Mittwoch, 30. Juni 2021

2309 Die Reise

 

Über das Reisegepäck habe ich komplett die Übersicht verloren. Wo liegt was herum? Wieviele  Zimmer haben wir belegt? Was von dem herumliegenden Gewand gehört uns? Wer aller sind „wir“? Warum mußte ich auch die Musikanlage auspacken, nur wegen einem Song, den ich unbedingt vorspielen wollte, den Anwesenden unauffällig unterjubeln, in der Hoffnung, dass er ihnen gefallen wird, dass sie diese Musik so berührt wie sie mich berührt. Der Song ist aber gar nicht angekommen, wurde gar nicht gehört. Wer hat da alles mit Drähten umwickelt? Soweit ich mich erinnern kann, war das nicht ich. Aber sicher bin ich mir nicht. Verdammt, ich krieg sie nicht runter! Wie bekomme ich das Zeugs auf? Angefangen hat die Reise in Griechenland zu Fuß und mit drei fremden Kindern, die auch verloren gegangen sind. Ich nehme sie mit nach Hause, wo wir hoffen, dass sie ihre Eltern, ihren Ursprung oder ein besseres Leben finden. Ich war völlig ohne Geld, weil ich alles verloren oder vergessen hatte; barfuß machte ich mich mit den Kindern auf den Weg. Ich versuchte wegen der Orientierung nicht allzuweit von der Küste abzukommen, obwohl das der längere Weg ist, aber wenn ich konsequent die Küste entlang wandere,  muß ich irgendwann in Triest/Trst oder Rijeka/Fiume ankommen. Das wird Monate dauern, ich weiß. Aber im Landesinneren fürchte ich mich zu verirren. So hat die Reise begonnen. Und jetzt: ich finde den ganz großen Koffer nicht und nicht die Schachtel für die Musikanlage. Mehrere andere Koffer stehen herum. Wir sind in einem abgewohnten Hotel, irgendwo, keine Ahnung. Hoffentlich ist es nicht zu teuer. Mein Vater, der jetzt auch da herumhängt, ist mir absolut keine Hilfe. Er gibt auf meine Fragen keine Antworten und redet überhaupt nicht mit mir. Stur und angfressen schaut er mich gar nicht an, ignoriert mich. Wo sind meine Töchter? Gerade war noch eine da. Ich schussel herum und die Situation wird immer chaotischer. Müssen wir nicht bald zum Bahnhof? Wo sind die fremden Kinder, die ich in Griechenland aufgegabelt habe und denen ich versprochen habe, sie zu ihren Eltern und nach Mitteleuropa zu bringen? Jetzt sind meine eigenen Kinder da, aber wo treiben sie sich herum? Ich zerre und reiße an den verdammten Drähten, mit denen alles, aber wirklich alles sorgfältig umspannt ist, und bekomme sie nicht auf. Ich schaue mich nach irgendeinem brauchbaren Werkzeug um, vergeblich. Das Funsellicht hier in diesem grindigen Hotel ist auch wirklich schlecht. Aus meiner Musikanlage tropft Wasser – wie ist das möglich? Die wird doch nicht an die Wasserleitung angeschlossen sein! Ich hebe sie hoch. Nein. Wo kommt das Wasser her? Verdammt noch mal! Meine geliebte Musikanlage wird dann wohl kaputt sein. Jemand aus dem Off (männliche Stimme) meint, dass im Hotel eine Wasserleitung geplatzt sein könnte. Das kommt mir noch am plausibelsten vor. Und nun fällt tatsächlich der Strom aus. Kein Licht. Ich sehe gar nichts mehr. Eine Zange zu finden brauche ich gar nicht erst versuchen.

 

(30.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2308 Zitat

 

Heute Morgen geht ein heftiger, kühler Wind. Bei klarem, sonnigem Wetter fallen mir schon wieder die Augen zu. „Das ist eigentlich alles.“ (Zitat Daniil Charms)

 

(25.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 24. Juni 2021

2307 Elektrik

 

(6:51) Die Stadt ist schon (via Baulärm) vom Schlaf erwacht. Und heute hat sich Frau Katz mit ihrem Hinterteil auf meinen Hals gelegt, was sie dazu befähigt, mit ihrem Kopf gegen meinen Pilotschreiber vorzugehen. Dabei schnurrt sie glücklich und ich dümmlicher Katzendaddy fühle mich geehrt. Plötzlich verstummt der Baulärm und mein Surren übernimmt die Lärmarbeit. Ein wenig unheimlich, die überraschende Generalpause; ist der Stadt etwas passiert? So bin ich auf mich und mein Ohrensurren angewiesen, das so schrill ist. Allmählich wird das, was als Pause begonnen hat, zum Normalzustand, aber nein, jetzt setzt der Baulärm wieder ein und mein Surren kann gerade noch mithalten. Der Himmel muß bedeckt sein und kann warten. Zufrieden schaut Frau Katz auf mein weggelegtes Notizbuch, vielleicht versucht sie es zu lesen, aber meine Handschrift ist selbst für mich mühsam. Und irgendetwas macht Frau Katz auch mit der Elektrik meiner Arme. (Oder habe ich die Aura gemeint? Ich kann meine Schrift nicht entziffern.)

 

(23.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 23. Juni 2021

2306 Rechenschaft

 

In die Hitze aufgewacht (13:21). Ausgeschlafen, erholt, für den Tag bereit, mit klopfendem Herzen. Und dann doch mit schlechtem Gewissen, weil ich so lange geschlafen habe. Wann werde ich mit allen Synapsen meines Hirns und mit allen Fasern meiner Seele begriffen haben, dass ich niemandem, wirklich niemandem Rechenschaft schuldig bin? Also auf zum Frühstück.

 

(23.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2305 In der Hitze der Nacht

 

„In der Hitze der Nacht“ – das kann man wirklich sagen (3:02). Alles steht still. Die Bücher in den Regalen rühren sich nicht; die Bilder an den Wänden bewegen sich nicht; die Stadt hält sich entfernt und still. Nur die Katze hüpft mir flott und beinah zwitschernd auf die Brust und beginnt zu schnurren...

 

(22./23.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2304 Sisyphos

 

Nachdem ich in der Sezession das Priesch'sche Buch abgeholt habe, das Hannes dort für mich hinterlegt hat, bin ich in die Albertina modern in der Nachmittagshitze hinüber gewandert, um den West-lichen Sisyphos zu überprüfen. Beim letzten Besuch war ich hingerissen, und heute will ich nachprüfen, ob das hält. Es wäre nicht das erste Mal, daß ich zunächst von etwas begeistert bin, aber auf einen zweiten Blick enttäuscht oder dass sich mir alles relativiert. Nun sitzen auf der Bank davor drei junge Damen und zeichnen ab. Mindestens zwei von denen die furchtbar grauslichen Bilder daneben, den KüstlerInnamen habe und will ich mir nicht merken. Überall in der Albertina modern sind junge Damen unterwegs und zeichnen, so sitze ich als Ausweich bei der Cecily Brown und dem Hollegha und den Katharina Grosses, aber eigentlich will ich zum Sisyphos. Mich zieht es zum Sisyphos und wegen ihm bin ich hergekommen. Aber bei denen da sitze ich auch nicht ungern (im Gegensatz zu vielen anderen Sälen). Am Weg wieder zum Sisyphos habe ich im Vorbeigehen noch die zwei blauunterlaufenen Fingermalereien des Baselisken goutiert.

Aber jetzt sitze ich vorm Sisyphos. Die Bank war wieder frei. Sofort nimmt mich das Objekt für sich ein. Ich deute es als den Stein, den er ewig rollt und in den schon all seine Energie und Lebenskraft, all seine Emotionen und gegen Ende hin all seine Liebe eingegangen sind. Weil er versucht hat, sein Schicksal nicht bloß anzunehmen, sondern zu lieben. Vielleicht ist er so zur Erlösung gelangt und sein Bewußtsein hat sich in die Unendlichkeit ausgedehnt und er ist nicht mehr hier (sonst könnte ja der Stein nicht da sein, wenn er noch immer gerollt wird!). Sein Stein jedoch ist hier. Vielleicht war es so. Sicher bin ich mir nicht. Aber es gibt schon Kräfte, die stärker sind als die antiken Götter.

Mich erinnert der „Stein“, der Sisyphos heißt, in Form und Gestalt an den riesigen Stein in Unterburg, der vom Grimming heruntergerollt ist und genau vor der Haustür eines der Häuser stehengeblieben ist. Als Kind mit weit offener Seele hat mich das mächtig beeindruckt; die Straße hat damals ganz nahe am Haus vorbeigeführt und jedesmal hat mir bei diesem Anblick der Atem gestockt und hat eine Welle von Entsetzen in meiner empfindsamen, verschreckten Herzen ausgelöst (heute führt eine begradigte, landschaftverleugnende Straße auf einer „verbesserten“, flotteren Trasse in größerem Abstand an diesem Haus vorbei; und kaum jemandem, der davon nicht weiß, wird dieser Stein vorm Haus noch auffallen, wenn er überhaupt noch dort steht. Wieder ist unsere menschengemachte Realität um eine Erfahrung (!) ärmer).

Der „Stein“ hier ist aber bunter, farbiger, vom vielen Rollen kleiner geworden: wie gesagt: Sisyphos hat in seinen Ewigkeiten seine Gefühle und Emotionen hineingedrückt, hingeschwitzt, hineingeblutet, sich an ihm abgerieben und so ist er schön geworden und erschreckt mich nicht, weil neben Verzweiflung und Schmerz auch Liebe dabei ist. Ja, ich liebe diesen Sisyphos. Ich bleibe dabei. Und jetzt lege ich mein Schreibzeug weg und schaue nur den „Stein“ an.

Ich weiß nicht, wie körperlich der Sisyphos in seiner verbannten Ewigkeit ist oder war: ich sehe am „Stein“ auf das Abgearbeitete, Geschundene, Blutende, Verletzte; die Schrunden des Steins und die Spuren der Schrunden und Wunden des Sisyphos am Stein. Entwickelt ein Stein bei so einer Behandlung und Intensität der Begegnung selbst ein Bewußtsein? Oder bekommt ein möglicherweise, vermutlich ganz schwaches Leuchten in ihm Energie zugeführt und wird stärker und bewußter? Antwortet der Stein dem Sisyphos, empfindet er für den Sisyphos und empfindet er dessen Arbeit mit und an ihm? Nimmt er immer mehr vom Bewußtsein seines tragischen Verbannten auf und wird der Stein so immer mehr zum Sisyphos? Bis der sich ganz in ihm auflösen kann? Wie schon gesagt: es gibt Kräfte, die stärker sind als die antiken Götter und ihre Verbannungen. Jedenfalls wird der Stein zu einem Kraftobjekt im Sinne der Zauberer. Ich lege das Schreibzeug weg und schaue nur den „Stein“ an.

Der West-liche Stein da wird plastischer, wenn ich ihn anstarre und beginnt zu leuchten und bekommt eine weiße Aura. Auch wölbt sich dann deutlich eine Nase nach vorn. Kann dieses Objekt doch das zerquälte Gesicht des Sisyphos sein und nicht sein Stein? Sind ihm die Augen schon blutig geweint? Oder sind die beiden nicht mehr zu unterscheiden nach Ewigkeiten intensiver Abreibung? Ich lege das Schreibzeug weg und schaue nur auf das Objekt.

Der Stein – ich bleibe wieder dabei – leuchtet nicht nur und wird nicht nur plastisch – er strahlt und beginnt zu schweben. Ich lege mein Schreibzeug weg und schaue nur den „Stein“ an.

Jetzt bin ich unsicher: es stehen da links zwei Skulpturen: eine heißt „Sisyphos“ und eine ist ohne Titel, wie ich den Texten an der Wand entnehme. Aber welches ist welches? Für mich war bisher sofort und ohne Zweifel klar, welche der „Sisyphos“ ist, aber stimmt das auch? Ich werde fragen. Ich bin jetzt völlig irritiert und verunsichert! Was, wenn ich einer selbstgemachten Mystifikation aufgesessen bin? Alles falsch und umsonst? Alle meine Gefühle und Gedanken völlig daneben? Meine ganze innere Gewißheit entgleitet mir und zerfällt. Ich werde jetzt sofort gehen! Ich muß etwas essen! Anscheinend muß immer diese Verunsicherung aufpoppen!

 

(22.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2303 Dachgeschosswohnung

 

Ein wenig ist sie kühl, die Morgenluft, aber sie trägt schon die Hitze des kommenden Tages in sich. Ohne Nachhilfe der Katze bin ich aufgewacht, aus einem eigenartigen, faszinierenden Traum, von einer großen Dachgeschosswohnung, die ich haben und ausbauen will. Ein wahnsinnig hoher Kubus mit einem Ausgang oben auf einen Riesenpark, der dann am Dach oder schon im Himmel sein müßte. Und kleinere, intimere Nebenräume habe ich auch noch entdeckt, aber da halten sich zwei fragwürdige und verdächtige Arbeitertypen versteckt.

 

(22.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2302 Würdigung

 

(3:08) Auch jetzt ist es in der Wohnung noch heiß. Die Katze jagt gemütlich eine Schnake – glaube ich. Wir sind beide schon alt. Uns beiden setzt die Hitze zu. Ich habe mich zweimal in die kalte Badewanne gelegt: nach dem Ukraine-Sieg der Fußballnationalmannschaft sozusagen um diese zu würdigen; und eine Stunde vorm Hinlegen, also vor jetzt.

 

(21./22.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Samstag, 19. Juni 2021

2301 Schlafende Gestalt

 

Mein spielendes Bewußtsein verändert dort am Wickeltisch hingeschleuderte Pölster, Gewand und Ähnliches in eine hingelehnte, schlafende Gestalt. Ein fremdartiges Wesen knotzt dort, eingeschlafen, während es mich beobachtet hat. Es ist gar kein fröhliches Spiel, sondern ein unheimliches. Längst weiß ich, was mir als Kopf erscheint ist ein Körbchen, der Oberkörper ein Polster – und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los: dort sitzt wer. Oder etwas. Ein Wesen, das sich hinter diesen Dingen verbirgt. Nun führe ich ein kurzes, alltägliches Gespräch, scherzend, wie es unter Eheleuten so sein kann, aber der Anwesenheitseindruck bleibt. Ich meine, ich fürchte mich nicht, soll geistern und lauern wer will; ich bin nur alarmiert und wachsam. Schon verschwimmen die Buchstaben vor meinen Augen und eine Mächtige Müdigkeit ergreift Besitz von mir und die Augen wollen mir zufallen. Kommt die Müdigkeit so plötzlich aus mir? Das Wesen scheint selig und ruhig zu schlafen. Kann ich ihm so weit trauen, dass auch ich unbehelligt einschlafen kann? Oder steuert das Wesen diese Müdigkeit, die von einem Moment auf den andern aufgetaucht ist? Ist es aggressiv und wird mich im Träumen heimsuchen? Oder einen Trojaner oder sonst etwas in mein Bewußtsein platzieren?

 

(19.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 18. Juni 2021

2300 Zugelächelt

 

Wieder in dem Café in der Burggasse. Seit dem ersten Lockdown zum ersten Mal. Tagelang mußte ich auf mich wie auf einen kranken Esel einreden, bis ich mich traute. Gut zureden. Immer wieder wiederholen. Der schlimmere und stärkere Lockdown hockt und arbeitet in meiner Seele. In der CD-Abteilung vom Gerngroß vorhin hätte ich mir fast eine umfangreiche CD-Sammlung des Art-Ensemble of Chicago um sechsundachtzig Euro gekauft, aber es mir dann aus Sparsamkeitsgründen verboten. Ich bereue es bereits. Aber ich habe kein Recht darauf. Zirka 1.100.- beträgt die Miete unserer Wohnung und ich trage keinen Cent dazu bei: es steht mir dieser CD-Luxus nicht zu. Aber irgendwer muß doch diese Kulturschätze bewahren, bevor sie untergehen! Möglichst viele und breit gestreut, sonst gehen sie verloren wie die Bücher der Bibliothek von Alexandria.

Ich kenne hier niemand mehr, weder vom Personal, noch von den Gästen. Neuübernahme? Hoffentlich nicht! Obwohl: was geht es mich an? Ach! Immerhin ist es der erste Anlauf. Ein Anlauf, mich fragwürdige Existenz aus meinem (geborgten) Kelion hinaus in die Welt zu jagen. Übrigens sitze ich drinnen, nicht im Gastgarten. Drinnen ist es ganz leer. Wie angenehm!

Die Chefin ist gekommen! Keine Neuübernahme, ich bin erleichtert. Ich suche Augenkontakt zu ihr um sie grüßen zu können (ich kann niemanden grüßen, der mich nicht anschaut; ich kann nie, gar nicht direkt auf mich aufmerksam machen oder einfach – sozusagen in alter Bekanntschaft – von mir aus den Gruß starten). Wird sie sich noch an mich erinnern? „Des Menschen Tage ...“ Ja, sie hat hergeschaut und mir auf meinen kopfnickenden und murmelnd-gestammelten Gruß zugenickt und zugelächelt. Alles ist gut! Ich kann wieder kommen. Jetzt trau ich mich wieder her!

 

(18.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2299 Miezzele

 

Wenn's wahr ist höre ich in der Ferne ein fernes Auto. Ich selbst habe mich nach der Morgenarbeit für die Katz wieder ins Bett gelegt (6:30)

 

Oh! Hab ich lange geschlafen! Gute elf Stunden. Aber jetzt bin ich frisch und erholt und habe alles gut verarbeitet. Was alles eigentlich? „Unsere“ Niederlage gegen Holland? Wer weiß!

Das wird zunehmend ein Schreibproblem: kaum bin ich wach, kommt die Katze und will sich auf meine Brust legen, was die Schreiberei und ihren Fluß erschwert. Sie macht das nicht, ohne mich vorher über Blickkontakt zu fragen und mein „na komm nur“ abzuwarten. Ich will sie nicht abweisen. Außerdem ist es schön, ihren warmen, weichen Körper zu spüren.

Also was mußte ich in diesem meinen langen Schlaf verarbeiten? (Frau Katz drückt sanft ihr Köpfchen auf meine linke Wange). Bruchstücke meines Lebens? (Jetzt hat sich Frau Katz so auf meine Brust gelegt, dass ich bequem schreiben kann). Trümmer meiner Kindheit? Mein Leben hier und jetzt respektive hier und in den letzten Wochen? Meine Gedanken und Phantasien? Meine Ängste und die letzten Hoffnungen?

Das Bücherregal und die vier Bilder darüber verschieben sich: das Regal nach links, die Bilder nach rechts, während irgendwo da draußen eine Polizeisirene dahinheult. (Frau Katz legt ihre rechte Pfote auf meine linke Schulter). Jetzt ist alles ganz ruhig: nichts bewegt sich, nichts schreit auf. Nachdenklich und gedankenverloren streichle ich sanft die Katze. Kann ich mich an irgendwelche Traumfetzen erinnern? Das an das Bücherregal gepinnte Photo eines Graffitis am Donaukanal, an den Rändern schon aufgebogen, bewegt sich wieder leicht in einem unbemerkten Luftzug. Jetzt nochmals in einem, der von windigem Aufheulen begleitet ist. Ich fühle mich wohl, ich habe es schön, aber allmählich tut sich unter mir ein Riesensee von Schmerz auf. Zuerst spüre ich ihn, den Schmerz, in der Körpermitte, dann bis herauf zum Herzen. Ich atme tief durch, unterbreche das Schreiben und streichle die schnurrende Katze. Mein Herz verkrampft sich etwas; ich spüre es im linken Arm, der das Notizbuch vermutlich die ganze Zeit sowieso schon etwas verkrampft festhält. Das helle Blau der Romano-Guardini-Bücher leuchtet aus dem Bücherregal an – einige der wenigen Bücher, die von der theologischen Ausbürgerung ins Katzenklovorzimmer verschont geblieben sind.

„Sasa! Wääähh!“ fällt mir ein und ich muß lachen. Somit bin ich doch wieder beim Hollandspiel, wo unser serbischer Albanersohn gefehlt hat. Ich finde die Sperre überzogen. Bei aller Problematik: Fußball ist ja auch ein Ventilritual.

Könnte so mein Sterben beginnen? Ich hocke im Bett, die Katze am Schoß, ich fühle mich recht wohl, ein wenig Zucken im linken Arm, noch bin ich ruhig und gefaßt, ich ahne Etwas Atemberaubendes näherkommen ...

Essen hält Leib und Seele beisammen. „Auf zum Frühstück!“ schaffe ich mir an. Ich lege Brille und Schreibzeug weg, streichle noch eine Zeit lang die schnurrende Katze und sage dann zu ihr: „Miezzele! Wir stehen jetzan (jetzt dann) auf!“ und schon springt sie vom Bett. (13:37)

 

(18.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2298 Outdoor

 

In nervöser Erwartung: können wir ohne Albanersohn die Holländer besiegen? „Wir“ ist gut! Ach, paßt schon, wer wird denn alles so genau nehmen. Ich sitze mit meiner Lieben Frau, die Königin des Viertels beim Karmelitermarkt und Schutzpatronin des Augartens und der Kinder im vorm Café Mima und trinke Fruchtsaft. Etwas heiß ist es noch und die Sonne sticht und blendet mich. Ich bin nicht so der Outdoor-Sitzer-Typ. Zu viel Sommer um zu schreiben.

 

(17.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 17. Juni 2021

2297 Zugluft

 

Die Mauer im Lichtschacht gleißt vor lauter Sonnenlicht und strahlt es in mein Zimmer herein. Der Sommer ist in meinem Abseits angekommen. Trotzdem liege ich im Bett, quer auf meinen Oberschenkeln die Katze, die ich in den Schreib- und Nachdenkpausen streichle. Ich kann das hereingeleitete Sonnenlicht durch meinen brillengetrübten Blick als weißliche Wolke im Raum schweben sehen; vielleicht ist es nur die Schmutzschicht auf dem Brillenglas, die mir diese Illusion erzeugt. Ein Photo am Bücherregal schaukelt in der leisen Zugluft. Und unten spielen, singen, streiten und rufen fröhlich die Tageskinder.

 

(17.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2296 Wampe

 

Draußen brennt schon die Sonne herunter und beleuchtet die halbe Welt, hier, in meiner abgeschiedenen Kemenate ist es dunkler, nicht so morgenlichtoptimistisch, die verstaubten Bücher bringen ihr Gewicht ein, die Katze schnarcht am Schreibtisch, das Leben scheint weitgehend ausgeschlossen, verbannt. Jedenfalls das wilde Leben. Nach gerade mal vier Stunden Schlaf aufstehen? Und schwimmen gehen? Der Gedanke strahlt einen großen Reiz aus. Aber ich bin wegen eines Termins am frühen Nachmittag schon jetzt nervös. „Das geht sich alles nicht aus“ behauptet mein innerer Zauderer und Trauminet und ich glaube ihm wider besseren Wissens. So kommt die Müdigkeit wieder. Und Gedanken wie „ich kann mit meiner Wampe nicht mehr ins Schwimmbad“ bestätigen meine Bettsucht. Ich sage es ja: meine ganzer Kampf geht nur mehr gegen die Resignation.

 

(17.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 16. Juni 2021

2295 Pratzeln

 

3:15 a.m. Ich habe mich zu Bett begeben. So wirklich müde bin ich nicht. Frau Katz kommt zu Besuch. Ich denke über das „l“ als Werkzeugsuffix (oder wie das heißt) bei Verben nach: köpfeln – den Kopf als Werkzeug benützen, fusseln – die Füße als Werkzeug benützen, handeln/hanteln – die Hände als Werkzeug benützen, spitzeln – einen/den (Fuß)Spitz als Werkzeug benützen. Ich suche nach weiteren Beispielen, aber mir fallen keine mehr ein. Frau Katz köpfelt und pratzelt inzwischen meinen Pilotschreiber. Nachdem mir nichts mehr einfällt, lasse ich es gut sein und streichle die Frau Katz.

 

(15./16.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 15. Juni 2021

2294 Sisyphos Chance

 

Albertina modern. Ich sitze vor den Franz Wests und ich sehe den ersten West, der mir auf Anhieb gefällt: Sisyphos. Auch ihm ist eine gewisse Kopflastigkeit eigen (wenn die Köpfe oben sind; scheint auf schwachen Füßen zu stehen). Seine rote Sitzwurscht und sein ohne Titel hochgezogenes Ohrwaschl halte ich auch locker aus. Ja, hier kann ich verweilen.

Aus der Ferne blicke, gaffe ich auf die drei Katz'schen jungen Society-Ladies, zum Schwimmen am Strand – wie ich annehme, die Badeanzüge erlesen, ausgeschnitten wie eine Laubsägearbeit (Chance). So kühl, so beherrscht und diszipliniert, auf ihre Figur achtend, ein wenig fade, ohne sichtbare Wunden und Schrunden, fast perfekt, wenn sie ein Alkoholproblem oder eines mit ihren Schlafmitteln haben, sehe ich es noch nicht, sehr glatt, flach, fast lächerlich so als Laubsägearbeit, aber wenn, dann nur auf den ersten Blick, denn alles ist zurückgenommen und geglättet, damit man die Augen sieht: denn in ihren Augen ist eine unsägliche Traurigkeit. Ein Schmerz kosmischer Dimension. Eine Trauer, die mich sehr berührt und so nahe geht.

Oh! Heute sprechen mich sogar zwei Baselitz'sche Fingermalereien mit Blau an. Zum erstenmal, dass mir von dem etwas gefällt. Penck ist spannender als Haring.

Cecily Brown (Cherries and Pearls; Tripe with Lemons) die mag ich, zumindest in dieser Umgebung: spielerischer, sinnlicher, kraftvoller als vieles hier. Und ein Hollegha leuchtet mich auch schön an. Und allmählich schaue ich von ihm zu den vier Ohne Titels von Katherina Grosse, die mir schon öfters aufgefallen ist. Ja. Ja.

Zurück zum West: da gefällt's mir am besten (wenn ich alles andere in diesem Saal ignoriere, das für mich unerträglich ist). Der Sisyphos  - oder sein Stein - beginnt zu leuchten, als ich ihn länger anstarre. Das wird immer toller! Ganz sensible Farben, ganz sensibel – sagen wir prosaisch: platziert. Für mich heute hier und jetzt ein Meisterwerk! Jedes Detail wird eine Welt. Abgelenkt durch ein Baby mit Mutter, mit denen ich nett plaudere, entdecke ich aber die Schatten. Die der Kunstwerke und die der Distanzgestänge. Schatten. Schatten. Schatten  – schaut man lange hin, entdeckt man, dass sie in die Tiefe gehen. Ein heiliger Schauder läuft mir über den Rücken. Von mir selbst kann ich keine Schatten sehen. Habe ich ihn verkauft? An wen?

Ich lenke aber meinen Blick wieder auf Sisyphos ('s Stein): (meine Andachtsmusik der Omar Rodriguez-Lopez Group im Ohr – wie sich das immer so schön ergibt).

Mein Gott! Wenn das der Stein ist, dann kann ich jetzt sehen, wie Sisyphos versucht hat, seinen Stein zu lieben! Ich kann die farblich-energetischen Spuren sehen! Erschütternd!

Erschütternd. Ich geh jetzt, sonst wird es mir zu viel.

 

(15.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2293 Frau Katz

 

Ein herrlicher Sommertag zieht herauf, sickert aus dem Reich der Möglichkeiten herüber in das Reich der Wirklichkeiten. Aber was ist mein ungutes Gefühl? Dieser Ekel in der Nase? Angst kommt auf und wird stärker. Mir wird übel. Welchen Streich spielen mir die Nerven? Meine Phantasie spielt mir schreckliche Szenarien vor. Frau Katz kommt, lenkt mich ab und beruhigt meine Nerven. Mindestens zwanzig Minuten liegt sie auf meiner Brust, schnurrt, und legt mir ihre  rechte Pfote auf mein linkes Schlüsselbein. Ich atme mehrmals tief durch und schlafe wieder ein.

 

(15.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2292 Verwandlung

 

Ah! Endlich! Eine Kunstkarte und ein Buch kommen aus dem Regal ein paar Dezimeter auf mich zu. Vielleicht auch nur Zentimeter – so genau kann ich im Draufschauen von vorn die Entfernung nicht abschätzen. Endlich. Mir war mein Zimmer schon fade – ich habe herumgespäht und nichts interessantes wahrgenommen, nichts hat mich inspiriert. Wie immer bei solchen Bewegungen sind die Kunstkarte und das Buch immer noch exakt dort, wo sie vorher schon waren.

Mein Hafenbild ist heute düster, wie vor einem Gewitter. Und das Meer hat sich verändert: das Meer ist starrer und härter geworden. Mein Tirolbild durchfließt jetzt ein halbverdeckter, schlammiger Fluß und das Bild beginnt sich zu bewegen.

Ich blicke lauernd auf das zweite Lošinj-Bild, aber da scheint sich nichts zu verwandeln.

 

(14./15.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2291 Raumschiff

 

Als Raumschiff betrachtet ist mein Zimmer recht groß. Ich habe nämlich wieder ein Ich-fliege-durch-die-Weiten-des-Alls-Gefühl. Ich mag das. Da gibt es jetzt weder mehr dazu zu sagen, noch etwas hinzuzufügen.

 

(13./14.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 11. Juni 2021

2290 Die Lippen

 

Der Mund redet, der Lautsprecher spricht. Die Lippen: fast ein Tanz. Die Bilder sind stärker als die Worte. Der Schall ist stärker als die Bilder, aber die Sprache ist schwächer als die Bilder. „Zeitabgeleitetes Denken“: nur Einzelnes erreicht mein Bewußtsein. „Kapitalismus“ - natürlich entgeht das Wort nicht meiner Aufmerksamkeit. „Vergänglichkeit“ und „Anmaßung“, „ …. Kinderglaube“. Vielleicht muß ich noch dazu sagen: es ist der Mund einer Frau, groß am Bildschirm als pars pro toto. (Ich sitze in der Ausstellung Herwig Steiner, kunst der attrappe im MAG3.)

Die anderen Bilder an der Wand ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich - „Schlachtenbilder“ - soeben gehört - war ein tolles Stichwort (von Gue Schmidt): Statik und unglaubliche Dynamik. Zurück zu den schönen Lippen, die in den Pausen zwischen den Wörtern beinah ratlos verharren. Manchmal zittern sie leicht. Manchmal huscht auch ein Lächeln über die Mundwinkel. Hinter den bewegten Zähnen lugt immer wieder die Zunge hervor. Der gesprochene Text ist für mich in seiner intellektuellen Abgeschottetheit unerreichbar, aber die Lippen so weich, pressen aufeinander, wenn die Spucke hinuntergeschluckt wird. Die Spucke, die vereinzelt als zarte Fäden sichtbar wird, was ich nicht als Missgeschick sehe, sondern als sanftes, lebendiges Zeichen der Anstrengung und der lebenden Person. Wie auch das Aneinanderkleben der Lippen in den Mundwinkeln beim Öffnen des Mundes. Und die leichte Wölbung der Oberlippe in ihrer Mitte, die diese Furche von der Nase zur Lippe weiter abbildet. Der Mund spricht monoton, fast ein wenig klagend. Und wie die Lippen nach außen gepresst werden, wenn sie beim Schließen aufeinandergedrückt werden. „Progressive Auslöschung des Individuums“, „Freiheit“, „Trugbild“.

 

(11.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2289 Stiegensteigen

 

Mein Herz klopft wie wild. Die Aufregung legt sich nur langsam. Sehr langsam. Mehr wie ein Mal Stiegensteigen ist nicht dahinter. Ich Rede von der Stiege in der Wohnung.

 

(10.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2288 Ein schöner Regen

 

Ein schöner Regen ist da. Ein leiser Regen. Ein leichter Regen. Ein sanfter Regen. Es gluckert so schön in mein Surren hinein. Ansonsten die Stille der tiefen Nacht (2:16). Das Surren legt zu. Wird schriller. Ich sitze als Verwunschener am Grunde meines Lebensschachtes. Gut: kann so ein Satz etwas heißen? Wenn ich hier im Bett hocke, habe ich schon öfters den Eindruck gehabt, als würde ich am Boden eines Behälters kauern. „Schacht“ kommt vom Lichtschacht draußen, auf den mein Fenster hinausgeht. Und „Lebens“? Nun gut: das Abstellgleisgefühl für mein Leben könnte ich in so einem Bild auszudrücken versuchen.

Der Regen hat aufgehört. Nur mehr einzelne Tropfen vom Dach. Ich werde mich zum Schlaf hinlegen.

 

(9./10.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Mittwoch, 9. Juni 2021

2287 Sitztour in der Albertina

 

In der Albertina: bei den zwei Sphinxen (zwei! Ist das nicht eine Übertreibung?). Dort habe ich mich gleich hingesetzt, bevor ich auch nur ein Bild angeschaut habe. Ich muß darauf achten, dass ich nicht in Atemnot komme. Erstens. Und zweitens: die Xenia Hausner schaue ich mir nicht mehr an. Sie hat beim ersten Anblick ihrer großen Arbeiten bei mir zwar einen Eindruck, wenn auch einen zwiespältigen hinterlassen, aber was ich Naivling und Informationsignorant nicht überrissen hatte, dass die Photos schon auf die Leinwand gedruckt sind, bevor sie einen Pinselstrich macht. In der Kulissenmalerei wird das erlaubt sein, verboten ist es hier auch nicht, aber wenn jemand sich den Körper, den er oder Sie malt, nicht selbständig aufbauen traut, sondern des realistoiden Effekts willen solche blöden Tricks anwendet: Nein! Das wäre doch interessanter und ergiebiger, wie der Körper aus dem eigenen Malen heraus ausschauen würde. Und ich Narr habe mich doch beeindrucken lassen und mir gedacht: „aber die Körper baut sie schon gekonnt auf!“ Welch ein Illtum! Dabei ist das nur Anmalen wie beim Malen nach Zahlen. Darum mag ich auch so Blender wie den Dings (21, 22, 23, 24, 25 Sekunden: Helnwein) nicht. Nein. Ich gehe zum Gasteiger, der lügt nicht.

Der lügt – hoffe ich – nicht und seine Effekte sind offene und ehrliche Effekte und beruhigen die Seele. Was ja auch nicht schlecht ist. Ich hatte mit vorgenommen, dass mein Albertinabesuch heute mehr eine Sitztour wird, aber jetzt muß ich doch herumrennen. Meine fünf Lieblingsgasteigers ohne Titel 2021 gehe ich mehrmals ab, vor und zurück, um den wirklich schönen, schlichten Kippeffekt zu genießen. In diesen abstrakten, sich dekorativ gebenden Pinselstrichen kommt mehr Schmerz, Leid, Innigkeit, Hingabe, Glückseligkeit und Liebe zum Ausdruck als in dem gewalttätigen Geschmiere nach Zahlen. Ich gehe, schleiche, bewege mich andächtig auf diesem Leidensweg des Herrn (puh! Heut dreht er wieder auf!) an den fünf Stationen vorbei, manchmal möglichst knapp, um den tollen Kippeffekt möglichst nah und deutlich zu sehen und das Relief in seiner Wirkung auszukosten. So knapp es geht, ohne die Aufmerksamkeit der Aufseher auf mich zu ziehen - wie passend dazu John Frusciantes „What We Have“ aus dem MP3-Player, ein Werk von vergleichbarer Schönheit, Schlichtheit und Meisterlichkeit. Ich gehe nochmals den obigen, nicht Kreuz- aber Weg der hochgestellten Rechtecke, die haben auch Vertikale und Horizontale und dabei das Vertikale stärker betont.

Auf dem Weg zu den Batliners raste ich – um nicht außer Atem und unter der Maske in Atemnot zu kommen – im letzten Saal der Landschaftsausstellung, der einzige Raum dieser Ausstellung, der mir mit vielen seiner Bildern ans Herz geht. Ansonsten habe ich hier nur, aber das heftig, die Rembrandt'sche Skizze auf meinem Radarschirm.

Die berührende Wintersonne von Nolde; das Wärmende in unerreichbarer Ferne, kann leuchten,  aber den Wintermenschen nicht erreichen. Und gar nicht zu reden – ich weiß, ein unmöglicher Sprung – die bescheidenen, dem Geist und dem Leben gegenüber demütigen Bilder von Klee; so eine meisterhafte Bescheidenheit. Wahre Meister geben nicht an. Jetzt das letzte Stockwerk hinauf zu den Batliners (Das Omar-Rodriguez-Lopez- Group spielt gerade so passend das Stück, das ich immer meine Andachtsmusik nenne: Live Los Angeles (WIP) II).

Den ersten Raum (wegen erhöhter Atemfrequenz durchs Stiegensteigen beschlägt sich meine Brille) mit all seinen Meisterwerken durchschreite ich bezopfter Huzule mit schier unglaublicher Arroganz, nur Gauguins Bretonin werfe ich einen kurzen, liebkosenden Blick zu, um endlich in meine Lieblingsecke des zweiten Saales zu gelangen. Winkerlstehen bei Vuillard und Mangiuns Arsch – Gottseidank nicht seiner, sondern der der schönen, prächtigen Frau, die er gemalt hat. Die anderen Werke in diesem zweiten Saal ignoriere ich genauso wie die vom ersten. Modiglianis Prostituierte geht mir in ihrer Verlogenheit und Flachheit sowas am Arsch vorbei, wobei ich die Verlogenheit nicht der Dame vorwerfe – was ist ihr sonst übrig geblieben? - sondern dem Maler. Ich muß mich wieder setzen. Weiter zur Werefkin!

Hier sitze ich vor der geliebten Werefkin, ihrem Nachtschwärmer und ihrem Sturmwind und genieße die Bilder. Ich kann gar nichts neues dazu sagen, aber hier sitze ich und kann nicht anders. Nur dem Oberstdorfer Berg von Jawlensky werfe ich ein paar verdrehte Blicke zu (im Rücken). Aus meinen Augenwinkeln sehe ich, dass links von mir eine Gestalt steht – es ist aber „nur“ Barlachs überkandidelter Rächer. So wird das nichts! So wird ihm die Rache nie gelingen! Da verhaspelt er sich hundertemal in seinem sinnlos ausholenden Getue; Rache muß konzentriert, schlank und effizient sein. Ein paar Blicke noch auf die Werefkins und auf den Jawlonsky, dann gehe ich weiter. Der Aufseher wird schon nervös. Mich amüsiert es köstlich, wenn mich die Leute so falsch einschätzen. Und ich glaube nicht, dass sich der Rächer an dem, was er und sein Tanz auslösen, amüsiert – dazu hat er viel zu viel vor.

Ja, ja, der Jawlensky-Berg ist wirklich toll und ich bin im Abgang zu recht dort ein wenig stehen geblieben. Jetzt raste ich, bevor ich meinen Lieblingssaal betrete vor einem Egger-Lienz'schen Holzhacker. Seine Hacke (Beil) liegt unrealistisch auf. Wenn man idealrealistisch malen will, muß man das hinkriegen, ohne Phototapeten, ansonsten soll man proaktiv auf sein Nicht-Gelingen vertrauen, aus dem möglicherweise eine höhere Stimme und größere Weisheit spricht, als aus den eigenen Vorstellungen – meine ich. Auf zu Kokoschka und Boeckl!

Ja! Ja! Jaaa! Passt! Schööön! Die zwei Städte sind ein wenig weit weg, aber gut, so schau ich mir halt die Boeckel'sche Ehefrau Maria an. Maria durch ein Dornwald ging. Jetzt geht mir allmählich die Luft aus: ich werde mich bald auf den Nachhauseweg machen. Dabei lasse ich sogar meinen Ruheplatz beim depperten Kardinal aus. Ganz kurzes Innehalten beim freundlichen, sitzenden Arbeiter von Frau Motesiczky, ihr Kröpfelweg fehlt mir. Einen Blick noch zu Chagalls Papierdrachen, an den Giacomettis vorbei streifend – Giacomettis Landschaft gefällt mir tausendmal mehr als Delvoux's Landschaft – das idealrealistische brauche ich nicht! - und nichts wie raus!

 

(9.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2286 Hinaus in die Albertina

 

Der Tag scheint heiß zu sein. Selbst in meiner abgelegenen, versteckten, schattigen Kemenate spüre ich, dass die Sonne voll scheint. Mit frischen, ausgeschlafenen Augen blicke ich herum. In den Ohren das fröhliche Geschrei der Tageskinder, die mit voller Leidenschaft und Hingabe ihre Spiele spielen. Tatütata. Manchmal kann auch ein Weinen dazukommen. „Die Mittagsglocken kommen heute aus der Pfarrkirche St. Leopold in Wien II“. Allerdings war ich nie ein Autofahrer, aber früher viel unterwegs. Und heute? Albertina? Nur zum Schreiben? Gibt es wichtige Erledigungen? Wäsche und Geschirr kann ich nachher machen. Bleibt noch das Maskenproblem: wenn ich länger die Maske trage, gerate ich in Atemnot. Dann kann ich ja in den Burggarten ausweichen. „Drei Monat“ singen die Tageskinder. Ich glaube, Albertina ist eine gute Idee. Auf zum Frühstück! und hinaus in die Albertina!

 

(9.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2285 Das Hotel in Port Said

 

Das Hotel in Kairo war uns zu teuer, deshalb machten wir uns zu Fuß immer nur durch Gebäude und Restaurants – der Weg führte einfach von einem Saal zum andern, von einem Raum zum nächsten, ins Freie sind wir dabei nie gekommen auf diesem Weg -  in den Süden nach Port Said auf, wo ich von einem günstigen und guten Hotel gehört hatte. Bitte! Wenn da geographisch etwas nicht stimmt, beschweren Sie sich bei meiner Traumaufmerksamkeit oder noch besser gleich bei den Traumproduzenten und Traumlieferanten. Ich kann ja nichts dafür!

Worüber sich die Leute alles aufregen! Und das schon um 7:20 in der Früh. Das ist bei mir nach vier Stunden Schlaf. Höchstens. Viel zu wenig jedenfalls. Meine senile Bettflucht geht in die andere Richtung: ich flüchte in den Schlaf und in das Bett. Ich bin auch als Schlafwandler ein Geisterfahrer.

Und warum Ägypten? Ich fürchte mich vor allem was östlich und südlich ist, erst recht vorm Orient. Ägypten, weil sie mit ihren Pyramiden anscheinend zwar gescheiterte, aber immerhin angebliche Experten im Todestrotzen sind? Oder ganz anders: die Traumproduzenten wollen, dass ich meine Soziophobie aufgebe und mich mutig ins Getümmel stürze? Oder die anorganischen Lebewesen wollen mir ihre Unterkünfte anpreisen? Ich kenne aber den Preis!

Komm! Schluß jetzt! Schlaf weiter!

 

(8.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2284 Die schöne Stelle

 

Die Musik klingt noch nach. Eine „schöne Stelle“ spielt sich in meinem Kopf wieder und wieder ab. Ich habe nichts dagegen. Am Anfang und am Ende franst die „schöne Stelle“ aus und verliert sich im Undeutlichen. Mein auf den Kleidersessel hingeworfenes Gewand bildet eine beinahe so groteske und bizarre Gestalt, wie es die barocken Pestsäulen sind. Natürlich kleiner und weicher und nach hinten gewölbt, aber der Faltenwurf kommt einigermaßen hin. Die Kabel meines Cedeplayers hängen recht elegisch vom Schreibtisch und verbreiten trotz ihrer schmalen Gestalt Wehmut. Während die Bohrmaschine dahinter in ihrer zu kleinen Schachtel mehr wie eine derbe Karikatur einer Rustikalisten mit Rustikalhüterl wirkt (bitte: es ist 3:27; alle schlafen und mein Geist und mein Bewußtsein können sich ungehindert und hemmungslos ausdehnen!). Die „schöne Stelle“ kommt Gottseidank immer noch und kontrastiert sehr gut das allnächtliche Gesurre (Frage: die „schöne Stelle“ ist innen, aber wo ist das Surren? Außen in der Außenwelt ist es nicht.) Mein Magen beginnt zu knurren. Höchste Zeit zum Einschlafen!

 

(8./9.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 8. Juni 2021

2283 Die Waldtaube ruft

 

Die Waldtaube ruft. Vor allem in meinem linken Ohr surrt es nicht nur, sondern pfeift auch. Aber ich fühle mich ausgeschlafen. Anscheinend bin ich in der Hockposition eingeschlafen. Diese Hockposition nehme ich manchmal bei meiner täglichen, von mir spöttisch „Abendgebet“ genannten Tagesrekapitulation ein. Die Anordnung der Pölster bestärkt meine Vermutung. Woher diese Erschöpfung?

Schon schweifen meine Gedanken ab und wollen nicht konzentriert bleiben. Ich merke jetzt, dass ich zwar mit einem guten Gefühl der Erholung und Ausgeschlafenheit aufgewacht bin, aber doch noch weiteren Schlaf brauche. Aber woher diese Erschöpfung? Ist sie energetisch, physisch, psychisch, sozial bedingt?

Mein Geist verzettelt sich schon wieder und mir fallen die Augen zu.

 

(8.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2282 Fette Fliege

 

Mein Heulpegel ist schon deutlich gesunken, obwohl mir vor ein paar Stunden noch das Wasser bis zum Hal.., nein, bis hinter die Augen gestanden ist.

Aus dem Nichts taucht eine große, fette Fliege auf und surrt um mein linkes Ohr, verfängt sich in meinen langen Haaren, ich schüttle mein Haupt, aber die Fliege ist wieder verschwunden und ist im Raum überhaupt nicht mehr zu hören. Kurz taucht sie beim Kopf der Katze auf, aber ohne Ton, dann ist sie wieder weg. Übrigens habe ich gerade eine neue Methode erfunden, wie ich trotz Katze auf meinem Schoß schreiben kann: ich führe meine rechte Hand unter den Bauch der Katze hindurch und schreibe dann im etwas nach links und damit aus der Mitte verrückten Notizbuch. Die stummgeschaltete Fliege taucht noch ein paar Mal in verkleinerter Version auf, bevor sie endgültig ohne jedes Geräusch verschwindet. Sie ist jedesmal nur kurz am Rande meines Gesichtsfeldes vorbeigeflitzt. Wahrscheinlich doch ein Gast aus einer anderen Welt – von meinem alltagsertränkten Bewußtsein als Fliege interpretiert. Oder doch eine Jüngersche Biene? Eine Miniminidrohne? Ein Zwergenufo? Wenn das ein Scout aus anderen Welten ist, wäre mir das dennoch lieber als irgendsoein technoider Irrsinn.

 

(7./8.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 7. Juni 2021

2281 Hinter der Grassode

 

In der absolutesten Stille der Nacht hat mich die Angst besucht. Wird wohl die Lebensangst gewesen sein. Ich habe das Licht aufgedreht – das habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr getan.

Zwar war ich vorher noch irgendwie undeutlich hinter einer Grassode versteckt, aber die Feinde waren schon rund herum und mußten nur den Kopf herdrehen um mich zu entdecken. Als ich dann wach war, habe ich lange auf die Wand an meinem Bett geschaut. Lange, bis mir gedämmert ist: so hell kann es mitten in der Nacht nicht sein; das kann nicht mein Zimmer sein: was ich sah, lag in Dunkelheit, aber die Szenerie hatte sich im Dämmerlicht aufgehellt. Dennoch habe ich es eine Zeit lang darauf beruhen lassen und weiter auf die Wand geschaut, unsicher, ob ich in die Realität schaue oder in einen Traum. Es wurde mir unheimlich und dann habe ich das Licht aufgedreht und bin – wenn schon, denn schon - aufs Klo. Ich konnte mich nur taumelnd, wie betrunken, fortbewegen, so voller Wahrnehmungszuckerei. Immer noch ruckelt und zuckelt es heftig vor allem in meinem Gehörsverlauf.

Weiterschlafen. Nichts als weiterschlafen.

 

(7.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2280 Zum Heulen

 

Mir ist zum Heulen. Mir ist so zu Heulen, zum Heulen, zum Heulen. Aber ich heule nicht. Vorhin, im Internet und bei den Krimis, haben mich an anfälligen Stellen die Tränen gedrückt, aber ich weine nicht.

Ich heule nicht. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe, dass mir zum Heulen zu Mute ist, aber ich verstehe nicht, warum es nicht herausfließen will. Ich werde dann so hart und streng.

Dass mir so zum Heulen ist, ist nicht schwer zu verstehen: mein ängstliches, belangloses, gescheitertes Leben klagt mich an. Es kostete mich viel Kraft, mich, wie ich so mit leeren Händen dastehe, auszuhalten. Es gibt nichts, was ich mir vorsagen könnte, um mich auf andere Gedanken zu bringen und meinen Geist darauf, das Ganze anders zu sehen. Zumindest fällt mir jetzt nichts ein. Mich kotzen alle diese Eigenverantwortungs- und Glückes-Schmied-Sprüche ausnahmslos an. Und ich will nichts beschönigen. Nicht mehr, als ich es ohnehin schon beschönige. Nur die Wahrheit kann einen frei machen. Ich werde jetzt schlafen.

 

(6./7.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2279 Schaben

 

Meinen Atemzügen hängt sich gegen Ende immer ein Geräusch an und ich spüre es auch innen als „Schaben“. Ich werde den sinnlichen Eindrücken gegenüber immer gleichgültiger: alles beginnt zu verschwimmen. Nur der volle Magen hindert mich daran, mich hinzulegen. Mein inerer Monolog ist maulfaul und stotternd und stammelt.

 

(5.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2278 Krabbenkörper

 

Mein Bücherregal flimmert, die Klimaanlage im Lichtschacht bläst und brummt. Es ist viel zu früh für mich.

Meine Bilder an der Wand zucken. Mein Kopf fällt zur Seite. Die Augen fallen mir zu. Von innen fühle ich meinen Leib als Krabbenkörper.

Das Bild verliert sich. Durch meinen wieder Menschenkörper laufen zwei Stoßwellen, wirklich aus dem Beckenboden heraus herauf. Dem Surren ist ein Rauschen beigesellt. Die Augen wieder offen kräuselt sich mein Gesichtsfeld. Es geht nun ins Träumen – die Augen sind wieder zu.

 

(4.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 3. Juni 2021

2277 Sonnenscheinerei

 

Eine Krähe fliegt vor mir auf. Ich sitze im Augarten in der zweiten Reihe. Unzählige Menschen passieren mein Gesichtsfeld. Einige sehr grantige darunter versuchen auch so wie ich die Sonne und den Sommertag zu genießen; den Leib pflichtbewußt über die Wiesen und Felder zu tragen (warum eigentlich nicht durch den Wald? Angst vor den heidnischen Göttern? Armer Leib des Herrn! Muß auf die heilenden Kräfte des Waldes verzichten! Aber nur in deiner gebackenen Form; als Jesus von Nazareth warst du doch in der Wüste und hast dich gestellt. Ich selbst bin ja auch eher in den Worten und Gedanken und nehme die Wirklichkeit nur am Rande wahr, als wäre sie weder wichtig noch bildfähig. Ich meine – ach was!) Anders gesagt: auf der Bühne stehen die Kulissen (!) von „Im Park“ und ich spiele das Stück „Dem Himmel bin ich auserkoren!“ Noch dazu mit John Frusciante und Omar Rodriguez-Lopez in den Ohren. Sein und Bedeutung sind auseinander gedriftet. Sehr heikel! Man landet damit schnell in der Sackgasse; ein Balancefehler und zurück zum Ursprung. Aber ich ärgere mich nicht. Jetzt schweißen John und Flea unglaublich schön und hingegeben.

Ich ziehe mit meinen zwei Zöpferln die Aufmerksamkeit der Passanten auf mich: an und für sich eine meiner Übungen: trotzdem ich die Aufmerksamkeit der Menschen außerhalb meiner Blase fürchte, sie dennoch auf mich zu ziehen, aber trotzdem nicht gelyncht werden. In der Blase posiere ich gerne aus Eitelkeit. Außerhalb der Blase braucht es dafür meinen ganzen Mut. Ein Vögelchen hat auf mein Notizbuch geschissen – Wort des Herrn – was will mir der Himmel sagen? Halt die Klappe? Zu spät! Da mach ich nicht mehr mit.

Nun ist es leer vor mir. Nun nicht mehr. Auf meiner Armbanduhr ist es immer zwei Sekunden nach drei vor zwölf. John Frusciante singt und spielt. Autos! Das muß natürlich sein, dass ein Idiot in den Park hinein fahren muß! Viele, viele Krähen. „What we have“ vom John. Dann And His Magic Band“ ohne Gesang von Captain Beefheart. Nochmals die Magic Band ohne.

Irgendwas an dieser Sonnenscheinerei und der Sommerfeiertagspromeniererei geht mir gehörig auf den Wecker! Ich will zurück zum Laptop! Colosseums Valentine Suite. Ein kleines Mädchen mit Zuzerl im Mund und Hündchen an der Leine schaut mich skeptisch an (Zopferl!) und zaubert mir ein Lächeln ins Antlitz. Die Valentine Suite reißt mich mit, dass ich aufpassen muß, vor Ekstase und Selbstvergessenheit keine Gesichter zu schneiden. Ich schaue herum und sehe nichts, was ich nicht sofort wieder vergessen habe. Allmählich schmerzt mich der Rücken. Ich will heim in meinen Schreibtischsessel. Aber an so einem herrlichen Tag muß man doch raus! Das sagen alle! Zwei junge Mönchlein haben auch ihre Zellen verlassen und wandern in einiger Entfernung durch den Augi. Ich weiß nie, ob ich solche verspotten will oder doch grüßen und mich ehrfurchtsvoll und freudig verneigen, weil sie sich entschieden haben, ganz auf die Transzendenz zu setzen, den Himmel zu erstürmen und der Kraft anheim gegeben zu sein, die das Schicksal regiert. Wenn sie nicht bloß Mamas brave Buben sind. Und John Frusciante singt: „You don't throw your life away, going inside ...“

Mein Rücken! Zu viel Alltagswelt! Zu viele menschliche Bewußtseine aufgedreht! Ich gehe heim.

Ich nehme aber noch einen Rundgang, bevor ich mich zu meiner Kemenate hin bewege.

 

(3.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2276 Tapfer

 

„Dem Himmel bin ich auserkoren“, deswegen ist mein Scheitern so tapfer – ich weiß, was auf dem Spiel gestanden ist.

 

(2.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2275 Howdy

 

Was sagt mein Innerer Mensch? „Howdy Friends And Neighbors!“ (Aha, heute sind wir jovial!) „Ich gebe weiter an die Müdigkeit.“ „Ich bin noch nicht so richtig aufgewacht, also bist du noch nicht müde.“ „Stimmt!“ „Wegen Katzenplage werden die Probe und Fortsetzung dieses Theaterstücks gestoppt und morgen fortgesetzt!“

 

(31.5./1.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai/Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com