Montag, 15. Juli 2019

1413 Noch ein „Geständnis“


Im Text Nummer 1410 Mein Mißbrauch habe ich schon beschrieben, wie in meiner Kindheit und Jugend Sexualität ein verdrängtes und gerade dadurch allgegenwärtiges Thema und wie mein „Aktionsradius“ was Handlungsspielraum und Reichweite betrifft durch meine Schüchternheit und Verklemmtheit eingeengt waren. Jetzt mein „Geständnis“: dennoch habe ich als Siebzehnjähriger Sex mit einem ungefähr gleichaltrigen Burschen gehabt. Ich rede nicht von Bubenspielen wie Weitbrunzen oder Nackt-In-Den-Bach-Springen, auch nicht vom Mißbrauchtwerden als Dreizehnjähriger von einem erwachsenen Mann (Nummer 89 Mein ganz persönlicher Größenwahn), sondern von von mir initiiertem Sex. Zwar war ich von der ungewöhnlichen Ausnahmesituation mitgerissen und verbale, verdeckt homoerotische Anspielungen schwirrten schon den ganzen Nachmittag durch diese hauptsächlich aus Burschen bestehende Jugendlichengruppe, aber dennoch: letztlich habe ich die Geschichte im nicht alltäglichen Umfeld angezettelt. Eindeutig war ich nicht das Opfer oder der Verführte, sondern der Initiator und „Verführer“. Zwar habe ich dabei immer gesagt. „das ist kein Ersatz für eine Frau“ - und bezüglich Frauen war ich noch jungfräulich, aber Lust war es doch. Ich war in den Burschen nicht verliebt, eher ging es um Neugier, Ausprobieren und Gelegenheit. Meine sexuellen Phantasien waren immer auf Frauen bezogen – das nur zur Information.

Damals allerdings war diese „Sache“ für mich eine moralische Katastrophe. Gerade hatte ich mich als autoritär Erzogener zwischen der nachachtundsechziger Befreiungs- und Popmusikwelt und meiner katholischen Anhänglichkeit – bei aller Fragwürdigkeit auch Platzhalter für echte spirituelle Sehnsucht – schwankend für Zweiteres entschieden, sprich: Theologie und nicht Psychologie zu studieren – von einem im Rahmen der Schule aus dem Nichts aufgetauchten Berufsberater davon abgeraten, Psychlogie zu wählen, weil man mit dem Psychologiestudium seine psychischen Probleme – die mir offenbar anzusehen waren – nicht lösen kann (richtig! Aber das kann man mit Theologie oder sonst etwas auch nicht! ) und jetzt das!
In meiner Not, Angst, Feigheit (?) und in meinem Schock habe ich mich für die Verdrängung entschieden. Und das kostet! Natürlich kann so etwas nicht funktionieren. Wenn einem so im kontrollverlustigten Zustand vorm Einschlafen plötzlich die Erinnerung an diese Szene hochpopt! Was für eine Schande, was für eine Scham, was für ein Schuldgefühl! Und das bei meinem Versuch - damals schon  – mich fromm zur Kirche hinzubeamen, wo ich außerdem noch an einen verklemmten Kaplan als meinen Mentor geraten bin.

Erst als ich dann im Laufe des Studiums doch wieder mit den Achtundsechzigern & Erben in Kontakt gekommen bin und mich bis hin zum Kirchenaustritt ihnen angeschlossen habe, hat mir dieses Abenteuer kaum Probleme, Scham oder Schande gemacht, denn ich habe es als etwas normales angesehen, auch wenn ich vorsichtig war und es nicht jedem auf die Nase gebunden habe – die frühen Achtundsechzigermänner konnten noch ausgeprägte Machos sein – aber vor meinem inneren „Gerichtshof“ wurde ich deswegen nicht mehr angeklagt.
Im – wie mir schien – richtigen Rahmen der ersten Männergruppe in Österreich habe ich dann davon erzählt. Ganz so einfach war das dann doch nicht: ich erinnere mich, daß ich dabei am ganzen Körper gezittert und mir meine Stimme fast versagt hat, aber gegen meine Angst habe ich es geschafft, darüber zu reden. Das hat auffallend zurückgezuckte Reaktionen ausgelöst, bis dann der eine oder andere – durchaus in herterosexuellen Beziehungen lebend – mit seinen homosexuellen Erfahrungen - meistens in Pubertät und früher Jugend - herausgerückt ist.
Erst als beim nächsten Treffen ein neues Gruppenmitglied aufgetaucht ist, von dem ich wußte, daß er aus dem selben Ort kommt wie mein Abenteuerpartner und ihn auch kennt, wollte ich nicht mehr davon reden und habe herumgeeiert, während mich andere Gruppenmitglieder – nichts von diesem Umstand wissend -  immer wieder dazu befragen wollten  - ich vermute heute, sie waren froh, daß ich davon geredet hatte und meine Geheimnisse preisgeben und sie damit aus dem Schneider waren. Überhaupt: diese als Gesprächs- und Selbsterfahrungsrunde angelegte Männergruppe war in Wirklichkeit ohne jede professionelle psychologische, gruppendynamische oder therapeutische Begleitung nicht so ohne Gefahren (z.B. für mich und meine Seele) und zum Scheitern verurteilt. Ich selber habe mich jedoch als Pionier der zwar hinter der Frauenbewegung nachhinkenden, aber dennoch parallelen und diese ergänzenden Männerbefreiung gesehen.

Erst viel später, in meiner döbranitischen Gefangenschaft und der damit verbundenen Ausradierung meiner ganzen Persönlichkeitsentwicklung bis dahin und dem damit verbundenen In-Die-Fünfzigerjahre-Zurückgebombt-Werden inklusive des Auftrags, Theologe als für mich „richtigen“ Beruf zu wählen und deshalb zur Kirche zurückzukehren, wurde dieses mein Abenteuer wieder zum Problem, denn ich mußte es verdrängen und es kamen wieder immense Schuldgefühle ins System und ich mußte mir deswegen eine homophobe Ideologie aufbauen. Es hat wieder Jahrzehnte gedauert, mich davon zu befreien.

Und erst jetzt vor kurzem, nachdem ich auf der Therapiecouch liegend in dieses Thema „gerutscht“ bin, war ich bereit, darüber zu reden und zu schreiben. Durchaus ein befreiendes Gefühl!











(15.7.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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