Dienstag, 21. Dezember 2021

2526 Albertinische Notizen

 

Modigliani bloß durchlaufen. Ich werde nicht wirklich warm. Neue Entdeckung: Maurice de Vlaminck, Die Seine bei Chatou: frisch, froh, farbig, bunt und schön. Manguins Akt: ich schau immer noch gern auf diesen schönen Weiberarsch und lasse den Garten herum sich auflösen. Vuillards Blaues Zimmer: die Realität wird zur Wirklichkeit gewirbelt. Und wie immer die erste Rast bei der Werefkin sitzend; da bin ich immer hin und weg. Das Tier, das durch den Wald schleicht; die Männer, die im nächtlichen Sturm im Café Unterschlupf suchen. Das Tier ist freier. Ich drehe mich auf der Sitzbank zu Jawlenskys Bunten Berg bei Oberstdorf um. Eine Reise in die stillere Vergangenheit ohne jede hässliche Sportsendungsästhetik.

Die futbuschigen Frauen vom Kirchner. Gut, trotzdem wandere ich an seinen Bilder ohne Stopp vorbei. Raste wieder ein bisserl bei Munchs Winterlandschaft am Meer, aber ich schiele schon zu Kokoschkas London im nächsten Saal.

Bei Kokoschkas London und Kokoschkas Dresden gibt es keine Sitzbank mehr! Ich bin empört! Dort zu rasten und zu schauen war immer das Herzstück meiner albertinischen Pilgerreise! Streife beim Verlassen des Saales die Damen Boeckls nicht ohne Vergnügen.

Sitze jetzt beim depperten stehenden Kardinal und betrachte meine Gestalt im Spiegel (wie das Mädchen der Aufsicht, das sich die Haare richtet und jetzt ans Fenster neben mir tritt und hinausschaut. Nun redet sie mit einem hüftgeknickten Aufsichtsburschen. Ich stecke mir zum Selbstschutz die musikalischen Ohrenstöpsel rein (Omar-Rodrguez-Lopez-Group). Ich werde weitergehen; das wird heute ein schneller Durchmarsch.

Streife den verehrten Klee im Abgang. Der nächste Saal bietet mir zwei Dinge: eine Betrachtungssitzbank und den lieben, lieben Arbeiter von Marie Luise von Motesiczky (das ist die, die mich im Bett von der Wand durch ihren kleinen Tischspiegel anschaut und einen schönen Mund hat). Aus der Nähe zerbröselt der Arbeiter ein wenig. Ich gleite an den zwei kleinen Chagalls vorbei und ignoriere den Picasso. Und liebe im nächsten Saal die vier schönen schlanken Frauen von Giacometti und deren Schatten (dass mir durchaus feste Frauen gefallen können, hat damit nichts zu tun). Oh diese Schatten! (Ich sollte mal in leichtem, sanftem Delirium hier durchgehen). Und Giacomettis düstere (?) Landschaft 1952 fesselt mich immer wieder. Von weitem ein schneller Blick auf Max Ernsts „Silence“. Nächster Saal: wieder Picassoignoration und raus!

Von Weilers Batliner verabschiede ich mich so, wie ich ihn begrüßt habe: mit schwach militärischem Gruß!

Soll ich bei den Sphinxen rasten? Nein, ich will – obwohl schon hungrig – noch Notizbücher kaufen.

Über die laut rauschende Rolltreppe fahre ich in den Keller zu Martin Noël. Doch. Gefällt mir. Kannte ihn nicht. Gefällt mir vor allem nach den bedeutungsfanatischen und geheimnisschwanger-überkandidelten Sphinxen. Fast nur „Mauersprünge“ und „Holzwurmfraßkanäle“ - wie ich einmal sagen würde – wie erholsam! Auch der farbenfrohe Marxismus-Leninismus - oder wofür immer das Kürzel „M.L.“ halt steht! Oh wie erholsam ist diese schlichte Graphik für Auge und Seele, sie genießen es. Die Ottos & Co gefallen mir weniger, die sind mir schon zu glatt. Die Schlichtheit ist schon zum bedeutungserheischenden Prinzip geworden. (heißt „Otto“ ohne Titel?).

Den Warholič mag ich einfach nicht, und das meiste dahinter auch nicht, außer Cecily Brown, und eventuell Katharina Grosse. Sully geht auch (für mich! Ich rede immer nur für mich. Ich bin weit davon entfernt, mir eine objektive Einordnung der Kunstwerke anzumaßen! (Vielleicht auch gar nicht so weit)). Ebenso: die Liliane Tomasko kann ich vertragen.

Naja, und Nitsch ist halt Nitsch! Ein wagnerianisch-kitschiger „Vollzugswichtigtuer“ (Wolfgang D. Affenarsch), dessen bildlichen Ergebnisse man manchmal ein bisserl anzuschauen aushalten kann.

 

(21.12.2021)

 

©Peter Alois Rumpf  Dezember 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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