Samstag, 30. November 2019

1623 Väterchen Übü


Väterchen Übü singt nicht, komponiert nicht, musiziert nicht. Er löst Kreuzworträtsel wie jeder brave Bürger. In der Wohnung schleicht er schon ohne Gebiß, in einer schlappen Rumrutschhose, in löchrigen Socken in Pantoffeln, unfrisiert und ungeduscht umher.
Beim Stiegensteigen drängt er sich manchmal vor, weil er sich einbildet, der Wegbereiter zu sein. Was wurde eigentlich aus dem Wundertäter?

Ein tiefer Seufzer der Erleichterung. Sturm führt 4:1. Schaut gut aus. Das mit Bohnen gestreckte Faschierte mit Gemüse und dem vielen Pastinak schmeckt sehr gut. Der falsche Jäger ist kein guter Mann, aber jetzt beginnt sein Blut zu rinnen. Verdiente Rache. Die musikalische Säge singt sich schneidend ins Gehör.

Väterchen Übü macht zwei, drei Geschirrspülers, ein, zwei Wäschens, trägt Sessels zuerst hinunter und ein paar Stunden später wieder hinauf. Schlurft mit Holzschuhen über die Straße, vollbringt keine Wunder, füttert die Katze, spielt Majongg-Festung und Solitär. Väterchen Übü hat Blähungen, seine Augen jucken, detto die freigelegte Kopfhaut.

Väterchen Übü hat zu viel gegessen und zu wenig getrunken.
Väterchen Übü muß aufs Klo.
Väterchen Übü hat wenig Überblick. Die Tage gehen so dahin und dann wird es Abend.
Väterchen Übü kratzt sich am Kopf und dann zupft und zieht er sich unten die Haare heraus.
Väterchen Übü hat viel Spaß!

Väterchen Übu wartet auf den Großen Wanderer.









(30.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1622 Der verhüllte Plattenspieler

Ich schaue auf den kleinen Dschungel vorm Fenster und den großen Tisch davor. Dahinter auf der großen Ablage der schändliche, verhüllte Plattenspieler neben den Windeln, und anderes Zeugs, das ich schlecht ausmachen kann. Das Licht kommt von rechts, vom Fenster außerhalb meines Gesichtsfeldes, und beleuchtet vorallem die Blätter des Philodendron. Ich bin schon aufrecht, jetzt, wo der Kaffee kommt, aber stumm. Irgendetwas will sich freihusten, oder habe ich Wasser in der Lunge? Es fühlt sich so an.

Ich höre, wie die Kaffeetasse in meiner Hand an meiner Haut knarrt und ärgere mich erstaunlich wenig über den kaputtgehenden Stift.











(30.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 29. November 2019

1621 Pierre Ubu


Verschwommen und ungenau in meinen Konturen und in meiner Struktur wache ich aus meinem Schlaf auf. Der letzte Traum versickert so schnell, daß ich seiner nicht habhaft werden kann, wiewohl ich noch seinetwegen zittere.
Achja! Ich war auf Reha und komme mit dem Ausfüllen der Formulare, Zettel und den gestellten Aufgaben nicht zurecht. Eine schöne Liebesgeschichte scheint auch gerade zerbrochen zu sein. Macht nix! Träume sind Schäume, nicht wahr?

Ich hebe meinen Kopf und blicke in mein fröhliches Gesicht, wie es eine meiner Töchter als Kind gezeichnet hat.

Die Verwirrung des Aufwachens weicht allmählich der Freude auf Aufstehen, Frühstück und Eintippen der Texte. Noch fallen mir ständig die Augen zu, aber bald werde ich soweit sein.

Es fällt mir schwer, meine Augen wieder auf zu bekommen und weiterzuschreiben, deshalb verpasse ich, einige flüchtige Traumszenen zu notieren.

Döbranitos, raus aus meinem Kopf! (Kopf? Bist du sicher?)

Ich hocke im Bett wie der Musiker und Rhetor Vater Ubu auf der Bühne. Eingedeutscht habe ich den Namen nur, weil ich, noch im Bett hockend, es vermeiden will, beim Eintippen dann mit dem Sonderzeichen-e mit dem Accent Aigu herumscheißen zu müssen!

Also gut: wie der Musiker, Sänger und Rhetor Père Ubu auf der Bühne.

Wie wär's eigentlich mit Ubu Roi?! Traust dich nicht? Merdre!








(29.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1620 Die Schatten bewegungslos


Ich freue mich schon auf den Text, der jetzt gleich aus mir herauskommen wird. Noch habe ich keine Ahnung, aber ich bin neugierig und kann es kaum erwarten. Wo wird er mich hinführen? Was wird er mir verraten? Werden mir gute Formulierungen einfallen und beim Tippen gelungene Ergänzungen?

Wie immer bei Schreibbeginn blicke ich herum, ob irgendetwas auffällt. Nein. Alles schon dagewesen. Nichts fehlt.
Ich will nach innen schauen – aber da scheint es eine Blockade zu geben.
Fangen wir beim Surren an: ja, das läuft wie immer, nicht weiter auffällig.
Katze? Putzt sich. Füße? Ein bißchen kalt. Schatten? Bewegungslos.

Nocheinmal der Versuch nach innen zu gehen. Zum ersten Mal bemerke ich neben, vielleicht hinter dem Surren ein zweites Geräusch. Das andere Geräusch, das ich schon einmal zu beschreiben versucht habe, das wie ein ferner, rotierender Motor klingt, irritiert mich ständig, weil es das neuentdeckte überlagert.
Ich probiere nocheinmal, konzentriert hinzuhören. Ich kann das neue nur für kurze Momente heraushören. Es wirkt trockener und flacher, aber nichtsdestotrotz grundlegender als die anderen, auch abstrakter, unsinnlicher – wenn es das überhaupt gibt. Es scheint vom Phänomen schon ein wenig ab- und ein wenig Richtung Ding an sich gerückt zu sein. Nur ein paar Millimeter. Höchstens.
Jetzt habe ich es länger hören können, aber kann es doch nicht besser beschreiben.

Ich versuche wiederum nach innen zu gehen, jedoch dabei nach meinem Körper zu schauen: Meine linke Hand und mein linker Arm sind verkrampft. Ich lasse das Notizbuch los um die Verkrampfung zu lockern. Eine gewisse Verkrampfung, die mir im Alltag schon längst nicht mehr auffällt, und die ich nur bemerke, wenn ich meine volle Aufmerksamkeit auf sie richte, habe ich da, seitdem ich mir die Hälfte des linken Daumens abgeschnitten habe (unfreiwillig), ständig.

Beim Versuch, den linken Arm gründlicher zu lockern, bleibt mein Blick auf der Haut des Handrückens hängen, die schon deutlich die Spuren des Alters zeigt.

Naja, warum auch nicht? Aber tiefer komme ich heute Nacht offensichtlich nicht mehr hinein.






(28./29.11.2019)







©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 28. November 2019

1619 Drei Wochen


Im Traum wurde mir heute mitgeteilt, daß ich höchstens noch drei Wochen zu leben habe. Und das mitten in den Vorbereitungen einer kollektiven, großartigen, gigantischen, durch nichts zu übertreffenden, weltweit einzigartigen REM-Ausstellung-Show!
Im Traum!

Der Arzt machte extra noch einen Bluttest, nachdem er vorher noch eine Ampulle Was-weiß-ich-was verabreicht hatte, als letzten Versuch. Zu spät! Endstadium!

Zuerst sagte ich meiner Familie nichts, und den Remlingen schon gar nicht. Doch als mich meine liebe und treue Gattin ständig bearbeitet und dies will und das will und jenes plant und noch etwas plant und etwas anderes für in zwei Jahren und dabei nicht zu bremsen ist, sage ich es ihr unter vier Augen. (Es den Kindern zu sagen bin ich noch nicht bereit.)

Ich kann mich jetzt nicht so recht an den beabsichtigten Effekt bei meiner Frau erinnern – aber Träume sind halt nicht logisch, nicht wahr?

Ich bin noch am überlegen, ob ich es der Burgi, eine der Schönen Remistinnen, sagen soll. Aber dann bin ich aufgewacht.

Aber was jetzt? Nun: die Weckfunktion am Handy ausschalten, bevor es losdüdelt, aufstehen, anziehen, Bettmachen, Badezimmer, Frühstück mit Katze, Kaffee, Texte eintippen, Waschsoda besorgen fahren, lesen …










(28.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1618 Père Ubu


Père Ubu singt und redet in meinem Inneren und seine Band musiziert, und von Zeit zu Zeit bekomme ich es mit. Der Tag war nicht schlecht. Ich habe die Wohnung nicht verlassen, habe eine Wäsche, zwei Geschirrspüler, zwei Texte gemacht, auf Facebook einige Kommentare abgegeben, manche davon recht gepfeffert (Gesindel, Dodel und so weiter), habe Soko Kitzbühl in und auf der TVthek geschaut – obwohl mir die Soko Donau noch besser gefällt – habe im Liveticker von Laola Salzburg gewinnen „sehen“, mir Essen gemacht/gemischt/aufgewärmt, viel Kaffee getrunken aus unserem grandiosen Kaffeeautomaten (ganze Bohnen vom wohlschmeckenden, revolutionären Kaffee vom Kollektiv Zapatista; keine Kapseln!), ein wenig Computer gespielt, gebadet … und vor allem: über den ganzen Tag verteilt gelesen, gelesen, gelesen; wie ich es eben mache: verschlingend, unzerkaut gierig runter geschluckt.

Es ist frisch herinnen im Zimmer; ich frage mich, warum? Keine Antwort. Ich höre auch keine Stimme, die mir die Antwort zuflüstert oder ins Ohr schreit. Na gut, so wichtig ist das auch wieder nicht.

Ah! Es wird im Zimmer gar nicht so kalt sein. Mir ist kalt, vorm Laptop sitzend von innen erfroren. Also abgekühlt. Wollen wir nicht zu sehr übertreiben.
Bewegung! Bewegung! Bewegung!             Mag keine Bewegung. Schon gar nicht, wenn ich bereits im Bett liege und gelesen habe und recht müde bin.

Ach ja! Den Wecker stellen! Um acht wird aufgestanden!
Dafür erlaube ich mir einen Mittagsschlaf. Oder Nachmittagsschlaf. Heute habe ich trotz Erlaubnis keinen gemacht. Wieso eigentlich? Weiß nicht. Weil ich nicht dazu gekommen bin. Wie ich auch nicht dazukomme, im Zimmer Staub zu saugen und die Rollo (in meinem inneren Reden ist das Rouleau weiblich), die ich nur zu dreiviertel hochziehen kann, zu reparieren (ich weiß, wie es geht).

Die Katze maunzt leise im Schlaf, ich werfe noch ein paar Blicke auf die Bilder gegenüber an der Wand und werde mich auch bald zur Nachtruhe betten.









(27./28.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 27. November 2019

1617 Der Tanz der Äste und Zweige


Ich sitze mit dem Rücken zur Wand, es ist knapp nach acht Uhr morgens und in meinem direkten Blickfeld bei geradeaus gerichteten Augen sehe ich den Couchtisch mit Tischtuch, Kopfhörer, Katzenhaarroller, ein Verteilerkabel und eine Untertasse darauf. Dann links das einsame, deplatzierte Bügelbrett mit Bügeleisen, der Kniehocker rechts am StandPC, der Wäscheständer mit diverser Wäsche gerade vorn, der Notenständer dahinter, den ich immer als Auflage für mein Notizbuch beim Eintippen meiner handgeschriebenen Texte in den Computer benütze, schon beim Fenster dort ein kleines metallenes Kastl mit metallenen Schubladen, darauf eine leere gläserne Vase und ein durchsichtiges gut angefülltes Blumengießkännchen aus Plastik (angeblich ist abgestandenes Wasser für die Pflanzen besser), dahinter das Fensterbrett mit eben diesen verschiedenen Pflanzen inklusive dreier Töpfe Katzengras. Und das große Atelierfenster mit zur Seite geschobenem weißen Vorhang, draußen hinter der Fensterscheibe das Grau und die Bewegungen des Windes im Geäst.

Soweit so gut.

Ein Schwarm Krähen durchfliegt den grauen Himmel knapp über den ziegelroten Dächern. Die schönen dunkelroten Blüten der Orchidee ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich.

Ein paar Minuten war ich weg, meine kreisenden Gedanken umzingelten die reaktionären, faschistoiden Eskapaden des Prof. Weber und die für solches affine Mentalität der Stadt Wien und ihrer Bevölkerung mit ihrem Hang zu jeder Form von Hetz(e). Aber ich will mich mit diesen Dingen nicht mehr beschäftigen; das war früher, in der ältesten Phase der Schublade und davor.

Jetzt will ich nur aus dem Fenster schauen, meiner Melancholie des verhinderten Verkünders und verhinderten Genies frönen und mich ein wenig spüren.

Der wohnungsinterne Aufwind des Heizkörpers – im Gegensatz zu mir kein Fremdkörper hier – läßt die Spinnweben an der Oberlichte des Großen Fensters (interessant, was nach dem Tod des Großen Gottes, den wir lobten, alles Groß sein kann!) tanzen.

Soll ich noch nachtragen, daß in meinem Blickfeld auch noch eine schwarze Socke, die Reste einer Klopapierrolle – zirka ein Meter ausgerolltes Papier – und eine bereits dünne Küchenrolle hier heroben im Ex-Atelier am Boden liegen? Übrigens schon tagelang.

Das Graue draußen strahlt immer stärker und blendet schon in meinen Augen. Dem Kopf, soweit wie möglich gegen die Lehne des Großen Stuhls (!) gepresst und dabei zurück und das Gesicht nach oben gestreckt, steigen Tränen in die Augen.

Meine Weltfremdheit! Verfluchen will ich sie dennoch nicht.

Der Tanz der Äste und Zweige da draußen bekommt in seiner Koordiniertheit und Diszipliniertheit etwas unheimliches.








(27.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1616 Bon Soir, Madame!


Ich bin zwischen sechs und sieben Uhr abends eingeschlafen, und jetzt, eine gute halbe Stunde später, nach dem Aufwachen, schlägt mein Herz wie verrückt.

Und nun ist es halb eins in der Nacht, und ich bin wach. Ich freue mich, denn ich lese ein tolles Buch (Matt Ruff, Ich und die anderen). Ich habe meine Lesegier eingedämmt, das Buch weggelegt und will mich zum Schlaf bereiten.

Ich atme tief durch und blicke innen und außen im Halbkreis. Nichts auffälliges. Das übliche Surren – ich untersuche es vorerst nicht. Am meist beobachteten Bild an der Wand, das ich im Jahre 1988 gemalt habe und unter dem sowohl mein Vater als auch meine Mutter gestorben sind und das sicherlich – also ich bin mir sicher – etwas von der abfahrenden Energie der Sterbenden abbekommen hat, finde ich wieder die schwarze Sonne, sonst nichts. Ich spiele schon noch ein wenig mit meinen Augen an dem Bild herum, ordne es um, aber alles im normalen Rahmen.

Ich sollte mich zum Schlafen hinlegen, denn wenn ich noch länger warte und wach ins Narrenkastl schau, kommt noch die Traurigkeit.

Ja! Da ist sie schon! „Bon Soir, Madame! Hallo! Wie geht’s?“










(26./27.11.2019)












©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 26. November 2019

1615 Die innere Schlittenfahrt


Aus einem Gewohnheitstraum bin ich sprach- und ichlos aufgewacht. Auch innen bin ich ohne Sprache und nicht in der Lage, einen Gedanken zu fassen. Es ist noch recht früh. Mein Kopf ruht bei meiner Hockschreiberstellung schräg nach links verrutscht auf dem obersten Polster; das Gesicht schief nach oben und hinten spüre ich meine Augäpfel als enorme Gewichte in den Augenhöhlen. Kurz, dann ist das wieder vorbei. Als Nachklang fühle ich die Augäpfel in ihren Tränenseen schwimmen. Auch das nur kurz.

Ich hole mir vom schnurrenden Rücken rechts neben mir Weichheit für meine Schreibhand. Mein Mund fühlt sich von innen weit aufgerissen an, ist aber außen fest geschlossen. Auch diese Verschlossenheit wird etwas weicher.

Die Fensternische mit der heruntergelassenen Rollo scheint besondere Intensitäten zu bergen. Voll davon hat sie ihre Gestalt intensiviert. Ein paar Minuten später wirkt sie wieder normal.

In meiner Innenwelt ruft jemand die spanische Polizei an, wegen irgendeines Delikts, das ich begangen haben soll.

Die Totenmaske eines Lebenden.

Auszug aus dem Lotteriebereich.

Ein Löffel, der eine Keramikschale berührt, reißt mich wieder aus dem Schlaf und läßt mich bei unbewegtem Körper hochfahren.

Die Aktivitäten der Wesen drehen sich um das Wasser in der Karaffe.

Während ich in meiner Innenwelt eine Tab für den Geschirrspüler in der rechten Hand halte, entzieht sich die Katze ebendieser Hand, steht auf und geht weg. Der Vorgang schaut aus, als würden sich zwei überlagerte Filme auseinander schieben.

Der Innenraum füllt sich mit bordeauxrotem Plüsch ohne vulgär zu wirken.

In der Innenwelt will man mir ein Zeitungsabo einreden, in der äußeren zischt, brodelt und kreischt die Kaffeemaschine von der Küche herauf.

Ist jetzt mein angezogenes linkes Bein nur in der Innenwelt verrutscht oder auch draußen? In der Innenwelt jedenfalls war es eine gigantische Verschiebung und hat mich aus dem beginnenden Einschlafen herausgeholt.

Der Zeitlupenbuddha in meinem Inneren erklärt mir was, irgendwas, wie ich mein Lokal zu führen habe. Die Chefin ist eine Frau. Deutlicher: ich als Chef meines Lokals bin eine Frau; ich, der ich dem Buddha zuhöre, kann sie dort stehen sehen.

Ich halte … fern. Wer, was, wie – weggerutscht.

Beim Antauchen für die innere Schlittenfahrt bewege ich auch meine realen Schultern.










(26.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1614 Die stabilere Augenwelt des Lichts


Jetzt weiß ich es! Das Surren kommt von etwas, das in meinem Kopf wie irre dahinsaust! Mit extremer Geschwindigkeit. Ich weiß nicht, was es ist, weiß nicht, ob es fliegt oder auf Schienen fährt. Momentan tippe ich eher auf auf Schienen. Meine Erkenntnis hat das Ding sofort verlangsamt und es verlangsamt sich nocheinmal. Das merke ich daran, daß das Surren tiefer wird. Aber das Ding ist immer noch extrem schnell, sodaß ich immer noch nicht sehen kann, was es ist.
Für kurze Momente scheint es wieder zu beschleunigen, aber im Gesamten geht die Geschwindigkeitskurve nach unten.

Jetzt gesellt sich ein Brummen dazu, das eindeutig nicht aus meinem Kopf kommt.

Meine Wahrnehmung ist sehr weich: selbst die Zeilen des Geschriebenen erzeugen, nachdem ich sie gelesen habe, auf dem weißen Papier Nachbilder. Diese Nachbilder sind weiße Bänder in der Breite meiner Schrift, die aber – entsprechend den Höhen und Tiefen meiner Schreiberei – wie unregelmäßig gehäkelt ausschauen: an manchen Stellen dünner, dann werden sie wieder breiter und so fort. Diese weißen Bänder – ich habe vor Jahrzehnten – ich kann mich nicht erinnern warum und wozu – Bänder solchen Aussehens gehäkelt, jedoch in Grau. Zumindest behauptet das meine Erinnerung, die mir sofort ein Bild eines solchen Bandes – zirka ein bis zwei Zentimeter breit – vor mein inneres Auge stellt. Diese weißlich leuchtenden Bänder also lösen sich vom Papier und beginnen leicht zu schweben und sich zu verschieben und werden alle etwas schräg (links: unten; rechts: oben), bis sie sich dann auflösen.

Das Surren – das ich die ganze Zeit über sozusagen unbemerkt gehört habe – ist jetzt wieder höher und meine neuerliche Aufmerksamkeit läßt die Tonhöhe wieder absinken. Aber während des Absinkens kommen wieder neue hohe Töne herein.
Jetzt kenn ich mich gar nicht mehr aus! Sind die Töne höher? Sind sie schriller? Lauter? Nein, jetzt wieder leiser.

Ich versuche, die Augen zu forcieren; ich möchte von der schon ein wenig ungemütlichen Geräuschewelt wieder stärker in die doch stabilere Augenwelt des Lichts. Das gilt auch bei abgedrehter Nachttischlampe.










(25./26.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Montag, 25. November 2019

1613 Der Papierfresser


In meiner frühesten Kindheit habe ich Papier gegessen und Schachteln angenagt. Vielleicht die Kompensation irgendeiner Mangelerscheinung der späteren Nachkriegszeit. Darf ich die Jahre 54/55/56 noch als Nachkriegszeit bezeichnen? Ich denke schon, immerhin habe ich noch vage, verschwommene Erinnerungen an das Barackenlager hinter dem Bahnhof Richtung Kaiserau und an seine Bewohner.

Nun, früher habe ich Papier zum Malen und Zeichnen verbraucht, jetzt zum Schreiben und Ausdrucken. Und geheiratet habe ich eine Tochter der Papierindustrie – sozusagen.

Jetzt allerdings bin ich vollgefressen mit Reis, Tofu, Zwiebel, Kürbis, Erdäpfel, und einiges mehr (finanziert und gekocht von meiner Frau).
Meinen Mittagsschlaf habe ich vor meinem Mittagessen so um zwei Uhr gehalten.
Es dämmert bereits und schaut in meinem Hinterzimmer schon recht nach Abend aus, obwohl es erst halb vier sein dürfte.
Alles was nach Abend, beenden, aufgeben, abschließen, verabschieden, nach Das-wars und Denn-es-will-Abend-werden-und-der-Tag-hat-sich-geneieiget ausschaut, soll mir recht sein.
Oh du glückliche Resignation! Die mir eine solche Bettruhe brachte! Ich will nur darauf schauen, nicht nochmals einzuschlafen. Vielleicht geh ich besser an den Computer.










(25.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1612 Ordine Nuovo


Heute, Jesus von Nazareth, bist du geboren. Ich freue mich beziehungsweise – ehrlich gesagt: versuche ich es, denn eigentlich bin ich verärgert, weil mich die neue Ordnung (ordine nuovo: italienische, neofaschistische Terrororganisation), die ich mir auferlegt habe – beginnend mit dem heutigen Tag – unglaublich nervt.

Erstens bin ich eine halbe Stunde zu früh hinunter in die Küche; um diese Zeit vertrage ich kein Radiogedudel und keine geschäftige, kommunikationsbesessene Ehefrau. Morgen also eine halbe Stunde später.

Zweitens: der Sinn meiner Selbstverordnung erschließt sich mir momentan überhaupt nicht mehr: wieso soll ich mir den Vormittag zurückerobern, wenn ich kein Geld mehr fürs Kaffeehaus habe? Das ist das einzig Anziehende an der Vormittag-Vorstellung: ein ruhiger, meditativer – darf auch schwermütig sein – Vormittag beim Lesen und Schreiben in einem Kaffeehaus. Alles andere am Vormittag macht mich nur aggressiv: das Im-Frühtau-zu-Berge, die Tüchtigen, die die Welt ruinieren und mit ihren aufgedrehten Bewußtseins – möchte nicht wissen, wie viel davon kokainisiert ist! - die Atmosphäre verseuchen. Und jetzt düddelt noch der Kaffeeautomat, weil ich mich halt dem Reinigungsprogramm des Gerätes, das es die ganze Zeit schon blinkend eingefordert hat, ausgeliefert habe. Was mich sowieso schon nervt. Mein Gott! Wohin mit mir? Wo finde ich meinen Frieden? Oder wenigstens mein Gleichgewicht? Ich will wieder meine Träume und den Vormittagsschlaf zurück!

Ich habe es höchstens eine halbe Minute geschafft, der Piepserei zu widerstehen und weiter zu schreiben, dann habe ich doch unterbrochen und das vom Automaten Verlangte ausgeführt.

Auch die Katze nervt mich besonders; offensichtlich glaubt sie, daß ich – da ich in der Küche sitze – sie alle fünf Minuten füttern soll.


Ich habe den Standort gewechselt und sitze oben im Atelier und blicke durchs Fenster ins Graue hinaus. Der Rotz rinnt mir und das Kreuz schmerzt wie schon seit Monaten nicht mehr. Ich habe mir mein letztes Wärmepflaster angelegt.

Nein, das alles da, das ist nicht meine Welt! Welcher Idiot hat mich hier ausgeworfen? Angeblich entscheidet man sich selbst dafür, hier in diese Welt zu kommen. Das möchte ich sehen, wie und wem gegenüber ich meine Einverständniserklärung abgegeben habe, und ob falsche Versprechungen im Spiel waren! Aber was soll's!

Ich starre betont starr ins kahle Geäst der Essigbäume. Die Spitzen, die sich in den grauen, gleichgültigen Himmel kratzen, haben es mir angetan. Wie Antennen. Gierig nach Botschaften und Wellen ausgerichtet wollen sie jedes Fünklein aufnehmen (ich funke, du funkst, er/sie/es funkt …).
Der majestätische Flug zweier Krähen beruhigt mich augenblicklich. Der flotte, schnelle zweier weiterer macht mich zuversichtlicher.

Langsam spüre ich die Wärme im Kreuz. Das Rotzen hat aufgehört. Die Weide winkt mit ihren Spitzenzweigen zärtlich her. Jetzt kommt doch ein wenig vom erhofften Vormittagsgefühl auf.

Ein bißchen höher möchte ich hinaus; so, daß ich über die Dächer blicken kann.

Die dänischen Hexen der Mittelmäßigkeit fallen mir ein. Hoffentlich gehe ich ihnen jetzt nicht erst recht auf den Leim! (Würde ich das ordentlich erzählen und erklären, wäre das überhaupt nicht mysteriös).

Ach, du schönes Gewirr von nackten Zweigen da draußen! Wie schwerfällig bin ich im Vergleich.

Übrigens: Die Erzählung über die Opferung Isaaks im sogenannten alten Testament ist einer der fortschrittlichsten und aufklärerischten Texte im AT, die ich kenne (und ich kenne nicht viele). Denn damals war es üblich und galt als gottesfürchtig, den erstgeborenen Sohn zu töten. Jede Familie mußte ihren Erstgeborenen in den Feuerofen des Gottes Moloch werfen. Der Text will diese Praxis abstellen, und um die Väter in ihrem bisherigen Tun nicht vor den Kopf zu stoßen, suggeriert der Text, daß Gott mit den Opfern bisher sehr zufrieden war, und gesehen hat, wie gehorsam die Menschen sind, aber daß er von nun an dieses Opfer nicht mehr braucht und nicht mehr will. Der Text baut den Eltern eine Brücke, ohne gröberen Gesichtsverlust von ihrer Praxis abzurücken, was sehr schlau ist und unabdingbar, wenn man die Erstgeborenen wirklich retten will, denn konfrontativ vorzugehen hätte genau das Gegenteil bewirkt. Das nur nebenbei.

Im Übrigen teile ich die Auffassung des Münchner Affenarsches (W.D.), daß die alten Mythen auch heute noch in zivilisatorischer Verkleidung weiterwirken.










(25.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1611 Meine Süße!


Gestern: „Meine Süße!“ „Das schon!“

Heute: „Und sonst?“ Aufregung, weil ich morgen die Rückeroberung des Vormittags starten werde. Nur eine Sache beunruhigt mich wirklich: was mache ich, wenn die Küche nicht frei ist? Ich brauche jetzt vorm Einschlafen eine glaubwürdige Antwort, eine klare Strategie, sonst stehe ich in der Früh nicht auf, wenn die Küche belegt ist.

Und wenn ich mich nicht rausekeln lasse? Werde ich stark genug sein? Wenn mir nichts besseres einfällt, muß ich es drauf ankommen lassen. Wie spät ist es? Habe ich noch genug Schlafenszeit? Verdammt, bin ich nervös!

Und mit bloß zwei Mahlzeiten werde ich auch nicht auskommen. Das kann ich jedoch offen lassen.

Die Zeit habe ich schon um eine Viertelstunde überzogen. Ich werde aufhören.










(24./25.11.2019)










 ©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Freitag, 22. November 2019

1610 Wiedergutmachung


Alsdann: heute will ich mein gestriges Schlamassel wieder gut machen. Deshalb nehme ich beim Umsteigen von der U-Bahn zum Autobus ohne konsumistischen Grund (vulgo: ich kaufe nichts) den Weg durch den Einkaufstempel und die Abkürzung durch die feminine Parfum-Strumpf-Abteilung, ohne Geld, mit Gebiß und mit dem zerschlissenen Sakko. Ich schreite flott durch diese kleinstbürgerliche Pseudo-Luxusatmosphäre und die geschleckten, leer herumgschafftelnden Tussis und Schnösel (seht ihr? Der Schalter funktioniert!) können mir nichts anhaben und dann beschließe ich, gar nicht den Bus zu nehmen, sondern fröhlich zu Fuß zu gehen. So bewege ich mich mit John Frusciante in den Ohren wie der Fisch im Wasser gschleinig durch Menschen, Gassen und Autos.

An einer reichen (ich mag nicht schon wieder „pseudo-“ schreiben) Edelsupermarktauslage vorbeieilend werfe ich gedankenlos einen Blick hinein und registriere: „da steht doch der dings, der … dings“. Nach ein paar weiteren Schritten gehe ich wieder zurück und schaue mit dem Gefühl, ein kleiner Spion zu sein, dem dings … nein, nicht dem Rudi (dem seine Ex(?) kenne ich auch), nein, sondern diesem Schriftsteller, der sich gern als buddhistisch angehauchter Almöhi gibt – also ohne Bart und den Schädel rasiert mit Käppi, verdammt, wie heißt der bloß! - Anruf: morgen Bohrmaschine, Hammer, Nägel nicht vergessen! Anruf beendet – zur Hölle mit meinem hinigen Namensgedächtnis! … ah! Jetzt fällt's mir ein: der Bodo Hell! (es: das, was ich gesucht habe!) Dem Herrn Hell schaue ich also von außen durch die große Glasfront (verstehen Sie eigentlich, wieso die Supermärkte immer so riesige, voll verglaste Außenflächen brauchen, wenn sie sie dann immer mit Werbung zupicken?) zu, wie er in der Gourmetabteilung vor einem Regal ein Packerl Was-weiß-ich-was in der Hand hält und minutenlang darüber meditiert. Ich will ihn weder in seiner tiefen Versenkung noch in seiner tiefen Versunkenheit stören und daher weder klopfen noch winken und gehe – weil mein schlechtes Gewissen ob meiner Spionagetätigkeit und der sich schon abzeichnenden Verwertung in meiner Schublade immer stärker wird – weiter zu meinen Therapietermin. Bei unserer letzten zufälligen Begegnung auf der Straße hat er mich bezüglich meiner musikalischen Ohrenstöpsel und deren Auswirkung auch den Gehörsinn aufgeklärt und belehrt und mir ist keine gscheite Replik eingefallen. Außerdem: ich glaube nicht, daß er mich noch kennt. Er ist ja doch älter als ich und wenn schon mein Namensgedächtnis …

Somit eile ich weiter zu meiner Therapie. Ganz so unlustig ist mein Leben gar nicht!








(22.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1609 Mein Herz klopft


Mein Herz klopft, weil ich die Stiegen zwei Stufen pro Schritt hinaufgerannt bin. Warum denke ich jetzt an meinen Kirchenverrat? Warum nenne ich ihn meinen Kirchenverrat, obwohl es ein Verrat eines Kirchenmannes an mir war? Nein, diesen alten Schmarrn muß ich nicht nochmals durchkauen (Text Nummer 434). Ahja! Die Assoziationskette ist über Bayern gelaufen – nein, nicht schon wieder dieses Arschloch!

Eine ungeheure Trauer – ich weiß nicht: hüllt sie mich von außen ein oder steigt sie aus mir auf?
Meine Schreiberei verscheucht sie wieder und macht das Gefühl zur Struktur, zur Verhaltensstruktur. - Ich schwöre, ich blödle nicht! Ich wundere mich selbst, was da gerade abgeht und kann es nicht einordnen. Schlichte Orgelmusik in meinem Kopf – schon verklungen, mitten im Melodieablauf.

Ich hole tief Luft, nachdem ich vorher leicht schnappen mußte und ein leichtes Würgen im Hals ignorieren.

Die Katze schaut mich an, daß es zum Erbarmen ist (Achtung! Kein Selbstmitleid! Das arme Baby wird gekreuzigt! - dafür bin ich einfach zu alt).

Ein seichter Schmerz zieht im Nacken auf.

Ich lasse mich aushalten. Ich weiß, ich will davon nichts wissen. Die Rückkehr dieser Erkenntnis reißt einen Abgrund in meinem Inneren auf, aus dem Panik und Pein aufzusteigen beginnen. Freundchen! Laß alle Vorstellungen von dir fahren! Laß sie in Trümmer gehen … nicht erreichbar … wer? … tot … wer?

Sicherheit ist wichtig. Ja, wie ein erlösender Blitz ist mir das eingeschossen. Bei all meinen Wohnthemen geht es um Sicherheit. Bis hinunter zur ersten Bank. Ich bin meiner Katze für ihre Freundschaft so dankbar.

Oh! Siedend heiß fallen mir meine nächtlichen Facebookaktivitäten ein. Ich muß das wieder herausnehmen. Ich bin zu weit gegangen. Ich springe deswegen nicht aus dem Bett. Es wird mir doch auch wurscht sein. Was ist da eigentlich mir mir los?

Oh, ich sollte mich still ins Winkerl stellen und froh sein, wenn ich atmen darf. Mir wird von meinem Innenleben übel. Jetzt scheißt mir die Katze vor die Tür! Pfui, das stinkt. Blödes Viech! Nein, sie hat eh brav das Kisterl benutzt.

Ich komm mir vor wie einer, der im Abrutschen Halt zu finden versucht und nach jedem Grashalm greift.

Das fröhliche Geschrei der Tagis die Stiegen herauf hat eindeutig eine gute Wirkung auf meine zermarterte Seele.

Der Gestank verflüchtigt sich langsam. Ich mache mit diesem furchtbaren Text jetzt einfach Schluß.

Beratung.

Berufscenter III

Lehralm.

Direkt vor mir explodiert etwas Kleines in einer großen, Stoff umhüllten Schachtel, sodaß es sie kurz vom Boden abhebt und mich reißt es aus dem Schlaf.

Nein, kein Sport. Ich habe mich mein ganzes Leben so angestrengt: ich will nicht mehr.









(22.11.2019)












©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1608 Ein unglücklicher Text


Schnurren, Surren, Burren. Frischere Luft und das Brummen einer Klimaanlage oder einer Entlüftung strömen um zweiuhrzweiunddreißig herein. Ich gähne mit weit aufgerissenem Maul, und weil ich den Kopf dabei schräg und verdreht gehalten habe, verkrampfen sich die involvierten Muskeln.

Schnurren, Surren, Burren – die drei Hauptgeräusche dieser späten Nacht.
Mein meistbegafftes Bild an der Wand hat sich komplett verwandelt; so kenne ich es noch nicht.

Ich werde nervös, weil das Fenster noch offen ist und es hereinweht. In der Spiegelung der Fensterscheibe des geöffneten Fensterflügels sehe ich ein beleuchtetes Fenster. Wer ist denn um diese Zeit noch wach?

Mir wird kalt. Ich beende diesen unglücklichen Text und Zeit des Lüftens.










(21./22.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Donnerstag, 21. November 2019

1607 Ich bin ein armes Baby!


O Gott! O Scheiß! Ich habe mich ohne Gebiß im Maul auf den Weg gemacht! Einfach vergessen! Wie peinlich! Zurückgehen werde ich nicht. Aber es ist so unangenehm! Ich versuche mein Problem ins Ganze einzuordnen. Da denk ich gleich einmal an den Wolfgang Neuss, der ohne Gebiß Interviews gegeben hat. Der wird jetzt mein zuständiger Heiliger für Gebißlosigkeit! Aber natürlich kann ich ihm nicht das Wasser reichen; der hat sich nix geschissen und war frech und bissig wie nur was! Aber so ist das mit den Heiligen. (Wer kann einem Heiligen schon das Wasser reichen? Zum Beispiel dem Heiligen Simeon Stylites, der Jahrzehnte, bis zu seinem Tod auf einer Säule gelebt hat. Was für ein Steher! Für mich unerreichbar! Vielleicht sollte ich probieren, ihn bei Potenzproblemen anzurufen? Oder wäre da eine kesse Heilige besser? Mir ist es zu blöd, die ganzen Heiliginnen durchzugehen und ich glaube auch nicht, daß ich da recht fündig werde. Oder täuscht das? Immerhin hatte der Heilige Bernhard von Clairvaux eine Vision, wo ihm die Heilige Maria ihre Brüste nicht nur gezeigt hat, sondern er auch nuckeln durfte und behauptet hat, ihre Milch tatsächlich getrunken zu haben. Oder der Heilige Berhardin von Siena, der kann unter anderem von Heiserkeit heilen. Ich kann das nicht! Aber ich könnte dem Doskozil einen Brief schreiben und ihn an den Hl.Berh.v.Siena überweisen! Naja später!)

Eine vor mindestens einem halben Jahr bestellte CD ist eingetroffen; ich wurde heute Vormittag verständigt. Keine Ahnung, welche. Paßt mir jetzt nicht so. Wegen ein paar unbedachter Ausgaben ist mein Konto schon überzogen. Normalerweise passe ich da auf wie ein Haftlmacher, daß das nicht passiert. Unbedachte Ausgaben: ich rede von einmal 65 und einmal 70 Euro. Und jetzt bin ich mit dem Gefühl unterwegs, ein richtiger Looser zu sein. Ohne Geld (die CD nicht abzuholen kommt nicht in Frage! Also überziehe ich weiter). Eine meiner unbedachten Ausgaben war eine Winterjacke aus dem Internet. Sie hat sich als nicht ganz die erwartete herausgestellt. Aber sehr schön! Bunt und lebensfroh schaut sie aus. Etwas zu klein, obwohl X-Large. Als ich gefragt wurde, ob ich eh wisse, man kann das auch zurückschicken und bekommt das Geld retour, habe ich ja gesagt, obwohl ich nie auf die Idee gekommen wäre. Nein, das Ding war wochenlang unterwegs und, wie ich überrascht feststellen konnte, kommt aus China. Ich habe noch nie etwas in China eingekauft! Nein, ich werde sie nicht zurückschicken. Man wirft so weit Gereiste nicht aus dem Haus! Ich bin für den Kapitalismus nicht geeignet! Ich mit meinem feudal-magischen Treue- Ehr- und Verpflichtungsfimmel!

So sitze ich da vorm Luftballonherz in der U-Bahnstation Volkstheater bei den Lembden-Mosaiken; in meiner Not bin ich da her gepilgert um via Luftballonherz das Universum anzurufen (Hallo! Ist da jemand?) - vor Jahren hatte ich noch im Größenwahn angegeben, ich mache dieses Luftballonherz, das sich über dem ersten und zweiten Mosaik unter der Decke verfangen hat, zu einer Pilgerstätte. Jetzt hat es schon Gesellschaft von zwei weiteren Luftballons bekommen, aber ich selbst habe mich schon monatelang hier nicht blicken lassen oder gar mich hergesetzt.

Nun sitze ich also da, die Biermann-CD habe ich vorher schon abgeholt, und dort im Konsumtempel, im Verliererzustand – ohne Geld, ohne Gebiß, mit zerschlissenem Sakko – die Abkürzung zum Lift durch eine weibliche Strumpf- und Parfümerieabteilung genommen, und da bin ich mir wie das schmutzigste, dreckigste, letztklassigste Wesen im ganzen Universum vorgekommen.
Manchmal kann ich dann auch auf „arrogant“ vel „heiliger Narr“ schalten, was mir diesmal nicht gelungen ist (obwohl der Schalter immer da ist), weil mir das wie eine lächerliche Eskapade vorgekommen wäre (escape!).

Übrigens hat mich meine Letztklassigkeit nicht davon abgehalten, einer Kundin unten bei den Imbissen im Vorbeieilen auf ihren prächtigen Busen zu gaffen. Beim Reingehen. Beim Rausgehen habe ich meinen Blick gesenkt.

Ja, Busen! Ich will ernährt werden! Ich bin ein armes Baby!

Kreuzige endlich dein Selbstmitleid, alter Knacker! Ans Kreuz mit dem armen Baby!

Wie habe ich vor kurzem gelesen? „Nehmen Sie sich ernst!“

Das kann ich nicht! Das geht nicht!










(21.11.2019)













©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1606 Ich strecke die Beine


Unwillkürlich forcierte Atemstöße beim Ausatmen. Erst nach einigen tieferen Atemzügen stellt sich wieder das normale Gleichgewicht von Ein und Aus her. Vermutlich irgendwas mit Zwerchfellhochstand.

Nein, das Gleichgewicht ist noch nicht ganz hergestellt. Es ist eine kleine Asymmetrie geblieben. Der Herzbereich panzert.

Ich bin überhaupt noch nicht ausgeschlafen. Ich hänge etwas schief in meiner Würfelhockerposition. Das ist schon geschwindelt, denn weder habe ich die Beine unterschlagen, noch sitze ich kniend auf ihnen. Ich habe bloß die Knie leicht angezogen, sodaß meine Oberschenkel ein schräges Lese- und Schreibpult abgeben. Aber ich selbst fühle mich wie ein mehr oder weniger zusammengekauertes Knäuel.

Ich Würfelhocker und Hofschreiberling am Hofe des Großen Nichts. „Bei allen Aussagen über Gott ist die Unähnlichkeit größer als die Ähnlichkeit“ (Laterankonzil 1215). Das gilt in Wahrheit auch für Engerlinge und Stubenfliegen.

Im Kino ist alles viel einfacher. Trotzdem liebe ich diese zerstückelten Film- und Gedankenfetzen am Morgen. Ich bin nicht im falschen Film.

Wieder stimmt etwas mit der Atmung nicht. Mein Surren macht von Zeit zu Zeit akustische Schluckbewegungen.

Ich strecke die Beine und lege mich flach.










(21.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1605 „In Suhle baaaden ...“


Dreiuhrfünfzehn. Ich kann nicht schlafen. Darum habe ich das Fenster geöffnet: frische Luft und das schöne, schöne Geräusch des Regens.

Meine Traurigkeit ob meines vergeblich ablaufenden Lebens sucht mich wieder heim. Erst atme ich tief, dann reiße ich mich zusammen. Ich denke an die Schmetterlinge, die die Überquerung der Alpen nicht geschafft haben und viel später dann an die Toten im Mittelmeer.

Die Bilder an der Wand rutschen unauffällig hin und her. Die Melodie der Regentropfen wie von einem schwermütigen Automat, der auf sechzehn Umdrehungen heruntergeschaltet ist. Nein, nein, nein, ich verstehe das Leben nicht. Der Regen hört auf und nichts tröstet meine innere Lebensleere.

Wieder atme ich durch und reiße mich dann zusammen. Wieder versuche ich, mein Leben im Gesamten, das auch Schmetterlinge und Würmer umfaßt, einzuordnen.

Nein, ernst nehmen kann ich mich nicht. Das Beste, das ich erreichen kann, ist über mich zu lachen. Jetzt kann ich es nicht; jetzt suhle ich mich in Selbstmitleid („in Suhle baaaden ...“ ©Die Robbes).

Whow! Mein vor über dreißig Jahren gemaltes Meer zeigt zum ersten Mal ein Seeungeheuer. Die Erwähnung und Benennung hat dieses Nebelwesen fast schon wieder aufgelöst. So mächtig kann Sprache sein! Ich lasse es wieder auftauchen und will es in der Gegenwart halten, aber mein Geist ist zu unkonzentriert.

Nun taucht am Himmel eine sonst unsichtbare schwarze Sonne auf. Ich kann sie mit meinen Augen ein bißchen festhalten.

Und dann in den Wolken ein, ein, ein … quaderförmiger Gegenstand.

Mehr gibt mein Leben nicht her.

Und das Loch in der Straße reißt wieder auf. Das habe ich schon öfters im Bild gesehen.










(20./21.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 20. November 2019

1604 WWWie!?!


Wwwie!?! Meine Frau stiehlt Besteck und ein großes Messer?! Wir sind auf einer Wanderung und in einem Landgasthaus zur Rast. Es gibt Probleme, etwas zu essen zu bekommen. Ganz bekomme ich das nicht mit. Und dann greift sie dann einfach zu! Nicht einmal besonders vorsichtig. Vielleicht will sie dann im Supermarkt Essen einkaufen und selber zubereiten? Wie ich sehe hat sie schon auch an mich gedacht und auch für mich Besteck an sich genommen. Oder hat sie einen Deal mit dem Gasthaus? Nein, nein, mir kommt nicht so vor, das Personal und die einheimischen Gäste wirken erbost, wenn auch in ihrer Aggressivität zurückhaltend, so zwischen „Unverschämtheit!“ und „so sind sie halt, die Wiener!“

Nein, das gefällt mir nicht! Mir ist so etwas viel zu peinlich! Außerdem hasse ich es, wenn ich etwas nicht richtig mitbekomme. Nein, ich werde weiterschlafen und einen schöneren Traum finden! Oder den Einflüsterer von vorhin suchen und zur Rede stellen. Wo ist der, verdammt noch mal!










(20.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1603 Waaas!?!


Waaas!?! Das soll spirituell weiterbringen? Die Frau hat mehrere Männer und ich soll ihr treu bleiben?! Wer versucht mir diesen Scheiß einzureden?! „Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ Waas!?! Der Herr!?! Dieser eifersüchtige, alte, patriarchale Macho! Der!?!

Nur langsam kann ich mich von diesem Traum ein wenig lösen. Wiewohl ich zugeben muß, daß darin der Sex mit meiner Frau wirklich traumhaft war. Aber angfressn war ich schon!

Die Katze hatte mich liebevoll, aber konsequent aufgeweckt (ein bißchen Ironie) und ich war ihr schließlich doch ins untere Stockwerk gefolgt und zur Futterschüssel; eine stille, einsame, ehrfurchterheischende Prozession wie Priester und Ministrant auf Versehgang in aller Herrgottsfrüh.

Die Schlaf-Umhüllung ist intakt geblieben und so liege ich wieder im Bett und warte auf den Traumeinflüsterer. Ich will ihn zur Rede stellen. Ich warte und die Augen fallen mir schon zu.










(20.11.2019)












©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1602 Hey!


Hey! 2:35 nachts und ich bin müde und munter. Ich beschäftige mich mit romanhaften Intrigen, in denen es doch um wahr oder unwahr, richtig und falsch, gut und böse (verdeckt) geht. Und ich kann kaum aufhören zu lesen.

Bonum er verum (et pulchrum) convertuntur.“ Jaaaa! Eine kleine Angeberei platziert! (Und morgen werde ich unsicher sein und das Zitat überprüfen: richtig oder falsch.) (Ich muß korrigieren: 'Ens et verum et bonum et pulchrum convertuntur.' Thomas von Aquin)

Surren und irgendein Brummen aus der Tiefe des Hauses (ich nehme nicht an: aus der Tiefe des Universums); Heiterkeit und Harndrang (Nebeneinander ist nicht notwendig wegeneinander). Traumsequenzen aus der vorigen Nacht flashen herein, undeutlich, kurz, unverständlich, nur knapp über der Wahrnehmungsschwelle.

Das bringt mich zur Frage: bearbeiten mich auch solche Flashes von Worten, Bildern etcetera unter der Wahrnehmungsschwelle? Nur wenn ich müde bin oder auch sonst? Vierundzwanzig Stunden am Tag?

Ich bin müde und höre jetzt auf; das wird jetzt auch nicht mehr lustiger.









(19./20.11.2019)












©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1601 Ich kann mich nicht mehr konzentrieren


Von unten kommt ein Heulkonzert. Ich zögere schon stundenlang das Hinuntergehen und damit mein Frühstück hinaus. Im Traum habe ich mein fix gemietetes Zimmer im Haus am Hang endgültig verloren. Das Haus wurde renoviert und jetzt wohnt ein anderer Mann darin. Im Traum hat es mir nicht viel ausgemacht, ich habe es „eingesehen“, selber schuld, wenn ich mich so lange nicht gekümmert habe. Aber jetzt, beim Aufschreiben, werde ich sehr traurig und fast weinerlich.

Pulsierende Wellen durch mich und um mich. Das Geheule unten ist so laut und hört nicht auf; ich kann mich nicht mehr konzentrieren.










(19.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1600 Der Vater meiner Tochter bin ich


Was wird mir heute, nach fünf Stunden Schlaf, für ein eogzentrischer Text einfallen? Im Traum war ich in Schweden und habe, obwohl ich etwas essen wollte – aber es gab im Lokal nur Licht zum Konsumieren – einen winzigen Kaffee getrunken - eher italienisch als skandinavisch – und bin – wie fast immer im Traum und in der einge- und verbildeten Wirklichkeit – nicht zurecht gekommen. Ich hätte beinahe mein Sakko, meinen Rucksack auf der Gasthausbank liegen lassen und vergessen. Dafür war der Kaffee extrem billig, überhaupt, nicht nur für schwedische Verhältnisse: er kostete nur ein paar Cent. Das paßt nicht zu Skandinavien! Wo bin ich also wirklich?

Meine verkrampfte Linke wird mir noch mein Herz angreifen, mein Herz, von dem ich am wenigsten spüre und weiß. Hinter meinen Augen bewegen sich Tränen, die sich aber weigern hervorzukommen. Oder wird es ihnen verboten? Von wem und wie?

Ich überblicke und sitze gerade meinem kleinen Reich vor. Ein feierlicher Moment! Den rechten  Arm habe ich – das Szepter (Kugelschreiber) locker und lässig in der Hand haltend – auf den Reichslöwen (die Katze) gelegt, die (!) schnurrt. Die linke Hand liegt locker, aber – wie schon gesagt – doch ein wenig verkrampft zärtlich behütend auf einem Wulst der Bettdecke wie auf einem Gebirgszug meines untertanen Landes (man/frau stelle sich die Bettdecke als Relief des beherrschten Landes vor). (Verkrampft mich meine Aufgabe, mein Land zu beschützen? Fühle ich mich dabei überfordert? Habe ich keine Armee oder Verbündete? Wie es ausschaut: nicht.)

Türen gehen auf und werden zugeschlagen. Die akustische Bildbeschreibung hat nur einen Staats- und Hauptton: Surren.

Ich bin so abgehoben, daß ich gar nicht weiß, was sich im Land und in der Nachbarschaft abspielt. Da hackt irgendwer herum und ich weiß nicht, worum es geht. Ein aggressiver Akt? Gegen mich und mein Reich? Eine Drohgebärde? Gar ein Hilferuf? Ein Ausbruchsversuch? Etwas träge blicke ich in meinem Reich herum. Alles ruhig.

Die Laden eines imaginären Kühlschranks direkt vor mir tun sich auf und tupfen mich lautlos und fühllos an.

Der Vater meiner Tochter geht robust mit ihr um und gegen mich vor. Moment! Moment! Moment! Das will ich schon festhalten: der Vater meiner Tochter bin ich!




(19.11.2019)






©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1599 Genau die richtige Zeit


Halb drei in der Nacht. Genau die richtige Zeit. Die meisten Menschen schlafen und ihre Bewußtseine senden keine Wellen, keine Strahlen aus (Wellen- oder Korpuskeltheorie?), die meine wache Wellenlänge überlagerten oder meine Korpuskel irritierten. Weil sie in Schlaf und Traum woanders sind, stärken sie mit ihrer Arbeit nicht diese Wirklichkeit und ihre Begrenzungen, und unsere Welt und mein Denkraum werden größer, mein Geist hat mehr Spielraum, die Grenzen sind durchlässiger.

Und was fängt der Geist, der meinige, damit an? Nicht viel, soweit ich es selbst überblicken kann. Er registriert ein fernes Geräusch, vermutlich ein einsames Auto auf der Straße jenseits unseres Kanals. Er entscheidet, manche Phänomene nicht zu beschreiben, weil sich mein Geist – oder wer auch immer – denkt: das ist zu peinlich.

Also der geistige Raum doch nicht so frei? Oder kauert sich mein Geist ängstlich in eine Ecke und fürchtet sich vor der Freiheit und den anderen Geistern?

In meinen Unterschenkeln zieht es. Ich lege mich flach.











(18./19.11.2019)












©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 18. November 2019

1598 Geständnis


Ein Geständnis noch: ich habe gestern (1596) behauptet, ich könne nie weinen. Das ist richtig, bis auf eine Ausnahme: wenn ich früher meinen damals noch kleinen Kindern meistens vor und zu Weihnachten Peter Roseggers Geschichte vom Mooswaberl vorgelesen habe, mußte ich an einer bestimmten Stelle jedesmal losheulen und weinen, daß mir die Tränen nur so geflossen sind. Meine Kinder hatten mit mir ihren Spaß und sich richtig gefreut, daß der Papa weint. Und wenn mir dann auch noch die Stimme gebrochen ist, so daß ich nicht mehr weiterlesen konnte, haben sie regelrecht gejubelt. Da meine Weinanfälle mit jedem Jahr stärker wurden, haben die Kinder den Vorgang schon gekannt und wenn ich wieder einmal versucht habe, diese Geschichte vorzulesen und mich vorlesend der besagten Stelle genähert habe, hat vor allem die jüngere gejauchzt: „jetzt wird der Papa bald weinen!“

Ich habe es schon jahrelang nicht mehr probiert, aber nehme an, es wäre noch immer so.









(18.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1597 Mein Kopf


Mein Kopf, eingehüllt in Surren, muß Herz-Schläge einstecken, die Birne schon ganz aufgeweicht, als würde ich neben einem Verstärker sitzen. So! Ich bin der Verstärker!

Mein Körper beginnt sich schon wieder aufzulösen, hält plötzlich zwei Stifte in der Hand, dann wieder nur einen. Bei dieser Entscheidung bleibt er.

Die annektierten Gebiete müssen zurückgegeben werden, da kennen auch die Siegermächte kein Pardon!








(18.11.2019)








©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1596 Robuste Arbeit


Ich fühle mich, als hätte ich robuste Arbeit geleistet – weit entfernt! - und kleine Einheiten von Trauerkonglomeraten umkreisen mich und ihre Schweranziehungskraft – wiewohl schwächer als die meine – und ihre Ausstrahlungen berühren mich leicht und beeinflußen mich und erzeugen einen Anflug von Wein-Gefühl-Gezeiten so ungefähr zwischen den Augen und vorm Gesicht bis zum Mund hinunter. Wäre interessant, wie es von innen und von außen ausschaute, weinte ich ein wenig außerhalb meines Körpers. Aber ich weine nicht. Nie.

Während ich den nächsten Satz suche, den nächstbesten Gedanken, und dabei auf meinen CD-Player starre, sehe ich die Hälfte seiner unteren Hälfte nicht, obwohl sie da ist und nicht verstellt. Dieser Teilbereich löst sich in einer Art von substantieller Dunkelheit auf, in einer kleinen Wolke aus grauem Nichts.

Ich komme mit meinem Schreiben nur mühsam voran, weil ich meine Linke dafür benütze, die sehr ungeübt ist. Ich komme meinen Assoziationen kaum hinterher. Sie tropfen ungeerntet und ungenutzt in den Abgrund unter den Füßen. Nicht vor, sondern unter den Füßen.
Den Abgrund unter uns, den wir verleugnen.









(17./18.11.2019)








©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1595 Familie Essigbaum


Der Kirschbaum hält mir seine gelblich bräunlich blaßgrünen Blätter zum Fenster her. Die Familie Essigbaum jedoch hat ihre bis auf wenige schon abgeworfen und reckt die gräulichen und bräunlichen kahlen Äste über die Dächer des Innenhofes. Der Weidenbaum schaukelt noch die seinen schmalen, fast noch grünen Blättchen über die Kante der Dachschräge.
Übrigens: was für ein blöder Name: Essigbaum! So schöne Bäume! So schöne Blätter! So schön angeordnet! Hat man dem Baum keinen schöneren Namen geben können? Essig! Das riecht nach Küche, „alles ist Essig!“ und Herabsetzung. (Die Früchte sollen aber tatsächlich zur Essigherstellung verwendet werden.)
Aber man stelle sich vor, die Tanne würde Käsebaum heißen: „Oh Käsebaum, oh Käsebaum, wie grün ...“! Wäre der andere Name für den Essigbaum, nämlich Hirschkolbensumach, besser? Nicht wirklich, oder? Man braucht einfache und schöne, nicht wissenschaftliche Namen, in irgendeiner Oberschicht erfunden!

Im Übrigen habe ich mir die Sätze in nuce schon ausgedacht gehabt, bevor ich mich oben im Atelier wie geplant in den Stuhl gesetzt habe, von dem aus ich durchs große Atelierfenster in den Innenhof blicken kann. Also alles ausgedacht! Und fast wäre ich damit baden gegangen (wie am Abend dann wörtlich nach Oberlaa, von meiner Frau aufgescheucht und rausgelockt), weil es sich beinahe nicht ausgegangen wäre, denn die Blätter des Kirschbaums kann ich gerade noch erblicken, wenn ich mich im Stuhl aufrichte, und den ausgedachten Satz über den „Akazibam“ (Robinia pseudacacia) mußte ich weglassen, weil ich ihn von hier aus gar nicht sehen kann (auch er hält neben seinen braunen Früchten noch etliche noch grüne Blätter, obwohl schon deutlich gelichtet). (Das Ausgedachte merkt man als Leserin schon, gell?)

Der Wind dreht die Kronen des ganzen Essigensembles als Ganzes hin und her, wiegt sie waagrecht, bevor er sie dann doch ein wenig durcheinander schüttelt.
Die sonnenbeschichteten Äste machen sich gut vor dem roten Ziegeldach.

Oben der Himmelsstreifen in trübem, blassen Blau.

Das Bild vor meinen Augen hinter dem Fenster abstrahiert sich, verschwimmt ein wenig und löst sich ein wenig in tanzende Lichtflecken auf. Weil ich so hinstarre. Und um diesen Effekt zu verstärken, schiele ich jetzt. Nie kann ich das lange halten.

Dünne, zerschlissene Wolkenfetzchen ziehen recht flott nach rechts.

Jetzt greift der Wind richtig kraftvoll ins Geäst und spielt mit seiner Macht.













(17.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 15. November 2019

1594 Gags, Gags, Gags


Aus dem Schlaf heraus die Katze gefüttert, noch spüre ich mich auch um mich herum. Der Traum war geil und orgiastisch. Am Anfang. Gegen Ende kam dann die indonesische Sittenpolizei. Dann noch ein erotisches Tete-a-tete in einem ältestmodischen, muffigen, überladenen einheimischen Hotel. Die Zweisamkeit mit dieser jungen, irgendwie bekannten Frau – mir fällt nicht ein, wer sie sein könnte – wird aber andauernd gestört. Außerdem war ich in extremer Geldnot, sodaß ich wie auf Nadeln gesessen respektive gelegen bin, weil ich nicht wußte, was alles mit wieviel verrechnet wird. Weil das Hotel so alt war, war es auch sehr exklusiv und ein Kellner hatte mir erklärt, daß deswegen anders abgerechnet wird. Zum Beispiel Handtuchbenutzung extra. Und vieles andere mehr. Ich glaubte schon zu wissen, daß die Dame sehr wohlhabend ist, aber nichts ist abgesprochen und wenn ich um Geld betteln muß, alles so peinlich! Außerdem … ach was!

Mir fallen wieder die Augen zu. Ist schon gut. Ins Surren mischt sich nun hubschraubender Lärm (den Lärm kann ich wahrnehmen, den Hubschrauber von meinem Bett aus nicht. So fest, wie wir glauben, sind die Objekte gar nicht. Also: vielleicht zuerst der Lärm und der erzeugt den Hubschrauber. In meiner bewußten Wahrnehmung läuft es genauso ab!)

Mir Würfelhocker steht ein möglicherweise heimlich trinkender Eckensteher gegenüber. Die Gestalt, die ich in meiner inneren Düsternis mehr schlecht als recht sehen kann, wirkt so, wie sie leicht gekrümmt und verwaschen und grau an der Ecke lehnt.
Aus einer Eingebung heraus lasse ich meinen Mund zucken und die Wellen davon verbreiten sich über meinen ganzen Körper im Abstand von ein, zwei Zentimeter.

Gehobene Mittelschicht (Wer hebt?!  Was wird gehoben?! Wo wird gehoben?! Wann ist gehoben worden?!).

Nun beginnt die dunkle Welt auf mich zu zusausen, stoppt jedoch knapp vor mir abrupt ab.

Die große Leere zieht und zupft an meinem Nacken. Eine Traumgestalt aus dem wirklichen Leben tanzt an mir vorüber, bis es/sie vorbei ist. Die Katze kratzt sich unten die Krallen scharf. Was hat das mit meiner inneren Weisheit zu tun? Die Katze maunzt mich an und ich antworte mit kurz geöffneten Augen, dann gehe ich wieder in den Aufnahme!-Modus.

Ja, alle Schranken waren heruntergebrochen.
Gags, Gags, Gags.

Unruhig sind die Geiseln, nicht die Statisten.

Gipfel voll Begleitwissen.

Irgendwann wird mich die Katze (spirituell) überholen.

Fast steht alles fest.










(15.11.2019)










©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1593 Heute Abend


Heute Abend bin ich im Windschatten meiner lieben Frau (die meines Dafürhaltens nicht so gerne Stiegen hinaufsteigt, zumindest nicht in ihrer/unserer Wohnung) und mit ihr als Zieherin (oder Mitzieherin; sie soll mich in den schwierigen Passagen mit- und hochziehen auf die höhere existentielle Ebene) unseren wohnungsinternen Anstieg zum Pleantnsottl (der echte schreibt sich „Plientensattel“), also in den oberen Stock, wo mein Zimmer liegt, hinaufgestapft, nachdem ich vorher, vorm Aufstieg, eine kurze Rast auf der Wohnzimmercouch zur Kursmeditation und Sammlung von Schwung und Kräften eingelegt hatte.

Nun bin ich also oben; es trennen sich unsere Wege, ich gehe in mein Zimmer und werde lesen.
„Das ist eigentlich alles“ (Daniil Charms).


Und ich habe stundenlang gelesen und ward davon innerlich sehr aufgewühlt, jedoch körperlich so müde, daß ich mich jetzum zur Ruhe betten werde. Zur Nachtruhe.
„Das ist eigentlich alles“ (Daniil Charms).










(14./15.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Donnerstag, 14. November 2019

1592 Der Große Korbflechter


Langsam rinnt und tropft die Verschlafenheit ab und ich trockne in die Konturen dieser Welt aus, diese Welt, rational, selbstverständlich, viele Milliarden Male gelikt und geteilt. Noch bewegen sich einzelne Teile in meinem Gesichtsfeld, aber bald wird der Prozeß abgeschlossen sein. Wenn ich nicht wieder in Schlaf und Traum zurück falle. Die Versuchung ist groß. Und ich bin zu alt, um mich überzeugen zu können, den Versuchungen widerstehen zu müssen (sonst explodiert im Sterben zu viel unverbrauchtes Leben, Vgl. Dylan Thomas; Ich wollte fort seit langer Zeit).

Ein massiver Energieknoten am Kinn. Der vibriert und pulsiert fast. Und ich spüre massiven Druck auf meine Hände, die Stift und Notizbuch halten. Der Druck ist so stark, daß um die Hände herum eigene Magnetfelder entstehen.

Die ersten, fernen Boten des Tageskinderjauchzens erreichen meine Ohren im Surren, Schwerpunkt links. Ein Schluckauf-Hicks durchrüttelt meinen Körper und führt das Thema „Frühstück“ ein. Katzenscheiße-Gestank zwingt mich – nahe am Kotzen - aufzustehen und meine innere Betrachtung zumindest zu unterbrechen.

Ja, richtig! Und durch die Arbeit am Entfernen des Scheiße vor meiner Zimmertür bin ich auch in die helleren, nicht lichtschacht- sondern hofseitigen Bereiche der Wohnung gekommen und stelle freudig fest: draußen scheint die Sonne!

Eine freundliche Tatsache, die ich auch würdigen will und würdigen soll. Aber das „soll“ verdirbt es mir gleich und so lege ich mich wieder ins Bett und widme mich der Beschreibung meiner inneren dunkleren Teile (nie werde ich ohne Schuldgefühle und ohne zumindest einen Anflug schlechten Gewissens optimistisch sein können).

Oh! Jetzt singen die Tageskinder gemeinsam! Ganz aus sich heraus, ohne Anleitung oder Aufforderung haben sie – wenn ich es recht höre – ein „Omalied“ erfunden. Das sind viele Plus für die Tageslichtseite.

Und prompt rührt sich das Hungergefühl. (Ich habe eine große, große Hemmung, das Wort „Hunger“ für den Zustand zu verwenden, in dem einem der Körper darauf aufmerksam macht, daß es wieder Zeit wäre, Nahrung aufzunehmen. Denn „Hunger“ verbinde ich mit „hungern“ oder „verhungern“, wenn einem der Körper sein Bedürfnis meldet und nichts da ist, womit man es stillen könnte. Und so ist es selbstredend gar nicht, Im Gegenteil, es ist im Überfluß da.

Sprache! Können wir nicht zwei verschiedene Wörter für die zwei verschiedenen Zustände entwickeln? Sonst kann ich zwar sagen „boah, hob i an hunger“ aber – weil das Geschriebene verbindlicher ist - niemals hinschreiben: „ich bin hungrig“.) (Aha! Ich bin ein Kryptolutheraner!)

Ich bin hungrig und werde bald zum Frühstück aufstehen. Unten singt wieder ein mehrstimmiger, polyphoner, fröhlicher Kinderchor.

Allmählich wieder Richtung Schlaf verrutscht, höre ich meine Schrillen in Höchstform surren. Ich wundere mich, daß ich bei diesem stillen Lärm nicht schon taub bin. Ich neige mein Haupt nach links und lasse meine Augen zufallen.

Die Welt, die ich jetzt mit meinem inneren Augen sehe, besteht ausschließlich aus Flechtwerk, als wäre sie vom Großen Korbflechter geschaffen.

Aber nein, mein Hunger holt mich wieder aus dieser interessanten, vielversprechenden Visi- und Meditati-on heraus und fordert mich eindringlich auf, endlich aufzustehen.











(14.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com