2522 Calypso Frelimo
In meiner Kemenate sitze ich heute anders am Bett und habe
deswegen eine andere Perspektive: ich schaue nicht auf die Bücherwand, sondern
direkt auf meinen Hausaltar: auf den Pappendeckelgrimming und die
Steinchenbuddharin, den Weinfassjesus und das Hochzeitsphoto, den Gottesdienst
und das leere Grab, auf „Ich-habe-einen-Fisch-berührt!“ und Johannes Tauler,
auf die Laubblattgalerie und den Weichbrunn, auf Karl-Kraus'-Chaos und
„Wie-die-Zeit-tickt“, auf Maria Magdalena und Teresa von Avila, auf
Genesungswünsche und Geburtstagsgrüße, auf den Schutzengel und den Fußball, auf
die kleine Flamme unter der Weihrauchschale, auf den Weihrauchkessel, auf das
Weihrauchstövchen, auf die Walkingstecken, auf meinen Kleidersessel, auf das
feine Miniaturbild von Jana Vizjak und irgendeinen vergessenen, zur Erinnerung
aufgetackerten Code. Von unten ertönt ein dreistimmiges OOOOOOOHHHMMMMMMM. Ich
hoffe, ich kann bald runter und Geschirrspüler und Wäsche machen.
Die Lichter der gegenüberliegenden Häuser leuchten mit ein
paar Sternen zum Fenster des Musikzimmers herein und spielen zusammen mit denen
des Plattenspielers und der Teelichtkerze. Die Dunkle Nacht und die Musik von
Miles Davis („He Loved Him Madly“ aus „Get up with it“) ist meine Advent- und
Weihnachtsinszenierung: so sanft, so schön, so voller Sehnsucht … - bleibt die
Platte jetzt hängen und ich muß sie händisch weiterbringen. Aber die Musik ist
so dicht, dass sich die verletzte Lücke wie in einem Ozean sofort wieder
schließt. Und hat gerade zu ihrem feinen, linden Rhythmus gefunden.
Die Schatten der Pflanzen am kerzenlichtglänzenden
Heizkörper: wie aus einer anderen Welt.
Die Flamme des Teelichtes stößt in kleiner, stiller,
permanenter Revolution Lichtkorpuskel aus. Ich kann sie sehen.
Ein unglaubliches festgewölbtes Wolkenband – ich glaub es
rückt heran.
Nein, es zieht nach rechts ab.
Eine luftig lockere Wolkenformation kommt nach.
Ich wußte nicht, dass mein Raumschiff so groß und geräumig
ist.
Der unglaubliche Calypso Frelimo.
Draußen zieht das hier nicht ganz so wilde G'loat vorbei.
(17.12.2021)
©Peter Alois Rumpf
Dezember 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite