Freitag, 10. Mai 2019

1335 Nicht ganz ernster Versuch über das Rauchverbotspickerl


Meine liebe Tochter die Ältere – wir sitzen uns im Espresso Burggasse gegenüber – sie liest für die Uni einen frauenfeindlichen Text von Prof. Albert in Fraktura, also aus dem Jahre wasweißich, ich habe nach der Zeitungslektüre mit dem Schreiben begonnen (wie man sieht) (echt?), ein wunderschönes Zusammensein, nach dem ersten Geplauder arbeiten wir jeweils an unseren Sachen, aber wir können uns anschauen und bleiben locker verbunden.

Die Musik ist angenehm (das heißt bei mir: keinesfalls niveaulos oder kitschig; gefühlvoll darf sie sein, wenn sie mir angenehm sein will) das Bild an der Wand ist relativ neu – ich versuche mich ans vorige zu erinnern und taste dabei mit einer vagen Ahnung im dennoch Dunklen herum. Oh, wie sie konzentriert in ihrem Text anstreicht, Randnotizen macht, meine liebe Tochter, ganz Studentin mir Liebe zum Wissen! Eine Freude für meine Augen und für mich als ganzen alten Vater (während meine jüngere gerade bei ihrer Matura gekonnt ihre Tüchtigkeit einsetzt. (Ich weiß: im Märchen Rump(f)elstilzchen, der Vater: "meine Tochter kann Heu in Gold verwandeln!" Sehr gefährlich, macht der Tochter großen Stress!)).

Ich lasse meine Augen herumstreifen wie zwei nomadische Jäger und Sammler und sie bleiben am Rauchverbotspickerl hängen. Aus einem mir völlig schleierhaften Grund („anrachig“) fasziniert mich vor allem das Design der Zigarettenrauchschwaden auf dem Bildchen. In der strengen geometrischen Form – und die ist mir bei einem Piktogramm allemal viel lieber als Kitsch und Comic – eine kleine, immer noch strenge, geometrische Auflösung des Strengen, Geometrischen (Rauch ist halt selten quadratisch zum Beispiel).
Eigentlich hat auch die mit zwei strengen, vertikalen, durch und durch geometrischen Strichen dargestellte Zigarettenglut schon einen leichten Anhauch von Antigeometrie, weil sie allein schon die Symmetrie aufheben.

Das bringt mich zur Frage (nun einige Kilometer vom vorigen Ort entfernt – ich bin ins Paim gewandert (C3)): hat das Rauchen selber die Tendenz, Geometrie aufzulösen? (eben: Rauch ist selten quadratisch!) Ich denke an die Pausen der Raucher in der Arbeit: sie sind lustiger, geselliger – also Gesellschaftsgeometrie auflösend? Oder die leichte Auflösung durch Gemeinschaft auffangend? Und daß der Rauch Konturen vernebelt und so schwächt, und somit die Chance erhöht, anderes aus dem Hintergrund ein wenig sichtbarer, spürbarer, ahnbarer zu machen? (Ich rede immer noch vom Tabakrauchen.) Rauchen als gemeinschaftlich gestützte und damit im Sinne der Gemeinschaft als eine Inklusionsübung, die einerseits hilft, das Auflösende und damit die Widersprüche sichtbarer zu machen, aber im Rauch und der Gemeinschaft zusammenfangen kann (wenn zwei Männer zum Beispiel verschiedener Kulturen oder sonstiger Spannungen zusammenkommen, ist das Anbieten einer Zigarette ein Friedensangebot und das Angebot, sich aufs Gemeinsame einzulassen.)

Ich hatte bei den Raucherpausen immer den Eindruck, da ist mehr dabei als bei den Nichtraucherpausen, etwas Zusätzliches: etwas Kultisches, wenn man so will, aber eben nicht ein geometrischer Kult (je leerer, je geometrischer), sondern einer wo die „Gottheit“ wirklich anwesend wird und verändernd hereinwirkt (da braucht man sich dann nicht so ängstlich an das Ritual und seine Geometrie anklammern und jede Abweichung niederbügeln – deshalb ist das Lachen möglich?) (ich frag ja nur!)

Dann spiegelt das Pickerl den Versuch wider, das Ungeometrische in Geometrie einzufangen, was aber nicht ganz gelingen kann – wiewohl ich zugebe, daß die Form der Rauchfadenstriche geometrisch beschrieben, berechnet, analysiert werden kann – für geometrisch schlichtere Gemüter wie mich, die auf diesem Gebiet nicht so inklusionsgeübt sind, wirken diese Striche doch ein wenig ungeometrisch (Ach ja; die Zahl Π!)

Übrigens bin ich froh, wenn in einem Lokal nicht geraucht wird. Die Raucher sollen sich als Religionsgesellschaft organisieren und Rauchtempel bauen.










(10.5.2019)













©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite