Donnerstag, 3. Juni 2021

2277 Sonnenscheinerei

 

Eine Krähe fliegt vor mir auf. Ich sitze im Augarten in der zweiten Reihe. Unzählige Menschen passieren mein Gesichtsfeld. Einige sehr grantige darunter versuchen auch so wie ich die Sonne und den Sommertag zu genießen; den Leib pflichtbewußt über die Wiesen und Felder zu tragen (warum eigentlich nicht durch den Wald? Angst vor den heidnischen Göttern? Armer Leib des Herrn! Muß auf die heilenden Kräfte des Waldes verzichten! Aber nur in deiner gebackenen Form; als Jesus von Nazareth warst du doch in der Wüste und hast dich gestellt. Ich selbst bin ja auch eher in den Worten und Gedanken und nehme die Wirklichkeit nur am Rande wahr, als wäre sie weder wichtig noch bildfähig. Ich meine – ach was!) Anders gesagt: auf der Bühne stehen die Kulissen (!) von „Im Park“ und ich spiele das Stück „Dem Himmel bin ich auserkoren!“ Noch dazu mit John Frusciante und Omar Rodriguez-Lopez in den Ohren. Sein und Bedeutung sind auseinander gedriftet. Sehr heikel! Man landet damit schnell in der Sackgasse; ein Balancefehler und zurück zum Ursprung. Aber ich ärgere mich nicht. Jetzt schweißen John und Flea unglaublich schön und hingegeben.

Ich ziehe mit meinen zwei Zöpferln die Aufmerksamkeit der Passanten auf mich: an und für sich eine meiner Übungen: trotzdem ich die Aufmerksamkeit der Menschen außerhalb meiner Blase fürchte, sie dennoch auf mich zu ziehen, aber trotzdem nicht gelyncht werden. In der Blase posiere ich gerne aus Eitelkeit. Außerhalb der Blase braucht es dafür meinen ganzen Mut. Ein Vögelchen hat auf mein Notizbuch geschissen – Wort des Herrn – was will mir der Himmel sagen? Halt die Klappe? Zu spät! Da mach ich nicht mehr mit.

Nun ist es leer vor mir. Nun nicht mehr. Auf meiner Armbanduhr ist es immer zwei Sekunden nach drei vor zwölf. John Frusciante singt und spielt. Autos! Das muß natürlich sein, dass ein Idiot in den Park hinein fahren muß! Viele, viele Krähen. „What we have“ vom John. Dann And His Magic Band“ ohne Gesang von Captain Beefheart. Nochmals die Magic Band ohne.

Irgendwas an dieser Sonnenscheinerei und der Sommerfeiertagspromeniererei geht mir gehörig auf den Wecker! Ich will zurück zum Laptop! Colosseums Valentine Suite. Ein kleines Mädchen mit Zuzerl im Mund und Hündchen an der Leine schaut mich skeptisch an (Zopferl!) und zaubert mir ein Lächeln ins Antlitz. Die Valentine Suite reißt mich mit, dass ich aufpassen muß, vor Ekstase und Selbstvergessenheit keine Gesichter zu schneiden. Ich schaue herum und sehe nichts, was ich nicht sofort wieder vergessen habe. Allmählich schmerzt mich der Rücken. Ich will heim in meinen Schreibtischsessel. Aber an so einem herrlichen Tag muß man doch raus! Das sagen alle! Zwei junge Mönchlein haben auch ihre Zellen verlassen und wandern in einiger Entfernung durch den Augi. Ich weiß nie, ob ich solche verspotten will oder doch grüßen und mich ehrfurchtsvoll und freudig verneigen, weil sie sich entschieden haben, ganz auf die Transzendenz zu setzen, den Himmel zu erstürmen und der Kraft anheim gegeben zu sein, die das Schicksal regiert. Wenn sie nicht bloß Mamas brave Buben sind. Und John Frusciante singt: „You don't throw your life away, going inside ...“

Mein Rücken! Zu viel Alltagswelt! Zu viele menschliche Bewußtseine aufgedreht! Ich gehe heim.

Ich nehme aber noch einen Rundgang, bevor ich mich zu meiner Kemenate hin bewege.

 

(3.6.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Juni 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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