2277 Sonnenscheinerei
Eine Krähe fliegt vor mir auf. Ich sitze im Augarten in der
zweiten Reihe. Unzählige Menschen passieren mein Gesichtsfeld. Einige sehr
grantige darunter versuchen auch so wie ich die Sonne und den Sommertag zu
genießen; den Leib pflichtbewußt über die Wiesen und Felder zu tragen (warum
eigentlich nicht durch den Wald? Angst vor den heidnischen Göttern? Armer Leib
des Herrn! Muß auf die heilenden Kräfte des Waldes verzichten! Aber nur in
deiner gebackenen Form; als Jesus von Nazareth warst du doch in der Wüste und
hast dich gestellt. Ich selbst bin ja auch eher in den Worten und Gedanken und
nehme die Wirklichkeit nur am Rande wahr, als wäre sie weder wichtig noch
bildfähig. Ich meine – ach was!) Anders gesagt: auf der Bühne stehen die
Kulissen (!) von „Im Park“ und ich spiele das Stück „Dem Himmel bin ich
auserkoren!“ Noch dazu mit John Frusciante und Omar Rodriguez-Lopez in den
Ohren. Sein und Bedeutung sind auseinander gedriftet. Sehr heikel! Man landet
damit schnell in der Sackgasse; ein Balancefehler und zurück zum Ursprung. Aber
ich ärgere mich nicht. Jetzt schweißen John und Flea unglaublich schön und
hingegeben.
Ich ziehe mit meinen zwei Zöpferln die Aufmerksamkeit der
Passanten auf mich: an und für sich eine meiner Übungen: trotzdem ich die
Aufmerksamkeit der Menschen außerhalb meiner Blase fürchte, sie dennoch auf
mich zu ziehen, aber trotzdem nicht gelyncht werden. In der Blase posiere ich
gerne aus Eitelkeit. Außerhalb der Blase braucht es dafür meinen ganzen Mut.
Ein Vögelchen hat auf mein Notizbuch geschissen – Wort des Herrn – was will mir
der Himmel sagen? Halt die Klappe? Zu spät! Da mach ich nicht mehr mit.
Nun ist es leer vor mir. Nun nicht mehr. Auf meiner
Armbanduhr ist es immer zwei Sekunden nach drei vor zwölf. John Frusciante
singt und spielt. Autos! Das muß natürlich sein, dass ein Idiot in den Park
hinein fahren muß! Viele, viele Krähen. „What we have“ vom John. Dann And His
Magic Band“ ohne Gesang von Captain Beefheart. Nochmals die Magic Band ohne.
Irgendwas an dieser Sonnenscheinerei und der
Sommerfeiertagspromeniererei geht mir gehörig auf den Wecker! Ich will zurück
zum Laptop! Colosseums Valentine Suite. Ein kleines Mädchen mit Zuzerl im Mund
und Hündchen an der Leine schaut mich skeptisch an (Zopferl!) und zaubert mir
ein Lächeln ins Antlitz. Die Valentine Suite reißt mich mit, dass ich aufpassen
muß, vor Ekstase und Selbstvergessenheit keine Gesichter zu schneiden. Ich
schaue herum und sehe nichts, was ich nicht sofort wieder vergessen habe.
Allmählich schmerzt mich der Rücken. Ich will heim in meinen
Schreibtischsessel. Aber an so einem herrlichen Tag muß man doch raus! Das
sagen alle! Zwei junge Mönchlein haben auch ihre Zellen verlassen und wandern
in einiger Entfernung durch den Augi. Ich weiß nie, ob ich solche verspotten
will oder doch grüßen und mich ehrfurchtsvoll und freudig verneigen, weil sie
sich entschieden haben, ganz auf die Transzendenz zu setzen, den Himmel zu erstürmen
und der Kraft anheim gegeben zu sein, die das Schicksal regiert. Wenn sie nicht bloß Mamas brave
Buben sind. Und John Frusciante singt: „You don't throw your life away, going
inside ...“
Mein Rücken! Zu viel Alltagswelt! Zu viele menschliche
Bewußtseine aufgedreht! Ich gehe heim.
Ich nehme aber noch einen Rundgang, bevor ich mich zu meiner
Kemenate hin bewege.
(3.6.2021)
©Peter Alois Rumpf Juni 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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