefstehenden Sonne in flachem Winkel beleuchtet und die Falten und Katzenhaare werfen Schatten.

Ich bin schon ein wenig enttäuscht von mir, daß ich mit dem Säubern und Putzen nicht nachkomme, aber unglücklich bin ich deswegen nicht, überhaupt nicht. Im Grunde genommen ist es mir wurscht. Ich werfe einen oder zwei Blicke auf Staub und Katzenhaare, drei Sekunden später ist es vergessen.

Etwas ganz anderes (aber wenn man dem nachspürt doch in assoziativem, und deshalb psychologischem Zusammenhang) muß ich noch notieren: Ich habe bei Besuchen oder von Reisen nie Geschenke mitgebracht. Sicher, die ewige Geldknappheit, aber doch hauptsächlich, weil ich gar nicht erwartet habe, daß jemand etwas von mir brauchen kann, daß ich mit jemandem so auf gleicher Augenhöhe stehe.

Ahmmm. Schluß für heute.










(14./15.//16.5.2019)













©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1338 Wundersucht und Pleantensattel


Die eine Medikamentenschachtel hat eine Krone aus weißem Licht, und manchmal leuchtet es auch auf ihrer linken Seite ein ganz klein wenig auf. Ich werde nachschauen, welche Medizin es ist – vielleicht ist das eine Botschaft – ich habe das Medikament schon länger nicht verwendet; es gehört nicht zu meinen aktuellen Schachteln.

Meine Wundersüchtigkeit in Ehren: aber das dürfte mit Lichtreflexionen ganz physikalisch zu erklären sein; da braucht's keine Metaphysik (im wörtlichen Sinn des Wortes).

Leider. Ich ginge gern über die Natur hinaus (ob ich dem gewachsen wäre, das ist eine ganz andere Frage. Nur ein Narr denkt an so etwas, bevor er hier auf Erden seine sieben Zwetschken beieinander hat (sagt DJM bei CC), und die habe ich nicht.


Meine tagesmütterliche Frau hat Azubis zum Hospitieren unten; ich mag eigentlich nicht hinuntergehen. Aber ich brauche jetzt mein Frühstück; wenn ich essen will, werde ich hinuntergehen müssen. (Wie schön wäre ein wenig Wohlstand, so daß ich sagen kann: ich gehe nur durch und nehme mein Frühstück im Paim, im Esspresso Burggasse oder im Mima ein! So muß ich mir beim Kauen zuschauen lassen!) (Ich weiß! Es kommt aber immer darauf an, mit wem man sich und seine Lage vergleicht.) - naja, jetzt übertreibe ich: in die Küche schaut man von den Tageskinderräumen vulgo Weekendwohnzimmer und Exkinderzimmer nicht wirklich gut hinein. Defacto war ich beim Frühstück außer von meinem Unbehagen überhaupt nicht gestört – es ist auch niemand durch die Küche aufs Klo gegangen. Aber: mir war ziemlich flau, zittrig, fast schlecht: ich weiß nicht, ob ich den Ärzten, was ihren Medikamentenpantsch betrifft, trauen kann. Mich haut's fast um, der linke Arm schmerzt und an der linken Hand kann ich die Finger kaum bewegen und sie spreizen sich wie im Krampf. Ich zittere wie ein schwerer Alkoholiker vorm ersten Viertelliter Schnaps und beim Herfahren ins Espresso bringt mich eine gesperrte Rolltreppe fast an den Rand meiner Kräfte, ich muß durch den Mund atmen und mein Herz rast, als wäre ich ohne Verschnaufpause den Pleantensattel (wenn Sie's unbedingt „korrekt“ wollen: „Plentensattel“ - aber so spricht es niemand aus) hinaufgestiegen. Meinen übertriebenen Kaffeekonsum stelle ich auch in Rechnung.

Um als staatlich und gesellschaftlich akzeptierter Drogenkonsum durchzugehen und die Auswirkung der Medikamente als klandestiner Drogenrausch, ist jene viel zu bild- und lichtlos. Das bißchen weißes Licht über der Medikamentenpackung reicht nicht; das bekomme ich so auch hin.

Aber ich muß nicht jammern, auch nicht wegen mangelnden Geldes: erstens verhungere ich nicht und habe ein Dach über dem Kopf. Und zweitens: hätte ich halt mehr Bilder verkauft damals (wir leben im Neoliberalismus; auf Entdecktwerden warten ist in solchen Zeiten dumm) oder hätte mich bei der Post anstellen lassen, wie sie es mir angeboten hatten – da hätte ich jetzt eine gute Pension  (und wäre Alkoholiker? Oder wegen sexueller Belästigung rausgeschmissen?)

Endlich! Der Kaffee stabilisiert meinen Kreislauf.










(14./16.5.2019)









©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 13. Mai 2019

1337 Diverse H


Unentschiedene Personen im Lokal? Wer weiß?

In der Musikabteilung vorhin: diverse H: Wie „Aldous Harding“, meine neueste Leidenschaft, von meiner Frau via Ö1 entdeckt. Zwei Tage lang habe ich mir alle Musik von ihr angehört: offizielle, weniger offizielle Videos, Liveauftritte, Studioaufnahmen … dabei komme ich nicht auf die Idee, die Unterschiede zwischen den einzelnen Varianten der Lieder zu analysieren; nein, ich lausche als ein ergriffener, andächtiger Hörer.

Eine unglaubliche Resonanz löst diese Musik in meiner Seele aus! Ich spüre einen starken, körperlich spürbaren seelischen Schmerz. Ich komme nicht dahinter, woran – oder besser: an was, an wen mich diese Musik oder die Sängerin erinnert. Die Schmerzschicht – so kommt mir vor – geht ganz in die Tiefe.

Die Weltläufigkeit, die mir fehlt, ist doch ein Segen. Der Segen ist, daß sie fehlt.

Eine unterschwellige Unruhe heute für mich im Lokal. Jetzt wird es freier und ruhiger für mich. War das eine mir unbekannte, aber gleich aufgefallene Person, die das ausgelöst hat und jetzt geht? War es ihre Selbstverständlichkeit, die möglicherweise etwas Fragwürdiges überspielt? Oder war das bei mir ein döbranitischer Schub?

Ich gehe.










(13.5.2019)












©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1336 Nächtliches Selbstmitleid


Ich bin ein alter Mann, ich bin ein gescheiterter Mann, ich bin ein resignierter Mann.











(10./11.5.2019 zwischen 2 und 3 Uhr)











©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 10. Mai 2019

1335 Nicht ganz ernster Versuch über das Rauchverbotspickerl


Meine liebe Tochter die Ältere – wir sitzen uns im Espresso Burggasse gegenüber – sie liest für die Uni einen frauenfeindlichen Text von Prof. Albert in Fraktura, also aus dem Jahre wasweißich, ich habe nach der Zeitungslektüre mit dem Schreiben begonnen (wie man sieht) (echt?), ein wunderschönes Zusammensein, nach dem ersten Geplauder arbeiten wir jeweils an unseren Sachen, aber wir können uns anschauen und bleiben locker verbunden.

Die Musik ist angenehm (das heißt bei mir: keinesfalls niveaulos oder kitschig; gefühlvoll darf sie sein, wenn sie mir angenehm sein will) das Bild an der Wand ist relativ neu – ich versuche mich ans vorige zu erinnern und taste dabei mit einer vagen Ahnung im dennoch Dunklen herum. Oh, wie sie konzentriert in ihrem Text anstreicht, Randnotizen macht, meine liebe Tochter, ganz Studentin mir Liebe zum Wissen! Eine Freude für meine Augen und für mich als ganzen alten Vater (während meine jüngere gerade bei ihrer Matura gekonnt ihre Tüchtigkeit einsetzt. (Ich weiß: im Märchen Rump(f)elstilzchen, der Vater: "meine Tochter kann Heu in Gold verwandeln!" Sehr gefährlich, macht der Tochter großen Stress!)).

Ich lasse meine Augen herumstreifen wie zwei nomadische Jäger und Sammler und sie bleiben am Rauchverbotspickerl hängen. Aus einem mir völlig schleierhaften Grund („anrachig“) fasziniert mich vor allem das Design der Zigarettenrauchschwaden auf dem Bildchen. In der strengen geometrischen Form – und die ist mir bei einem Piktogramm allemal viel lieber als Kitsch und Comic – eine kleine, immer noch strenge, geometrische Auflösung des Strengen, Geometrischen (Rauch ist halt selten quadratisch zum Beispiel).
Eigentlich hat auch die mit zwei strengen, vertikalen, durch und durch geometrischen Strichen dargestellte Zigarettenglut schon einen leichten Anhauch von Antigeometrie, weil sie allein schon die Symmetrie aufheben.

Das bringt mich zur Frage (nun einige Kilometer vom vorigen Ort entfernt – ich bin ins Paim gewandert (C3)): hat das Rauchen selber die Tendenz, Geometrie aufzulösen? (eben: Rauch ist selten quadratisch!) Ich denke an die Pausen der Raucher in der Arbeit: sie sind lustiger, geselliger – also Gesellschaftsgeometrie auflösend? Oder die leichte Auflösung durch Gemeinschaft auffangend? Und daß der Rauch Konturen vernebelt und so schwächt, und somit die Chance erhöht, anderes aus dem Hintergrund ein wenig sichtbarer, spürbarer, ahnbarer zu machen? (Ich rede immer noch vom Tabakrauchen.) Rauchen als gemeinschaftlich gestützte und damit im Sinne der Gemeinschaft als eine Inklusionsübung, die einerseits hilft, das Auflösende und damit die Widersprüche sichtbarer zu machen, aber im Rauch und der Gemeinschaft zusammenfangen kann (wenn zwei Männer zum Beispiel verschiedener Kulturen oder sonstiger Spannungen zusammenkommen, ist das Anbieten einer Zigarette ein Friedensangebot und das Angebot, sich aufs Gemeinsame einzulassen.)

Ich hatte bei den Raucherpausen immer den Eindruck, da ist mehr dabei als bei den Nichtraucherpausen, etwas Zusätzliches: etwas Kultisches, wenn man so will, aber eben nicht ein geometrischer Kult (je leerer, je geometrischer), sondern einer wo die „Gottheit“ wirklich anwesend wird und verändernd hereinwirkt (da braucht man sich dann nicht so ängstlich an das Ritual und seine Geometrie anklammern und jede Abweichung niederbügeln – deshalb ist das Lachen möglich?) (ich frag ja nur!)

Dann spiegelt das Pickerl den Versuch wider, das Ungeometrische in Geometrie einzufangen, was aber nicht ganz gelingen kann – wiewohl ich zugebe, daß die Form der Rauchfadenstriche geometrisch beschrieben, berechnet, analysiert werden kann – für geometrisch schlichtere Gemüter wie mich, die auf diesem Gebiet nicht so inklusionsgeübt sind, wirken diese Striche doch ein wenig ungeometrisch (Ach ja; die Zahl Π!)

Übrigens bin ich froh, wenn in einem Lokal nicht geraucht wird. Die Raucher sollen sich als Religionsgesellschaft organisieren und Rauchtempel bauen.










(10.5.2019)













©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 9. Mai 2019

1334 I geh schrei(b)m ins Paim


„I geh schrei(b)m ins Paim“ sagte ich zu meiner Frau „G'schia und Kuchl kannst ma lossn“ und ich geh mei strossn noch ein wenig schwach und wankend – aber die frische kühle Luft tut mir gut – und setzte mich dort im Paim auf mein bevorzugtes Plätzchen, bestelle den gewohnten Cappuccino (ich bräuchte eigentlich nur mehr nicken) und schreibe den Text (den vorigen; Nummer 1333) fertig (Im Beipacktext des letzten Medikaments steht etwas von geistigen Aussetzern als mögliche Nebenwirkung). (Heutzutage kommt ja schlecht gereimtes Zeug bei den Massen gut an - oder war das nicht schon immer so?)

Dann lese ich den Standard, relativ gründlich, sogar einen Artikel im Wirtschaftsteil. Relativ heißt: mehr als sonst, aber doch nicht alle bis zum Ende (hoffentlich sind meine Leser (unmarkiert!) nicht auch so schlampig und ignorant!). (Ich überlege ernsthaft, für meine Schreiberei die mathematischen Klammernregeln zu verwenden {[()]} wenn nur das Einsetzen von Sonderzeichen nicht so umständlich wäre. Dann stecke ich den Standard zurück in die Ablage (Abstecke? Wie heißt das? Zeitungshalterung), hole den Falter, den ich gestern schon im Espresso Burggasse zur Hälfte gelesen habe, blättere ihn kurz auf und merke: ich habe keine Lust mehr zu lesen, stecke auch den wieder zurück, bestelle den zweiten Cappuccino und will nur sitzen, den Kaffee und die Musik genießen und vor mich hin träumen. Eines der melancholischen Musikstücke gefällt mir besonders gut, aber ich habe zu lange gezögert mit dem Nachfragen, wer da spielt – (ich habe doch Hemmungen, so unbedarft, so neugierig, so ungeniert zu fragen – in meinem Alter hat man gesetzt, weise, kompetent und seiner Welt kundig zu sein, auch was soziale und gesellschaftliche Spielregeln und das dem Alter angemessene Standardwissen betrifft – so ein kleines Liedchen gehört nicht dazu).

Macht nichts. Werden schon wieder neue Möglichkeiten vor mir auftauchen. Und da ich jetzt nach den zwei Kaffees kreislaufmäßig wieder auf höherem Niveau zu sein scheine, bin ich vielleicht bei der nächsten Chance schneller und rücksichtsloser.









(9.5.2019)









©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1333 Die Freuden des Niederen Blutdrucks


Nachdem ich mich auf die medizinischen Voruntersuchungen eingelassen habe, geht es jetzt Schlag auf Schlag: der Zwischenstand bis jetzt: vier täglich einzunehmende Medikamente. Ich schwanke zwischen Skepsis und „So nahe wollte ich die verbrecherische Pharmaindustrie nie an mich heranlassen!“ einerseits und „Her mit den Drogen! Her mit den Medikamenten! Her mit den Tabletten!“ andererseits. Interessant sind einmal für einen forschenden Geist die verschiedenen Größen, Farben und Formen der Dinger; und interessant für einen universalistisch gespinten, unakademischen Allroundphilosophen die große Frage: „Warum gibt es überhaupt so viele Tabletten und nicht viel mehr weniger?“ Nein, falsch! So: „Warum haben sie so unterschiedliche Formen, Größen und Farben?“ Manche sind kaum zu derschlucken und manche sind so klein, daß man fürchten muß, sie fallen in eine Ritze der Tischplatte oder verschwinden überhaupt zwischen den Molekülen derselben. Manche sind einfärbig, manche zweifärbig. Mein zuletzt dazugekommenens Medikament hat die Farben von einem etwas verschwommenen Twinnieislutscher: ein etwas milchiges Grün und Orange. Nebenbei: mir gefällt ja auch die Hülle der RedHotChiliPeppers-CD, wo eine Medikamentenkapsel – rot und weiß – abgebildet ist, auf der der Titel der CD geschrieben steht: „I'm with you“.

Bis jetzt hatte ich alle Medikamente ganz gut vertragen, aber das neue, das gestern in unseren Kreis aufgenommen wurde, hat es in sich! Der Arzt hat mich schon darauf aufmerksam gemacht, daß es den Blutdruck senkt und ich es deswegen am Abend nehmen sollte. Ich dachte mir: das paßt, denn was den Blutdruck betrifft, so waren die Ärzte zwar nicht sehr besorgt, weil er hoch ist, aber doch so, daß sie mir mitgeteilt haben, daß er sich an der oberen Grenze und ein wenig darüber bewegt.

Als ich heute aufgestanden bin, hat es mich fast zusammengedreht. Es hat sich abgespielt: mir war richtig schwindlig, mir war richtig schlecht. Ich muß blaß wie eine Leiche gewesen sein (Kontrolle im Spiegel: etwas übertrieben, aber nicht viel), Schweißausbruch und nahe am Kotzen. Ich schwankte zwischen „Bitte nicht“ und „endlich spielt sich was ab. Nimm's als einen bild- und geistlosen Trip und beobachte deine Umgebung. Schau, ob sich vielleicht doch die Muster des Badezimmerbodens zu bewegen beginnen!“ Ich bin dann doch reumütig und dankbar ins Bett zurückgekehrt.
Aber jetzt schwanke ich zwischen „Aufstehen! Frühstücken! Essen wird mir gut tun.“ und „Ich ruhe mich lieber aus, sonst falle ich beim Aufstehen ganz zusammen!“.

Natürlich habe ich die Packungsbeilagen nicht gelesen – als Selbstschutz, sonst würde ich völlig hypochondern, aber jetzt, für diesen Text lese ich die des zuletzt hinzu gekommenen, schlagkräftigen Medikaments und verzichte darauf, darauf weiter einzugehen. (War ja nur so eine Idee, viel zu kompliziert das Ganze.)

Also bin ich nach einer längeren Ruhephase wieder aufgestanden – ich war schon richtig hungrig und das Essen schien mir Stabilisierung zu versprechen – und ging, ohne mich vorher rasiert zu haben hinunter um mir ein Frühstück zu bereiten.

Großer Exkurs über das Rasieren: In den Zeiten meiner tiefsten Depression war ich auch in Gefahr, meine Körperpflege allzu sehr zu vernachlässigen. Ich gehöre nicht zu denen, die panisch werden, wenn sie nicht viermal am Tag geduscht haben – und dazu stehe ich auch – aber das ging schon ein bißchen zu weit. Das Harmloseste an diesem Desinteresse an Körperpflege war, daß ich mich ungern, also lange nicht rasiert habe, bis dann der Bart einfach mit dem Rasierapparat nicht mehr zu bearbeiten war und ich infolgedessen mit längerem, eher ungepflegtem Vollbart herumgelaufen bin. Irgendwann habe ich den dann mühsam wieder abgeschabt, oder – wenn ich auf Luxus war – das beim Friseur erledigen lassen. Dann ist das wieder von vorne losgegangen. Sagen wir … eine Woche habe ich mich rasiert, dann immer seltener and so on. (oh, wenn ihr wüßtet, wie deppert mir solche englischen Einsprengsel vorkommen! Erst, weil ich gar nicht Englisch kann. Wie ein kleiner Bub, der stolz seine ersten englischen Brocken möglicherweise falsch präsentiert. Sehr infantil!)

Das war jetzt ein kleinerer Exkurs über englische Einsprengsel. Jetzt folgt ein kleinerer über „infantil“: wie gesagt, das da oben ist infantil und natürlich auch die ganzen Pimperlgeschichten in den vorigen Texten: kleiner Bub will vor den anderen und Mama angeben. Aber es macht so Spaß!!! Also mir macht das Spaß (um nicht von Lust zu reden)! (Den ganz kleinen Exkurs über Ausrufungszeichen spare ich mir!) (Wie sagte mein lieber, früherer Arbeitskollege Bernd? "Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit!")

Dann bin ich in meiner schon behandelten Depressionszeit auf die Idee gekommen, mir einen Oberlippen- und Kinnbart stehen zu lassen. Das hat mich gezwungen, mich täglich zu rasieren, noch dazu, wo ich nach einiger Zeit dazu überging, den Oberlippenbart zwischen Nase und Oberlippe den Mund entlang ganz schmal zu halten. Somit wurde das rasieren – vor allem mit meinem billigen Rasierapparat – schon ein wenig kompliziert und ich vermute, daß der Gedanke ans Rasieren noch mehr auf meine Aufstehlust gedrückt hat, wie die Arbeiten der Morgentoilette sich sowieso schon als Riesenpyramide an Mühe vor mir aufgebaut hatten. Umso größer die Herausforderung. Aber da kann ich stur sein: aufstehen - rasieren – frühstücken: das war der von mir festgelegte Ablauf und den habe ich so gut wie immer eingehalten – immer ein kleinerer oder größerer Kampf. Erst in letzter Zeit fange ich an, meist nach anfänglichem Widerstand das Rasieren ein wenig genießen zu können. Jedenfalls: mit diesem Trick habe ich meinen depressiven Geist überlistet, seine Aufmerksamkeit auf die „Schönheit“ (hihi) (Zitat aus dem sowjetischen Märchenfilm „die schöne Warwara“, meinem liebsten Märchenfilm: „Wo ist die Schönheit!?! Pustekuchen mit der Schönheit!“) und auf die Körperpflege zu richten und sie dort so gut es geht zu verankern.

(Ganz kleiner Exkurs über Tricks: ich liebe Tricks. Sicher gibt es auch Situationen, wo Tricks nicht angemessen sind und ein ernsthaftes, offenes Herangehen angebracht ist. Aber ich liebe Tricks; ich finde, sie sind das genau Richtige beim Umgang mit Diven und sich sensibel-kompliziert gebenden und eigendünkeligen Persönlichkei … äh … Personen.)

Beim Frühstück unten habe ich mich gestärkt, entgegen meine Gewohnheit auch gleich einen kleinen Milchmischkaffee (Getreide + echt) vor und nach meinem kompliziert und sensibel zusammengemischten Kräutertee getrunken, um meinen Blutdruck zu heben. Dann habe ich mich erst rasiert  - dabei mußte ich schon noch eine mentale Hürde überwinden - und alles andere erledigt, habe zu meiner Frau gesagt „i geh' schrei(b)m ins Paim; die Kuchl kannst ma lossn“, denn im meinem Geist kreisten schon viele Schreibideen und viele, auch lustige Formulierungen und Exkurse; das ist eine Phase, wo ich weiß, wenn ich das alles nicht bald aufschreibe, ist alles das bald wieder weg.





(9.5.2019)





©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com