Mittwoch, 15. Dezember 2021

2516 Kassettenrekorder

 

3:15 a.m. An der sensibelsten Stelle im Mali-Lošinj-Bild, dieser eckigen Kurve der Hafenstraße, die anscheinend mit dem Unnennbaren verbunden ist, erscheint heute wieder die Gestalt, die wie ein Kind aussieht, das eine Hand hebt. Eventuell könnte es auch eine Frau sein. Auch ein Mann ist nicht ganz ausgeschlossen (in ungewöhnlichen Kontexten ist die Größe schwer feststellbar). Den Rücken gestreckt, das Gesicht deutlich zum Himmel gehoben, reckt die Gestalt den Arm nach oben, als würde sie dort jemandem grüßend winken. Die Gestalt kommt nur bis zum Bauch aus der „Straße“; ich vermeine auch eine Sprechblase zu erkennen, deren Beschriftung ich jedoch unmöglich entziffern kann. Oder ist die „Sprechblase“ ein archaisches Blasinstrument? Es ist alles so unstabil. Nun taucht neben dieser Gestalt eine zweite auf, etwas größer, verschwindet wieder, kommt wieder zu Stande …

Obwohl das Mali-Lošinj-Bild unter meinem Plafond hängt, und ich herunten im Bett liege, schaue ich schräg von oben auf die Gestalt.

Auch im Rettenschoesser Bild hat sich etwas verändert, das ich kaum zu beschreiben weiß; eine Art Mauer zieht sich am Fuße des Berges und gringelt sich dann ein. Ja, das klingt blöd. Aber die fernen Berge im Hintergrund bleiben ganz realistisch.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich nirgends Fuß gefaßt: in der Theologie nicht, nicht in Kunst und Malerei, auch nicht mit dem Schreiben. Ich stolpere immer noch durchs Leben und bin in meine Pseudopension geflüchtet (Pseudo, weil ja vorher nichts war). Ich bin eine tote Ressource (vielleicht kann ich nach meinem Tod noch etwas mit meinen Resten düngen). Verständlich, dass ich nicht mehr aus meinem Zimmer will. Meine frankophone Schweizerin (die kleinere, die am Lautsprecher des Kassettenrekorders anmagnetisierte) blickt heute doch verkrampft und unglücklich drein – vermutlich ist sie nur aus Armut dem Maler Modell gestanden und hatte nicht wirklich Freude daran (ich lasse dich jetzt in Ruhe!). Früge man mich, ob ich religiös sei, könnte ich nur zwei Antworten geben: „Nein, überhaupt nicht!“ und „Ja, sehr! Gar sehr!“ - und das gleichzeitig. Es muß schon sehr toll sein – stelle ich mir vor – ein Aktmodell zu zeichnen oder zu malen, das das wirklich gerne macht. Jedoch habe ich damit keine Erfahrung. Wie gesagt: ich habe nirgends Fuß gefaßt.

 

(14./15.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite