2516 Kassettenrekorder
3:15 a.m. An der sensibelsten Stelle im Mali-Lošinj-Bild,
dieser eckigen Kurve der Hafenstraße, die anscheinend mit dem Unnennbaren
verbunden ist, erscheint heute wieder die Gestalt, die wie ein Kind aussieht,
das eine Hand hebt. Eventuell könnte es auch eine Frau sein. Auch ein Mann ist
nicht ganz ausgeschlossen (in ungewöhnlichen Kontexten ist die Größe schwer
feststellbar). Den Rücken gestreckt, das Gesicht deutlich zum Himmel gehoben,
reckt die Gestalt den Arm nach oben, als würde sie dort jemandem grüßend
winken. Die Gestalt kommt nur bis zum Bauch aus der „Straße“; ich vermeine auch
eine Sprechblase zu erkennen, deren Beschriftung ich jedoch unmöglich entziffern
kann. Oder ist die „Sprechblase“ ein archaisches Blasinstrument? Es ist alles
so unstabil. Nun taucht neben dieser Gestalt eine zweite auf, etwas größer,
verschwindet wieder, kommt wieder zu Stande …
Obwohl das Mali-Lošinj-Bild unter meinem Plafond hängt, und
ich herunten im Bett liege, schaue ich schräg von oben auf die Gestalt.
Auch im Rettenschoesser Bild hat sich etwas verändert, das
ich kaum zu beschreiben weiß; eine Art Mauer zieht sich am Fuße des Berges und
gringelt sich dann ein. Ja, das klingt blöd. Aber die fernen Berge im
Hintergrund bleiben ganz realistisch.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich nirgends Fuß gefaßt: in der
Theologie nicht, nicht in Kunst und Malerei, auch nicht mit dem Schreiben. Ich
stolpere immer noch durchs Leben und bin in meine Pseudopension geflüchtet
(Pseudo, weil ja vorher nichts war). Ich bin eine tote Ressource (vielleicht
kann ich nach meinem Tod noch etwas mit meinen Resten düngen). Verständlich,
dass ich nicht mehr aus meinem Zimmer will. Meine frankophone Schweizerin (die
kleinere, die am Lautsprecher des Kassettenrekorders anmagnetisierte) blickt
heute doch verkrampft und unglücklich drein – vermutlich ist sie nur aus Armut
dem Maler Modell gestanden und hatte nicht wirklich Freude daran (ich lasse
dich jetzt in Ruhe!). Früge man mich, ob ich religiös sei, könnte ich nur zwei
Antworten geben: „Nein, überhaupt nicht!“ und „Ja, sehr! Gar sehr!“ - und das
gleichzeitig. Es muß schon sehr toll sein – stelle ich mir vor – ein Aktmodell
zu zeichnen oder zu malen, das das wirklich gerne macht. Jedoch habe ich damit
keine Erfahrung. Wie gesagt: ich habe nirgends Fuß gefaßt.
(14./15.12.2021)
©Peter Alois Rumpf Dezember 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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