1617 Der Tanz der Äste und Zweige
Ich sitze mit dem Rücken zur Wand, es ist knapp nach acht
Uhr morgens und in meinem direkten Blickfeld bei geradeaus gerichteten Augen
sehe ich den Couchtisch mit Tischtuch, Kopfhörer, Katzenhaarroller, ein
Verteilerkabel und eine Untertasse darauf. Dann links das einsame, deplatzierte
Bügelbrett mit Bügeleisen, der Kniehocker rechts am StandPC, der Wäscheständer
mit diverser Wäsche gerade vorn, der Notenständer dahinter, den ich immer als
Auflage für mein Notizbuch beim Eintippen meiner handgeschriebenen Texte in den
Computer benütze, schon beim Fenster dort ein kleines metallenes Kastl mit
metallenen Schubladen, darauf eine leere gläserne Vase und ein durchsichtiges
gut angefülltes Blumengießkännchen aus Plastik (angeblich ist abgestandenes
Wasser für die Pflanzen besser), dahinter das Fensterbrett mit eben diesen
verschiedenen Pflanzen inklusive dreier Töpfe Katzengras. Und das große
Atelierfenster mit zur Seite geschobenem weißen Vorhang, draußen hinter der
Fensterscheibe das Grau und die Bewegungen des Windes im Geäst.
Soweit so gut.
Ein Schwarm Krähen durchfliegt den grauen Himmel knapp über
den ziegelroten Dächern. Die schönen dunkelroten Blüten der Orchidee ziehen
meine Aufmerksamkeit auf sich.
Ein paar Minuten war ich weg, meine kreisenden Gedanken
umzingelten die reaktionären, faschistoiden Eskapaden des Prof. Weber und die
für solches affine Mentalität der Stadt Wien und ihrer Bevölkerung mit ihrem
Hang zu jeder Form von Hetz(e). Aber ich will mich mit diesen Dingen nicht mehr
beschäftigen; das war früher, in der ältesten Phase der Schublade und davor.
Jetzt will ich nur aus dem Fenster schauen, meiner
Melancholie des verhinderten Verkünders und verhinderten Genies frönen und mich
ein wenig spüren.
Der wohnungsinterne Aufwind des Heizkörpers – im Gegensatz
zu mir kein Fremdkörper hier – läßt die Spinnweben an der Oberlichte des Großen
Fensters (interessant, was nach dem Tod des Großen Gottes, den wir lobten,
alles Groß sein kann!) tanzen.
Soll ich noch nachtragen, daß in meinem Blickfeld auch noch
eine schwarze Socke, die Reste einer Klopapierrolle – zirka ein Meter
ausgerolltes Papier – und eine bereits dünne Küchenrolle hier heroben im Ex-Atelier
am Boden liegen? Übrigens schon tagelang.
Das Graue draußen strahlt immer stärker und blendet schon in
meinen Augen. Dem Kopf, soweit wie möglich gegen die Lehne des Großen Stuhls
(!) gepresst und dabei zurück und das Gesicht nach oben gestreckt, steigen
Tränen in die Augen.
Meine Weltfremdheit! Verfluchen will ich sie dennoch nicht.
Der Tanz der Äste und Zweige da draußen bekommt in seiner
Koordiniertheit und Diszipliniertheit etwas unheimliches.
(27.11.2019)
©Peter Alois Rumpf,
November 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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