Mittwoch, 31. Juli 2019

1436 Ich habe eine Affäre mit meinem Notizbuch


Obwohl ich mir gerade denke: nicht schon wieder so einen Halbschlaftext! greife ich genau in diesem Setting – im Bett hockliegend, gerade aufgewacht, noch voll verschlafen – zum Notizbuch und die Augenlider werden schon schwer und schwerer und bald werde ich eingeschlafen sein.

Ja, die erste Post-Schlaf-Schlafphase habe ich schon hinter mir, aber oh weh! - die Träume habe ich alle zurücklassen müssen. Auf zum zweiten Streich!

Jetzt habe ich in meinem Notizbuch endlich den Ich-akzeptiere-die-Geschäftsbedingungen-und-lasse-Cookies-zu-Button gefunden und angeklickt. Jetzt sollte ich halt wissen, was Cookies sind und wie die analog ausschauen könnten und was die tun.
Die Katze popt up, äh, springt mit einem kurzen Miau auf mein Bett, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich und will gestreichelt werden. Ich tue wie verlangt.

Irgendwas mit meinem Vater. Als ich den Kugelschreiber, der mir aus der Hand gefallen ist, suche, habe ich schon alles wieder vergessen.

„Der Harald ist auch ...“, sagt meine Frau. Moment! Wer ist Harald?!

Wieder eingeschlafen. Drüben ruft mich ein Liebhaber meiner Frau an (ich lese, herüben, gerade ein ausgezeichnetes Buch über die Macht der Affäre von Esther Perel) und … pah! ist das herrlich, in meiner Hitzekleidung: kurze Hose, nackte Beine, Sandalen (just!) und so - durch die abgekühlte Luft zu gehen, während leichte Brisen den Erfrischungseffekt angenehm verstärken!

Bitte, liebe(r) ?, bleib noch auf der anderen Seite, ich will das da noch putzen.

Ist das schon Seattle?

Und jetzt? Jetzt geht die Katze; war ihr Seattle zu viel? Ich mit meiner Streichlerei zu aufdringlich oder zu fad?

Wir sitzen da beim Bankomaten ziemlich dicht beisammen. Ich strecke die Beine aus und lege mein Notizbuch unabsichtlich auf meinen morgendlichen Schwanz. Der leichte Druck auf meinem Ding gefällt mir und so lasse ich es und überlege, was das für Auswirkungen auf meinen Text haben könnte. Ein Titel dafür fällt mir ein: 1436 „Ich habe ein Affäre mit meinem Notizbuch“ …
Ich ziehe die Beine wieder an, denn so kann ich einfach bequemer schreiben.

Die Katze putzt sich geräuschvoll unter meinem Gewandablagesessel.

Mit zwei rundlichen Leuten in unserer oberen Badewanne; ich kann nicht einmal feststellen, ob es Männer oder Frauen sind – schon ist die Szene wieder weg.

Die größte Tierherde Österreichs verschwindet in der zweiten Dimension (oder ist das die fünfte? die sechste?), also ich meine: drüben halt; nachdem ich feststellen mußte, daß ich die halbe Seite drüben vollgeschrieben habe, und hier diese neue Seite leer ist.

Können wir uns langsam auf Aufstehen und Frühstück einigen?

Mir kommt die Idee zu einer Art Philosophie und Lebenshaltung: den Panerotizismus: alles ist erotisch (ja, ja, ich geb's ja zu: alles wird erotisch aufgeladen, die sichtbare und die unsichtbare Welt; nicht ungefährlich! - je nachdem, was man mit Eros meint).
(Hätte auch nicht gedacht, daß ich wieder einmal da lande, nachdem ich mich vor kurzem noch über so etwas lustig gemacht habe.)

Soll ich mich noch einmal in Schlaf und Traum fallen lassen? Vielleicht rutsche ich dabei in eine andere Rille. Oder ist es mir eh so recht?

Einigen wir uns darauf: es ist schön zu leben und sich an allem zu erfreuen? Ansonsten: wir werden sehen.










(31.7.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Dienstag, 30. Juli 2019

1435 Es schaut cool aus


… und mein Atem geht neben mir her, obwohl ich liege. Meine Augen sind verklebt und beim Aufsetzen habe ich alle meine schönen, starken Traumbilder und alle starken, wahren, erleuchteten, in der anderen Welt drüben mühsam formulierten Sätze verloren.

Stille. Ich staune immer wieder, wie still es mitten in der Stadt sein kann. Ich blättere um und zum ersten Mal sehe ich nach tausenden Malen durchblättern in diesem anderseitigen Bildband Photos vom Bahnhof von Laibach/Ljubljana. Vorsichtig und neugierig blättere ich im Bildband noch vor und zurück, ob sich noch mehr Bilder bis jetzt versteckt gehalten haben.

Eine verworrene innere Diskussion über Intimität und Preisgabe beginnt und endet in nichts. In dem Nichts, in dem ich wach bin.

Seltsamerweise kommen jetzt Unfälle ins Spiel, gottseidank sind die Bilder verschwommen und schlecht, lösen sich beim Betrachten auf, sodaß  ich nichts sehen muß.

Ich schlage den ein Dezimeter hohen Zaun aus kleinen Metallröhrchen ein und komme so wieder herauf ans Licht, als hätten mir die Schlagbewegungen Auftrieb gegeben.

Sie, die Frau, die ich dort sehe, will nur dann in diese Welt hier mitkommen, wenn ich … was?! was?! … verdammt! … ist mir gerade entglitten!

Ich lasse diese Sucherei drüben bleiben … ein ordentlicher Schlag von rechts trifft mein Notizbuch … was war das!? Aber ich bin auch drüben keine Autoritätsperson und niemand antwortet meiner Aufforderung.

Ich lache bei der Vorstellung still auf, daß Kurt P. die Verantwortung über die Parkbänke der Stadt Graz übertragen bekommt – so halb als Sozialmaßnahme für ihn – und staune über das gefällige Gitarrenspiel irgendeiner Abspaltung von ihm.

Überhaupt haben es mir die Grazer Verhältnisse angetan; ich mach mir ernsthafte Gedanken über die Stadtentwicklung und das Bevölkerungswohl, fast wie ein klandestiner Stadtrat, oder gar Bürgermeister.

Ich atme seufzend, tief, erleichtert. Erleichtert, daß ich hier bin? Mit der Stille ist es aus, Sirenenautos jagen durch die Straßen.

Wieder drüben heule ich mit verzerrtem Gesicht wegen … der Stadtentwicklung? Aber nicht mehr in Graz, oder? Oder über den ganzen Staat? Nicht ganz glaubwürdig, hätte ich gesagt.
Die asiatische Frau hat sich in einen Obstkorb gelegt, auf die exotischen Früchte drauf, ich bekomme ein Eis, eine Zusage für ein Treffen später? Wo bin ich? In Vietnam?

Ahja! Wann läuft meine Therapiekarte ab? Wo habe ich sie nur?
„Da!“- ich überreiche sie dem Mann am Schalter.

Ich stolpere die dunkle Treppe hinunter, denn ich sehe nichts. Ich schaue mir von außen zu und stelle fest, daß die Welt um die Stiege bunt ist, nur die Treppe ist ganz einfach in direktes Schwarz gehüllt. Keine Wolken, keine schwarze Substanz, nur Schwarz.

Ich habe da tausende schöne, ergiebige und inspirierte Sätze auf einem Haufen, aber schon ist das Bild wieder verschwunden beziehungsweise bin ich aufgetaucht.

Mein Gott! Sind diese Kurzreisen hin und her schön! Ich danke dir, lieber Gott, und dem österreichischen Pensionssystem und meiner lieben Frau, daß sie mir Obdach, Bett, Nahrung und Kaffee gibt (inklusive der Erlaubnis, ihre Kaffeemaschine zu benutzen) und Zeit; Notizbücher und Kugelschreiber – das wieder an Gott, denn die kaufe und bezahle ich selber.

Nun ist es wieder still, nur die Katze gibt in ihrem Schlaf fast liebliche, fast jammernd-stöhnende Atemgeräusche in eher hoher Tonlage von sich (manchmal hatte ich schon geglaubt, in irgendeiner Nachbarwohnung vögelt wer).

Bin ich damit ganz in unserer realen, modernen, übersexualisierten Welt angekommen? Oder schlafe ich wieder ein? Ich frage mich absichtlich, ob ich nicht hungrig bin, lenke meine Aufmerksamkeit darauf und fühle dem nach, im Versuch, meine realen, realistischen Anteile zu stärken. Ja, ja, schaut aus, es gelingt! Nur daß meine reale Welt hier in meiner stillen, bücherintensiven Kammer keinen Sex hat. Hier bin ich Mönch, hier darf ichs sein!

Genüßlich strecke ich meine Glieder und beschließe, das Pflaster von der gestrigen Blutabnahme noch am Arm zu lassen, weil es so cool ausschaut.











(30.7.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1434 Panta Rhei


In meinem mitternächtlichen Zimmer ist alles unbeweglich, wie von einer großen Macht abgestoppt und festgehalten. Warum fliegen die Bücher nicht oder reisen sonstwie in den Welten herum? Warum tanzen die Cedes, ihre Player und mein am Sessel abgelagertes Gewand nicht? Warum bewegt sich die Jalousie nicht und wogt und schaukelt nicht, wenn ich doch draußen den Wind höre? Wer hat den Befehl zur Bewegungslosigkeit gegeben?

Tapfer ziehe ich den Kugelschreiber in diesen verdrehten Schriftlinien über das Papier, gegen die Bewegungslosigkeit ankämpfend, aber nichts und niemand läßt sich mitreißen.

Auch das Licht ist starr und bewegt sich nicht, flackert nicht, auch die Lampe schaukelt weder sanft noch wild hin und her ...

Auch die Schatten rühren sich nicht – und ich weiß, daß sie sich bewegen können, sogar unabhängig von ihrem Werfer!

Wollen sie mich erschrecken? Haben sie es irgendwie auf mich abgesehen? Wollen sie mich – dann starr vor Angst - zuerst zur Bewegungslosigkeit bringen und dann einfrieren?

Das ganze Kabelwerch hängt nur noch erschöpft, schlaff und trotzdem starr herum und bewegt sich nicht; kein Muckser.

Panta rhei! … daß ich nicht lache! Das nervöse Zappeln meiner Füße kann dabei doch nicht gemeint sein!










(29./30.7.2019)










 ©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com




Sonntag, 28. Juli 2019

1433 Das Indirekte Zitat


Als ich noch jung und ejakulativer war, wäre ich nicht auf solche Ideen gekommen, aber jetzt, im Alter … ich habe nämlich soeben eine neue literarische Figur oder Technik erfunden: das indirekte Zitat!

Und das kam so: heute Morgen döse ich im Bett so vor mich hin, noch mit einem intensiven Traum beschäftigt, den ich aber jetzt schon wieder komplett vergessen habe. Ich öffne meine Augen und sehe meine liebe Frau neben mir liegen, betrachte die Halbschlafende, die ihre Äuglein noch geschlossen hält und habe eine großartige Idee: ich singe ihr „Der Mond ist aufgegangen“ vor – so gut es halt in diesem morgendlichen Zustand geht. Natürlich bin wach genug um zu wissen, daß dies nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt für dieses Lied ist. Aber es ist ein indirektes Zitat und wegen der Ungereimtheit – so hoffe ich – wird es meine Liebe vielleicht ein wenig neugierig machen, was sich ihr Geliebter da wieder (manipalutiv - ich bin Co-Klient in ihrer Therapie; das heißt: als Abwesender dabei) ausgedacht hat. Das kann sie nicht wissen, darum erkläre ich es ihr auch und sage zu meinem lieben Weibe: „Das ist ein indirektes Zitat. Diese Zitiertechnik habe ich gerade erfunden. Was wollte ich damit wirklich sagen?“ Natürlich kann sie das auch noch nicht wissen, denn wir fangen ja mit dem Indirekte-Zitate-Spielen erst an und deshalb erkläre ich es ihr auch: „Der Mond-ist-aufgegangen hat Matthias Claudius geschrieben, der in einem Brief an seine Frau sie zärtlich als 'mein liebes betthäsgen' angesprochen hat, und das ist es, was ich indirekt zitiere.“

Ja, ja – das ist schon gut angekommen, denn sie hat gelacht!

Ich kenne leider den Antwortbrief von Anna Rebekka Claudius an ihren Matthias nicht und frage mich, ob sie auch – wie meine Frau jetzt soeben: „ich muß aufs Klo“ geantwortet hat. Und wie man das dann indirekt zitieren könnte – keine Ahnung! Wir müssen beide diesbezüglich noch viel üben!









(27./28.7.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 26. Juli 2019

1432 Später


Ein undeutlicher, verstümmelter, abgerissener Ruf aus der Tiefe des Lichtschachtes hat mich nicht aufgeweckt, denn ich bin schon wach gelegen, wie ich es liebe, dem einen Traum, an den ich mich erinnern kann, noch nachhängend, um ihn ein wenig in eine angenehme Richtung weiterzuspinnen. Es ist ungefähr neun, die Klimaanlage im Lichtschacht rauscht auf vollen Touren, weil es schon sehr heiß ist.

Kaum habe ich mich zum Schreiben aufgesetzt, ist die Katze unter dem Stuhl, auf dem ich mein Gewand ablege, hervorgekommen und hat sich schnurrend neben mich gelegt. Um zwanzig nach vier hatte sie mich wachgetatzelt und ihr Frühstück verlangt. Meines wird in zirka einer halben Stunde beginnen; ich glaube nicht, daß ich jetzt nocheinmal einschlafe, denn ich fühle mich gut, ausgeruht und ausgeschlafen.
Aber wer weiß: der Mensch denkt und Gott lenkt – oder wer oder was auch immer.

Ich biete der Katze an, sie am Bauch zu kraulen und sofort bringt sie sich in eine geeignete Position.
Ich döse vor mich hin; mein Eindruck, heute nicht mehr in Träume zu fallen, war voreilig. Aber an meinem Wohlgefühl ändert das nichts. Ein leichtes Schuldgefühl, das sich heranpirscht, lasse ich ins Leere laufen.

Den Ruf einer Taube kann ich hinter dem Lärm der Klimaanlage noch ausnehmen, dann schließe ich doch die Augen und lasse allem seinen natürlichen Lauf.

(„Ich lasse allem seinen natürlichen Lauf“ oder „ich überlasse alles seinem natürlichen Lauf“? Ich entscheide mich nach einigem Überlegen für die ersten Variante, weil mir jetzt vorkommt, daß sich hinter dieser meiner friedlichen, frommen Morgenstimmung doch ein wenig Größenwahn versteckt halten könnte. Die erste Variation habe ich spontan hingeschrieben, die zweite wäre eine Korrektur vom Denken her. Denn ich weiß ja, daß ich gar nicht in der Position bin, anzuschaffen, den Dingen ihren Lauf zu lassen, sondern bloß aufhören kann, dagegen anzukämpfen, was der zweite Satz ausdrückt. Im ersten Satz unterstelle ich, daß ich der Chef des Universums bin oder zumindest in hoher Managerposition mit Durchgriffsrecht und Prokura, im zweiten, daß ich ein Geschöpf bin, das sich fügt, nicht, weil es sich – von vornherein - unterwirft, sondern weil es erkennt, daß es gar nicht so viel Macht innehat. Der zweite Satz ist richtig, was den Sachverhalt betrifft; der erste was meinen psychischen und emotionalen und weltbildmäßigen Zustand betrifft – der Größenwahn ist mir unabsichtlich rausgerutscht: wegen dieser Wahrheit lasse ich ihn so stehen, obwohl er sachlich falsch ist.

Fragt sich nur, welcher Größenwahn das ist: rein mein persönlicher vel der kollektive der modernen Menschheit? Zweiterer unterstellt ja, daß wir das Liebkind der Schöpfung sind und dort, wo alle Fäden zusammenlaufen, ein Menschenhafter sitzt, sogar, daß er männlich ist, und auf uns schaut, darum werden wir schon irgendwie gerettet werden, auch wenn die Erde im Fieber überhitzt, sei es, daß der Deus ex machina auftritt respektive heruntergeschwebt kommt, oder daß uns noch was technisches zur Rettung einfällt, weil wir eh so super sind. Aber dem ist nicht so: dort, wo die Fäden zusammenlaufen, laufen auch die Fäden des Ameisenhaften, des Dinosaurierhaften, des Birkenhaften, des Amöbenhaften, des Krokodilhaften, des Virushaften, des Bakterienhaften, des Engelhaften, des Zwergenhaften, des Wegwartenhaften, des Spinnenhaften, des Peyotehaften, des Schlangenhaften, des Trichocereus-pachanoihaften, des Aalhaften, des Quälgeisthaften, des Voladoreshaften, des MutterErdehaften, des Gauchheilhaften, des ….............  zusammen. Und alle haben ihre Berechtigung. Wir sind nur ein Teil des Ganzen. Und das Ganze ist viel, viel großer, als wir es sehen können!)

Tatsächlich: im Bücherregal habe ich jetzt gerade eine weiße Flamme mit einem rötlichen Kern (sagt man das bei Flammen?) ein, zwei Sekunden lang über ein paar Büchern schweben und tanzen gesehen. Dann ist sie verschwunden. Ausgesehen hat sie so, wie die Feuerflammen beim Pfingstfest über Maria und den Aposteln dargestellt werden. Das soll aber keine Anspielung sein! Die Flamme war ja nicht über mir, sondern über folgenden Büchern: Jana Vizjak, Herzensweg; Ernst Barlach Haus Hamburg, Österreich im Umbruch; Herbert Böckl, Apokalypse; Herbert Böckl, Das Spätwerk. Alles Kunstbücher. Am öftesten hat sich die Flamme über dem Böckl gehalten. (Ganz links, noch vor der lieben Freundin Jana, wäre noch meine Diplomarbeit über Johannes Taulers Himmelfahrtspredigten gestanden, aber dort war die Flamme eindeutig nicht! Ich gehe schon davon aus, daß die da oben gut zielen können und finde eh diese Auswahl wirklich nicht schlecht!)

Es ist später geworden, aber dafür gibt es einen längeren Text.











(26.7.2019)















©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 25. Juli 2019

1431 Eigenartige Zufälle


Eigenartige Zufälle, die sich in der wirklichen Realität zugetragen haben: 1990, nach meiner Beratung beim Astrologen Döbereiner, der mir zugeredet hat, wieder in die katholische Kirche einzutreten und mein abgebrochenes Theologiestudium wieder aufzunehmen und abzuschließen, und nach meinem Pariser Exil (hier in der Schublade Nr. 93 „Mein Pariser Exil“), überlege ich, von Wien nach Graz zu übersiedeln, um das Studium dort, wo ich es abgebrochen hatte, wieder anzupacken und an den Ort und in die Szene, vor der ich geflüchtet bin, zurückzukehren und mich den Dingen zu stellen. Deshalb fahre ich nach Graz, um meine studientechnischen Angelegenheiten zu ordnen und meine Wohn- und Existenzmöglichkeiten in Graz zu sondieren.

Gerade als ich am Bahnhof aus dem Zug steige und den großen Vorplatz überqueren will, bleibt ein Regionalbus einfach so, weit und breit keine Haltestelle, stehen, die Bustür öffnet sich und mein Name wird gerufen.
Erstaunt schaue ich hin und stelle fest, es sind meine Eltern, die in der Autobustür stehen und mein Vater ruft mir zu, daß sie zum Begräbnis von Onkel X fahren, ein Bruder meiner Mutter, der als Nazi, der er auch nachher geblieben ist, ganz persönlich an Kriegsverbrechen an gefangenen Frauen beteiligt war. Und ein rabiater Antiklerikaler, auch einer der Verächter meiner Theologie-Studiererei.

Dann hetzte ich zur Uni und dort kommt mir Y.Z. entgegen. Wir hatten schon vor meiner Flucht aus Graz nach einem Streit den Kontakt abgebrochen und weil er wegen dieses Streites (bei dem es unter anderem um ein persönliches Kodolitsch-Gespräch mit Peter Pakesch ging) seine Funktion als Chef einer politischen Studentengruppe zurücklegte und somit ich schuld war, daß ein „so großartiger Mann“ - wie es ein Obergenosse ausdrückte (zu diesem sage ich nur: „Sterz“) „wegen der psychischen Probleme dieses Rumpf da“ der Studentengruppe verloren ging (auch einer der Fluchtgründe).
Gut, der Y.Z. konnte dann endlich sein Studium abschließen und Universitätsprofessor werden. Was den Streit betrifft mußte ich ihm nachträglich eigentlich eh recht gegeben, aber das sage ich ihm jetzt, bei dieser zufälligen Begegnung gar nicht, sondern grüße nur mit „servas“ und hetze weiter zur bald schließenden Evidenzstelle. Y.Z., ein ausgesprochen sensibler Mensch, hatte in meiner Grazer Zeit als bewunderter und verehrter älterer Freund und - ein paar Monate lang - WeGe-Genosse großen Einfluß auf mich und auch er war ein erbitterter Feind der Kirche, wenn auch von der rationalen, aufklärerischen Seite her, aber durchaus gewürzt mit schlimmen persönlichen Erfahrungen.

Ich tue so, als ob eine solche zufällige Begegnung nach so vielen Jahren und zu einem Zeitpunkt, wo ich wieder in die Kirche eingetreten war und das Theologiestudium fertig machen wollte, ganz normal wäre.

Wenn mir ein drittes Omen einfiele, dann wäre ich jetzt sicher, das Schicksal oder die Götter wollten mir mitteilen: es wäre gut, an den Ort und in die Gesellschaft, vor der ich geflüchtet bin, zurückzukehren, um meine sieben Sachen in Ordnung zu bringen; so habe ich nur einen Verdacht.

Was mich heute, am 25.7.2019,  wundert: erst nach fünfundzwanzig Jahren fallen mir diese Zusammenhänge auf und die – wie mir vorkommt – Dichte der Hinweise und so etwas wie ein Muster, auch wenn ich es immer noch nicht zu deuten weiß.

Ich möchte noch anfügen, was „meine“ Zauberer schreiben: „Es gibt dreierlei schlechte Gewohnheiten, in die wir immer wieder verfallen, sobald wir im Leben mit ungewöhnlichen Situationen konfrontiert sind. Erstens können wir das, was geschieht oder geschehen ist, leugnen und so tun, als sei es nie geschehen. So machen es die Bigotten. Zweitens können wir alles unbesehen akzeptieren und so tun, als wüßten wir, was geschieht.  So machen es die Frommen. Drittens kann ein Ereignis uns zwanghaft beschäftigen, weil wir es weder leugnen, noch rückhaltlos akzeptieren können. So machen es die Narren.“ (Carlos Castaneda, „Der Ring der Kraft“ S 62)













(25.7.2019)
















©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1430 Die Ahnfrau


Ich wache voller Schuldgefühle und ziemlich verkatert auf, denn ich habe geträumt, ich war auf einem großen Fest. Es waren sehr viele Menschen auf engem Raum, wie sich später herausstellt ist es einer meiner typischen geträumten heruntergekommenen und vergessenen Wohnungen im Parterre. Die Menschen, die auf dem Fest sind: viele kenne ich nicht, aber es sind auch ehemalige KlassenkollegInnen, ehemalige ArbeitskollegInnen, Verwandte da, auch meine Kinder, mein Vater ist zumindest als Stimme anwesend und zwei seiner Schwestern als „Ganze“. Das stellt sich teilweise erst im Lauf des Traumes heraus.

Jedenfalls ist es ein fröhliches Fest, voller Spannung und Intensität, mir gefällt die Menschendichte und die unvermeidlichen Berührungen, die sich da ergeben, und da wir anscheinend bloßfüßig sind, lege ich am blanken Boden sitzend meine nackten Fußsohlen an die einer mir unbekannten, attraktiven Frau. Also durchaus zurückhaltend, aber sehr erotisch aufgeladen. Vielleicht ist in dieser unüberschaubaren Menge irgendwo auch meine Frau anwesend, weil mich doch ein Hauch von schlechtem Gewissen anweht, beziehungsweise die Sorge, dabei erwischt zu werden, jedoch wird dies von Intensität und Spin der Situation schnell weggeschoben. Und jetzt kommt die Stimme meines Vaters ins Spiel, denn er macht – als er die Szene sieht - eine seiner charakteristischen Bemerkungen a la „ah, da schau her! der Peter!“ und wenn er es auch nicht wie so oft spöttelnd, sondern – sagen wir: beglückwünschend gemeint haben sollte, ich ärgere mich über seinen Kommentar, denn was gehen ihn meine Liebesgeschichten an?!

Da sehe ich noch wie viele – hauptsächlich oder überhaupt nur Frauen sich um eine halb am Boden liegende Gestalt scharen und sich zur ihr niederbeugen und sie halten und stützen. Sie scheint soetwas wie einen Schwächeanfall gehabt zu haben und wie ich, wie sich der Kreis zu mir hin öffnet und ich jetzt freie Sicht auf die geheimnisvolle Gestalt habe, sehen kann, ist es eine schöne, runde, edel gekleidete Frau. Um ihr das Atmen zu erleichtern, öffnen die Helferinnen ihre Kleider und beginnen sie - genau genommen - ganz auszuziehen. Ich habe freien Blick und will mich schon an ihrer herausgeschälten Nacktheit begeilen – da merke ich: die Frau ist ganz alt, oder gerade erst und ganz plötzlich ganz alt geworden. Ich starre trotzdem auf ihren Busen und mir kommt der Gedanke, daß sie eine ganz, ganz alte Ahnin ist; eine richtige Ahnfrau. (Oder gar die Mutter Erde?)

Dann bin ich doch hinausgegangen und allein herumgeirrt, irgendwo am Stadtrand, irgendetwas suchend. Gefunden habe ich es nicht – was immer es war – Moment! Eine Toilette? Könnt sein – und zurückgefunden zum Fest habe ich auch nicht. Ich war wirklich verirrt und stolpere durch heruntergekommene Stadtviertel mit alten Industriegebäuden, dazwischen öde, verwahrloste, mit Plastikmüll und Ähnlichem verdreckte Felder, teilweise enge, mit allem möglichen Glumpert verstellte Gässchen, die sich oft als Sackgassen herausstellen. Gebiete, in denen mit hoher Kriminalität und Junkies und Überfällen zu rechnen ist und wo ich immer Angst habe.

Gottseidank stoße ich beim Herumirren und Suchen auf meine betrunkenen Festbesucher, die fröhlich, singend und sich zu einer Menschenkette an den Schultern haltend stadteinwärts unterwegs sind. Sie suchen und finden – im Gegensatz zu mir – eine Haltestelle Richtung Innenstadt und eine Straßenbahn, die in die richtige Richtung fährt und so schließe ich mich ihnen an und steige mit ihnen ein und habe ein gutes Gefühl, auch wenn die Straßenbahn – wie immer bei solchen Träumen – so komisch herum und durch eigenartige, unbekannte Gegenden fährt. Ich glaube, daß wir zusammen das Ziel finden und in der Innenstadt ankommen werden. Und es dämmert mir, daß dies ein Fest für mich war, um nicht zu sagen: zu meinen Ehren.

Wir stehen im Wagon – für so viele gibt es nicht genug Sitzplätze – und ich frage den Ex-Arbeitskollegen Mario, ob sie die Wohnung beim Weggehen abgesperrt haben. „Nein“, antwortet der lachend, „wir haben sie offen gelassen“, und schmunzelnd und leiser, damit es nicht alle hören, fügt er noch hinzu: „Zusperren ist ja gar nicht nötig, es ist ja nichts drinnen!“
Ich mache mir noch Gedanken wegen der beiden Tanten, die ich hier nicht sehe, und vor allem von der älteren der beiden vermute ich, daß sie nicht hätte so weit gehen können. Sitzen sie und noch ein paar andere zurückgelassen in der Wohnung, oder hat ihnen irgendwer geholfen?
Dann fällt mir ein, daß ich im selben Haus ganz oben noch mein Atelier habe! Ich weiß zwar, daß ich schon jahrelang nicht mehr dort war und keine Ahnung habe, in welchem Zustand es ist, aber ich vermute nicht, daß ich es aus- oder zusammengeräumt habe oder daß es leer ist, sondern gehe davon aus, ich habe alles liegen und stehen lassen und man könnte noch einiges anschauen. „Ach!“, denke ich mir, „wenn ich gewußt hätte, daß sie schon so früh aufbrechen, hätte ich vorher noch gefragt, ob wer mein Atelier besuchen mag! Ich sage das Mario und meine noch: '“Schade, daß mir das nicht früher eingefallen ist!“ Wir zucken beide unsere Achseln und bestätigen uns gegenseitig, daß man jetzt nichts mehr machen kann. Schade, denke ich mir, eine solche Gelegenheit wird nie mehr kommen. Ich wäre schon stolz gewesen, aber zu spät! Sei's drum!










(25.7.2017)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1429 Die Wölfe heulen


In meinem Kopfhörer heulen die Wölfe und der Wind – darum drehe ich jetzt das Licht ab und beende für heute das Schreiben. Ich lausche und kaue an der Wurzel und streichle die Katze und lasse dann meine rechte Hand sanft auf ihrem weichen, kleinen Körper liegen, bis sie weggeht.









(24./25.7.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 24. Juli 2019

1428 Strecket die Knie!


Die Holzlamellen meiner kleineren Zweitjalousie leuchten, als wären sie sonnenbeschienen; aber das kann nicht sein, denn hier gibt es um diese Morgenstunde niemals Sonne.
Auch am Fußboden unterm Schreibtisch befindet sich etwas, das wie direktes Sonnenlicht ausschaut. Ich schreibe – wie bevorzugt – mit angezogenen Knien im Bett.

Nachdem ich mich an den Sonnenfleckenerscheinungen satt gesehen habe, lasse ich meinen Blick über mein Bücherregal wandern; mein ganzer Stolz, das mir die Illusion aufrecht erhält, bedeutend und gebildet zu sein.
Ich liebe diesen Anblick, ich lasse meinen Blick liebevoll über die Bücher und Gegenstände gleiten, selbst, daß dem etwas Provisorisches anhaftet, liebe ich. (Einmal, da werde ich das Ganze wie eine richtige Bibliothek ordnen, und dann werde ich loslegen!)
Ein mildes Lächeln überkommt mich bei so viel Phantasterei.
Aber über meine Liebe zum Wissen brauche ich mich nicht lustig machen – die gehört zu meinen guten Anteilen.

In meiner linken großen Zehe kribbelt es. Ich schicke meine Aufmerksamkeit hin und das Kribbeln vergeht. Ich wende die Aufmerksamkeit dem Schreiben zu, und das Kribbeln ist wieder da.

Krimireste schwimmen durch meinen Geist und fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen deswegen, aber rechtzeitig fällt mir ein: ich bin ja in Pension!

Ich will das Internet starten, da merke ich: ich rutsche wieder in Träume, denn ich habe nur ein offenes Notizbuch vor mir und kein Laptop. „Nur“ heißt hier „ausschließlich“ und nicht „bloß“.

An meiner Schädeldecke beginnt ein leichtes, undeutliches Pulsieren.
Für diese Morgenstunde ist es schon recht heiß und die Müllabfuhr beginnt gerade mit ihrer Arbeit.

Den Geräuschen in der Küche nach ist unsere Tochter heimgekehrt (Irrtum!). Jetzt hört es sich an, als würde ein starker Wind über das Land gehen, aber dem ist nicht so.

Oh! Da muß ich aber ganz tief in eine falsche Traumwelt geraten sein, denn mir hat von blauen Hütteldorfern geträumt!

„Pein allein hilft nicht weiter“ wird mir soeben eine – wie mir scheint – sinnvolle Lebensregel zugeschickt.

Ein bekannter Kommissar und Journalist (hä?) ignoriert tagelang seine Post und läßt sie in der Innentasche seiner Aktentasche stecken.

„Strecket die Knie!“

„Verbeuget euch!“

„Real renthal!“ wäre der nächste mir von den Göttern zugeraunte Spruch. („Raunen ohne Runen“ - meine treuen Leserinnen wissen: das kann nur von mir sein.)

Soll ich aufstehen, damit ich nicht weiter diesen Stuß schreibe? („Stuß“ aus dem Jiddischen aus dem Hebräischen.)

Hans Moser korrigiert einen seiner Sätze. Welchen, das weiß ich nicht mehr; der ist schon ein paar Ewigkeiten früher gefallen.

Hier, in der ganz realen Welt, will ich wissen, wieviel der Falter kostet. Das hindert mich aber nicht daran, wieder einzuschlafen.

Eine Frau mit … ordentlich.. … wälzt sich … - das reicht schon, um bestraft zu werden (wie? Vergessen).

Ich hebe (im Taum!) mein Notizbuch hoch wie der Priester in der Messe das Evangelium oder die Hostie (wäre schon wichtig, ob Präsentation, Opferung/Offerierung oder Wandlung!).

Wie wärs mit Frühstück?

Es ist so schön im Bett!

Aus dem Museum aufgewacht steh ich in Graz vor der Erzherzog-Johann-Brücke, auf der 8020iger Seite (wie es sich geographisch gehört).

„Die Ehre vom Gegner in Graz ist unbekannt.“ Aha.

Ich komme mit dem Verdächtigen nicht mehr nach!

„Wer schneidet sich schon ohne Schuldgefühle die Pulsadern auf!“ Hmm.

So! Jetzt wird es unappetitlich! Aufstehen!

Vorschlag: wir machen Schluß mit dem Hin und Her und legen uns jetzt entweder richtig flach hin zum Schlafen oder stehen auf.








(24.7.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1427 Die Wurzel


Ich beiße und kaue mit meinen Restzähnen das Holz einer afrikanischen Traumwurzel. Die Katze schaut mir dabei aufmerksam zu.
Wie mir so die Gedanken durchs Bewußtsein fahren – das hat eindeutig etwas nachlässiges.
Mir scheint, ich nehme jetzt zum ersten Mal die Finsternis draußen vorm Fenster zur Kenntnis.
Bei meinem Hafenbild bleibt mein Blick an einem Wolkenkonglomerat hängen – dort scheint die Dichte am größten zu sein.
Links oben und rechts unten im Bild ist die größte Dichte an nichts. Sie kann man nur indirekt wahrnehmen.











(23./24.7.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 23. Juli 2019

1426 Mein Geschau


Über dem großen, scheußlichen Polizeigebäude zieht eine majestätische Herde weißer Wolken hinweg; gerade noch im minimalen Himmelsausschnitt zu sehen. Jetzt leuchtet nur mehr ein betrübter, gedämpfter blauer Himmel verhalten herunter. Ganz unten, knapp über dem Dach taucht hin und wieder ein weißes Wolkenfetzchen auf, wahrscheinlich Ausläufer einer verborgenen größeren Gruppe von Wolken, die tiefer und – wenn ich es richtig sehe – Richtung Osten pilgern.
Ein paar Lichtreflexionen und Spiegelungen verschieben meinen Ausblick ins Unrealistische.
Am stärksten leuchtet eine Stromleitung der Straßenbeleuchtung.

Ein junger Mann lehnt lässig an der Hauswand, die Hände in den Hosentaschen, ein Bein über Kreuz und abgewinkelt mit den Zehenspitzen am Gehsteig gestellt.
Als ich die Augen wieder vom Papier hochhebe, ist er verschwunden. So schnell? War er bloß eine Erscheinung? Noch ein Fußgänger, gerade noch da, schon verschwunden.
Ist dort drüben ein Durchgang in andere Welten? Ein Schleuse für Dimensionenreisende? Oder bin ich bloß zu langsam mit meinem Geschau?

Ein dünnes Wölkchen, dann noch eins ziehen langsam und stolz über dem Dach nach links, darunter kann man eine größere ahnen, weil ein wenig von ihrem Rand hinterm Dach auftaucht, der aber auch am Ausfransen ist.

Beim Polizeigebäude sind vor allem die dunklen Löcher der offenen Fenster unheimlich; in ihrer Düsternis nicht zum heißen Sommertag passend; zumindest für mich nicht, der ich in äußerem Frieden aufgewachsen bin.

In einem Fenster ganz oben bewegen sich die bunten Vorhangstreifen im unsichtbaren Wind.









(23.7.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1425 Die unglaublich starke Pflanze


In einem schönen Traum habe ich (gemeinsam mit einer meiner Schwestern? Ich weiß es nicht mehr genau) im Wohnzimmer der alten Buwog-Wohnung meiner Eltern eine unglaublich kräftige, unglaublich schnell wachsende Pflanze entdeckt oder gar erfunden. Man konnte ihr beim Wachsen zusehen, wie sie hervorbricht und größer und größer wird.
Ich wollte sie meinem Vater zeigen, aber ihn – obwohl ein Pflanzenkenner - hat das überhaupt nicht interessiert.
Dann bin ich draufgekommen, daß der Saft oder der Absud dieser Pflanze, dem Gießwasser beigegeben, diese ihre Eigenschaften den anderen Pflanzen weitergibt. Somit kann jede Dürre bekämpft, die ganze Welt ernährt und die Sahara ganz leicht wieder aufgeforstet werden (meine Lieblingsphantasie), denn diese Pflanze ist so potent, kräftig und widerstandsfähig.
Und dann merke ich: auch Menschen und Tiere können dieses Heilmittel einnehmen – alle Krankheiten, Schwächen, auch der Verschleiß von Bandscheiben zum Beispiel können damit recht schnell kuriert werden.
Ein Universalmittel, das alles heilt!

Nach so einem tollen Traum (ich schreib jetzt nichts von Allmacht!) ist die Wirklichkeit in Gefahr, als unattraktiv wahrgenommen zu werden. Aber ich habe es irgendwie hinbekommen. Und am Abend, vorm Einschlafen, beim „Abendgebet“, kann ich mich ja auch für diesen großartigen Traum, der sich so gut angefühlt hat, bedanken.









(23.7.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1424 Schöne Tage in Leopoldstadt


Der heutige Tag war ein schöner Tag. Mir sind zur Zeit alle Tage schöne Tage. Ein wenig problematisch können nur Tage sein, an denen ich nichts geschrieben habe. Wenn ich auch nur drei handschriftliche Zeilen zu Papier gebracht habe, ist der Tag gerettet. So gut geht es mir jetzt!
Liebe Leute: ich rechtfertige meine Existenz mit Schreiben! Und selbst wenn ein Beitrag hier auf der Schublade null Leser hat, kann mich das nicht umhauen. So gut geht es mir!

Jeden Tag vorm Einschlafen frage ich mich, was mich am heutigen Tag erfreut, gefreut und befreut hat, und immer finde ich ein paar Dinge. Wenn ich mir mit dem Nachdenken und Erinnern Zeit lasse, werden es mehr. Meistens.
Das war früher nicht so. Im Gegenteil.

Und still sind die Tage irgendwie auch; selbst wenn ich mit Musik in den Ohrenstöpsel herumrenne.










(22./23.7.2019)









©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 22. Juli 2019

1423 Keine Ahnung, wer da spielt


Die Musik wird rockpoppathetisch und gefällt mir. Keine Ahnung, wer da spielt.
Ich schaue mich – wie fast immer an dieser Stelle meiner beginnenden Schilderung – um: auch in den Spiegelungen der Fenster und der Glastür.

Mann mit Strohhut und mit Freundin – vermutlich – tritt in die Tür und bleibt zögernd stehen, bewegt seine Beine, als würde er weitergehen, verbleibt dabei jedoch nahezu unverändert am selben Platz, bis seine Freundin (?) vor ihm ist und er hinter ihr als sein Schutzschild im Windschatten in den Raum steigt.

Jetzt ein festerer Mann in knallroter Hose.

Noch einen Kaffee oder geh ich? Ich werde eine der Kellnerinnen fragen, was sie meint.

Es sind nicht nur, aber schon viele tüchtige Leute hier.

Der Mann, der allein am Tischchen sitzt und unhörbar redet, lernt – so denke ich mir – eine Rolle oder bereitet einen Vortrag vor; oder schreibt etwas, denn jetzt schreibt er etwas. Mit der Hand.

Ein Hund, ein Boxer liegt unter dem Nebentischchen. Boxershorts, The Boxer, Box Tops: The Letter, Briefkasten, Mailbox, Jukebox: am Ende mit meinem Latein (buxis = pyxis, pyxidis f.).

Jetzt streicht der Mann, der schreibt, etwas durch. Das gibt es bei mir so gut wie gar nicht! Bei mir ist alles tendenziell großartig! Wenn nicht gleich, dann später.

Also: die Kellnerin empfiehlt noch einen Kaffee. Ich halte mich an ihren Tipp und bestelle ihn vereist.

Wird diese gedankenlose Aneinanderreihung von Sätzen und Gedanken nicht langsam fad?

Ein etablierter Mann mit weißen Haaren tritt herein; man erkennt es an Kleidung und souveränem Auftreten.

Eine Verlegenheitsnotiz: Pilotpen.eu










(22.7.2019)










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1422 Lächerliche Auftritte


Das Blatt bleibt leer. Ich kippe wieder und wieder in den Schlaf. Die Fünfzigerjahre-Ärzte und Fürsorgerinnen fallen mir ein: das waren furchtbare Menschen! Die Aufgeblasenheit und Arroganz war mit Händen zu greifen. Ihre angsteinflößenden, in Wahrheit lächerlichen Auftritte als Autoritäten. Ich sehe diese lächerlichen Szenerien deutlich vor mir.

Der Käfer, den ich …

Besser, ich stehe auf.

Ich verwechsle die Namen.

Ich stehe wirklich besser auf.

Die Waren sind überall zerstreut. Der Chef will gerade lostoben, aber ich kann ihn mental beruhigen. Allein mit Gedankenkraft. Ohne zu reden oder irgendetwas zu tun.

Mein Gott, Peter, bitte steh jetzt auf!

In Gedanken gehe ich so verschiedene Leute, weibliche, durch, ob sie mir gefallen.

So! Jetzt aber Schluß! Aus! Auf!

Das Bild vor meinen Augen zieht sich zusammen und fängt an zu verschwimmen, ineinander zu schmelzen und sich aufzulösen.

Jetzt! Jetzt hat sich die Traumverfangenheit von selbst zurückgezogen; sie ist deutlich, auch optisch wahrnehmbar von mir hinuntergeglitten und ich bin frei und kann aufstehen.








(22.7.2019)









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1421 Wer singt?


„Nun will ich dein Hund sein“, singt einer aus dem CD-Player während der Kaffee ins Bett serviert wird. Meine Frau kratzt sich am Kopf, während sie ihr Nachrichten checkt. Der Kaffeeduft läßt mich Notizbuch und Schreibzeug weglegen und mich dem Sinnlichen zuwenden, während ich zur Tasse greife.

„Ja, ja, das Tantrische in der Materie“, sagt meine Frau.









(21.7.2019)








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Samstag, 20. Juli 2019

1420 Nicht mehr der Jüngste


1.Teil (19.7.2019 abends)

Jetzt habe ich mich gerade bei meinem unserem Hochzeitsphoto, das interessanter-, zufälliger- und sinnigerweise in meiner Herzhöhe – soweit halt meine anatomischen Kenntnisse reichen – an der Kante zur Nische zur Zimmertür an der Wand hängt und dem ich bei einer ungeschickten Bewegung im Hinausgehen mit der Hand leicht draufgeschlagen habe, laut und deutlich entschuldigt (Vgl. Nr. 1262 „Thingsliberation“ und Nr. 77 „Transsubstantiationslehre“ hier in der Schublade. Ich rede auch mit Dingen und glaube an die Transsubstantiation).

Ich hatte das schon vergessen, erst gerade eben, bei Mahjongg Festung und Solitär ist es mir wieder eingefallen.

Kaum habe ich mich zum Schreiben aufs Bett gelegt, kommt schon die Katze her und ein Hubschrauber akustisch näher (holt der mich oder nur mein Gehör ab? Wohin will er uns bringen? Freundliche oder unfreundliche Übernahme?)


Teil 2 (Morgen des 20.7.2019)

Wie ich mich gestern Abend um zwei Uhr früh zu meinem lieben, schlafenden Weibe ins Ehebett gelegt habe, bekam ich einen Lachanfall, den ich rücksichtsvoll auf ein verhaltenes Glucksen begleitet von unwillkürlichen, aber beherrschten Atemstößen vorallem im Bauchbereich hinuntergedrückt habe, weil ich an meine sechs Stunden denken mußte – das wäre von jetzt an gerechnet acht Uhr Vormittag. Mehr sag ich dazu nicht.

Ich meine, ich bin ja wirklich nicht mehr der Jüngste!












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Freitag, 19. Juli 2019

1419 Nicht ich, sondern die Sonne!


In meinem Zimmer ist noch Morgendämmerung und die Sonne noch nicht aufgegangen, dafür absolute Stille. Beim Atelierfenster habe ich gesehen, wie unser Zentralgestirn (nicht ich, sondern die Sonne!) dort schon die Welt mit rosafarbenem Licht beleuchtet.

Ich sehe noch die steilen Schneepisten vor mir, die ich in irgendeinem Konflikt mit meinem Vater soeben noch mit Schi befahren habe, wobei mir vorkommt, die Piste ist direkt an meinem Elternhaus vorbei verlaufen und viele Buben darauf unterwegs. Anfangs, dann war ich ganz allein.

Ich höre das Rufen der Katze, weiß aber, auch das kommt aus der Traumwelt.
Das dreizehnte und vierzehnte Monatsgehalt fällt mir ein.

Ich sehne mich nach meiner Frau, bin aber zu müde und verschlafen, um aufzubrechen und die Treppe hinunter zu steigen. Auch sie scheint sich nach Gesellschaft (was für ein Geselle bin ich eigentlich? Ein guter, ein böser, ein dicker, ein dünner, ein gscheiter, ein dummer?) zu sehnen, denn sie dreht das Radio auf.

Ich lasse mir von meinem Herzen einen Stoß geben und wanke doch die Stufen hinunter, umarme meine Frau aber nicht. Daß sie nackt ist, stört mich nicht, aber daß sie nass ist, weil sie schon unter der Dusche steht (und schon in ihrem Morgen-Arbeitsvorbereitungsstress). Immerhin konnte ich ihr meinen Morgengruß entbieten.

Wieder oben kommt jedoch meine Katze zu mir ins Bett und schnurrt und reibt ihre rechte Lefze an der linken oberen Ecke meines Notizbuches. Verdammt, bin ich noch müde! Gleich schlafe ich wieder ein, aber die Katze zeigt mir mit nicht ganz krallenfreiem Tatzeln, daß sie gestreichelt werden will und weder Schreib- noch Schlafunterbrechung zulassen will.







(19.7.2019)







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1418 Ich vertage die Nachforschung („Sweetness! Sweetness!“)


Der Ventilator dreht sich. Rechts von mir reden sie miteinander, links von mir gaffen und arbeiten sie in die Laptope. Das Klacken der Tasten tönt lauter als mein Stift auf dem Papier – gut, das ist jetzt keine was-weiß-ich-wie-großartige Beobachtung (und mit den Ohren beobachtet!).
Gesang, Gläsergeklirr, Gerätepiepsen, Stimmen, Autoverkehr, ein Pfiff, noch ein Pfiff mischen sich dazu. Schatten wandern die Wand entlang (wandern – Wand? - hä?), wenn es nicht schon eilen ist. Ein Mann – einer von der Sorte, die ich heimlich zu verachten pflege (und unheimlich fürchte) – kommt herein und starrt unbeirrt auf die Speisenanzeigetafel. Dann bestellt er bei der resoluten Kellnerin, die sich neben ihn stellt.
Die Musik – vorhin noch gitarresk – wird gitarrenlos und fad. Mein Kaffee ist längst ausgetrunken – ich warte noch mit einer neuen Bestellung (vielleicht plötzlich reich?).
T-shirtmäßig tue ich so, als wäre ich nicht erreichbar: eine kontraindikatorische Intervention (gibt’s das überhaupt?).

Ich lege die Brille auf den Tisch um besser sehen zu können (nur ganz kurz, denn um diesen Satz aufschreiben zu können, muß ich sie wieder aufsetzen).
Plötzlich riecht es nach einer Chemikalie – wart! wart! ich kenn sie! - … eine Farbe? Ich kenne den Geruch, komme aber nicht drauf. Lack? Die Farbe für die Straßenmarkierungen?

Ein Laptoper geht. Eine Laptoperin streckt immer wieder ihren Oberkörper um sich aufzurichten. Eine andere ist zum Smartphone übergewechselt.
Der Lackgeruch fängt an, mich zu berauschen; meine Wahrnehmung ändert sich und mir wird schummrig.

Auch ich setze mich so, daß ich aufrechter bin. Der Geruch nach Katzenfutter kann nur eine Halluzination sein, oder bestenfalls ein Kollateralgeruch aus irgendeiner Vermischung.

Ich starre zu den fünf Bildern ohne sie anzuschauen. Ein venezianisches Segelschiff habe ich kurz für einen schlanken Dinosaurier gehalten.

Jetzt ein uralter Hit, den ich kenne, aber nicht mehr weiß, von wem und wie er heißt. Die Byrds? Oder die Birds? Keine Ahnung, jedenfalls bin ich erst vor kurzem akustisch über diesen Song gestolpert. Ich vertage die Nachforschung.

Am Heimweg zu Fuß singe ich auf der Straße – innen inbrünstig, außen doch ein wenig verhalten - „Sweetness! Sweetness!“ während mir meine Ohrenstöpsel das Original von „Bigmouth Strikes Again“ von den Smiths mit ordentlicher Lautstärke vorspielen.









(18.7.2019)








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1417 Vergeblich


Vergeblich habe ich in meiner Gleichgültigkeit den bekleckerten Tisch (österreichisch heißt das doch: angepatzt!) mit der Zeitung abzuwischen versucht. Auch ihr läßt nach, Leute! Ich gehe nach Hause in den zweiten Bezirk.








(16./19.7.2019)









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Dienstag, 16. Juli 2019

1416 Vor lauter Freude


Aus einem Traum, in dem ich Herrn Wolfgang Döbereiner mittels einer Plastikleine auf einer öffentlichen Bühne, auf der er interessanterweise irgendeinen – ich glaube: musikalischen Auftritt absolvierte – wie das in Träumen so ist: schon irgendwie mit seiner Münchner Rhythmenlehre vermischt – und mit einigen seiner döbranitischen Betschwestern im Publikum – höchstpersönlich und eigenhändig würge und der herbeigeeilten Polizei, die ihre Waffen auf mich richtet, zurufe: „wenn ihr ihn noch retten wollt, müßt ihr bald schießen!“ - durchaus in der Hoffnung – wenn es denn sein muß (denn ich bin bereit, für diese meine Tat zu sterben) – damit einen „unheimlich starken Abgang“ (Harald Sommer) inszeniert zu haben (ich bin eine Diva! Sehr manipulativ!), aufgewacht, fühle ich mich fröhlich, frisch, stark und weltbereit.

Trotzdem – ich habe alle Zeit der Welt – bleibe ich im Bett, noch dazu, wo jetzt die Katze gekommen ist – sie merkt immer, wenn ich aufwache, auch wenn sie im Atelier draußen ist – und ich sie liebevoll streichle.

Ich genieße noch den Traum nach, vor allem die herrliche Würgeszene und freue mich des Lebens und der Gegenwart und lache und fange auch ganz langsam an, mich auf das zukünftige Frühstück zu freuen.

(Anmerkung: vor lauter Freude habe ich den Text ohne Frühstück und sogar ohne Kaffee, gleich nach dem Aufstehen in den Computer getippt und auf die Schublade gestellt und das will was heißen!)










(16.7.2019)











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1415 Just do it


Ich schaue mich um und um: nach Menschen, Dingen, Energie, Themen zum Schreiben. Nachdem ich heute einen schweren Text doch leicht und flott erledigt habe, bin ich ganz zufrieden.

Die junge Frau neben mir, schön wie eine indische Göttin, schreibt am Laptop und zieht von Zeit zu Zeit ihren Rotz in der Nase auf. (Ich gestehe: ich übertreibe: hauptsächlich ist es Luft: schätzungsweise nur zehn Prozent Rotz.)

Die junge, aber schon große Platane draußen vorm Fenster grünt und blättert ständig in Superzeitlupe kleine Stückchen ihrer Rinde ab. Direkt sehe ich sie nicht herabfallen, sondern denke es mir nur.

Die Musik ist gerade sanft und elegisch und beruhigt sogar das Geschirrgeklapper.

Eine Brise kommt zur Tür herein und hebt die obere, rechte Ecke der Titelseite des Standard und läßt sie dann wieder niedersinken.

Eine Frau von draußen kommt herein und photographiert die kreidebeschriebene Speisenanzeigetafel, während eine Küchenmitarbeiterin mit ihrem T-Shirt - beschrieben mit „Just do it“ - durchs Lokal geht. Auf meinem Leiberl steht just „Lautstärke!“.

Lästige Akkordeonmusik scheint sich auf der Straße zu nähern. Jetzt hört man auch Trommeln. Aus nun sichtbarer Nähe sind es Djambe und Tamburin, und das Akkordeon stellt sich als aufgepflanzte Mundharmonika heraus.










(15.7.2019)











©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1414 Die Tagesdecke


Die für die Nacht schlampig über die Lehne des Schreibtischsessels geworfene, hauptsächlich rote, aber gestreifte Tagesdecke gibt meinem morgendlichen Zimmer mit ihren Farb-, Licht- und Schattenspiel, das durch ihre Verknitterung verstärkt ist, noch dazu, wo sie in der Mitte meines Gesichtsfeldes als leuchtendes Wesen prangt, eine neue, barocke, fast velasquetische Note.
Ich betrachte das wertvolle Stück andächtig, bis mir die Augen wieder zufallen und mein Geist auf Fernreisen geht.

Die Katze, die mir Gesellschaft leistet und meine linke Hand mit ihrem dreifärbigen, glücksbringenden Pelz wärmt, ist mit ihrem Schnurren der Mittelpunkt meines akustischen Raumes, bis sie ein Flugzeug bloß vorübergehend von ihrer akustischen Poleposition ablöst. Dabei schaut mir meine Katze beim Einschlafen zu.

Jetzt geht sie und ich werde davon kurz wach.

Es läutet an der Wohnungstür, aber nicht für mich.








(15.7.2019)









©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 15. Juli 2019

1413 Noch ein „Geständnis“


Im Text Nummer 1410 Mein Mißbrauch habe ich schon beschrieben, wie in meiner Kindheit und Jugend Sexualität ein verdrängtes und gerade dadurch allgegenwärtiges Thema und wie mein „Aktionsradius“ was Handlungsspielraum und Reichweite betrifft durch meine Schüchternheit und Verklemmtheit eingeengt waren. Jetzt mein „Geständnis“: dennoch habe ich als Siebzehnjähriger Sex mit einem ungefähr gleichaltrigen Burschen gehabt. Ich rede nicht von Bubenspielen wie Weitbrunzen oder Nackt-In-Den-Bach-Springen, auch nicht vom Mißbrauchtwerden als Dreizehnjähriger von einem erwachsenen Mann (Nummer 89 Mein ganz persönlicher Größenwahn), sondern von von mir initiiertem Sex. Zwar war ich von der ungewöhnlichen Ausnahmesituation mitgerissen und verbale, verdeckt homoerotische Anspielungen schwirrten schon den ganzen Nachmittag durch diese hauptsächlich aus Burschen bestehende Jugendlichengruppe, aber dennoch: letztlich habe ich die Geschichte im nicht alltäglichen Umfeld angezettelt. Eindeutig war ich nicht das Opfer oder der Verführte, sondern der Initiator und „Verführer“. Zwar habe ich dabei immer gesagt. „das ist kein Ersatz für eine Frau“ - und bezüglich Frauen war ich noch jungfräulich, aber Lust war es doch. Ich war in den Burschen nicht verliebt, eher ging es um Neugier, Ausprobieren und Gelegenheit. Meine sexuellen Phantasien waren immer auf Frauen bezogen – das nur zur Information.

Damals allerdings war diese „Sache“ für mich eine moralische Katastrophe. Gerade hatte ich mich als autoritär Erzogener zwischen der nachachtundsechziger Befreiungs- und Popmusikwelt und meiner katholischen Anhänglichkeit – bei aller Fragwürdigkeit auch Platzhalter für echte spirituelle Sehnsucht – schwankend für Zweiteres entschieden, sprich: Theologie und nicht Psychologie zu studieren – von einem im Rahmen der Schule aus dem Nichts aufgetauchten Berufsberater davon abgeraten, Psychlogie zu wählen, weil man mit dem Psychologiestudium seine psychischen Probleme – die mir offenbar anzusehen waren – nicht lösen kann (richtig! Aber das kann man mit Theologie oder sonst etwas auch nicht! ) und jetzt das!
In meiner Not, Angst, Feigheit (?) und in meinem Schock habe ich mich für die Verdrängung entschieden. Und das kostet! Natürlich kann so etwas nicht funktionieren. Wenn einem so im kontrollverlustigten Zustand vorm Einschlafen plötzlich die Erinnerung an diese Szene hochpopt! Was für eine Schande, was für eine Scham, was für ein Schuldgefühl! Und das bei meinem Versuch - damals schon  – mich fromm zur Kirche hinzubeamen, wo ich außerdem noch an einen verklemmten Kaplan als meinen Mentor geraten bin.

Erst als ich dann im Laufe des Studiums doch wieder mit den Achtundsechzigern & Erben in Kontakt gekommen bin und mich bis hin zum Kirchenaustritt ihnen angeschlossen habe, hat mir dieses Abenteuer kaum Probleme, Scham oder Schande gemacht, denn ich habe es als etwas normales angesehen, auch wenn ich vorsichtig war und es nicht jedem auf die Nase gebunden habe – die frühen Achtundsechzigermänner konnten noch ausgeprägte Machos sein – aber vor meinem inneren „Gerichtshof“ wurde ich deswegen nicht mehr angeklagt.
Im – wie mir schien – richtigen Rahmen der ersten Männergruppe in Österreich habe ich dann davon erzählt. Ganz so einfach war das dann doch nicht: ich erinnere mich, daß ich dabei am ganzen Körper gezittert und mir meine Stimme fast versagt hat, aber gegen meine Angst habe ich es geschafft, darüber zu reden. Das hat auffallend zurückgezuckte Reaktionen ausgelöst, bis dann der eine oder andere – durchaus in herterosexuellen Beziehungen lebend – mit seinen homosexuellen Erfahrungen - meistens in Pubertät und früher Jugend - herausgerückt ist.
Erst als beim nächsten Treffen ein neues Gruppenmitglied aufgetaucht ist, von dem ich wußte, daß er aus dem selben Ort kommt wie mein Abenteuerpartner und ihn auch kennt, wollte ich nicht mehr davon reden und habe herumgeeiert, während mich andere Gruppenmitglieder – nichts von diesem Umstand wissend -  immer wieder dazu befragen wollten  - ich vermute heute, sie waren froh, daß ich davon geredet hatte und meine Geheimnisse preisgeben und sie damit aus dem Schneider waren. Überhaupt: diese als Gesprächs- und Selbsterfahrungsrunde angelegte Männergruppe war in Wirklichkeit ohne jede professionelle psychologische, gruppendynamische oder therapeutische Begleitung nicht so ohne Gefahren (z.B. für mich und meine Seele) und zum Scheitern verurteilt. Ich selber habe mich jedoch als Pionier der zwar hinter der Frauenbewegung nachhinkenden, aber dennoch parallelen und diese ergänzenden Männerbefreiung gesehen.

Erst viel später, in meiner döbranitischen Gefangenschaft und der damit verbundenen Ausradierung meiner ganzen Persönlichkeitsentwicklung bis dahin und dem damit verbundenen In-Die-Fünfzigerjahre-Zurückgebombt-Werden inklusive des Auftrags, Theologe als für mich „richtigen“ Beruf zu wählen und deshalb zur Kirche zurückzukehren, wurde dieses mein Abenteuer wieder zum Problem, denn ich mußte es verdrängen und es kamen wieder immense Schuldgefühle ins System und ich mußte mir deswegen eine homophobe Ideologie aufbauen. Es hat wieder Jahrzehnte gedauert, mich davon zu befreien.

Und erst jetzt vor kurzem, nachdem ich auf der Therapiecouch liegend in dieses Thema „gerutscht“ bin, war ich bereit, darüber zu reden und zu schreiben. Durchaus ein befreiendes Gefühl!











(15.7.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 13. Juli 2019

1412 Wenn nicht alles stimmt, was ich schreibe


Eine andere Handschreiberin im Espresso (jung, schön) schaut mich heimlich an, dann schreibt sie. Ich tippe auf: sie beschreibt mich (alt und schiach).









(12.7.2019)











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1411 Die Rolle der Papierhandtücher


Nur Jugend um mich (aus der Sicht eines alten Mannes). Aber das tut jetzt nicht viel zur Sache: die Rolle der Papierhandtücher am Herrenklo hat sich verklemmt.








(12.7.2019)








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Donnerstag, 11. Juli 2019

1410 Mein Mißbrauch




Der Text wäre zur Veröffentlichung fertig (und hat mir einige Mühe gekostet) und ich bin dabei, von den damals Betroffenen die Erlaubnis zur Veröffentlichung einzuholen. Wenn ich sie nicht bekomme, wird der Text auch nicht veröffentlicht, sondern bleibt in meinem Nachlass.






Da ich von einer der Betroffenen keine Erlaubnis zur Veröffentlichung erhalten habe, bleibt der Text unveröffentlicht.




11.7.2019




Peter Alois Rumpf

Dienstag, 9. Juli 2019

1409 Aufbruch!


Ein Ensemble leerer Stühle spielt direkt vor mir ein musikunterstütztes Einsamkeitstheater verwoben mit „Warten auf“ … auf wen eigentlich? Mein ewig suchender Blick tastet die leeren Stühle und die wenigen Menschen ab. Ich blicke zur eigenen Ablenkung zum Plafond, den abgescherten, und verfolge die flotten Drehbewegungen gegen den Uhrzeigersinn (wenn es keine optische Täuschung ist! Filme!) des kleinen Ventilators.
Von der Glasfront her - sprich der Getränke- und Gläserstellage hinter der Bar - glitzert, leuchtet und glänzt es.

Auf einmal stehen viele junge Leute herinnen, was mich auf illusorische Weise jünger, hoffnungsvoller und illusionsgeladener macht.

Jetzt sind sie wieder weg und die Stühle, die während der kurzen, angenehmen Invasion gar nicht besetzt waren, wirken wieder leerer.

Ehret das Alter! Mach ich, mach ich, wenn es noch geil oder schon weise ist (Mein Gott! Wie leicht lasse ich mich zu saublöden Aussagen hinreißen! Noch dazu, wo ich „oder schon weise“ erst nachträglich hinzugefügt habe. Das rettet den Satz auch nicht mehr, so rett' ich mein eigenes Leben).

Schließlich ist es auch billig und schäbig (also im alten Sinn: unbillig), das Fehlende außen zu suchen, wenn es doch das Innerste ist.

Oh, eine ältere Latzhosenträgerin, wie in alten Zeiten.

Der am übernächsten Tisch pfaucht und flucht auf Englisch, während er bei geöffnetem Laptop ein Buch liest – vielleicht durcharbeitet.
Die Kellnerin scheint mir gegenüber langsam etwas weicher, zugänglicher, weniger abweisend zu werden; zumindest war ihr Blick jetzt, da sie mir den Kaffee serviert hat, freundlich – milde – vergebend.

Was für ein Theater! Ich bleibe beim Wort „Vergebung“ hängen und mir kommen die unsichtbaren Tränen.

Dabei bleibe ich hinterhältig, denn während ich mich immer mehr einkrümme, gaffe ich immer noch aus meiner körperlich-seelischen Schneckenhausspirale heraus.

Aufbruch!










(9.7.2019)










©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1408 Ja, das tue ich


Der Wind bewegt den Vorhang – der ist hauptsächlich mit meinen Motiven bedruckt, die Zimmerpflanzen so üppig, der Geschirrspüler dreht seine inneren Runden, das einzige Licht blendet, der Eßtisch im Dunkeln ist zu zwei Dritteln leer, ich sitze allein im Doppelbett und werde mich bald hinlegen.

Ja, das tue ich.








(8./9.7.2019)








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Montag, 8. Juli 2019

1407 So rrrrichtig!


Nachdenklich und gedankenverloren stierl ich mit dem Bügel meiner Lesebrille in meiner Zahnlücke herum und starre ins Nichts, nachdem ich meinem lieben, abwesenden Weibe eine in Anlehnung an Daliah Lavi ("Oh ...") leicht erotisch unterlegte Esemes gesendet habe.

Ich lasse meinen aus allen möglichen, auch exotischen Heilkräutern vom Hersteller und auch noch von mir raffiniert gemixten Frühstückstee (heutiger medizinischer Schwerpunkt: Prostata; sonst habe ich noch: Herz, Leber, Niere) ziehen.

Die Katze schnarcht am Fensterbankerl und ich bin schon sehr hungrig. Ich freue mich schon „so rrrrichtig!“ (ekelhafte (Prä)Nazizeitphrase) auf mein Frühstück aus Schaf- und Ziegenkäse, türkisches Fladenbrot, Oliven, Hummus – ich ernähre mich bei dieser Hitze fast ausschließlich davon.

Ein bißchen warte ich noch.

Alsdann!










(6./8.7.2019)












©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1406 Meine Phantasien ausufernd


Wieder warte ich auf einen Reparateur. Meine „freien Tage“ habens in sich! Ich bin noch nicht dazugekommen, meine Vorhaben zu verwirklichen: Singen, tanzen, mit den Wölfen heulen, und andere, die ich verschweige. Gut, das hat auch damit zu tun, daß ich ein komplizierter Mensch bin und meine Phantasie ausufernd, während mein Handeln schwach ist und vorallem: ich verpasse sehr gerne erstarrt und blöd dreinschauend den richtigen Augenblick. Wie ich gehört habe, hatte der griechische Gott des richtigen Augenblicks (Kairos) einen kahlgeschorenen Kopf, nur oben am Schädel vorne einen Haarschopf. Ihn kann man nur ergreifen, wenn er auf einen zukommt. Ist er vorbei, kriegt man ihn nicht mehr zu fassen.

Ja, in meiner Vorstellung lebe ich ewig und ich habe alle Zeit der Welt, kann alles tausendemale ausprobieren, wiederholen, versuchen, verzögern – ich warte und lebe ewig. Was soll schon passieren? Bis jetzt habe ich ja eh alles überlebt! Oder? … Oder?











(5./8.7.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com