Donnerstag, 29. April 2021

2214 Zu mächtig ach

 

Der im Dachbodenfenster gespiegelte Ausschnitt des taubenvergitterten Daches driftet durch meine Bildzensur und läßt meine Seele sich nach Freiheit sehnen. Ich bin zu ungewöhnlich früher Zeit munter und ausgeschlafen. Darum merke ich es: ich habe Angst, jetzt einfach den Tag anzugehen. Ich fürchte, dann nicht durchzuhalten und mitten drin einzubrechen. Ich traue mir den Lebensmarathon nicht mehr zu. Mich wundert doch, dass die Angst so groß ist. Ich gehe wieder zu Bett. Dabei sehne ich mich nach einem anständigen, fröhlichen, freien Tagewerk. „Doch zu mächtig ach ...“. Und zu hoffnungsmüde, oh weh.

 

(29.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2213 Schmutziges Licht

 

Sagen wir einmal, ich bin jetzt schwache sieben Stunden wach und brauche nun meinen abendlichen Mittagsschlaf, bevor die richtige Nachtschicht beginnt. Ich lege mich aufs Bett und meine Freundin die Katze ist sofort dabei und ich harre der Dinge, die da kommen. Abenddämmerung – die schwierigste Stunde für alle Süchtigen, Derangierten und Chaoten – der schmerzhafte, beunruhigende Übergang vom Tag zur Nacht. Das Tagewerk ist zu Ende – möglicherweise klagt es einen an – und die Nacht hat noch nicht ihre dunkle Geborgenheit entfaltet. Das ist auch die Stunde, da die meisten Kranken ihr höchstes Fieber haben. Der Stille ist eine nagende Frustration beigemischt. Das aufgedrehte Licht wirkt schmutzig und unrein. Nichts wirkt echt und glaubwürdig. Vielleicht gleite ich schlafend in die erlösende Finsternis.

 

(28.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 28. April 2021

2212 Anbeter der Großen Göttin

 

Soeben aus tiefem Schlaf und Traum herausgeschält – meine Wahrnehmung bewegt sich noch – hocke ich fraglos in der Realität wie in einem Vogelnest. Es geschehen noch kleine Wunder. Es ist laut und plötzlich still. Ich erschrecke ob dieses unerwarteten Umsturzes im Gehör und lausche aufmerksam, bis das Surren die Herrschaft über meine Ohren übernimmt. Meine realen Füße stehen fest mit angezogenen Knien auf dem Bettlaken, während meine Energiebeine ausschlagen und treten. Mein leerer Magen knurrt wie schon vorm Einschlafen in später Nacht. Meine rechte Hand, die den Kugelschreiber hält, ruht nachdenklich am meiner rechten Hüftbeuge, während ihr energetisches Pendant auszuckt und auf das Bett drischt. Und plötzlich – fast wie aus dem Nichts – die immense, überwältigende Sehnsucht nach dem Anblick sich langsam und andächtig entkleidender Frauen, die mir in frommer Intimität ihren ruhigen, lieben, stillen, freundlichen Anblick gönnen. Hääh? Bin ich jetzt …? Aaah! Der Facebookfriend ist schuld! (Zwinkersmily). Der, der mir unter einem Posting von weißem Polarlicht hingeschrieben hat, das wäre der Saum des Kleides der Göttin! Und mir daraufhin eingefallen ist, wie ich im Kindergarten unter die Röcke der Kindergartentante (eine grausame Klosterschwester!) zu spähen versucht habe. Ja ja, ich bin ja doch ein Anpeter der Großen Göttin – das war mir nicht so ganz bewußt! Aber bevor ich mich in diesem Wahn verliere und meine peinliche Selbstentblößung bis zum Point-of-no-return treibe, stehe ich jetzt lieber auf und mach mir mein Frühstück. Essen hält Leib und Seele zusammen.

 

(28.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2211 Ohne Ton

 

Die kleinen, halbnackten, magnetischen Frauen, die an den Lautsprechern hängen, tanzen schon ganz ohne Ton. Mein Blick hat sie für einen Bruchteil eines Augenblicks bei ihrem spätnächtlichen Treiben erhascht.

 

(27./28.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Dienstag, 27. April 2021

2210 Abstellgleistheater

 

Und wieder ein Tag in Richtung Großer Lockdown abgehakt. Wieder lauere ich in meine innere Leere, ob sich etwas zeigt. Ein wirkliches Resümee für diesen Tag gibt es nicht; ein Ergebnis auch nicht. Mein unbeeindruckendes Bulletin: eben nicht mehr als bloß einen Tag abgehakt und runtergebogen, als hätte ich noch unendlich viele. Selbst der Trauer ist heute das Theaterstück schon zu abgespielt; sie rafft sich nicht mehr auf, ordentlich zu spielen und leiert ihre Rolle gelangweilt, öde und nuschelnd herunter, läßt einiges an Text einfach aus, in diesem Abstellgleistheater.

 

(26./27.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 26. April 2021

2209 Ich bin ein Spießer

 

Ich bin ein Spießer: um Mitternacht schaue ich, ob mir Facebook irgendwelche Geburtstage von Friends anzeigt, und dann gratuliere ich und freu mich wie ein neulackiertes Schaukelpferd bei der Vorstellung, der erste Gratulant zu sein.

Aber heute habe ich Kopfweh und mir ist flau und mau. Der Gestank vom Antimottenmittel in meinem Zimmerchen nervt und stört. Das Surren hüllt meinen Schädel so umfassend ein, dass mir vorkommt, er reise separat durch Raum und Zeit. Im Magen ist mir auch leicht übel. Von Zeit zu Zeit suchen mich Anfälle immenser Trauer heim, ohne dass ich so recht weiß, woher sie kommen und was sie wollen. In mir rumoren jetzt Ungeduld und Wut. Ich bin saumüde, aber aufgedreht.

Als Kind hatte ich durchgesetzt, in der Nacht auch im Winter das Fenster des Kinderzimmers einen Spalt offen zu haben.

 

(25./26.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2208 Zikadengesang

 

Ich filtere wieder den Wasserfall aus dem Surren in meinen Ohren heraus, verschiebe das Übrige so gut es geht Richtung Zikadengesang, und isoliere noch aus dem Rest ein wenig Waldesrauschen. Die Sequenzierung ist noch lange nicht vollständig – ich stehe mit dieser Arbeit erst am Anfang. Jetzt erscheint das Ganze viel technischer, elektrischer – der Sound hat sich verschoben. Um ein noch besseres Ergebnis zu erzielen, schließe ich die Augen. Kurz hat sich ein Geräusch wie das eines geöffneten Ventils dazugesellt. Je konzentrierter ich hinhören will, desto störender werden mein Magenknurren und das Katzenschnurren. Ich bin mir ganz sicher, ganz im Tiefsten, ganz im Zentrum ist dieses Surren Musik.

 

(22./23.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Donnerstag, 22. April 2021

2207 Resignation

 

Wieder hocke ich in meinem kleinen pensionistischen Reich und warte auf Eingebung. Wie erleichternd, dass ich keine Karriere mehr machen muß. Und wie traurig. Aber sei's drum! Ich kann über eine Kunstpostkarte hinschreiben, dass darauf eine Giraffe zu sehen sei, dabei schaut die abstrakte Pinselstrichkombination eher wie ein Kamel aus. Oder ein Dinosaurier. Oder gar nichts. Das ist der Vorteil der Resignation! Oder von einer anderen Kunstkarte (alle in der Albertina gekauft) kann ich über den depperten violetten Hut schreiben, was ich will, ob's zutrifft oder nicht, und dabei verschweigen, dass mir nur gefällt, wie die Frau dabei ist, die Träger ihres Leiberls von der Schulter zu schieben und ihre noch verdeckten Brüste freizugeben. Ich kann das schreiben. Muß es nicht. Wegen der Resignation ist das egal.

Oder ganz was anderes: ich kann hinschreiben, dass der Kurz ein Arschloch ist oder im Gegenteil, dass ich ihn und seinen Langen liebe – wie es scheint's zur Zeit in türkisen Kreisen Mode ist. Ganz egal! Wegen der Resignation strebe ich keinen Posten als Staatsbeteiligungslenker, oder Staatskünstler oder ORF-General oder Oppositionsführer an und kann machen, was ich will. Oder ich nenne die Pharmaindustrie mafiös. Oder die Firma Sigma, oder wen oder was auch immer. Wegen der Resignation bin ich nichteinmal mehr der Wahrheit verpflichtet. So ist meine Existenz am Abstellgleis großartig und herrlich. Besser könnt' ich es gar nicht haben.

Nur mit dem Geld hapert es noch ein wenig. Aber immerhin habe ich im Lotto über zehn Euro gewonnen!

 

(22.4.2021)

 

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2206 Kalte Füße

 

Kalte Hände, kalte Füße. Späte Nacht. Die Täter aus den Krimis habe ich schon wieder vergessen. Die kleine Büste eines Mannes am Regal hat sich für eine Sekunde in die eines jungen, fröhlichen Mädchens verwandelt. Ein Kunstfoto eines abstrakten Richter-Bildes zeigt eine Giraffe. Auf einem anderen verändert sich die sich entkleidende Frau – ihr immenser Hut wird zum rotierenden Propeller, dann zum Pfauenrad … . Ich liebe es, wenn meine Augen schon müde sind und die Realität nur mehr mehr schlecht als recht derhalten kann.

 

(21./22.4.2021)

 

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Mittwoch, 21. April 2021

2205 Motorradfahren

 

Nicht nur das gelegentliche Sonnenlicht kommt herein – indirekt, über Fensterglas und hellen Mauern weitergeleitet – sondern auch die Katze, direkt, mein zärtliches Gekraule einfordernd. Und die Stimmen der lustvoll fröhlich spielenden Tageskinder, von unten herauf, kurz vor ihrer Abholzeit.

Es ist schon früher Nachmittag, viel zu spät, um noch im Bett zu sein. Meine streichelnde Hand erlahmt. Ich werde aufstehen. Unten spielt ein Bub inbrünstig und mit voller Hingabe Motorradfahren (weiter bin ich diesbezüglich auch nicht gekommen).

 

(21.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2204 So schnell

 

Um die ausgeschaltete Zimmerlampe an der Decke oben bildet sich zuerst ein schwach leuchtender, quadratischer Lichthof, dann eine Aura, die sich mehr an die Gestalt der Lampe hält und nur wenige Abweichungen und Ausbuchtungen macht. Auch ihr Schatten verändert und bewegt sich.

Ich muß mich bemühen, dieses Auraschimmern und die Bewegungen des Schattens mit meinem Blick wenigstens für kurze Zeit zu halten, denn diese Wahrnehmungen verflüchtigen sich so schnell.

 

(20./21.4.2021)

 

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Dienstag, 20. April 2021

2203 Das Schrille hat sich zurückgezogen

 

Mittagsruhe. Sonnenlicht drängt sich durch den Spalt am Rand der Jalousie, manchmal hell und gelb, manchmal gedämpft, manchmal richtig grau. Die Kopfschmerzen der Nacht sind so gut wie weg. Bald werde ich aufstehen und frühstücken. Aber ich verweile noch ein wenig in dieser schönen Stimmung. Die Katze, die neben mir liegt, schnurrt, weil ich das Fell ihres warmen Bauches kraule. Das Surren in den Ohren hat einen aufmunternden Unterton; das Schrille hat sich in die allerhöchsten Tonhöhen zurückgezogen.

 

(20.4.2021)

 

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2202 Tipp

 

Mein ausgelaugtes angefülltes Hirn drückt auf meine grauen Schläfen. Ich schleiche mich flott zu dir. Alle finden ihre Vips und Tipps. Ich bin so müde

 

(19./2o.4.2021)

 

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Montag, 19. April 2021

2201 Wie fließen

 

In meinem Surren höre ich jetzt etwas wie fließen heraus, wie das Rauschen eines fernen Baches oder kleinen Wasserfalls.

 

(19.4.2021)

 

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2200 Ich bin in Ordnung

 

Ich bin in Ordnung. Ich probiere den Satz aus, aber er fällt mir schwer und wenn ich ihn laut aussprechen will, versagt mir die Stimme. Dann bin ich zu träge, mich zu räuspern und den Satz nochmals auszusprechen. Ich schäme mich.

Dann räuspere ich mich doch und ich kann ihn lauter aussprechen, diesen peinlichen Satz; diesmal ist die Stimme ganz heiser.

Beim dritten Mal wieder ein wenig besser, aber bei „in Ordnung“ läßt meine Stimme nach, hat alle Luft verbraucht und bricht regelrecht ein, wird flach und schwach.

Das vierte Mal: besser: jedoch immer noch, wenn ich zum Wort „Ordnung“ anhebe, wird meine Stimme ängstlich und unreif.

Das fünfte Mal: ich spreche den Satz Wort für Wort aus und stoße jedes einzelne Wort mit Nachdruck hinaus. Hole zwischen jedem Wort von neuem Luft. Es klingt trotzdem nicht gut. Schlecht und aufgesetzt; künstlich; von außen programmiert, nicht aus meiner Mitte heraus. Der Satz ist nicht in mir. Ich muß ihn erst überreden, bei mir zu wohnen.

 

(18./19.4.2021)

 

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2199 Niesanfall

 

Endlich Entspannung! Mein unendlich erholsamer Blick auf mein Bücherregal mit all seinen Schätzen und Anmerkungen beginnt zu verschwimmen; meine Emanationen im Kokon sind so empfindsam, dass sie beim kleinsten Input vibrieren. Und zwar je nach Input an anderen Stellen des Energiekörpers.

Ein bodenständiger, laut ausschreiender Niesanfall holt mich wieder in die sogenannte Realität zurück, in der es keine Energiekörper gibt und ich mir als ein dummer, rustikaler Grobian fühle. So à la mir san mir. Aber der Anblick meiner geliebten Bücherwand pendelt mich wieder zwischen Himmel und Beschränkung ein. Ein tiefer Atemzug weitet wieder die Friedenszone aus.

Wie wär's, wenn ich mir Miles Davis auflege? (Was für ein Mißbrauch eines Genies!)

Ich bleibe doch hocken und verlasse das Bett nicht.

 

(18.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 16. April 2021

2198 Meine Schlangenköpfe

 

Meine Hände gleiten wie zwei Schlangenköpfe quer zu meinem Oberschenkel hinunter. Die zwei armen Schlangen hängen kopfüber an meinem körperlichen Lebensbaum fest. Die eine Schlange hat sich jetzt im Notizbuch festgebissen, die andere beißt den Kugelschreiber, der sich über das Papier zuckend wehrt.

Eine Frau in weiß gepunktetem schwarzen Kleid trägt eine ebensolche bemusterte Bettdecke in den anderen Raum, wodurch dieses Muster auf das ganze Zimmer übergreift. Dabei geht sie komisch, als könnte sie ihre Knie nicht abbiegen und muß ihre Beine seitlich ausfahren. Ich sehe die Frau nur von hinten. Eine Sekunde, dann ist die Szene verschwunden.

Ich reklamiere eine üppigere Geschichte; gleich lädt mich in der Albertina eine Frau in eine private Kammer, an deren Tür ich – im Gebäude verirrt – geklopft hatte. Auch diese Szene ist nach einer Sekunde verschwunden.

Die linke Schlange, die sich im Notizbuch verbissen hat, bekommt einen leichten Krampf.

Jetzt sind mir nicht nur die Augen, sondern ist auch mein Bewußtsein zugefallen.

 

(15.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2197 Gesang

 

Der graue Glanz kommt durchs Fenster herein. Meine letzte Impfung war 1966. Das Schlafsyndikat bearbeitet mich; Körper, Seele, Geist führen ein Eigenleben. Nicht viel davon spült es in diesen Text. Der Gesang der Kinder von der Laterne übertönt meinen inneren Gesang. Aber das macht gar nichts, denn sie sind so fröhlich.

„Liebst du deinen Präsidenten?“ frage ich eine russische Stimme. Ich hätte ihm vor gut fünfunddreißig Jahren beim Heurigen Muck beinahe „Ej uch njem“ vorgesungen. Echt wahr!

 

(14.4.2021)

 

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Dienstag, 13. April 2021

2196 Lieferung

 

Wieder sitzen und warten. Auf eine Lieferung (8-18h), die ich nicht bestellt habe. Der Ärger frißt mich von innen. Es ist demütigend, kaum Geld zu haben. Ich muß heilig oder schamlos korrupt sein, um das auszuhalten; jedenfalls muß ich all die Sehnsucht, gut dazustehen, fahren lassen. Ich muß mich als Nichts aushalten, wenn ich überleben will. Ich bin gut geübt darin, aber manchmal schmerzt es doch! Mein kleines Ich (hinter oder vorm großen Ego) will manchmal auch etwas sein: zur Tochter sagen: das Zahle ich dir! Oder zur Familie: ich lade euch alle ein zu … einem Fest zum Beispiel. Oder einen Laptop kaufen, der nicht brummt und abstürzt und der klaglos funktioniert. Oder eine gute Musikanlage besitzen und stolz vorführen. Wie gesagt: ich bin gut geübt, das aus-zu-hal-ten!

 

(13.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2195 Die Weide

 

Nun ziehe ich in meiner Kammer die Jalousie hoch und lasse das Regenlicht herein. Im Atelier draußen, hinter dem Glas des großen Fensters, tobt still der Wind und beugt die geliebte Weide. Die wird fast jedes Jahr zurückgeschnitten, weil sie im Sommer Schatten, eigentlich lichten Schatten macht. Die Leute haben noch nicht verstanden, wie wichtig der Schatten bald sein wird. Die Weide jedoch wächst einfach weiter, richtet sich wieder auf. Mir tut es aber jedesmal weh, wenn sie gnadenlos zusammengestutzt wird.

 

(13.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2194 Hoffentlich

 

Ich warte auf den Anruf. Dann werde ich hoffentlich in der richtigen Realität aufwachen und aufspringen und die Wohnungstür öffnen …

Alles erklärt sich von selbst.

Hoffentlich seitlich …

 

(13.4.2021)

 

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Montag, 12. April 2021

2193 Zucken

 

Bilder, Laute und Gedanken zucken. Einzelne Gegenstände, Geräusche und Gedankensplitter springen nach vor – sehr schnell, sehr kurz – und wieder zurück. Außerdem liegt ein allgemeines Flirren und Moussieren  in der Luft. Das Stilleben hält nicht still und lebt tatsächlich. An meinen Wangenknochen zieht etwas.

 

(11./12.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2192 Die Brücke

 

Mein Laptop ist abgestürzt und läßt sich nicht mehr starten. Mitten im Krimi. Die Ehefrau hat gerade den Callboy weggeschickt, weil sie das doch nicht kann. Das Laptop spinnt schon die ganze Zeit: brummt, surrt, röchelt. Ein neues? Bei meiner Pension? Vielleicht schenkt mir der Blüml eines von denen, die er loswerden will. Irgendwelche Pics kann man ja löschen. Ja, das würde ich annehmen.

Schon der vierte oder fünfte Ausfall heute. Ich schreibe nur, um den Entzug auszuhalten. Was stream ich da in mir nieder? Schlafen kann ich noch nicht. Zum Lesen wäre genug da, es passt mir nichts. Nicht einmal Musik. Dafür kann ich jetzt die Lichtstrahlen der Deckenlampe sehen. Jetzt nicht mehr. Mein Zimmer wirkt vollgeräumt und nackt. Es fehlt jeder Flair, jede Geborgenheit (keine Deckung), wie ich sie sonst kenne. Alles ist sinnlos und lustlos angeordnet. Mein Elfenbeinturm aus Büchern und Staub schützt mich nicht mehr. Auch ich selbst bin super nackt. Was war meine Leistung? Diese ganze Anhäufung da kann mich nicht retten (aber wegschmeißen werde ich dennoch nichts! Einen zweiten, dritten döbranitischen Anfall von Selbstzerstörung lasse ich nicht zu!). Ich schau, ob mir das Laptop wieder anspringt, zumindest diese Folge der „Brücke“ will ich zu Ende sehen.

 

(9.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 9. April 2021

2191 Ferdinand

 

Die Tagis haben das Auto Ferdinand von Janosch vorgelesen bekommen und mitgesprochen und absolvieren gerade ihr fröhliches vor-mittagsschläfliches Herumtoben; bald wird es ganz ruhig sein. Das heißt: mein Frühstück ohne Kaffee, weil die Kaffeemaschine zu laut wäre und die Kinder aufwecken könnte. Das macht nichts; ich bin sowieso mehr ein Nacht-Kaffeetrinker. Ich werde mir einen kuhlen Kräutertee mischen (tatsächlich habe ich dann auch noch wilden Lattich beigefügt). Ich habe gestern bis über drei eine skandinavische Krimiserie geschaut und schlafe gerne lang und viel. Mit der Schreiberei habe ich mein Wachbewußtsein stabilisiert und wenn ich jetzt gleich aufstehe, bleibt es dabei.

Auch ich bin fröhlich und freue mich auf den Tag. Das wird nämlich ein schöner!

 

(9.4.2021)

 

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2190 Hart

 

Am hellen Vormittag in der Küche gehockt. Jetzt wieder frisch und gsund und munter im Bett. Sofort verdunkelt sich das Licht. Ich bin erleichtert, dass alles vorbei ist. „Alles“ - was für eine Übertreibung! Der Besuch des jungen Installateurs. Im Vorfeld verzweifle ich fast; spiele bloß tapfer mit – ich fürchte mich nämlich. Hier und im Konkreten völlig zu Unrecht. Der Installateur war ein ganz friedlicher Mann. Aber die Angst vor der Welt und der Dualität werde ich – scheint es – nicht mehr los.

Ich gleite ab und bin in Gedanken wieder einmal vor meinem inneren Gerichtshof und versuche mich zu verteidigen und rechtzufertigen. Aber mehr als mitleidserhaschendes Gejammer kommt nicht heraus. Ich versuche hart und stark zu werden. Hart genug für die Welt.

(Haha, im Geheimen weiß ich eh wie's geht!)

 

(8.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2189 Kora

 

Ich horche schöne, schwermütige Koramusik aus Westafrika (Sona Jobarteh). Wie das in meine Seele klingt! Die Nacht ist meine Zeit. Egal, dass ich morgen früh aufstehen muß. Egal. In der Nacht spüre ich mein Herz und mein Geist entfaltet sich. Die Intensität nimmt zu. Die meisten Menschen schlafen; ihre Bewußtseine senden nun auf einer anderen Frequenz und stören meine nicht. Oh du schöne Welt! Hier kann ich wirklich allein sein. Ich bin so glücklich. Diese Musik ist so schön. Sanft, lebendig, voller Schmerz, voller Lebensfreude, zart und kraftvoll.

 

(7./8.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 7. April 2021

2188 Sieben Minuten

 

Ich atme mich langsam und mit Rückfällen aus den Traumfetzen. An den entscheidenden Stellen – Durchbruch der Membran zu unserer Welt – immer mit einem kleinen, klaren Schock. Ich denke an ein verloren gegangenes Freundespaar, und an ein vielleicht ähnliches meiner Eltern. Warum – erschließt sich mir nicht ganz. Meine Atemzüge arbeiten noch zittrig. Aber wir sind schon eindeutig im Diesseits. Ich nehme schon die Gedanken für die notwendige Einkaufsliste in mein Repertoire auf. Tiefe Atemzüge stabilisieren das Realitätssystem. Wir haben die Welt wiedereinmal erschaffen. In etwa sieben Minuten.

Aber die Bücher im Bücherregal bewegen sich doch noch.

 

(7.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2187 Normales Licht

 

Ich kann dem Licht – nicht dem Sonnenlicht, dem normalen, weißen, grauen – zusehen, wie es beim Fenster hereinfließt, sich zum Beispiel über den CD-Stapel ergießt und in Kaskaden herunterfällt. Oder sich an der aufgebogenen Ecke eines Papierzettelchens am Rande des Schreibtisches staut. Über die über die Rückenlehne meines Schreibtischstuhls gelegte Tagesbettdecke rieselt ... in den Fensterscheiben umgebaut wird ... sich um die Mauerkanten schleicht ... am Holzfußboden zerrinnt … von der metallenen Kante des Griffes des Tackers magnetisch angezogen wird … durch meine Zimmerluft diffundiert …

Ich habe mich – nachdem ich schon auf war – wieder hingelegt. Ohne gröbere innere Kämpfe. Ich bin im Frieden mit mir. Ich darf wieder einschlafen.

 

(7.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2186 Qualitäten

 

Der Morgen hat schon seine Qualitäten. Jetzt, bei offenem Fenster. Waldesrauschen aus Stille hüllt mein Haupt ein. Zuckungen in der Aura. Eine einsame Klospülung zerstört die Stille nicht. Jetzt tut sich was – schon wieder vorbei. Dieser halbnackte Gedenkapparat arbeitet fleißig: Idee zu einem Post in der Gruppe „Einwortgedichte und andere Wortspiele“: Qual: i tät'. Die Katze geht.

Obwohl sich mein „Waldesrauschen“ akustisch nicht geändert hat, eignet ihm nun eine aktivere, wachere, alltäglichere Qualität.

Mir wird kalt. Ich werde das Fenster schließen.

 

(7.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2185 Nicht so schlecht

 

April. Was ist das für ein Monat? Eigenartig: mir kommt vor, da habe ich in Schulzeiten die meisten Fünfer geschrieben. Natürlich kann ich mich nicht erinnern, wann ich welche Noten geschrieben habe, aber irgendeine elendige Assoziation habe ich. „Ich fürchte mich nicht, daher will ich mich meiner erinnern.“ Schön wärs! Mein Albträume jedoch erheben Einspruch.

Das Rätsel meines Lebens werde ich wohl nimmer lösen. Jetzt drängt sich sich in meine Gedanken auch noch der bajuwarische Affenarsch! Aber immerhin ist mir in diesem Moment die Widerlegung eines seiner Vorwürfe gegen mich eingefallen. Der Vorwurf könnte schon dreißig Jahre her sein; die ganze Zeit hat er in mir gearbeitet, jetzt konnte ich ihn entkräften. Ich könnte auch sagen: ein toxischer Splitter des döbranitischen Granatenangriffes auf mich hat sich aus meiner Seele herausgearbeitet. Dann sind mein seelischer Blutkreislauf und meine seelische Selbstheilungskraft doch nicht so schlecht!

 

(6./7.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

2184 Offen

 

Das Fenster ist offen. Die Luft ist kühl und feucht. In meinen Augen nistet Müdigkeit, in meiner Seele Schmerzen, die heute weiter entfernt sind als gestern. In meinem Gedärm hockt irgendetwas Unverdauliches. Bei meinen beiden Ohren das übliche Gesurre. Durch meinen Energiekörper laufen von Zeit zu Zeit Zuckungen, die meiner Wahrnehmung kurze, ruckartige Verschiebungen verpassen.

Leichte Brisen kommen durchs Fenster herein und ich lauere auf ihre Botschaften. Still ist es, nur von ganz weit weg, kaum hörbar, kommt ein Geräusch, das wie Preßlufthämmern klingt.

Die Seelenschmerzen pressen mir heute auch nicht so wie gestern die Brust zusammen und treiben mir auch keine Tränen in die Augen.

Da draußen in der Nacht spielt es sich ab. Ich habe mich hier verkrochen und harre aus. Das Gefühl, hier in der Welt fremd zu sein, wurde wieder stärker.

 

(5./6.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 5. April 2021

2183 Wie Espenlaub

 

Die ärgsten Albträume seit Langem, Langem. Die Angst sitzt mir in den Knochen und meine Seele zittert noch wie Espenlaub. Ich werde gejagt, nachdem mir ein Mordanschlag zur Befreiung misslungen ist. Ich bin schon dreißig Minuten wach, aber befinde mich noch im Albtraum und kann mich nicht von ihm lösen. Weder kaltes Wasser im Gesicht oder trinken helfen das Entsetzen zu verjagen. Mein Leben ist keinen Pfifferling wert; verstecken ist sinnlos, ich werde von den Jägern gefunden. Ich kann immer noch nicht sprechen, der Schock hat mir die Rede verschlagen. Nicht einmal „Guten Morgen!“ geht. Wellen laufen über meinen Energiekörper – Abstand zum physischen zirka ein, zwei Dezimeter. Und weißt du, wer da in seinem Blut liegt? Am Dachboden erschossen. Das Schnurren der Katze beruhigt mich heute nicht.

 

(5.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2182 Leute!

 

Leute! Ich bin so elend, so elend. Meine Ohren surren wie verrückt, um meinen Schädel hüllt sich eine fluide Substanz, die den Umraum verzerrt – oder verzehrt? - und die Schwerkraft verringert – fast hebts mich ein wenig in die Luft - und ich habe in meinem Leben nichts erreicht. Ich bin so grausam gescheitert. Abgestellt in einer Sackgasse ohne Ausweg – ich meine, zum Umdrehen und Zurückgehen ist es viel, viel zu spät. Ich kann nur demütig und stumm herumschleichen und froh sein, dass mich niemand erschlägt. Ich bin nichts, gar nichts. Wenn ich es nicht schaffe, das zu akzeptieren, wird mein Restleben die reine Hölle, für jeden Krümel, den ich verzehre, werde ich mich zu unwürdig fühlen.

 

(4./5.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2181 Kreuzworträtsel

 

Der Regen hat aufgehört und mit den letzten Tropfen, deren Abstände immer größer werden, werde ich immer ratloser. Wer bin ich? Was tue ich hier? Wie kann ich meine Gestalt vor der Leere schützen, dass sie sie nicht gänzlich aufreißt? Den Thriller, den ich gerade angefangen habe zu schauen, habe ich vor Überdruss abgedreht, beim Lesen des tollen Buches will ich in meiner Aufgewühltheit eine Pause machen. Außerdem spinnt mein Laptop und brummt und surrt wie wahnsinnig und laut und bleibt beim Streamen dauernd hängen. Also habe ich keine Lust mehr, mich bei Facebook, Arte, Zd- und Orf und Co herumzutreiben. Also was jetzt? Musik? Kreuzworträtsel? Katzenstreicheln?

 

(3.4.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   April 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 3. April 2021

2180 Nachher in der Albertina

 

Nach dem Rundgang in der Albertina. Ich sitze im überdachten Innenhof, dort, wo die Kassen sind, auf dieser Steinbank und ein Plastikverschlag spiegelt mein Abbild. Ich bewege meine linke Hand und entdecke im Spiegelbild ein Aufblitzen: meine sinnlose Sturm-Graz-Uhr (die nicht geht) fängt in einer bestimmten Position einen Lichtstrahl auf und wirft ihn mir zu. Ich suche diese Lichtposition meiner Uhr wieder zu finden und zu halten. Es dauert lange und braucht Geduld. Endlich gelingt es mir. Jetzt könnte ich mir mittels Lichtstrahl Botschaften morsen. Wenn ich das Morsealphabet kennte.

 

(31.3.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   März 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2179 Vor der Albertina

 

„Das Karma wird es schon richten! das Karma wird es schon richten! was wären denn das für Geschichten!“

Ich sitze vor der Albertina oben auf der Rampe und bin „Gar nichts!“. Hören tu ich John Frusciante mit Omar Rodriguez-Lopez. Die Sonne bestrahlt mich von hinten und stärkt mir den Rücken; den Blick auf den Eingang. Es ist sehr warm und ich bin nicht arm. Ich bin nicht tot, ich trag keine Farbe rot. Ich lausche dem hinreißenden Gitarrenspiel.

 

(30.3.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   März 2021   peteraloisrumpf@gmail.com