Freitag, 31. Dezember 2021

2531 Alltägliche Sonne

 

Am Süwesdadog unabsichtlich in Asia häuslich geworden, weil alle anderen Perlen schon zu haben. Aber auch im Karmeliterviertel – Juan de la Cruz – wo ich mir den jahreswechselnden Bauch vollschlagen will (nicht voll schlagen!). Ich habe heute noch Großes vor. Dafür habe ich heute Abend alles abgewimmelt.

Noch scheint die alltägliche Sonne, wenn sie auch schon tief unten wandert. Und ich bin als Orientierer tätig; obwohl es eirklich nicht so leicht ist, die Perspektive eines anderen einzunehmen.

 

(31.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 30. Dezember 2021

2530 Zack Zack

 

Zack, zack, ab ins MAK. Neben schönem Embacher-Collection-Spiegel sitze ich und warte auf den Kaffee. Ich liebe Plafonds, aber ob ich den da oben mag, weiß ich nicht so recht. Der ist mir nicht ganz geheuer. Das 19. Jahrhundert und der Jugendstil werden mir schnell zu viel. Das edle Getue auch. Da komm ich mich gleich als letzter verbrunzter Bauern-Prolet, der schwitzt und stinkt, vor. Gottseikrank ist die – der Kaffee ist angekommen - Untertasse saftbekleckert; und Gottseikrank muß ich sie nicht angreifen, denn pickertes Zeug an den Fingern mag ich nicht. Auch das Kaffeelöffelchen hat – Gottseikrank – anscheinend ein paar Gebrauchsschrunden. Meiner Gattin ist ohne Zeitschrift und Zeitungen fad. Ich schaue auf das linke und das rechte rote Licht hinter den Schusterpalmen beim Aus-Ein-Gang: durch die Glastür dort sehe ich die MAK-Stiege. Interessanterweise stört mich das laufende Flucht-Weg-Hinweis-Schild-Manderl nicht und strapaziert auch nicht meine Nerven. Mir ist gar nicht aufgefallen, wann ich meine Aversion gegen dieses Zwangsdesign aufgegeben habe. Meine linke Hand habe ich aufs Notizbuch gelegt, als würde ich etwas verbergen wollen, aber ich will nichts verbergen – meine Schrift kann ich selber nicht immer lesen und schreiben in der Öffentlichkeit ist mir selbstverständlich. Nicht so das Zeichnen – das geht nicht. Fürs Zeichnen geniere ich mich. Ja, der moderne Mensch versucht, es sich im Funktionalen gemütlich zu machen (DJM in C.C.), aber es gelingt nicht recht, wie man an den Gesichtern sehen kann. So befaßt sich mein Geist mit der Frage, warum dort an der Tür „GParis Hongkong ICairo“ steht. Für Kaffeehausmelancholie bin ich eh empfänglich. Ich freu mich schon auf morgen – das sage ich, damit ich die essenden Mädels gegenüber am Nachbartisch nicht angaffe. „Essentiell“ wäre auch so ein Wort. Das trübe Kaffeelöffelchen gefällt mir. Ein Sitzbank-Rückenlehne-Polster-Überzug wie Geschenkpapier. Meine Gattin säuft wie ein Loch: zuerst Apfelsaft, dann Ingwertee. Alles gleich weg, während ich am Kaffee herummümmel. Der Kaffee ist übrigens sehr gut.

Zu Hause stelle ich beim Essen fest: (vergessen).

 

(30.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 29. Dezember 2021

2529 Kleiner Nagel

 

An einem kleinen Nagel, der ins Bücherregal geschlagen ist, an dem ein kleines Photo einer kleinen Arbeit von mir hängt, sehe ich nun das entscheidende Glitzern. Das Glitzern und Leuchten, das den Unterschied von hier und dort ausmacht. Nur kurz, aber deutlich hat dieses grünliche Licht aufgestrahlt. Die Wäsche ist vermutlich schon fertig, aber ich gehe noch nicht hinunter, bis der mysteriöse Traveller vom Wetterbericht fertig ist. Keine Ahnung, wie spät es ist. Der Kürzere tipselt auf seinem Sax, der Erdberger Sepp klopft pianistisch herum.

Ja, ich bin mit der Welt auf Du und Du. Aber die Welt nicht mit mir. Der akustische Wind kommt auf.

 

(28.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2528 Alberto

 

Der Arbeiter von Marie-Louise von Motesiczky. Zum ersten Mal sehe ich den Schatten des Mannes und des Stuhls, auf dem er sitzt. Als flösse etwas von ihm weg; etwas Trübes. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist oder einfach nicht zu bewerten. Sein Gesicht ist so freundlich und er lächelt; sein Umraum so exakt und scharf; die weiße – aber nicht ganz weiße – Wand hinter ihm so intensiv und bewegt. Ich trau mich hier nicht zu zeichnen; ich habe Zeichenheft und Bleistifte mit; der Saal wäre gerade menschenleer. Aber ich traue mich nicht; das Zeichnen ist mir nicht (mehr?) selbstverständlich. Die Konturen scharf, die Flächen lebendig. So hat die Malerin den Umraum gemalt. Ich gehe zum Bild hin und schaue mir die Augen des Arbeiters aus der Nähe an: ich kann weder in seinen Augen, noch überhaupt in seinem Gesicht irgendein Arg entdecken. Und der Schatten? Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.

Ganz neu für mich: Pawel Filonow. Interessante Kompositionen.

Giacomettis Schatten sind so tief, seine Landschaft so, so … verstört.

Und Gauguins Bretonin ist wunderschön.

Neu für mich: Michela Ghisetti. Manche Bilder wirken plastisch, wie übereinandergelagert Landschaftskarten, Sternenhimmel im LSD-Rausch und Einschusslöcher, einmal im Sonnenlicht, einmal zur Nacht. Und erst der magische Teppich: Darstellung der Erinnerung aus einer seismographischen Erkundung der – anderen? - Welt. Der anderen Welt! Und die emotionalen Lichter – so zart.

Noël, Noël – habe erst jetzt das Zusammenspiel mit der Weihnachtszeit gebongt. Ja, da raste ich.

Bei Cecily Brown (warum denke ich immer, sie wäre eine Schwarze?) fühl ich mich wieder richtig wohl. Der Wiedererkennungseffekt? Kirsch? Perlen? Ist es ein bißchen orgiastisch? Ist es das? Der Hirsch ist auch nicht ohne.

Lassen wir's gut sein.

 

(28.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2527 Tapfer

 

Der Wecker hat geläutet. Ich habe die Bettdecke zurückgeschlagen, habe meine Füße auf den Boden gestellt und am Bettrand sitzend die Brille aufgesetzt und den Wecker gestoppt. So bin ich eine Zeit lang dagesessen und habe mein Alltagsich und mein Gleichgewicht gesucht. Jedoch hat dann mein noch unvollständiges Ich beschlossen, ins Bett zurückzukehren und unter die Deck' zu schlüpfen. Wieder aufgewacht bin ich mit dem Pilotstift im linken Ärmel, den Kopf nach links geneigt, aber noch tapfer im Bett sitzend.

 

(22.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 21. Dezember 2021

2526 Albertinische Notizen

 

Modigliani bloß durchlaufen. Ich werde nicht wirklich warm. Neue Entdeckung: Maurice de Vlaminck, Die Seine bei Chatou: frisch, froh, farbig, bunt und schön. Manguins Akt: ich schau immer noch gern auf diesen schönen Weiberarsch und lasse den Garten herum sich auflösen. Vuillards Blaues Zimmer: die Realität wird zur Wirklichkeit gewirbelt. Und wie immer die erste Rast bei der Werefkin sitzend; da bin ich immer hin und weg. Das Tier, das durch den Wald schleicht; die Männer, die im nächtlichen Sturm im Café Unterschlupf suchen. Das Tier ist freier. Ich drehe mich auf der Sitzbank zu Jawlenskys Bunten Berg bei Oberstdorf um. Eine Reise in die stillere Vergangenheit ohne jede hässliche Sportsendungsästhetik.

Die futbuschigen Frauen vom Kirchner. Gut, trotzdem wandere ich an seinen Bilder ohne Stopp vorbei. Raste wieder ein bisserl bei Munchs Winterlandschaft am Meer, aber ich schiele schon zu Kokoschkas London im nächsten Saal.

Bei Kokoschkas London und Kokoschkas Dresden gibt es keine Sitzbank mehr! Ich bin empört! Dort zu rasten und zu schauen war immer das Herzstück meiner albertinischen Pilgerreise! Streife beim Verlassen des Saales die Damen Boeckls nicht ohne Vergnügen.

Sitze jetzt beim depperten stehenden Kardinal und betrachte meine Gestalt im Spiegel (wie das Mädchen der Aufsicht, das sich die Haare richtet und jetzt ans Fenster neben mir tritt und hinausschaut. Nun redet sie mit einem hüftgeknickten Aufsichtsburschen. Ich stecke mir zum Selbstschutz die musikalischen Ohrenstöpsel rein (Omar-Rodrguez-Lopez-Group). Ich werde weitergehen; das wird heute ein schneller Durchmarsch.

Streife den verehrten Klee im Abgang. Der nächste Saal bietet mir zwei Dinge: eine Betrachtungssitzbank und den lieben, lieben Arbeiter von Marie Luise von Motesiczky (das ist die, die mich im Bett von der Wand durch ihren kleinen Tischspiegel anschaut und einen schönen Mund hat). Aus der Nähe zerbröselt der Arbeiter ein wenig. Ich gleite an den zwei kleinen Chagalls vorbei und ignoriere den Picasso. Und liebe im nächsten Saal die vier schönen schlanken Frauen von Giacometti und deren Schatten (dass mir durchaus feste Frauen gefallen können, hat damit nichts zu tun). Oh diese Schatten! (Ich sollte mal in leichtem, sanftem Delirium hier durchgehen). Und Giacomettis düstere (?) Landschaft 1952 fesselt mich immer wieder. Von weitem ein schneller Blick auf Max Ernsts „Silence“. Nächster Saal: wieder Picassoignoration und raus!

Von Weilers Batliner verabschiede ich mich so, wie ich ihn begrüßt habe: mit schwach militärischem Gruß!

Soll ich bei den Sphinxen rasten? Nein, ich will – obwohl schon hungrig – noch Notizbücher kaufen.

Über die laut rauschende Rolltreppe fahre ich in den Keller zu Martin Noël. Doch. Gefällt mir. Kannte ihn nicht. Gefällt mir vor allem nach den bedeutungsfanatischen und geheimnisschwanger-überkandidelten Sphinxen. Fast nur „Mauersprünge“ und „Holzwurmfraßkanäle“ - wie ich einmal sagen würde – wie erholsam! Auch der farbenfrohe Marxismus-Leninismus - oder wofür immer das Kürzel „M.L.“ halt steht! Oh wie erholsam ist diese schlichte Graphik für Auge und Seele, sie genießen es. Die Ottos & Co gefallen mir weniger, die sind mir schon zu glatt. Die Schlichtheit ist schon zum bedeutungserheischenden Prinzip geworden. (heißt „Otto“ ohne Titel?).

Den Warholič mag ich einfach nicht, und das meiste dahinter auch nicht, außer Cecily Brown, und eventuell Katharina Grosse. Sully geht auch (für mich! Ich rede immer nur für mich. Ich bin weit davon entfernt, mir eine objektive Einordnung der Kunstwerke anzumaßen! (Vielleicht auch gar nicht so weit)). Ebenso: die Liliane Tomasko kann ich vertragen.

Naja, und Nitsch ist halt Nitsch! Ein wagnerianisch-kitschiger „Vollzugswichtigtuer“ (Wolfgang D. Affenarsch), dessen bildlichen Ergebnisse man manchmal ein bisserl anzuschauen aushalten kann.

 

(21.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2525 Großmutter

 

Der Traum, der an mir noch herunterrinnt – eine Mischung von Zug- und Künstlertraum. Und irgendwas war schon wieder dabei, schief zu gehen. Meine Bücherwand erstrahlt im grauen, nun auch offiziellen Winterlicht. Das, was sich direkt um meinen physischen Körper abspielt, läßt mein Ich schaukeln. Mit „Ich“ meine ich hier mein Zentrum der alltagsbewußten Wahrnehmung und körpernahen Empfindung. Ich will jetzt aufstehen, aber Traumreste und Verschlafenheit verhindern noch meine beabsichtigte Großtat. Wirklich ausgeschlafen bin ich nicht.

Meine Großmutter väterlicherseits hatte auch Zöpfe, die sie immer zu einem Vogelnest vulgo Gretlfrisur gelegt hatte. Einmal, als ich als Kind alleine für eine Woche bei ihnen zu Besuch war, und sie abends schon im Nachthemd – Oder morgens? Noch? - ihre Zöpfe aufmachte um ihre Haare zu kämmen, sah ich sie zum ersten Mal mit langen Haaren und ich starrte sie gebannt an, denn sie kam mir so mädchenhaft vor. Sie fragte: „was schaust mich so an?“ Aber ich wußte keine Antwort. Erwachsene Frauen mit offenen langen Haaren gab es in meiner Kindheit nicht.

Mali Lošinj kippt. Rettenschoess rutscht. Donnersbachwald explodiert. Veli Lošinj verglüht.

 

(21.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2524 Lötzing und Rettenschoess

 

Das kleinere Veli Lošinj/Lussingrande/Groß-Lötzing (verdammt! Ich habe immer veliki Lošinj geschrieben!) ist schon dabei zu verglühen. Rettenschoess hat jetzt eine Rutsche. Es geht ein Ri Ra Rutschemann … Gut, ich gebe zu: die Rutsche ist die Mauer der letzten Tage. Das Kind, der Bub, in größeren Mali Lošinj/Lussinpiccolo/Klein-Lötzing betet immer noch inbrünstig. Der Rettenschoesser Rieseninuit ist noch da. Ihm scheint die Sonne auf den linken Ärmel des Anorak, sodaß der glänzt. Jessica verglüht auch allmählich. Ich glaube, ich habe mich mit und an meiner Kemenate totgeschrieben: ich blick umher und find nix mehr.

 

(20./21.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2523 Unglaubliche Provokation

 

Es tut mir leid, falls ich euch provoziere, aber das Kind in der Mali-Lošinj-Kurve betet heute, während der Wind die paar Boote zur Kaimauer drücken will. Die frankophone Schweizerin hat heute einen Augenhöhlenblick – ihr kann es nicht gut gehen – und bei den zwei Visionären sind es die verschlossenen leicht geöffneten Münder. Die Frau im Spiegel schaut mir eher gelangweilt zu (kein Wunder! Was spielt sich hier bei mir schon ab?). Es juckt mich überall.

Die Welt ist stecken geblieben und frustriert. Jesus hat als Auferstandener einen Hut auf. Die Frau im Spiegel hat einen schönen Mund. Die Welt ist stehen geblieben, obwohl es draußen stürmt. Der trefflichste Kubin eilt doppelgestaltig nach links über die Brücke. Die Regentropfen beruhigen nicht, sondern nerven. Ahja! Vollmond ist!

 

(19./20.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Sonntag, 19. Dezember 2021

2522 Calypso Frelimo

 

In meiner Kemenate sitze ich heute anders am Bett und habe deswegen eine andere Perspektive: ich schaue nicht auf die Bücherwand, sondern direkt auf meinen Hausaltar: auf den Pappendeckelgrimming und die Steinchenbuddharin, den Weinfassjesus und das Hochzeitsphoto, den Gottesdienst und das leere Grab, auf „Ich-habe-einen-Fisch-berührt!“ und Johannes Tauler, auf die Laubblattgalerie und den Weichbrunn, auf Karl-Kraus'-Chaos und „Wie-die-Zeit-tickt“, auf Maria Magdalena und Teresa von Avila, auf Genesungswünsche und Geburtstagsgrüße, auf den Schutzengel und den Fußball, auf die kleine Flamme unter der Weihrauchschale, auf den Weihrauchkessel, auf das Weihrauchstövchen, auf die Walkingstecken, auf meinen Kleidersessel, auf das feine Miniaturbild von Jana Vizjak und irgendeinen vergessenen, zur Erinnerung aufgetackerten Code. Von unten ertönt ein dreistimmiges OOOOOOOHHHMMMMMMM. Ich hoffe, ich kann bald runter und Geschirrspüler und Wäsche machen.

Die Lichter der gegenüberliegenden Häuser leuchten mit ein paar Sternen zum Fenster des Musikzimmers herein und spielen zusammen mit denen des Plattenspielers und der Teelichtkerze. Die Dunkle Nacht und die Musik von Miles Davis („He Loved Him Madly“ aus „Get up with it“) ist meine Advent- und Weihnachtsinszenierung: so sanft, so schön, so voller Sehnsucht … - bleibt die Platte jetzt hängen und ich muß sie händisch weiterbringen. Aber die Musik ist so dicht, dass sich die verletzte Lücke wie in einem Ozean sofort wieder schließt. Und hat gerade zu ihrem feinen, linden Rhythmus gefunden.

Die Schatten der Pflanzen am kerzenlichtglänzenden Heizkörper: wie aus einer anderen Welt.

Die Flamme des Teelichtes stößt in kleiner, stiller, permanenter Revolution Lichtkorpuskel aus. Ich kann sie sehen.

Ein unglaubliches festgewölbtes Wolkenband – ich glaub es rückt heran.

Nein, es zieht nach rechts ab.

Eine luftig lockere Wolkenformation kommt nach.

Ich wußte nicht, dass mein Raumschiff so groß und geräumig ist.

Der unglaubliche Calypso Frelimo.

Draußen zieht das hier nicht ganz so wilde G'loat vorbei.

 

(17.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 17. Dezember 2021

2521 Dreiradler

 

Noch im Bett strecke ich meine Glieder; ich bleibe bis die Tageskinder vom Mittagsschlaf aufgestanden sind und ich mir einen Kaffee runterdrücken kann. D'Afriaca und Woldrin – so heißen die Inseln in meinem Traum, in den ich abgeglitten bin. Der Nachklang lauter Geräusche in meinem Ohr suggeriert mir, dass während meines Kurzschlafes heroben irgendwas Gröberes passiert ist. Aber ich bemerke nichts. Der Inuit im Anorak und der Berggeist hatten vorher schon Rettenschoess verlassen. Mir kommt vor, ich werde von der Realität reingelegt. Ein Tageskind ist schon wach, aber die anderen schlafen noch. Das höre ich heroben. Mein Hilfsgeist die Katze ist die ganze Zeit bei mir und will gestreichelt werden. Ich wechsle ab: einen Satz schreiben – einen Satz Streichlerei. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass es die energieaufwirbelnde rechte Schulter ist, die meine frankophone Schweizerin vorgestreckt hält. Wohl auf Ansage des Malers. Manchmal sind es zwei Sätze, die ich schreibe, bevor ich die Katze wieder streichle. Ich bin ja nur froh, dass sie mir nicht auf den Bauch klettert und sich auf mein Notizbuch legt.

Über den Begriff „Absicht“ als Übersetzung von „Intention“ in meinen „Heiligen Schriften“ („Ironie ist ein Idealismus, der sich nicht traut“ Romano Guardini) bin ich nicht so ganz glücklich, weil im Deutschen „Absicht“ oft als Begriff für das verwendet wird, was mit „Intention“ nicht gemeint ist, in der Übersetzung „Vorsatz“: „man merkt die Absicht und ist verstimmt“, vom unsäglichen Gth. Es bei „Intention“ zu belassen, würde mir als Ex-Katholen vorne beim Altardienst besser passen, weil es da den Begriff „Messintention“ gibt. Damit ist - jetzt steigt mir die Katze über den Bauch – damit ist die Absicht, ein bestimmtes Anliegen via Heiliger Messe im Transzendenzbereich zu bearbeiten; zB für einen Verstobenen oder für die Heilung von einer Krankheit ö.ä., gemeint. Aber das Wort „Intention“ funktioniert im Deutschen nicht: es wirkt aufgesetzt, im Gegensatz zu den romanischen Sprachen und – vermutlich dank der normannischen Eroberung der Grande Bretagne – im Englischen. Bei uns bleibt die aufoktroyierte christlich-römisch-antike Kultur Fremdkörper, weswegen wir „Intention“ nicht als unser Wort empfinden können.

Die Katze legt sich auf meinen Schreibtisch, die Tageskinder unten fahren schon laut singend mit ihren Dreiradlern herum: ich kann mir jetzt meinen Kaffee machen.

 

(17.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2520 Block der Gläubigen

 

Ich gehöre zum Block der Gläubigen. Schließlich glaube ich ja alles. Im Moment würde mich interessieren, wie viel meine Bücherwand zur Wärmedämmung beiträgt. Jetzt interessiert es mich nicht mehr. Im Mali Lošinj finde ich wieder dieses Kind. Es hat den linken Arm zum Mund geführt, als esse es etwas. Aber nein! Es hält sich den Mund zu! Vor Schreck? Es schaut immer noch nach oben. Den in die Höhe gestreckten rechten Arm sehe ich nicht. Dafür daneben eine zweite Gestalt verschwommen auftauchen. Und beim Kind fällt mir seine Schattenseite auf: Hinterkopf und Rücken sind dunkel. Und heute blicke ich auch nicht von oben auf das Kind, sondern mehr von unten von der Seite. Veliki Lošinj verglüht sowieso. In Rettenschoess entdecke ich – zum ersten Mal – den Kopf eines greisen Mannes in einem Berg; könnte so ein Berggeist sein; aber jetzt entzieht er sich schon wieder. Verdammt! Jetzt stapft ein Riese, größer als die Berge im Vordergrund, im Kapuzenmantel durch die Gegend. Er geht von mir weg: ich sehe seinen Kopf und seine Schultern über den grünen Hügel ragen, der ihn halb verdeckt, und seine linke Seite min seinem linken Arm. Sein Anblick erinnert an einen Inuit im Anorak. Veliki Lošinj verglüht sowieso. 3:31 a.m. Von Müdigkeit keine Spur!

 

(16./17.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2519 Der blaue Fleck

 

Die kindliche Gestalt in Mali Lošinj ist stabil. Die Mauer in Rettenschoess auch, aber nicht so deutlich. Die kleinere frankophone Schweizerin ist verrückt und steht jetzt schräg. Von der Baustelle zwei Höfe weiter kommen feierlich-symphonische Geräusche. Veliki Lošinj schwebt über dem Abgrund. Der blaue Guardinifleck hinter der Büste im Bücherregal: dekorativ. In meinem Inneren wird ein Panzer gesprengt; von der Explosion werde ich wieder wach gerissen.

 

(16.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2518 Zwei Uhr

 

2h a.m. Heute habe ich mich früh ins Bett gelegt. Wie ich vom Bad zurück gehe, sehe ich aus dem Atelierfenster die kahlen Äste der Hofbäume sich gegen den ein wenig helleren Nachthimmel  abheben und da fällt mir ein: ich habe die Bäume – im Gegensatz zu früher – schon lange nicht mehr gegrüßt. Ich war am Fenster schon vorbei, bin zurück, um meine alten Freunde zu grüßen, die ich schon so lange vernachlässigt habe. Ich mache das immer so à la Mutter Teresa oder namasteatisch (jene ist mir abgesehen von dieser Geste in gar nichts, aber schon überhaupt gar nichts ein Vorbild!): ich falte die Hände vor meinem Gesicht, neige demütig den Kopf und schaue einen Baum nach dem anderen an und spreche zu ihnen, so à la „ich grüße dich Akazibam ...“. Ich weiß, wo sie stehen, ich finde sie auch in der Dunkelheit da unten. Sie haben mir geantwortet, wie sie es immer getan haben: sie schicken mir eine Energiewelle, dass mir ein leichter Schauder über den Rücken läuft. So antworten übrigens auch die Donau, die Sonne, der Wind und die Erde auf meine Grüße, die ja auch Energiewellen zu ihnen schicken. Aber ich gehe mit diesen Freunden so nachlässig um wie mit den menschlichen: ich vergesse sie oft für längere Zeit, gehe an ihnen vorbei, ohne ihrer gewahr zu werden, grüße nicht, vergesse oder ignoriere Geburtstage und ähnliches, um mich ein andermal wieder einzuschmeicheln und freundlich zu tun, als wäre nichts. Aber so schwankend verlaufen mein Leben und meine Fähigkeit zu Konzentration und Aufmerksamkeit; immer wieder drifte ich weg und bin woanders.

 

(15./16.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 15. Dezember 2021

2517 Gusch emonim

 

Gusch emonim. Reden die Götter Hebräisch mit mir? Und was heißt das? Oder sollte ich die Goschen halten und eine Ruh geben? „Couch!“ tät auch hinkommen, immerhin.

 

Jetzt ist es Stunden später und 13:23 und langsam Zeit, aus den Träumen auszusteigen. Im letzten habe ich im Traum zum ersten Mal eine Lesung zu halten versucht. Aber dann war das Lokal irre laut, ich habe die Zettel mit den Texten vergessen, alles war so fremd … Das war mit meinen Traumvernissagen auch immer so: meine Bilder waren verschwunden, oder ich wußte nicht mehr, ob das meine sind, oder ich war nicht mehr eingeladen oder Ähnliches. Ich darf einfach keinen Erfolg haben. Gilt auch für meine Traumauftritte als Musiker (E-Gitarre, Gesang). Man kann sagen, meine Träume sind in ihrer Kernaussage recht realistisch. Ich habe ja tatsächlich nirgends Fuß gefasst. Aber nun wird es Zeit, richtig aufzuwachen, die Träume abzuschütteln und zum Frühstück zu gehen. Höchste Zeit.

Die Mauer in der Rettenschoesser Landschaft erweist sich als tageslichttauglich (das Frühstück darf warten). Und mein Blick erweist sich immer noch als magisch: er entdeckt im Mali-Lošinj-Bild noch nie gesehene Wunder. Auch das Kind in der Hafenstraße ist noch da. Und in Rettenschoess sprühen die Berge weißlichtige Energie. Veliki Lošinj bleibt meistens erstaunlich stabil, aber es ist sowieso immer schon am Verglühen. In Mali Lošinj benimmt sich das Meer im Hafen jetzt eigenartig, zieht dort in der Ecke irgendwelche ihrer Kräfte zusammen. Aber jetzt! Mein Magen knurrt schon immer öfter.

 

(15.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2516 Kassettenrekorder

 

3:15 a.m. An der sensibelsten Stelle im Mali-Lošinj-Bild, dieser eckigen Kurve der Hafenstraße, die anscheinend mit dem Unnennbaren verbunden ist, erscheint heute wieder die Gestalt, die wie ein Kind aussieht, das eine Hand hebt. Eventuell könnte es auch eine Frau sein. Auch ein Mann ist nicht ganz ausgeschlossen (in ungewöhnlichen Kontexten ist die Größe schwer feststellbar). Den Rücken gestreckt, das Gesicht deutlich zum Himmel gehoben, reckt die Gestalt den Arm nach oben, als würde sie dort jemandem grüßend winken. Die Gestalt kommt nur bis zum Bauch aus der „Straße“; ich vermeine auch eine Sprechblase zu erkennen, deren Beschriftung ich jedoch unmöglich entziffern kann. Oder ist die „Sprechblase“ ein archaisches Blasinstrument? Es ist alles so unstabil. Nun taucht neben dieser Gestalt eine zweite auf, etwas größer, verschwindet wieder, kommt wieder zu Stande …

Obwohl das Mali-Lošinj-Bild unter meinem Plafond hängt, und ich herunten im Bett liege, schaue ich schräg von oben auf die Gestalt.

Auch im Rettenschoesser Bild hat sich etwas verändert, das ich kaum zu beschreiben weiß; eine Art Mauer zieht sich am Fuße des Berges und gringelt sich dann ein. Ja, das klingt blöd. Aber die fernen Berge im Hintergrund bleiben ganz realistisch.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich nirgends Fuß gefaßt: in der Theologie nicht, nicht in Kunst und Malerei, auch nicht mit dem Schreiben. Ich stolpere immer noch durchs Leben und bin in meine Pseudopension geflüchtet (Pseudo, weil ja vorher nichts war). Ich bin eine tote Ressource (vielleicht kann ich nach meinem Tod noch etwas mit meinen Resten düngen). Verständlich, dass ich nicht mehr aus meinem Zimmer will. Meine frankophone Schweizerin (die kleinere, die am Lautsprecher des Kassettenrekorders anmagnetisierte) blickt heute doch verkrampft und unglücklich drein – vermutlich ist sie nur aus Armut dem Maler Modell gestanden und hatte nicht wirklich Freude daran (ich lasse dich jetzt in Ruhe!). Früge man mich, ob ich religiös sei, könnte ich nur zwei Antworten geben: „Nein, überhaupt nicht!“ und „Ja, sehr! Gar sehr!“ - und das gleichzeitig. Es muß schon sehr toll sein – stelle ich mir vor – ein Aktmodell zu zeichnen oder zu malen, das das wirklich gerne macht. Jedoch habe ich damit keine Erfahrung. Wie gesagt: ich habe nirgends Fuß gefaßt.

 

(14./15.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2515 Drei G

 

Voller Grant, Gram und Greinen sitz ich unten im Wohnzimmer und warte – so wie aufgetragen - auf die Lieferung. (Aus größerer Distanz betrachtet wartet man dann immer auf den Tod.) Also gut! Schaue ich halt in die Luft; what shell's! Unterzuckert bin ich – glaub ich – noch nicht, oder merke ich es nicht? Ich kann ja mal den Hefen auf die Flamme stellen.

„Gas-droh-Nomie“ fällt mir ein. Und „Schas-droh-Nomie“. Dann „Schas-drohn-Omi“. Das ist etwas für meine kindischen Beiträge in die Facebookgruppe „Einwortgedichte und andere Wortspielereien“.

Nach diesem Ausflug in die Selbstidiotisierung – die ja, nähme man sie ganz, ganz wörtlich, gar nicht so schlecht wäre im Sinne einer Selbstermächtigung – schaue ich nun wieder in die Luft und warte auf den Lieferanten. Ich gehöre ja zu denen, die, wenn sie wissen, dass sie am nächsten Tag um 16h zB einen Termin haben, ab 18:30 des Vorabends nervös werden und nichts mehr anderes tun können, als dem Termin entgegenzufippern, und die sich angesichts des nähernden Termins bemühen müssen, ihr seelisches Gleichgewicht zu halten oder wieder zu erlangen und ihre Psyche vorzubereiten.

Im monotonen Ablauf meiner inneren Sirenensymphonie tauchen jetzt so kurze Ton- und Intensitätsexplosionen mit kurzen Tonhöhenverschiebungen auf, wo es mich kurz hebt, als wäre ich über einen Stein oder irgendeine Schwelle gefahren.

 

(14.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2514 Erlöst

 

Statt wieder weiterzuschlafen hock ich im Bett und warte auf Inspiration und Offenbarungen. Ahja! Die Rettenschoesser Landschaft ist zu einem Park mutiert mit einem eindrucksvollen Laubbaum in der Mitte. In Mali Lošinj erscheint an der anfälligsten Stelle in der Hafenpromenade eine kindliche Gestalt, die einen Arm hebt. Den zwei Visionären fliegen ihre vier Augen davon. Die Welt hat sich hinter meine zugefallenen Augenlider verlagert. Das ist mir eine Minute lang gar nicht aufgefallen. Ach, frankophone Schweizerin, zeig mir endlich deine nackten Brüste! Ich sehne mich so sehr darnach, sie mit meinem Blick zu liebkosen! Aber Gottseikrank poppen in mein Bewußtsein ein paar österreichische Korruptionsfälle auf und ich bin von diesem heiklen Thema abgelenkt und für den Moment erlöst.

 

(14.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2513 Piloten ist nichts verboten

 

Das Laptop ist abgedreht, das Buch (Richard Schuberth, Lord Byrons letzte Fahrt) beiseite gelegt. Und was jetzt? Ich verwende einen neuen roten Pilotschreiber (Piloten ist nichts verboten), den ich heute erst gekauft habe. Ich schaue mich im Zimmer um, ob sich etwas zeigt. Auf den ersten Rundblick kommt mir alles normal vor. Dann bleibt mein Geschau bei Kokoschkas Blick auf Linz hängen (In Linz müßte man sayn!). Meine Alltagswirklichkeit muß sich unglaublich gefestigt haben, denn nichts verschwimmt, nichts verändert sich, kein Bild kippt oder setzt sich neu zusammen, auch die zwei Visionäre glurren auf ihre Art ganz normal. Mein rechter Daumen verfehlt sein Ziel, die juckende Stelle oben an der linken Wange, und fährt mir ins Aug; aber rundherum ist alles ganz fest. Ich will die gegenüberliegende Bücher- und Bilderwand besser ausleuchten, aber meine in die entsprechende Position gedrehte Leselampe kann ihre Stellung nicht halten und so senkt sich der Lichtstrahl wieder zu Boden.

 

(13./14.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 10. Dezember 2021

2512 Spekulationen

 

Es müßte so halb drei nachmittags sein; soeben bin ich aufgewacht – beginnt es hier in meiner Lichtschachtkemenate schon leicht zu dämmern?

Die Tageskinder unten stehen eines nach dem anderen vom Mittagsschlaf auf; mir tropfen auch noch die Aufregungen und Emotionen meiner Träume meiner verschobenen Nacht von meiner Seele und dem Energiekörper ab und bin deshalb immer noch verwirrt und spekuliere über Naturwissenschaft und Religion – im weitesten Sinn des Wortes – in wissenssoziologischer Sicht. Ein/e Universitätsprofessor/in – egal ob theologisch, philosophisch, soziologisch oder naturwissenschaftlich – würde mir für meine Überlegungen keine missio canonica geben. Aber jetzt rieche ich in meiner Kemenate den Duft von Katzenscheiße, und da meine Katze mir öfters im Vorzimmer auf den Boden scheißt und nicht in ihr Kisterl – ob als Geschenk oder Protest ist umstritten – muß ich mich jetzt aus meinem Bett erheben und das Dings wegmachen.

Es war im Kisterl, aber meine Katze vergräbt ihr Produkt nicht mehr – und da bin ich überzeugt – weil sie gesehen hat, dass ich es eh wieder ausbuddle – sie will mir Mühe und Plag ersparen.

 

(10.12.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2511 Nicht gesprengt

 

Ungefähr sieben Uhr in der Früh. Die Luft in der Wohnung ist noch kalt, sodaß ich das in meiner Lunge spüre. Ich blicke zum Fenster hin und die Dämmerung, die sich ankündigt, ruft in meinem Herzen Trauer hervor. Verstehen kann ich das nicht. Oder hat das mit der transzendentalen Enttäuschung rund um Weihnachten zu tun?

Das Blau vorm Fenster ist deutlich heller geworden, der seelische Schmerz deutlich stärker. Der Druck auf Brust und Hals, herauf bis hinter die Augen blockiert meine Atmung, die sich durch unwillkürliche Seufzer zu befreien versucht. Angst schleicht heran und erzeugt Aufregung und Übelkeit in Magen und Körpermitte. Ich bin erstaunt, was sich da abgespielt und verstehe es nicht. Laute Stimmen im Stiegenhaus brechen meine Fixierung nicht, sondern verstärken die innere Aufregung. Auch die wieder eingetretene Stille hilft nichts. Meine unwillkürlichen Seufzer können die Brust nicht ausreichend dehnen, der eiserne Ring wird nicht gesprengt.

 

(9.12.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 8. Dezember 2021

2510 Weiße Lava

 

Ich starre ins Zimmer und das Zimmer starrt zurück. Nur wenn ich wegdöse und meine Strenge nachläßt, spüre ich, wie so manches sich zu bewegen beginnt. Die zwei Visionäre blicken aus ihren Farben kaum heraus; so schwach ist heute ihr Glurren.

Die Hafenstraße von Mali Lošinj kippt und dreht sich zur Seite und kippt wieder zurück. Auf der Riesneralm findet eine weiße Explosion statt, ein Vulkanausbruch mit strahlend weißer Lava. Meine Bücher verfärben sich ins Grünliche. Wenn ich die Augen schließe, höre ich einen Wasserfall der abstrakteren Sorte, ehe wieder das Surren alle Töne an sich zieht.

 

(7.12.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

2509 Eliminiert

 

5:30 a.m. Was mach ich jetzt mit dem angebrochenen Morgen? Im Traum vorhin war noch was. Die Heizung gluckert, der Regen tropft, die Katze schnurrt. Die geheimnisvolle Stille bereitet etwas vor. Das Leselicht ist so scharf in der Dunkelheit. Mein Blick auf die Bilder läßt mir sofort die Augen zufallen; ich kann dem kaum widerstehen. Der Auferstandene und der Zelebrant bekommen Geschwindigkeitsverwischungen. Meiner linken Hand rutscht mehr und mehr das Notizbuch aus dem Griff. „Eliminiert“ höre ich noch, dann starre ich schon ins Abstrakte.

 

(6.12.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

Freitag, 3. Dezember 2021

2508 Ja

 

„Ja“, denke ich mir, während ich nach dem Aufwachen so um eins, halbzwei herum im Bett liege und vor mich hin sinniere, „vielleicht stimmt das, dass man sich selbst dafür entscheidet, wo, von wem, bei wem, unter welchen Bedingungen und mit welcher 'Aufgabe' man in diese Welt gevögelt wird“ und zum ersten Mal könnte ich mir vorstellen, diese heikle Mission fromm und freudig angenommen zu haben – ob vorher überredet oder nicht. So a la Hände reiben und los geht’s! Blöderweise scheint es zu den Spielregel zu gehören – zumindest für die meisten Agenten – die von Her Highest Majesty – um einmal die weibliche Form zu nehmen – erteilte Lizenz zu Was-weiß-ich-was zu vergessen, weswegen es sein kann, dass man patschert und blöde im Sumpf stecken bleibt (oder am Flugplatz ohne Papiere, oder im Gasthaus zum Fröhlichen Deppen versandelt oder in dem zum Traurigen Clown oder auf einer Alm mit Alpindodeln in karierten Hemden oder ähnliches) und weder von seinem Auftrag, seiner Lizenz und seinen mitgegebenen Tools (da sind auch Flügel dabei, darum heißt es ja vögeln) und Knowhows (inklusive das zum Fliegen), die man zwar alle bei sich hat, aber nichts damit anzufangen weiß, beziehungsweise gar nicht kneißt, dass man mit dem präparierten Handschuh jemand abstechen kann zum Beispiel, oder was auch immer. Aber wie gesagt: heute habe ich mir zum ersten Mal vorstellen können, ich könnte drüben freiwillig und gerne, vielleicht sogar begeistert und mich geehrt fühlend, die mission impossible angenommen haben. Was ein erheiternder Gedanke ist. Reingepurzelt und auf den Arsch gefallen. Mit Gehirnerschütterung und weitgehendem Gedächtnisverlust und Magenpförtnerkrampf, so ein Hänschen-klein-Welt-hinein. Trotzdem könnte ich mir dann die ganze Suderei ersparen.

 

(3.12.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com