Freitag, 22. November 2019

1610 Wiedergutmachung


Alsdann: heute will ich mein gestriges Schlamassel wieder gut machen. Deshalb nehme ich beim Umsteigen von der U-Bahn zum Autobus ohne konsumistischen Grund (vulgo: ich kaufe nichts) den Weg durch den Einkaufstempel und die Abkürzung durch die feminine Parfum-Strumpf-Abteilung, ohne Geld, mit Gebiß und mit dem zerschlissenen Sakko. Ich schreite flott durch diese kleinstbürgerliche Pseudo-Luxusatmosphäre und die geschleckten, leer herumgschafftelnden Tussis und Schnösel (seht ihr? Der Schalter funktioniert!) können mir nichts anhaben und dann beschließe ich, gar nicht den Bus zu nehmen, sondern fröhlich zu Fuß zu gehen. So bewege ich mich mit John Frusciante in den Ohren wie der Fisch im Wasser gschleinig durch Menschen, Gassen und Autos.

An einer reichen (ich mag nicht schon wieder „pseudo-“ schreiben) Edelsupermarktauslage vorbeieilend werfe ich gedankenlos einen Blick hinein und registriere: „da steht doch der dings, der … dings“. Nach ein paar weiteren Schritten gehe ich wieder zurück und schaue mit dem Gefühl, ein kleiner Spion zu sein, dem dings … nein, nicht dem Rudi (dem seine Ex(?) kenne ich auch), nein, sondern diesem Schriftsteller, der sich gern als buddhistisch angehauchter Almöhi gibt – also ohne Bart und den Schädel rasiert mit Käppi, verdammt, wie heißt der bloß! - Anruf: morgen Bohrmaschine, Hammer, Nägel nicht vergessen! Anruf beendet – zur Hölle mit meinem hinigen Namensgedächtnis! … ah! Jetzt fällt's mir ein: der Bodo Hell! (es: das, was ich gesucht habe!) Dem Herrn Hell schaue ich also von außen durch die große Glasfront (verstehen Sie eigentlich, wieso die Supermärkte immer so riesige, voll verglaste Außenflächen brauchen, wenn sie sie dann immer mit Werbung zupicken?) zu, wie er in der Gourmetabteilung vor einem Regal ein Packerl Was-weiß-ich-was in der Hand hält und minutenlang darüber meditiert. Ich will ihn weder in seiner tiefen Versenkung noch in seiner tiefen Versunkenheit stören und daher weder klopfen noch winken und gehe – weil mein schlechtes Gewissen ob meiner Spionagetätigkeit und der sich schon abzeichnenden Verwertung in meiner Schublade immer stärker wird – weiter zu meinen Therapietermin. Bei unserer letzten zufälligen Begegnung auf der Straße hat er mich bezüglich meiner musikalischen Ohrenstöpsel und deren Auswirkung auch den Gehörsinn aufgeklärt und belehrt und mir ist keine gscheite Replik eingefallen. Außerdem: ich glaube nicht, daß er mich noch kennt. Er ist ja doch älter als ich und wenn schon mein Namensgedächtnis …

Somit eile ich weiter zu meiner Therapie. Ganz so unlustig ist mein Leben gar nicht!








(22.11.2019)









©Peter Alois Rumpf,  November 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


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