1610 Wiedergutmachung
Alsdann: heute will ich mein gestriges Schlamassel wieder
gut machen. Deshalb nehme ich beim Umsteigen von der U-Bahn zum Autobus ohne
konsumistischen Grund (vulgo: ich kaufe nichts) den Weg durch den
Einkaufstempel und die Abkürzung durch die feminine Parfum-Strumpf-Abteilung,
ohne Geld, mit Gebiß und mit dem zerschlissenen Sakko. Ich schreite
flott durch diese kleinstbürgerliche Pseudo-Luxusatmosphäre und die
geschleckten, leer herumgschafftelnden Tussis und Schnösel (seht ihr? Der
Schalter funktioniert!) können mir nichts anhaben und dann beschließe ich, gar
nicht den Bus zu nehmen, sondern fröhlich zu Fuß zu gehen. So bewege ich mich
mit John Frusciante in den Ohren wie der Fisch im Wasser gschleinig durch
Menschen, Gassen und Autos.
An einer reichen (ich mag nicht schon wieder „pseudo-“
schreiben) Edelsupermarktauslage vorbeieilend werfe ich gedankenlos einen Blick
hinein und registriere: „da steht doch der dings, der … dings“. Nach ein paar
weiteren Schritten gehe ich wieder zurück und schaue mit dem Gefühl, ein
kleiner Spion zu sein, dem dings … nein, nicht dem Rudi (dem seine Ex(?) kenne
ich auch), nein, sondern diesem Schriftsteller, der sich gern als buddhistisch
angehauchter Almöhi gibt – also ohne Bart und den Schädel rasiert mit Käppi,
verdammt, wie heißt der bloß! - Anruf: morgen Bohrmaschine, Hammer, Nägel nicht
vergessen! Anruf beendet – zur Hölle mit meinem hinigen Namensgedächtnis! … ah!
Jetzt fällt's mir ein: der Bodo Hell! (es: das, was ich gesucht habe!) Dem
Herrn Hell schaue ich also von außen durch die große Glasfront (verstehen Sie
eigentlich, wieso die Supermärkte immer so riesige, voll verglaste Außenflächen
brauchen, wenn sie sie dann immer mit Werbung zupicken?) zu, wie er in der
Gourmetabteilung vor einem Regal ein Packerl Was-weiß-ich-was in der Hand hält
und minutenlang darüber meditiert. Ich will ihn weder in seiner tiefen
Versenkung noch in seiner tiefen Versunkenheit stören und daher weder klopfen
noch winken und gehe – weil mein schlechtes Gewissen ob meiner
Spionagetätigkeit und der sich schon abzeichnenden Verwertung in meiner
Schublade immer stärker wird – weiter zu meinen Therapietermin. Bei unserer
letzten zufälligen Begegnung auf der Straße hat er mich bezüglich meiner
musikalischen Ohrenstöpsel und deren Auswirkung auch den Gehörsinn aufgeklärt
und belehrt und mir ist keine gscheite Replik eingefallen. Außerdem: ich glaube
nicht, daß er mich noch kennt. Er ist ja doch älter als ich und wenn schon mein
Namensgedächtnis …
Somit eile ich weiter zu meiner Therapie. Ganz so unlustig
ist mein Leben gar nicht!
(22.11.2019)
©Peter Alois Rumpf, November 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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