Montag, 18. November 2019

1595 Familie Essigbaum


Der Kirschbaum hält mir seine gelblich bräunlich blaßgrünen Blätter zum Fenster her. Die Familie Essigbaum jedoch hat ihre bis auf wenige schon abgeworfen und reckt die gräulichen und bräunlichen kahlen Äste über die Dächer des Innenhofes. Der Weidenbaum schaukelt noch die seinen schmalen, fast noch grünen Blättchen über die Kante der Dachschräge.
Übrigens: was für ein blöder Name: Essigbaum! So schöne Bäume! So schöne Blätter! So schön angeordnet! Hat man dem Baum keinen schöneren Namen geben können? Essig! Das riecht nach Küche, „alles ist Essig!“ und Herabsetzung. (Die Früchte sollen aber tatsächlich zur Essigherstellung verwendet werden.)
Aber man stelle sich vor, die Tanne würde Käsebaum heißen: „Oh Käsebaum, oh Käsebaum, wie grün ...“! Wäre der andere Name für den Essigbaum, nämlich Hirschkolbensumach, besser? Nicht wirklich, oder? Man braucht einfache und schöne, nicht wissenschaftliche Namen, in irgendeiner Oberschicht erfunden!

Im Übrigen habe ich mir die Sätze in nuce schon ausgedacht gehabt, bevor ich mich oben im Atelier wie geplant in den Stuhl gesetzt habe, von dem aus ich durchs große Atelierfenster in den Innenhof blicken kann. Also alles ausgedacht! Und fast wäre ich damit baden gegangen (wie am Abend dann wörtlich nach Oberlaa, von meiner Frau aufgescheucht und rausgelockt), weil es sich beinahe nicht ausgegangen wäre, denn die Blätter des Kirschbaums kann ich gerade noch erblicken, wenn ich mich im Stuhl aufrichte, und den ausgedachten Satz über den „Akazibam“ (Robinia pseudacacia) mußte ich weglassen, weil ich ihn von hier aus gar nicht sehen kann (auch er hält neben seinen braunen Früchten noch etliche noch grüne Blätter, obwohl schon deutlich gelichtet). (Das Ausgedachte merkt man als Leserin schon, gell?)

Der Wind dreht die Kronen des ganzen Essigensembles als Ganzes hin und her, wiegt sie waagrecht, bevor er sie dann doch ein wenig durcheinander schüttelt.
Die sonnenbeschichteten Äste machen sich gut vor dem roten Ziegeldach.

Oben der Himmelsstreifen in trübem, blassen Blau.

Das Bild vor meinen Augen hinter dem Fenster abstrahiert sich, verschwimmt ein wenig und löst sich ein wenig in tanzende Lichtflecken auf. Weil ich so hinstarre. Und um diesen Effekt zu verstärken, schiele ich jetzt. Nie kann ich das lange halten.

Dünne, zerschlissene Wolkenfetzchen ziehen recht flott nach rechts.

Jetzt greift der Wind richtig kraftvoll ins Geäst und spielt mit seiner Macht.













(17.11.2019)











©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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