Montag, 6. Mai 2019

1329 Potschemu oder wie ich einmal ein REM-Konzert organisiert habe


Wir sind in der Mitte der Achtzigerjahre und bei der Wiener Künstlergruppe REM, deren Mitglied ich war, herrschte ein hoher Anspruch: alles, was wir machten, sollte herausragend und hervorragend sein. Ob es um die eigenen Arbeiten ging oder um die Veranstaltungen in unserer Galerie, das hieß: auch wenn einer oder eine jemand einlud, bei uns etwas zu machen: der Anspruch war sehr hoch. (Ich finde, bei uns im REM haben tolle Ausstellungen, Veranstaltungen, Konzerte und was auch immer stattgefunden – aber daß das alles alles und alles andere übertreffen sollte oder hätte – dieser Anspruch war überdreht.) Mir als schüchternen und oft unsicheren Menschen machte das großen Stress, vorallem, wenn von mir ein entschiedeneres, sichereres, selbst- respektive REMbewußteres Auftreten erwartet oder gar gefordert wurde. Auch ich selbst stellte an mich diese Forderung, mich grundlegend zu ändern und mußte damit immer scheitern (heute ist mir klar, wieso).

Einmal ist mir die Aufgabe zugefallen, ein Konzert im REM zu organisieren - ich glaube, es war als Eröffnung einer Ausstellungsreihe gedacht. Ich habe mich gemeinsam mit Freund Markus Gstrein (R.I.P.), den ich Jahre später recht schiach behandelt habe, an diese Herausforderung gemacht. Eine Band war klar: denn neben Markus bildeten noch Andy von REM und Michael Hedwig die Band (ich glaube, bei diesem Konzert spielte schon "Earfuck", also diese drei, und nicht mehr „Laut Vereinbarung“, wo zu den drei noch einige mehr dazugekommen wären). Ziemlich klar waren auch die Rinzoten, die einem sensiblen, experimentellen Jazz zugeneigt waren (hoffentlich bekomme ich keine Ohrfeigen wegen falscher oder ungenauer Katalogisierung!), aber bei dieser Geschichte geht es mir vor allem um die dritte Band.

Zunächst hatten wir eine experimentelle Frauenband im Auge, die aus irgendeinem Grund abgesagt, aber uns auf eine feministische Frauenpunkband aufmerksam gemacht und den Kontakt hergestellt hat. Das war gleich eine ganz andere Welt: wild, laut, rau, mitreißend. Sie haben zugesagt. Ich hatte große Sorgen, ob bei den anderen REMmitgliedern unsere Bandauswahl – dann beim Konzert akzeptiert wird oder als Fehlentscheidung kritisiert. Ich hatte deswegen ziemlich Stress. Und ich fürchtete mich tatsächlich vor den wilden Weibern der Band.

Ich meine, mit den mehr auf intellektuell gestrickten – heute würde man vielleicht sagen: Bobo – Feministinnen konnte ich vielleicht, vielleicht, vielleicht mit meinem Gerede noch etwas punkten – so hatte ich in meiner Grazer Zeit es geschafft, während einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Frauen als Mitbegründer (einer) der ersten Männergruppen in Österreich, wo ich dafür plädiert habe, daß Männer ihre emotionalen und zärtlichen Bedürfnisse nicht nur mit Frauen, sondern auch untereinander teilen sollten, eine der anwesenden Feministinnen (vermutlich eine Anfängerin, andere hatten eine solche Strategie schon durchschaut) zum Ausruf „das ist ein toller Mann“ zu begeistern.

Aber hier, bei diesen direkten, wilden, aggressiven, mit schwarzem Leder, Metall und Klunker aufgebrezelten, sich rau gebenden, vielleicht auch substanzilluminierten und hinreißenden Frauen? Nein, da mach ich doch als Weichei, Warmduscher und Softy (okay: ich habe selten geduscht, aber wenn, dann immer mit Kaltdusche abgeschlossen!) keinen Stich und ich erwartete jeden Moment eine Attacke auf mich so a la „was willst denn du!“ (bei Männern hätte ich mich auch gefürchtet, ob mehr, gleich oder weniger – das wäre eine interessante Untersuchung).

Ich halte fest: sie waren alle freundlich zu mir und haben mir nichts getan, gar nichts! Trotzdem habe ich bei REM und auch sonst herumerzählt, daß diese Frauen so wild seien und ich mich vor ihnen fürchte. Frau Maria Mazola von der Band hat mich dann einmal zur Rede gestellt, wieso ich solchen Unsinn über sie verbreite und warum ich behaupte, vor ihnen Angst zu haben (wie sie es genau formuliert hat, weiß ich nicht mehr). Es ist mir gelungen, mich mit „aus werbetechnischen Gründen, um das Interesse am Konzert anzuheizen“ herauszureden. In Wahrheit habe ich mich wirklich gefürchtet!

Am Tag des Konzertes war ich im großen Stress, es war ja auch alles mögliche zu tun und vorzubereiten. Alles hatte so weit geklappt, die Bands spielten, die Galerie war voll. Wenn ich mich richtig erinnere – aber es kann sein: ich irre mich – war die Reihenfolge der Auftriite so: Rinzotten - die wilde Frauenband Potschemu - Earfuck. Wie die Potschemu dann angefangen und aufgespielt haben – wow! Das ist losgegangen: laut, präzise und gekonnt ihre tolle, wilde Punkrockmusik! – da glaubte ich gemerkt zu haben: es kommt beim Publikum und auch bei den REMis an (jeden, jede einzelne habe ich nicht befragt) und eine große seelische Erschöpfung und ein großes Bedürfnis nach Entspannung kamen über mich und so habe ich mir eine Flasche Wodka genommen und gut die Hälfte zwar nicht in einem Zug, aber recht schnell hinuntergekippt. Da habe ich mich dann glücklich und selig im oberen Raum der Galerie auf den Boden gelegt (oder mußte ich schon hingelegt werden …?) und bin eingeschlafen und war nicht mehr aufzuderwecken. Meine Freunde wollten schon die Rettung rufen, aber unterließen es, weil sie feststellten, ich atme normal.

Als dann der letzte Ton der letzten Nummer unseres Konzertabends am Verklingen war, genau in dem Moment, war ich plötzlich hellwach, richtete mich auf und fragte: „wie war das Konzert?“

Nachzutragen ist noch, daß zumindest die Gestaltung der Einladungen zumindest zum Teil heftiges Mißfallen gefunden hatte.










(6.5.2019)














©Peter Alois Rumpf  Mai 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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