Mittwoch, 27. November 2019

1617 Der Tanz der Äste und Zweige


Ich sitze mit dem Rücken zur Wand, es ist knapp nach acht Uhr morgens und in meinem direkten Blickfeld bei geradeaus gerichteten Augen sehe ich den Couchtisch mit Tischtuch, Kopfhörer, Katzenhaarroller, ein Verteilerkabel und eine Untertasse darauf. Dann links das einsame, deplatzierte Bügelbrett mit Bügeleisen, der Kniehocker rechts am StandPC, der Wäscheständer mit diverser Wäsche gerade vorn, der Notenständer dahinter, den ich immer als Auflage für mein Notizbuch beim Eintippen meiner handgeschriebenen Texte in den Computer benütze, schon beim Fenster dort ein kleines metallenes Kastl mit metallenen Schubladen, darauf eine leere gläserne Vase und ein durchsichtiges gut angefülltes Blumengießkännchen aus Plastik (angeblich ist abgestandenes Wasser für die Pflanzen besser), dahinter das Fensterbrett mit eben diesen verschiedenen Pflanzen inklusive dreier Töpfe Katzengras. Und das große Atelierfenster mit zur Seite geschobenem weißen Vorhang, draußen hinter der Fensterscheibe das Grau und die Bewegungen des Windes im Geäst.

Soweit so gut.

Ein Schwarm Krähen durchfliegt den grauen Himmel knapp über den ziegelroten Dächern. Die schönen dunkelroten Blüten der Orchidee ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich.

Ein paar Minuten war ich weg, meine kreisenden Gedanken umzingelten die reaktionären, faschistoiden Eskapaden des Prof. Weber und die für solches affine Mentalität der Stadt Wien und ihrer Bevölkerung mit ihrem Hang zu jeder Form von Hetz(e). Aber ich will mich mit diesen Dingen nicht mehr beschäftigen; das war früher, in der ältesten Phase der Schublade und davor.

Jetzt will ich nur aus dem Fenster schauen, meiner Melancholie des verhinderten Verkünders und verhinderten Genies frönen und mich ein wenig spüren.

Der wohnungsinterne Aufwind des Heizkörpers – im Gegensatz zu mir kein Fremdkörper hier – läßt die Spinnweben an der Oberlichte des Großen Fensters (interessant, was nach dem Tod des Großen Gottes, den wir lobten, alles Groß sein kann!) tanzen.

Soll ich noch nachtragen, daß in meinem Blickfeld auch noch eine schwarze Socke, die Reste einer Klopapierrolle – zirka ein Meter ausgerolltes Papier – und eine bereits dünne Küchenrolle hier heroben im Ex-Atelier am Boden liegen? Übrigens schon tagelang.

Das Graue draußen strahlt immer stärker und blendet schon in meinen Augen. Dem Kopf, soweit wie möglich gegen die Lehne des Großen Stuhls (!) gepresst und dabei zurück und das Gesicht nach oben gestreckt, steigen Tränen in die Augen.

Meine Weltfremdheit! Verfluchen will ich sie dennoch nicht.

Der Tanz der Äste und Zweige da draußen bekommt in seiner Koordiniertheit und Diszipliniertheit etwas unheimliches.








(27.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

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