Donnerstag, 27. Mai 2021

2262 Mein clandestiner Garten

 

Ich sitze vor meinem clandestinen Garten – tatsächlich sehe ich zwei von mir gepflanzte Blumen – und schaue auf den Fluß. Das beruhigt jedoch meine aufgewühlte Seele nicht, denn sie, die Donau, führt auch in ihrem Seitenarm viel Wasser, mehr als sonst, und strömt viel zu schnell vorbei für meinen Gemütszustand. Auch der Wind zerrt und reißt an mir und den Bäumen und Gräsern herum. Links von mir eine ich-weiß-nicht-wie-oft-oft-schon zurückgehackte Hollerstaude (und ich weiß auch nicht, wer entscheidet, dass hier am Flußufer kein Baum der Frau Holle wachsen darf, vor dem man früher den Hut gezogen hätte), treibt wieder und wieder aus und fragt nicht, wie ihre Chancen stehen, diesmal doch aufblühen zu dürfen. Aber mich macht ihr wahrscheinliches und absehbares Schicksal traurig, sehr traurig (das ist Mitleid, nicht Mitgefühl!).

Der Donauarm fließt so schnell vorbei, dass er meine verloren gehende Seele fast mitreißt und in mir Alarm auslöst. Der Anblick ist wunderschön, aber heute macht er mir Angst. Heute könnte ich, einfach so mitgerissen, meinem Tod nicht gefaßt und gelassen gegenübertreten.

An der Wasseroberfläche spielt es sich ab: ein ständiger Wechsel der Farbnuancen und Formen: grün, weißgrau, wo sich das Licht und der Himmel spiegeln, eine leichte gräulich-bräunliche Note, wo Schatten aufs Wasser fällt. Hauptsächlich jedoch grün. Dieses trübe Flußgrün.

Meine zwei Blumen werden bald aufblühen; ich wünsche ihnen alles Gute und Frau Holles Segen. Einen Knoblauch. Von mir gepflanzt, entdecke ich soeben auch.

Mein clandestiner, preisgegebener, verletzlicher, aller Unbill schutzlos ausgelieferter Garten: es tut mir leid! Ich habe als Besitzloser ohne jede Territorialmacht keine bessere Gestaltungsmöglichkeit, als euch Blumen heimlich der wilden Natur und den herumtrampelten Menschen und herumschnüffelnden Hunden auszusetzen, in der Hoffnung, dass ihr nicht die Aufmerksamkeit der Zerstörer, Ausreißer und Gewalttäter auf euch zieht.

 

(24.5.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   Mai 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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