Donnerstag, 27. Mai 2021

2271 Escalator-Over-The-Hill-Nacht

 

Ich höre die Jazz-Rock-Oper Escalator Over The Hill von Carla Bley, Michael Mantler, dem Jazz Composer's Orchestra, Libretto: Paul Haines (diese wunderbare Stück Musik kennengelernt zu haben, verdanke ich übrigens Hannes Priesch; ich kann mich noch genau erinnern, wie mir die Overture anlässlich eines Besuchs bei ihm in Wien auf die Nerven gegangen ist. Bis ich mir später dann alles in Ruhe angehört habe).

Ich höre Escalator Over The Hill und weiß nicht, um welchen Hill es sich handelt. Des Englishen nicht mächtig verstehe ich Texte nicht, aber Paul Haines Dichtung dürfte auch für Muttersprachler schwierig sein. Oder?

Ich bin gerade bei der Overture und da fällt mir ein: es soll eine Schmetterlingsart geben, die von Skandinavien aufbricht, herunterfliegt und nicht nur über einen Hill, sondern über die Alpen will. Ich weiß nicht mehr, woher ich die Geschichte habe; Gottseidank jedoch bin ich kein Wissenschaftler, sondern ein Geschichtenerzähler, und da ist es egal, wenn die Geschichte falsch wäre und die Story erfunden, denn irgendwo da draußen in der Unendlichkeit früher, jetzt, oder erst in der Zukunft schaffen Schmetterlinge aus Skandinavien die Überquerung der Alpen und die Erzählung läßt auch bei noch fehlender Tatsache diese Möglichkeit offen, festigt sie, peilt sie an und erschafft sie auf lange Sicht in der Wirklichkeit. Somit ist die Verbesserung der Realität zur Wirklichkeit berechtigt (Vgl. auch den Text Nummer 1 hier in der Schublade).

Ich selbst werde die Überquerung meiner Alpen in diesem Leben, flatternd wie ich unterwegs bin, nicht mehr schaffen, aber das tut meinem Respekt für die, denen es gelingt, keinen Abbruch und auch nicht meiner neidlosen Freude über ihren Sieg.

In der Overture spielt Charlie Haden gerade ein kurzes, intensives, wunderbares Basssolo, das das oben Gesagte von den Gesetzen der Schicksalsgötter her bestätigt: „keine Spompanadln! Entweder du kommst über den Berg, dann bist du gerettet, oder nicht, dann bist du verloren! Es ist niemand da, den du überreden oder bezirzen kannst, ein Auge zuzudrücken. Es ist niemand da! Die Mächte sind abstrakt!“ Aber der Charlie Haden sagt das schön, freundlich, ohne zu verurteilen, mit Mitgefühl, nicht so wie ich in döbranitisch boshafter Manier.

Im ersten Akt mit Phantomen, einem Löwen und vielen anderen zieren sie das „again“ des Schlußes in vielen Wiederholungen wieder und wieder aus, womit der Kreis geschlossen wird (wir sehen: es geht hier um den ewigen Kreislauf). „Edgar“ wird als Name für das transzendentale Abstrakte vorgeschlagen. Warum auch nicht?! Jedem Namen für das Namenlose haftet Willkürliches und Absurdes an (wenn du glaubst es geht nicht mehr, schlage im etymologischen Wörterbuch nach: angelsächsisch eâd = Besitz; gâr gêr = Speer; Und? Hilfreich?).

Ich werde jetzt nicht die ganze Oper entlang ihres Verlaufes kommentieren und meine Assoziationsketten aufschreiben; das ist mir viel zu anstrengend! Jedenfalls sind wir nun in Cecil Clark's Old Hotel. „Vote for somethink weak“ singt der Doctor.

Over the hill

Over the hill

Over the hill

Hotel Lobby Band spielt exquisiten Jazz. Der Leader (weiblich) singt und schreit eindringlich „Stay awake!“ bis sie vom Lautsprecher unterbrochen wird.

„Two skins better than one/ no skin better than none“

Jack (Bruce) mit seiner Traveling Band bricht in den Jazz herein und jetzt wird’s rockig mit John McLaughling an der E-Gitarre und vielen anderen großartigen Musikern (Kann man alles nachschauen).

„Moonlight“ - heute ist Vollmond.

Jack singt: „Detectiv writer of english/ she was once the Queen of Sweden“.

„Things were melancholy and industrial“ (eine genaue Beobachtung!) singen Jack und die Leader.

Ein kleines feines Solo von John McLaughlin.

Ginger und Jack singen „...and pineapple and cheese“

David (the curator): „Some socialist stationwagon solution“ (a string knottet about his neck).

Therapist: „Day after day after day ...“

Nurse I: „E pluribus unum“

David: „Selling nude photographs of Joe Dimagio“

Ginger: „High on icecream and not melting/ mouth to feel but not be felt“

Ginger und Leader: „Contemplating suicide/ as protection from fraud/ escalator over the hill“

Jack II: „Gentle little mistakes“

Leader: „Birds grow in the sky/ they settle on badminton net/ they shake it when they leave/it's never nearly over yet“

Jack II: „Gentle little minds“

Jack I: „Not so long ago“

Leader: „Stop refusing to explain/ give up explaining“

Hotel Lobby Band spielt das Holiday-In-Risk-Theme, dann kommt das wunder, wunderschöne A.I.R (All India Radio) der Desert Band Of Musicians unter anderem mit dem von mir hoch verehrten Leroy Jenkins (später Revolutionary Ensemble; ein Trio, von mir fast angebetet, für seine Auftritte bin ich früher hunderte Kilometer nahezu geldlos gestoppt) und viele andere Meister und Meisterin (Carla Bley, die ja die Musik dieser Oper geschrieben hat).

Nach dem ergreifenden A.I.R. Singen Jack und Parrot „Rawalpindi Blues“.

His Friends: „What will we ever do with you?“ Das frage ich mich auch oft, was die hier und die drüben mit mir tun werden. Vom unterm Schreibtisch schaut mich die leere Bohrmaschine an – direkt auf mich gerichtet – ich weiß nicht recht … Solo John McLaughlin.

Wieder ein schöne Desert-Band-Passage, Don Cherry spielt so schön seine Trompete.

Nun stimmen Jack und Ginger sich und uns aufs „again“ ein (Jack's Traveling Band und die Desert Band!)

Jack: „There lies in your eyes/ a pretense of sense/ bringing up differences/ to be rid of them“

Jetzt wieder das von mir noch nicht erwähnte, aber schon oft aufgetretene (Haupt) Orchester.

Loudspeaker: „I'm riding the escalator over the hill“

Voice: „Blindmen don't bluff“

Voice II: „O Rawalpindi“

Again, again, again

Phantom Music (waren schon öfters am Werk)

Viva I: „The hectic sihouettes of chins“

Viva II: „The hectic silohouettes of chins“

Und dann allmählich singt alles nur mehr „again“ und endlich wird das „n“ von again ein ewig gesummter Ton, der nie aufhört, wenn man den Plattenspieler oder den CD-Player nicht abdreht.

Das war mein Escalator bei Vollmond vom 26. auf den 27. Mai 2021.

 

(26./27.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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