Freitag, 30. Oktober 2015

220 Blick aus dem Fenster


Kein Windhauch regt sich. Die Bäume stehen still und stumm, ganz ruhig und gut geerdet. Gefaßt und aufrecht harren sie dem winterlichen Schicksal ergeben entgegen. Die gelben Blätter sind schon in der Überzahl. Ein paar Sonnenstrahlen fahren hinter dem Haus, die Lücke zum Nachbarhaus hindurch, ins Blätterwerk der hinteren Bäume und beleuchten es – aus meiner Warte am Fenster – von innen heraus. Wie ein großer Lampion aus Licht inmitten der Baumkronen.

Ein ganz, ganz leichter Hauch rührt jetzt die Blätter und Zweige an, kaum merklich.

Der Computer surrt seine Kühlgeräusche unverändert herunter; in meinen Ohren geht es lebhafter zu, in schrilleren, höheren Tönen. Aber draußen die Ruhe.

Jetzt kommt ein Windhauch auf, umtändelt die Bäume, streichelt zärtlich Blätter und Zweige, und legt sich wieder.

Ich nehme langsam Abschied, denn ich muß gehen.











©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

219 Kleine, philosophische Verirrung


Ich habe einfach meine Kräfte falsch eingesetzt. Ich meine, es ist niemand da, der sagt: „Das hast du gut gemacht!“ Oder: „Das war ganz falsch! Ganz daneben!“ Nein, da ist niemand. Es ist nur so: stellst du das Ding richtig hin, fällt es nicht um. Stellst du es falsch hin, fällt es um. Mehr ist es nicht.
Du mußt nicht säuerlich lächeln, wenn du das Ding falsch hingestellt hast. „Falsch hingestellt“ ist eigentlich auch falsch, denn es geht nur darum: Willst du, daß das Ding nicht umfällt, mußt du es so hinstellen, daß es nicht umfällt. Ist es dir egal, ob es umfällt oder nicht, kannst du es hinstellen, wie du willst. Niemand schreibt dir vor, wie du es hinstellen sollst. Niemand sagt: „Das Ding darf nicht umfallen!“

Eine große Traurigkeit steigt in mir hoch. Was rede ich mir da ein! Natürlich wollte ich, daß mein Ding nicht umfällt.













©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

218 In Erwartung


Neugierig, und – obwohl es schon auf eins zugeht und ich gerade furchtbar müde war – irgendwie munter schaue ich mich im Zimmer um. Was wird mir als erstes ins Auge stechen? Was wird mir einfallen? Was wird in mir aufsteigen?

In Erwartung blicke ich umher. Nichts. Es ist aber kein unangenehmes Nichts, sondern ein angenehmes. Ein fröhliches Nichts.

Ich freue mich schon auf das baldige Wochenende. Aber es ist mehr. Die Freude ist größer und umfassender. Das Nichts selber freut mich. Ich muß innerlich lachen. Was für eine potjemkinsche Philosophie! Was für eine potjemkinsche Stimmung!

Ich gähne ausführlich vor Müdigkeit und bin ganz wach und aufmerksam vor Freude über nichts. Ich kann es kaum erwarten, bis das Nichts explodiert und ur-knallt und ein ganzes Universum hervorbringt. Es ist ein freudiges Erwarten, wie wenn sich ein Kind auf Weihnachten freut. Ah! Wie ist das alles spannend!
Ein Teil von mir wundert sich über mich und meine Freude. So kennt er mich gar nicht, aber ich lache ihn aus.

Diese Freude ist schon ein wenig anstrengend. Ich werde wieder furchtbar müde und freue mich aufs Schlafen. Mir fällt auf meiner linken Hand eine leicht irritierte Hautstelle auf und ich schlecke sie ab um sie zu heilen. Das ist damit für mich erledigt, zumindest vorläufig.

Jetzt bin ich noch müder. Ich bin schon neugierig auf meine Träume. Ja, ich freue mich wirklich aufs Schlafen. Und jetzt ist es soweit.















©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 29. Oktober 2015

217 Vier kleine Momente


Der Wind fährt durch die Essigbäume und reißt die gelb gewordenen Blätter los. Einige schleudert er hoch in die Luft. Er biegt den Weidenbaum und hält ihn einen Moment lang unten, ehe er ihn wieder losläßt.
Und jetzt wieder die Essigbäume; majestätisch und kraftvoll wiegt der Wind sie hin und her. Knapp vorm Fenster, aus dem ich schaue, steigen ein paar Blätter hoch. Immer mehr Blätter steigen im kleinen Hof herauf, aber ich sehe nur vereinzelt welche wieder hinunterschweben.


Mich fällt eine große Müdigkeit an. Ein leichtes Ziehen und Zerren geht über mein Gesicht. Mein Mund, meine Lippen scheinen ein inneres Eigenleben zu führen. Ich mag es nicht mehr, vom Surren in meinem Gehör zu schreiben. Ich spüre mein Herz arbeiten. Dort hinzufühlen habe ich ein wenig Angst. Das Elektrokabel vollführt eine schöne Serpentine, in einer eleganten Bewegung stehen geblieben. Lesebrille und Müdigkeit trüben meinen suchend umherschweifenden Blick.


Kurz ist am Rand meines äußeren oder inneren Gesichtsfeldes – so genau weiß ich das nicht – der Kopf einer fremden Gestalt aufgetaucht; das Gesicht zunehmend in eine schwarze Maske verwandelt und gleich wieder verschwunden.


Das leise ferne Wummern einer Maschine klingt fast wie das Hintergrundrauschen, das allem Dasein unterlegt ist, nur eine beinahe unmerkliche Rotation darin enttarnt es als Produkt eines Motors.
Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, vielleicht kommt die Rotation doch aus meinem Inneren und ist ein tieferliegender Aspekt meines ständigen Surrens. Die Ohren fühlen sich an wie aufgeblasen, wie angefüllt mit Bällen aus komprimierter Luft.
Die Augen fallen mir zu vor Müdigkeit, während meine Seele vom letzten Traum noch aufgescheucht ist, in dem ich aus meiner Substandardwohnung vertrieben wurde.
Auch mein Herz arbeitet, aufgeregter als es mir sonst aufgefallen wäre.
Ein kleines Motorflugzeug zieht einsam durch den nächtlichen Morgenhimmel; ich habe es deutlich gehört.
Mein Körper bewegt sich von der Schwerkraft angezogen immer mehr nach links, der Kopf wird immer schwerer; mir kommt vor, bald kippe ich wirklich um. Erst dann merke ich, daß es mein „innerer“ Körper ist. Der physische Körper hat sich nicht bewegt.













©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 26. Oktober 2015

216 Beim Haupte des Gallus (Havel)


Die hohe, kleine, helle Kirchenglocke der sv.Havla weckt mich auf. Ich freue mich über die Kirchenglocke und lausche ihrem Klang und den Schwingungen zwischen den Schlägen. So nahe habe ich das schon lange nicht mehr gehört, nur eine Gassenbreite entfernt. Ich höre in ihren Klang hinein, immer tiefer gerate ich zwischen die einzelnen Schläge, Schwingungen und Töne. Ich mag Kirchenglocken, ich fühle mich fast immer angesprochen.

Meine persönliche Yogalehrerin erzählt mir ihren Traum, in der ihr ein verstorbener Freund ihres ersten Ehemannes erschienen ist und sie merkt, daß er nicht mehr gelähmt ist. Eine schöne Geschichte, aber im Moment will ich auf die Glocke hören und mich nicht ablenken lassen. Mit aller Kraft versuche ich bei meiner Sache zu bleiben; ich sage auch nichts, weil ich befürchte, durch das Reden endgültig aus meiner versuchten Versenkung zu fallen.

Dieser Freund hat jetzt – so erzählt meine persönliche Yogalehrerin – dort drüben einen ganzen, großen Gemeindebau für sich und lädt alle seine Freunde ein, bei ihm zu wohnen. Ich habe damit nicht zu tun! Ich kannte ihn nicht. Das mit den vielen Wohnungen, die drüben bereitstehen, habe ich schon wo gehört und gelesen.

Im Badezimmer dann freut mich ein kleines Silberfischchen mit seinen schnellen, eleganten Bewegungen.

Und wieder läutet die kleine Kirchenglocke, aber jetzt, nach dem Aufstehen, Waschen und den Übungen bin ich viel zu munter, um noch in den Klang hineinsinken zu können. Sie spricht mich auch nicht mehr an. Unlust und Enttäuschung steigen in mir hoch.

Und nun, in einem französischen Café beim Ingwertee rutscht mir die Tasse ständig runter; die Tasse kippt einfach nach unten und droht ihren Tee auszuschütten und ich kann sie am Henkel nicht fest genug halten. Sie hat einen runden Henkel, aus einem etwas breiterem, aber flachen Keramikband geformt, und ich kann nur einen Finger durchstecken, der dann wie ein Scharnierzapfen wirkt, um den sich der kreisrunde Henkel dreht. Ist etwas an meinen Fingern falsch? Bin ich zu schwach? Zu blöd? Oder ist das Design der Tasse mißlungen? Ich werde mich umschauen.

Ich schaue mich um und sehe ein schönes Gewölbe, eine alte Mauer; die verläuft nicht gerade, sondern in einer ganz leichten Welle; die Gewölbewand darüber macht die Bewegung nicht ganz mit, darum sind sie im Zusammenstoß manchmal plan und manchmal nicht. Wie angenehm für die Augen!
Die Musik im Hintergrund dezent.

Jetzt, am Morgen des zweiten Tages, während einer Tensegrityübung, bei der ich an einer Stelle die Schwingungen und Wellen, die durch die Welt gehen, zu spüren versuche, hat die kleine Kirchenglocke genau in diesem Moment wieder zu läuten begonnen und ich habe ihre Schwingungen mit den anderen synchron hindurchlaufen gespürt. So stark, daß mir beinahe übel wurde. Diesmal hat ihr Läuten für mich etwas Weitertreibendes, Pushendes gehabt.





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Freitag, 23. Oktober 2015

215 Gefährdeter Morgen


Ich glaube nicht, daß ein akzeptabler Text entsteht, wenn ich mir jetzt die Pölster unter Rücken und Nacken schiebe, das Leselicht aufdrehe, die Brille aufsetze, Notizbuch und Kugelschreiber in die Hand nehme und zu schreiben beginne. Ich bin schon zu nervös, zu unruhig. Der morgige Tag mit seinen zu erwartenden Anforderungen greift schon auf mich zu; ich weiß noch nicht, welches Hemd ich auswählen soll; bügeln sollte ich es auch noch.

Die Waschmaschine unten schleudert ihre Rotationsgeräusche herauf. Bis zum Beginn meines heutigen Arbeitstages sind es noch fünf Stunden, aber mein ganzes Vormittagsprogramm bekomme ich nicht mehr unter. Und – ich bin nervös, unruhig. Keine Muse. Nein, das wird kein guter Text; hoffentlich widerstehe ich dem Zwang, weiterzuschreiben, und höre bald damit auf.

Ein wenig ärgere ich mich, weil ich mich so leicht nervös machen lasse. Überhaupt keine Haltung gegenüber den Anforderungen aus Alltag und Welt; gleich sacke ich zusammen. Diese elenden, ewigen Versagensängste!

Ich brauche noch einen anderen Schluß.

Eine Krähe ruft kurz vor meinem Fenster. Danke, liebe Krähe, ich weiß, woran du mich erinnern willst: der alte Krähenvogel läßt grüßen.














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Mittwoch, 21. Oktober 2015

214 Der freie Werktag


Einuhrfünfzehn. In schriller Stille eingehüllt. Von Schatten umgeben oder umlauert. Vor Müdigkeit gleichgültig. Aus Selbstmitleid besorgt. Aus lauter Müdigkeit doch gleichgültig. Der Nacken verkrampft. Heulanlagen hinter den Augen. Ich nehme das alles nicht ernst. Aber ich tue so. Es gibt gar nichts zu sagen. Na, dann hör auf zu schreiben!

Mittag. Orion wird voraussichtlich Gesellschaft bekommen; die Sternbilder einfach übereinandergelegt: Fuhrmann, Bootes mit Krone, Schwan, Adler, Kassiopeia... Möglicherweise die Implosion des Universums vorweggenommen. Hat noch ein bißchen Zeit.

Früher Nachmittag. Heute sitze ich gern im Kaffeehaus. Kaffeehaus auf altwiener Art (ungefähr). Kellner in schwarzem Anzug. Zeitungen. Das mag ich nicht immer, heute schon... Der ausnahmsweisende freie Werktag.

Auch die Leute gefallen mir. Das ist nicht immer so. Viele Touristen. Bin ich auch einer, wenn ich mein Versteck verlasse und frei herumlaufe? Ganz einfach ein Alltagsmensch, zu viel mit sich beschäftigt und dem Verurteilen? Mein Gott, das ist doch auch blöd!

Ich schaue mich besser um. Wenn ich mich umschaue, fällt mir meistens irgendetwas auf oder ein. Aber jetzt nicht.

Schon angenehm, lange bei einem Kaffee sitzen zu können. Brockhaus in einem Regal mit versperrbarer Glastür. Ich würde mich nie trauen, den Kellner – sagen wir – um den Band mit „R“ zu bitten. Mit „Ru“ wie Rumpf. Alles über Rümpfe. Ist der Brockhaus überhaupt noch ernst gemeint? Oder bloß Dekoration als Reminiszenz an die alten Zeiten, in der viele Schriftsteller in den Kaffeehäusern residierten und diskutierten und arbeiteten?
Ich bin ganz aufgeregt, denn ich habe eine Idee. Ich muß nur warten, bis mein Kellner vorbeikommt.

Vielleicht will ich nur Schriftsteller der Zwischenkriegszeit spielen. Mich da hineinschwindeln.Und etwas Ähnliches wie sich selber googeln. Aber hier: nur meinen Namen.

Ich frage den Kellner. Es geht nur mit Hinterlegung eines Reisepasses, weil schon zwei Bände gestohlen wurden, lautet die Auskunft. Rücksichtsvoll oder unterwürfig (Sie können es sich aussuchen, liebe Leserin, lieber Leser!) winke ich ab. Um dann doch zu sagen: „einen Personalausweis hätte ich bei mir.“ (österreichischer Konjunktiv; von mir gerne verwendet.) „Band 18“. Er: „Da muß ich erst die Chefin fragen!“ Er fragt, und muß zwischendurch herumsausen, um die Kundenwünsche im vollen Lokal aufzunehmen und zu erfüllen. Tatsächlich, er nimmt meinen Personalausweis. Ich sehe, er versucht, den Kasten aufzusperren. Aber Schlüssel oder Schloß scheinen ein wenig zu „spinnen“. Er muß ganz vorsichtig und sensibel daran herumdrehen, bevor das Glastürl aufgeht. Jetzt ist er da. Band 18, RAD – RUS.

Rumpf: Anatomie: Körperstamm, Truncus, äußerlich meist wenig gegliederte Hauptmasse des Körpers der Wirbeltiere (einschließlich Mensch), bestehend aus Brust, Bauch und Rücken.“

Ja, das klingt recht gut. Und irgendwie passend.

Rumpfelektronen Atomrumpf“

Dem Hinweis kann ich nicht nachgehen. Den Band mit ATO zu ordern trau ich mich noch nicht. Will ich auch gar nicht. 1978 war mein Spitzname in der Tischlerei, wo ich gearbeitet habe, „Atompeter“ (Atombeda), weil ich ein Anti-AKW-Abzeichen getragen habe. Das mit der Sonne und nein danke. Also: paßt!

Rumpffläche, Rumpfebene, Fastebene, engl. Peneplain, auch Endrumpf, Geomorphologie: ebene oder flachwellige Abtragungsfläche, die schräggestellte oder gefaltete Gesteinsschichten kappt (Tafel oder Faltenrumpf) […] ...der oft den Rest (Rumpf) eines sehr verwickelt gebauten..“.[...]

Schon toll, diese knappen und präzisen Formulierungen. Werde mich darin üben. Paßt einiges. Rest, verwickelt, schräggestellt...

Rumpfgebirge, alte Faltengebirge, die infolge der stärkeren Abtragung nur noch Rümpfe des ehemaligen Gebirges darstellen...[...] die dabei entstandenen Verbiegungen (Flexuren) der Rumpfflächen... [...] Rumpftreppe...[...]

Verbiegungen, alt, Falten, Abtragung stark (vor allem im Rücken).

Rumpfgeschwindigkeit, Gleitgeschwindigkeit, Grenzgeschwindigkeit, die bei günstigstem Wellenwiderstand (Bugwelle, Heckwelle) erreichbare Geschwindigkeit eines Verdrängungsschiffs.“ [...]

Ja, Verdrängung und Wellenwiderstand – kommt mir bekannt vor.

Rumpfparlament 1) Bez. Für die verbliebene Minderheit des engl. Langen Parlaments
2.)Bez, für die nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung in Stuttgart vom 6. bis 16.6. 1849 tagenden Versammlung der letzten verbliebenen Abgeordneten.“ [...]

Scheitern schreibe ich jetzt nicht hin.
Keine Personen mit diesem Namen

(18. Auflage; 1992)

Was mir alles für Blödsinn einfallen würde, hätte ich mehr Zeit und würde ich mehr herumgehen! Dann fällt mir noch die Höflichkeit der Kellner und Kellnerinnen auf; könnte sein, daß sie hinten ein wenig über mich gelacht haben. Das kann aber auch eine reine Unterstellung meinerseits sein. Wie auch immer, sie haben sich nichts anmerken lassen und mir hat es Spaß gemacht.

Vom Rückweg eine kleine Episode: Wenn ich dort in der Nähe bin, gehe ich gerne die Strauchgasse und weiter in den tiefen Graben hinunter. Da komme ich bei einer Kunsthandlung vorbei, wo sie immer ein paar Bilder von Max Weiler ausgestellt haben und ich luge immer in die Fenster, ob ich eines erblicken kann. Gerade deswegen gehe ich gerne diesen Weg. Heute steht eine Dame in der Tür, mit einem eingepackten Bild in der Hand und hält ein wenig angestrengt nach etwas Ausschau, ich vermute nach einem schon gerufenen Taxi. Ich werfe einen Blick auf das Bild in Luftblasenverpackung und stelle fest, das müßte ein Weilerbild sein. Ich frage die Dame: „Entschuldigen Sie! Ist das ein Weiler?“ Sie darauf: „Ja.“ Und ich: „Super! Das ist mein Lieblingsmaler!“

Ein Taxi biegt in die Gasse ein.

Fehlerkorrektur erst morgen.











©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 20. Oktober 2015

213 Herrlicher Morgen


Eine herrliche Stimmung. Die Kräfte gebündelt, den Mut zur Wahrhaftigkeit erreicht. Nüchtern schaue ich auf mein Leben. Ohne Ausflucht. Ohne Bedauern. Ohne Selbstmitleid. Bereit zu allem, was da auch kommen mag. Bereit, den Lebenskampf anzunehmen. Gemütlich im Bett liegend. Draußen regnet es. Hier ist es trocken und warm. In die Bettdecke eingehüllt, drei Pölster im Rücken.

Vorher habe ich ein wenig gelesen, (Castaneda, darum die gute Stimmung) jetzt schreibe ich. In meinem Inneren lacht einer. Ich werde noch ein bißchen weiterschlafen, obwohl offensichtlich der Tag schon angebrochen ist. Sieben Uhr. Gut, ich habe erst um Mitternacht das Licht abgedreht. Und ich schlafe gerne acht Stunden. Außerdem bin ich schon mindestens eine halbe Stunde wach, habe einen Traum aufgeschrieben, in dem ich ohne Bargeld im Burgenland eine Disco suchte. Unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sehr schwer richtig umzusteigen und die S-Bahn und den richtigen Bus zu finden, Bankomaten finde ich auch keinen. In einem Gasthaus eine herbe, resche Kellnerin, ein richtiges, gestandenes Weib. Ich habe mit ihr geredet, was, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, ich wollte wissen, wie ich am Besten hinkomme. Wo hinkomme? Was suche ich? „Auf der Suche nach Liebe“? (Castanedazitat). Das ist nicht ganz klar. Vielleicht suchte ich einen Bankomaten, damit ich endlich zum verdammten Bargeld komme, das ich hier so dringend bräuchte. Oder den richtigen Bus? Hinfahrt oder Rückfahrt? Oder ein Quartier? Oder doch noch immer die Disco?

Der Innere lacht wieder. Am Rande des Gesichtsfeldes, links unten, ist ein „Glühwürmchen“ herumgekrabbelt, will sagen, dort hat sich ein kleiner, glühender Punkt bewegt.
Wenn ich noch lange weiterschreibe wird es eng mit dem Weiterschlafen. Doch aufstehen? Gleich üben? Mein ganzes Programm an Übungen praktizieren? Angefangen mit dem Aufwärmen und Reinigen von Körper und Energiekörper, Herbeirufen der Intension, die alten Übungen Anfänger I und II, Westwoodserie Langform, (die kürzer dauert, als wenn man die Kurzform lang macht), die eine mit den vier Himmelsrichtungen, deren Name ich vergessen habe, die gefiederte Schlange, Quellform, die vier Jahreszeiten (heißt in Wirklichkeit auch anders; vergessen), Erdform kurz oder lang...
Oder lieber gleich den Text in den Computer klopfen und auf/in die Schublade geben?
Oder doch schlafen?
Oder einfach schauen und lauschen?
Oder die Übung zur Inneren Stille, wo man am Rücken liegt und ich dabei oft und gerne einschlafe? Obwohl das eigentlich nicht vorgesehen ist, aber ich habe für mich am Schluß der Übung eine kleine Abänderung eingeführt, die das bewirkt.












©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 19. Oktober 2015

212 Stillstand


Zwei Krähen sausen in der Luft herum und sind schon wieder verschwunden. Eintönig grauer Himmel. Manchmal ganz leichter Wind.
Pullover und Westen am Wäscheständer, Handtücher, Bettzeug trocknet auf der Wäscheleine.

Der Planschrank in der Ecke, darüber die Zeichnung vom alten Rathaus in Kapfenberg an der Wand.

Die Bäume stehen da und schauen herein, als wären sie Kundschafter einer eigenen Macht, gerade erst um die Ecke gekommen, als Riesen natürlich. Ich fürchte mich nicht. Sie wacheln mit ihren Zweigen, als sagten sie „nein, nein, du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten“.

Es ist alles ganz friedlich, aber irgendetwas kommt mir unrund vor. Eher etwas in mir selbst. In den Ohren surrt es wie zum Alarm. Aber alles ist ruhig. Nichts geschieht. Zuerst glaubte ich, eine ungeheuerliche Frustration in mir, ganz weit unten, aufgespürt zu haben, aber das hat sich schon längst wieder verflüchtigt, wurde nicht greifbar, ist nicht sichtbar geworden.

Die weißen Rauchfänge draußen stehen akurat da, fest, genauso fest liegen die Dächer da, mit ihren dunklen Schattenlinien, die sich zwischen den Dachziegeln horizontal hinziehen, beim einen Dach in ziemlich geraden, schönen, graphisch anmutenden Linien, beim anderen in starren Wellen.

Es ist wie Warten.

Jetzt sind wieder die zwei Krähen aufgetaucht, haben sich kurz auf einen der Rauchfänge gesetzt und sind dann gleich weitergeflogen.
Nein, ich bin nicht zufrieden. Nicht mit dem Text, mit allem anderen auch nicht. Etwas ist unrund. Irgendetwas ist nicht an seinem richtigen Platz. Ich kann es nicht finden, nicht benennen. Ich seufze. Ich warte, ich schaue mich um. Ich seufze. Aber es will sich keine Erleichterung einstellen.

Man kann nichts sagen, alles scheint zu passen. Aber es passt nichts. Jetzt kommt etwas Wind auf, ich kann es an den Bäumen draußen ablesen. Keine große Kunst, nicht wahr?

Und wieder ist es ruhig. Der Himmel grau, einheitlich, ohne daß ich im Grau unterschiedliche Abstufungen einzelner Grautöne ausmachen kann. Starre ich länger in dieses Grau, scheint es weißer zu werden und blendet mich leicht. Das wird die Kraft des Sonnenlichts dahinter sein, vermute ich.

Immer noch Stillstand. Vage Kindheitserinnerungen und Gefühle aus der Kindheit umkreisen mich, jedoch ganz verschwommen, nicht fassbar, wie Erinnerungen an vergessene Träume. Kurz taucht etwas sozusagen am Rande des Gesichtsfeldes auf, scheint ganz klar zu sein, und ist gleich weg, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf richte. Verscheucht. Irgendwelche Szenen, wo ich mich in eine Kuhle, ein „Nest“ gelegt habe beim Spielen. Ist das wirklich geschehen? Oder habe ich es mir ausgedacht? Gewünscht? Ich weiß es nicht. Wieder seufze ich.

Ich komme damit nicht weiter. Es schaut so aus, als wäre nun die Chance, auf etwas Wichtiges zu stoßen, wieder vorbei. Meine Pirsch ergebnislos.

Jetzt ist ein Vogel durch das Blattwerk gestoßen und direkt in meine Richtung geflogen, vorm Fenster natürlich hoch auf das Dach. Plötzlich, überraschend, sehr schnell. Kleiner als eine Krähe. Möglicherweise ein Amselweibchen, denn schwarz was es nicht.









©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Samstag, 17. Oktober 2015

211 Schweres Wasser


Ich bin dagesessen, und habe wie so oft, wie immer, durch das Fenster auf die Bäume geschaut, auf den Herbst, inmitten des fröhlichen Geplauders und Gelächters, zufrieden, ganz zufrieden. Allmählich merke ich, eine unglaubliche Schwere hat sich auf mich gelegt, hat meine Seele hinuntergedrückt, nicht eigentlich feindlich, nicht so sehr von außen, sondern so, als hätte sich meine Seele mit irgendwas vollgesogen, mit irgendeinem schweren Wasser, und ist abgesunken. Der Zustand ist von trauriger Schönheit und hat auch etwas mit Tiefe zu tun. Hinter allem, was ich sehe, ahne ich viel mehr, viel, viel mehr, als wir es erschauen.

Später bin ich durch die beinahe leere U-Bahn-Station gegangen, mitten am Tag, Schottenring, von der Uvier über die Uzwei zum Ausgang Herminengasse. Wie ich das liebe, durch leere Hallen und Gänge zu gehen! Menschenleer, wie mich das mit einem trauernden Glück erfüllt! So kann ich mir mein Leben gut vorstellen; allein unendliche Räume zu durchwandern. Wie im Traum. Meine Brust weitet sich, ich richte mich von selber auf, ich brauche mich nicht mehr ducken. Endlich, endlich! Ich atme durch. Ein stilles, feierliches, schweres Glück weitet sich in mir aus und umhüllt mich endlich. „Völlig losgelöst“ gehe und gehe ich. Oder schwebe, fliege. Egal. Umgeben von Herrlichkeit. Ja. So kann ich leben!

Wenn Menschen auftauchen, vor denen ich mich fürchte – und das sind viele, fast alle, und fast alle sind Männer – überschwemmen mich Wellen von Wut und mein Energiekörper schlägt zu, an den Zuckungen meines Gesichtes zu erkennen.
„Nein! Nein! Geht weg! Laßt mich in Ruhe! Ich will nichts von euch! Geht weg! Ich nehme euch nichts! Laßt mich einfach nur weitergehen. Ich fürchte mich vor euch, ich will mich nicht mehr zusammenreißen und nicht mehr verstellen, geht weg! Wenn ihr mir zu nahe kommt, töte ich euch, auch wenn ich dabei zu Grunde gehe. Geht weg!“

Ich habe es überstanden, ich bin wieder auf der Straße, kein Gedränge mehr, nichts ist passiert.

Jetzt sitze ich daheim auf der Couch. Ich habe die Kerze angezündet, die am Ofen steht, unter dem Bild vom Hafen, unter dem zuerst mein Vater und dann meiner Mutter gestorben ist. Ich sollte die Wäsche aufhängen, aber ich mag nicht. Ich sitze in der Stille da und erhole mich. Ich habe nicht mehr viel Erholungsguthaben. Ich glaube, bald ist es aufgebraucht.

Jetzt scheint die Sonne herein, beleuchtet freundlich die Körbe neben dem Ofen, und eine Stelle dahinter an der Wand. Jetzt verblaßt alles schon wieder. Im Hof rumort jemand mit irgendwelchen Sachen herum, verschiebt etwas, zieht etwas, stellt etwas ab. Ich will es nicht wissen. Ich will nur hier sitzen und die Lichtflecken und Schatten betrachten. Sonst will ich gar nichts. Jetzt, im Moment.

Schatten und Licht ändern sich ständig – so schöne Lichtspiele und Schattenspiele an der Wand! Toller als jedes Kino, ergreifender als jede Oper, als jedes Drama...

Eine kleine, dreieckige Fläche, in der sich Schatten der Bäume draußen bewegen, manchmal, wenn der sanfte Wind in Laune ist; so schöne, mehrfache Konturen; schärfer, wenn die Sonne durchkommt, verschwommener, wenn eine Wolke sie verhüllt. Das ganze Weltendrama spielt sich hier ab; hier, an diesem kleinen Stück Wand neben dem Ofen. Der Wind, wo mag er herkommen? Vom Golf von Mexiko? Aus Grönland? Island? Vom Mittelmeer? - er zeichnet hier seine vergänglichen Spuren.
Und das Sonnenlicht, was hat es alles auf seinem Weg hierher gestreift und erlebt? Hier, hier an der Wand, an dieser kleinen Stelle, die sich jetzt zu einem aufgestellten Rechteck gewandelt hat, hier treibt es seine einleuchtenden Spiele. Hier, bei mir! Aus dem Universum kommend, ist sich nicht zu gut, mich hier, oder auch nur dieses Stück Wand zu besuchen. Es ist egal, wenn es nicht mir gilt, solange ich zuschauen darf.

Obwohl die Sonne verhüllt bleibt, gleitet eine neue Helligkeit über die Wand. Jetzt sieht man wieder ein wenig die Zweige. Sie sind mit der Erddrehung einen halben Meter weitergewandert, ein wunderschönes, berührendes Stilleben aus Licht und Schatten; ineinander geschoben, einander überlagernd.

Die Kerze leuchtet satt und gelblich.

Jetzt fährt ein stiller Wind durch die Schatten, ein Wind, den man nicht spürt, und scheucht die Schatten umher. Die dreifache Kontur des Ofens, richtiger, ein kleiner Ausschnitt davon.

Auch hier tickt ein Wecker, eine tickende Zeitbombe, die vielleicht einmal explodieren wird, dann, wenn mir „die Stunde schlägt“.

Der Lichtfleck ist nun groß und leer; ausgedehnt auf eine vielfache Größe, das Licht schwächer, nicht mehr gelb, sondern weiß.















©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 15. Oktober 2015

210 Hauptsächlich Geräusche


Von Zeit zu Zeit, aber in langen Abständen, fällt draußen am Fensterbrett ein Wassertropfen. Ich bin müde und mir ist kalt. Erfroren am Computer, auf der Suche nach etwas, das mich weiterbringt oder beruhigt. Treuherzig schaue ich über den Rand der Lesebrille hinweg, nur so, auf der Suche nach Inspiration. Ich schaue auf die Schrunden und Flecken an den Wänden und an der Tür, ob ich sie nicht beschreiben will. Aber nein, ich lasse diese Idee fallen, halb aus Trägheit, halb aus Mangel an Worten. Einiges hier habe ich zumindestens einmal erwähnt, oder aufgezählt, wenn nicht beschrieben. Da ich mit dem Schauen nicht weiterkomme, lausche ich.

Surren, Ticken, Tropfen – mehr ist nicht zu hören. Und noch so ein Grundgeräusch, das ich nicht näher bestimmen kann, das aber allen anderen Geräuschen unterlegt ist, wie von einer fernen Maschine, ein leichtes, rhythmisches Burren, als würde sich bei einer Maschine etwas im Kreis drehen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Geräusch außen ist, oder doch in mir, wie das schrille Surren. Drei Tropfen hintereinander, jetzt wieder längere Pause.

Viele Bunte Farben gibt es hier.

Das Surren in den Ohren ist sehr laut. Wenn ich darauf meine Aufmerksamkeit richte, merke ich, daß diese Töne schwingen. Ich bilde mir ein, ich kann den Rhythmus ein wenig steuern. Anschwellen, abklingen. Das Geräusch meines Kopfkratzens - viel stärker als das Geräusch des Schreibens. Das Geräusch meiner Handbewegungen an Papier und Bettdecke. Das Geräusch meines Atmens ist mir erst jetzt, beim Seufzen aufgefallen
Auch das Grundgeräusch scheint zu pulsieren, es klingt wie von weit her. Ich tippe doch auf die entfernten Geräusche der Stadt. Auch wenn ich meinen Kopf auf dem Polster drehe, ergibt sich ein schwaches Geräusch, so nahe am Ohr gut zu hören. Mein Gähnen ist unüberhörbar. Die Fußsohlen, die über das Leintuch gleiten. Und immer wieder die Tropfen draußen; jetzt fallen sie häufiger; der Regen nimmt zu.


Leere. Ich denke nicht zusammenhängend. Die Geräusche jetzt am Morgen ganz ähnlich wie vorher die der Nacht. Nur das Tropfen fällt weg und Türenschließen kommt dazu.
Das Ticken des Weckers – so interessant! Intensität, Lautstärke, Tempo scheinen sich ständig zu ändern, eine Modulation wie beim Sprechen. Sprechen ohne Sprache.
Auch das Surren ändert dauernd Modulation und Frequenz, ein Strom mit vielen Obertönen, die sich überlagern und verstärken.
Irgendwo im Haus ist Füßegetrampel zu hören. Rufende, singende Kinder.
Ganz nah ist nur das Surren; hüllt meinen Kopf ein wie ein schwebender Helm aus Geräuschen, zusammengehalten durch irgendeine unbekannte Kraft.

Jetzt habe ich im Grundgeräusch noch einen Ton entdeckt, offen wie ein O, das in ein A übergeht. Jetzt kommt mir das Geräusch eines Flugzeugs dazwischen. Nun finde ich den Ton nicht mehr. Entlüftungs- und Verkehrsgeräusche drängen sich vor.
Das Zufallen der Haustür und sein Krach laufen regelrecht durchs Haus und lassen auch in unserer Wohnung die Türen zittern.
Selbst das Schleichen der Katzen auf der Holzstiege kann ich hören. Irgendwo werden größere, schwerere Dinge hin und her gerückt. Eine Waschmaschine – vermutlich – arbeitet auch. Dumpfes Stoßen. Katze scharrt im Katzenstreu. Knarren des Fußbodens bei Katzenschritten. Ans Grundgeräusch komme ich kaum noch heran. Laute Stimmen im Lichtschacht; so nah, als wären sie im Zimmer.

Das Ticken des Weckers: leise – lauter, leise – lauter; und so, als würde sich das Ticken schwerfällig im Kreis drehen; es klingt ein wenig angestrengt, bemüht.
Das Surren klingt eher wie eine akustische Strahlung; es ist einfach da. Wenn ich auf das Surren höre, dann tut sich der Wecker beim Ticken leichter. Anscheinend bremst ihn mein Horchen. Ich komme durch bis zum Grundgeräusch, aber das O-A finde ich nicht mehr.

Das Surren schiebt sich wieder in den Vordergrund und bekommt etwas sich Überschlagendes, als würden sämtliche Töne in den Obertonbereich kippen.

Vor meinen geschlossenen Augen sehe ich einen schneebedeckten Acker, mit einer niederen Hügelkette dahinter, eine gefrorene Winterlandschaft im abendlichen Morgenrot. Mein Aufschreiben hat das Bild und seinen Gedanken verscheucht, darum kann ich nichts erklären.
Wellen gehen durch meine Geräusche, nur das Zuschlagen eines Fensters schwingt nicht.
Das Surren ist nicht leise, aber kleiner geworden. Aber jetzt dehnt es sich wieder aus.

Ich habe mit geschlossenen Augen auf Notizbuch und Schreibhand geblickt, aber nicht bemerkt, daß ich träume.

Ich kann und will mich von den Geräuschen nicht lösen. Ein lila Punkt tanzt kurz vor meinem inneren Auge. Silberne Ballen von verschiedener Größe, vom Aussehen Topfreinigern nicht unähnlich, bewegen sich langsam durch mein inneres Gesichtsfeld.

Ich versetze meinem Schreibtischsessel vom Bett aus einen kräftigen Stoß, der wie eine Schockwelle durch mich hindurch läuft, aber ich habe mich dabei nicht bewegt, nur nach dem Aufschrecken dann die Augen geöffnet. Also geträumt, der Sessel steht noch genauso da wie vorher.

Lassen wir es gut sein! Ich höre für heute zu träumen und schreiben auf. Aber es fällt mir ganz schwer.














©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 14. Oktober 2015

209 Die Essigbäume


Langsam wälze ich mich zwischen Traum und Schlaf hervor. Zwischen Schuldgefühlen über das lange Schlafen und den Genuß, sich ganz langsam, und von einer Regensymphonie begleitet, an die Wirklichkeit heranzutasten. Zentimeter um Zentimeter. Mein Kopf fällt in Zeitlupe zur Seite und will wieder einschlafen. Das Surren der intensiven Träume hält mich gefangen. Die Gefühle und Empfindungen aus diesen Träumen leben noch in mir, Gefühle ohne die dazugehörigen Geschichten, denn die Träume selber habe ich großteils vergessen. In diesem Gefühlserbe steckt ganz unten Angst, dann Befremdung, Neugier, Abenteuerlust, Frustration und vieles andere mehr, das auch schon verschwimmt. Die Fremdheit ist das Vorherrschende, darum bin ich froh, wieder hier zu sein.

Aufstehen oder Weiterschreiben? Frühstücken oder Üben? Mein inneres Orientierungssystem ist vom Traumschock noch überbeansprucht und muß erst auspendeln, bevor es wieder funktioniert. Die Traumgefühle werden fast zu Bildern, zu Erinnerung, aber nur fast. Diese Erinnerungsfetzen kommen ganz nah heran und schweben dann gleich wieder weg, oder lösen sich auf, wie Nebelschwaden.

Wie schön der Regen klingt! Beim Herschreiben wäre ich beinahe in das Wort „klingt“ gestürzt. Plötzlich war es ganz fremd, wie ein Körnchen unter dem Mikroskop, ein eigenes Universum, mit viel Abstand und Leere zwischen den kreisenden Planeten, Sonnen, Kernen, Elektronen; der Sinn des Wortes in Gefahr, in diesen Weiten verloren zu gehen. Erst nach ein paar Sekunden wußte ich wieder, das Wort stimmt; das ist das Wort, das ich herschreiben will.

Ich drehe mein Handy auf. Wieder ein paar Zentimeter.

Oh, was für eine schöne Welt draußen! Vom Regen reingewaschen stehen die Bäume ganz still. Nur ab und zu ein Vibrieren. Einige wenige Blätter der Essigbäume sind schon gelb, viele haben schon eine gelben Stich, einige sind noch dunkelgrün, aber wirken schon müde.
Die Ziegeldächer glänzen, auch die Abbilder der Rauchfänge und Lüftungsrohre darauf. Das nasse Holz der Äste und Zweige glänzt ebenso, der Asphalt unten. Leichte, vereinzelte Bewegungen der Zweige und Äste. Ein Vogel fliegt im Geäst umher. Ich habe ihn kaum gesehen. Als er aus dem Laub herausfliegt, stelle ich überrascht fest, es ist eine Krähe.

In mir herrscht eine Pattsituation; ich weiß nicht zwischen wem oder was. Wenn ich meinen Empfindungen auf den Grund gehe – es ist ein Gefühl der Schockstarre, mein ganzes Leben schon. Die wenigen Bewegungen und Aktivitäten spielen sich nur ganz außen ab, oberflächlich, ohne Kontakt nach Innen. Innen bin ich erfroren.

Ich schaue den Regentropfen beim Fallen zu.










©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

208 Innerer Monolog eines übergeschnappten Kaffeetrinkers


Mir ist beinahe zum Weinen zumute. Tränen stauen sich hinter den Augenhöhlen. Gerade habe ich eine Auswahl meiner Texte abgeschickt, heute, am Sonntag. Ich bin feierlich zum Postamt 1010 gepilgert. Kann auf meinem Tun noch ein Segen sein? Ja, ich glaube doch. Alles spricht dagegen, auch diese Gegend hier. Aber doch, es ist möglich.

Vorher bin ich wählen gegangen; auch das mit gewisser Feierlichkeit, denn das darf ich; da kann ich so tun, als wäre ich ein freier Bürger. Und niemand fällt mein „Gebrechen“ auf. Oder es fällt auf, aber sie müssen so tun als ob, weil auf dem Dokument steht: volljähriger, stimmberechtigter Bürger, nicht entmündigt.

Früher habe ich mir für Wahlen Anzug und Krawatte angezogen, in der Zeit, als ich mir das Einheizen kaum leisten konnte. (Warum muß jetzt das wieder hervorgezerrt werden!)

Beim Rückenjoga hatte ich gemerkt, an dem Tag, an dem mir in der Arbeit einer das Götzzitat gesagt hat, daß ich ganz gekrümmt war und meinen Rücken kaum noch strecken konnte, schlechter als je zuvor. (Was soll das hier!) Für eine solche Aufladung bin ich gerade prädestiniert. Nicht wirklich, aber ich habe mich dazu abrichten lassen. Kriegsschulden. (Das ist jetzt peinlich!)

Ich sitze im Café und habe die Kellnerin zum Lächeln gebracht. Auf meine Art natürlich, indem ich mich so blöd angestellt habe, daß ich den Namen der Sachertorte nicht wußte, oder richtiger gesagt, daß diese Torte, die ich bestellen wollte, eine Sachertorte ist. Ich gönne mir nämlich zur Feier des Tages einen echten Kaffee und eine Torte.

Ich komme mir wirklich fast wie ein normaler Bürger vor, weil ich wählen darf, ins Café gehen kann, Kaffee trinken, Torte essen, grüßen (so halbwegs), zahlen, und den Fauxpas des Sachertorte-nicht-Erkennens als Zerstreuter-Professor-Szene tarnen. So, als wäre alles (fast) normal. Obwohl ich so eine Art Kainsmal trage, aber auch umgekehrt, zum Aussortieren freigegeben.

Schön die Zivilisation, die solches vertuscht. Ich will sie genießen, solange es sie noch gibt. Dann werden die Höllenhunde über mich herfallen. Teufelsgrube und Co.

Eigentlich ist mir die Süße der Torte zuviel, viel zu viel. Mit dem Bitteren des ungezuckerten Kaffees kann ich das ein wenig ausgleichen. Freilich, letztlich gehöre ich nicht hierher, aber wo gehöre ich hin?

Die Texte habe ich abgeschickt, mir ist fast zum Weinen. Halte ich das noch aus? Ich denke an früher, an das Hausieren-Gehen bei Galeristen, die vielen vergeblichen Versuche, die Ablehnungen.Und wenn sich tatsächlich etwas ergeben hat, wie ich es immer zerstört habe. (Du hast nämlich ziemlich oft Glück gehabt!)

Ich kann nämlich niemandem ein Gegenüber sein (Oh Gott!) Ich bin hohl. Ich habe keine Substanz. Wie habe ich überlebt? Ich habe mich durchgeschwindelt. Wo etwas sein soll, ist nichts. Wo nichts sein soll, ist die Bude vollgeräumt. Das Café wird mir jetzt zu voll. Ich werde gehen. Genug von dieser Tirade des Selbstmitleides. Ein wirklich heroischer Anlauf.

Ein Sohn setzt sich gegen seinen Vater durch. Das habe ich gerade beobachtet.

Nein, gar nichts wollen, gar nichts wollen, das ist meine Freiheit.

Mein Gott! Dieses Kaffee-inszenierte Geschreibe! Ich fange im Ernst an und es wird eine Selbstpersiflage. Auch gut. Innerlich muß ich lachen und fühle ein schmerzliches Glück (Häh?). Tränen in den Augen. Das Große ist möglich. Es ist etwas Großes möglich.

Von einer Tasse Kaffee, einer Melange, hochgepeitscht, bin ich nahe am Überschnappen. Ich verschreibe mich ständig und bin müde und aufgedreht gleichzeitig. Ich muß damit aufhören, mein Herz verträgt das nicht. Ich meine den Kaffee. Von der Wahlberichterstattung habe ich mich ablenken lassen, stundenlang vorm Computer. Jetzt schwirrt mir der Kopf, ein schaler, übler Nachgeschmack. Politik ist ein Thema, auf das ich immer wieder reinfalle, nachher fühle ich mich verkatert. Ich will doch meine eigene Mitte finden, meine eigene Balance, ich muß doch erst ein Mensch werden.

Was ich da her schreibe, ist kaum auszuhalten. Mein Herz klopft immer noch vom Kaffee, obwohl es schon zehn Stunden her ist, daß ich ihn getrunken habe. Ich weiß doch, daß mich alles umhaut. Ach was! Jetzt muß ich es einfach aushalten, bis es wieder vorbei ist.
In meinen Ohren summt und surrt es wieder wie verrückt und schrill. Schriller als sonst. Ich höre einfach auf und gehe schlafen. Und wenn ich nicht schlafen kann, kann ich immer noch lesen.

Zwölf Stunden ist es her, daß ich mir den Kaffee eingeflößt habe, und ich kann immer noch nicht schlafen. Alles geht mir im Kopf herum. Und meine Seele quält sich so ab.
















©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 9. Oktober 2015

207 Morgendämmerung


Die Dunkelheit hier war so schön, daß die Lichtsäule, die im Spalt zwischen Rollo und Fensternische entstand, wie ein heiliger? heilender? heiler? Gruß aus einer größeren Welt an ihrem Ort schwebte.

Dieser sanfte Knäuel aus Dunkelheit hier im Zimmer. Schemenhaft ahne ich das Bücherregal, den Schreibtisch mit seinen Aufbauten, die Bilder, Zeichnungen, Blätter an den Wänden, meine Jacke, die an der Tür hängt....

Unten hat der Tag schon längst begonnen, ich kann ihn laut und deutlich hören. Hier ist noch Nacht. Ihre letzte, vergebliche Zuflucht. Ich selber bin noch erfüllt von warmem, aber verzehrendem Gefühl, beim Lesen eingesickert oder aus porösem Grund langsam emporgestiegen. Als ich dann die Leselampe gelöscht habe, war ich wieder in nächtliche Dunkelheit eingehüllt. Eingehüllt in einen warmen, schützenden Umhang, den mir eine gütige, weibliche Kraft zum Trost umgelegt hatte.
In meinem Inneren spüre ich ein Ziehen. Irgendetwas außen versucht irgendetwas aus meinem Inneren herauszuziehen, etwas, das selber hinaus will.

Es ist nicht die Dunkelheit, die mich umhüllt, die dieses Hinauswollende durchstoßen muß, sondern die zähe Membran, die mich von der Welt trennt. Von welcher Welt auch immer.
Eigenartig, dieses verzehrende Ziehen spüre ich in meinem Inneren, ungefähr in meinem Bauch, ganz unten, beginnend bis hinter meine Augenhöhlen hinauf. Eine innere Säule aus Sehnsucht. Wonach? Nach der Verbundenheit mit allem?

Jetzt ist es auch unten ganz still. Um mich nur die üblichen tickenden, surrenden Übergangsgeräusche, am Übergang zwischen sogenanntem Traum und sogenannter Wirklichkeit.

Die Lichtsäule beim Fenster wirft schon schwaches Licht auf die Kanten der Regalbretter. So wird an den Rändern das Dämmrige immer stärker und die Dunkelheit hat sich links der Mitte des Raumes, in Bodennähe, geschützt vom Schreibtischschatten zurückgezogen, in Gestalt einer kleineren, dunklen, schwebenden Kugel.












©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Donnerstag, 8. Oktober 2015

206 Mein stolzes Reich


Mein stolzes Reich! Ich blicke auf mein stolzes Reich. Vor allem auf die Bücher und CDs. Lesen und Musikhören. Und ich fühle und spüre das, was ich dadurch an Reichtum gewonnen habe.
Ich bin von einem vertrauten und dennoch überraschenden Optimismus erfüllt. Ich bin stolz auf meinen Lebenslauf und auf das, was ich erreicht habe. Gleichzeitig lache ich in meinem Inneren über diesen Kurswechsel und weiß, daß das auch bloß eine Facette der üblichen Torheit ist. Aber das macht mir nichts aus. Ich genieße es. Ich fühle mich mit etwas ganz Großem verbunden, dabei darf ich mich durchaus auch als Narr herausstellen. Ich freue mich und bin stolz darauf, daß ich das weiß. Und lache wieder innen, weil mir bewußt ist, wie leicht und schnell ich diese Erkenntnis verlieren werde und mein Stolz dahin sein wird. Aber es macht mir nichts aus.

Ruhig und andächtig schaue ich mich in meinem Zimmer um. Tatsächlich, auch das hier ist von Unendlichkeit umgeben. Ich staune. Und wieder muß ich innerlich lachen. Vor Freude. Denn alle meine Versuche, so wenig sie gelungen sein mögen, waren im Tiefsten von einer großen, echten, achtenswerten Sehnsucht getragen – Leben und Bewußtsein zur Entfaltung zu bringen.
Innerlich schmunzle ich über diesen heiligen Ernst, in den ich zu geraten drohe, und über meine frommen Einsichten. Und das zu recht. Aber es macht mir nichts aus; ich darf bei all dem ruhig ein wenig dumm herumstammeln.

Immer wieder atme ich in tiefen und erleichternden Atemzügen ein und aus. Ich bin im Frieden mit mir und werfe mir nichts vor. Ich freue mich auf den heutigen Tag. Und auf den morgigen (Montenegro – Österreich!), und auf den übermorgigen, und......















©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Mittwoch, 7. Oktober 2015

205 In der Nacht und in der Früh


Stille. Tatüü! Tatüü! - draußen, aber trotzdem Stille. Ich bin müde, so müde. Meine Seele ist erschöpft. Der Dunstabzug draußen springt an, oder ist es eine Klimaanlage? Vielleicht ist gar nicht meine Seele erschöpft, sondern mein Geist. Oder gar nicht mein Geist, sondern mein Ego. Das wäre nicht schlecht. Oder dem Ego geht es gut, es blüht und gedeiht und denkt sich für seine Umgebung Spielchen aus. Zum Beispiel: „ich bin so erschöpft!“

In meinen Augenhöhlen wohnt schon die Müdigkeit; in meinen Ohren Surren, Ticken und Stille. Das Gerät draußen hat sich wieder abgeschaltet.

In meinem Zimmer ist alles ganz klar, wie es die Luft nach einem Regen ist, aber es regnet nicht. Ganz ferne das Brausen eines Flugzeuges. Mir fallen schon die Augen zu. Ein Hund bellt verhalten. Ich werde das Fenster schließen um zu schlafen. Die Haustüre fällt laut ins Schloß. Jemand steigt die Stiege herauf. Türen öffnen und schließen sich.


Aus dem Traum hochgerissen durch den Schreck vor einer verletzten, giftgrünen Schlange mit oranger Wunde, die nach mir schnappt. Ich wundere mich, daß ich es bis ins Badezimmer geschafft habe, konturlos wie ich bin. Eine amorphe, zitternde Masse, ohne Haut, ein wehrloser Klumpen. Ich fühle jetzt die Fußsohlen, die auf dem Bett liegen, weil ich meine Füße angezogen abstütze, und mein Ich ungefähr in Kopf-Nacken-Höhe, ansonsten nur konturlose Masse, irgendwie hervorquellend. Ein wenig spüre ich den Kugelschreiber in der rechten Hand. Diese drei konkreteren Orte schweben in dieser amorphen Masse, lose zusammengehalten vom schrillen Surren drumherum.

Ich will eine Erklärung sofort und sinke in die amorphe Welt, wo alles aus amorpher Masse besteht, aber die Antwort driftet irgendwie an mir vorbei. Blinkende, nicht zuordenbare Erinnerungsstücke treiben in der amorphen Masse herum, sowohl in meiner, als auch in der der Umgebung. Ich denke an den Tod eines Musikers, der uns noch bevorsteht. Mein Kopf fällt zur Seite, hält aber noch irgendwie Kontakt. Okey! Ich schlafe wieder.


Draußen macht ein schöner Regen die Straßen, die Höfe, die Stadt schwermütig, melancholisch und vor allem die Luft rein. Ich bin erschrocken, wie spät es schon ist. Eine düstere Stimmung erfaßt die Welt. Das stimmt möglicherweise nicht, denn ein Mann und eine Frau kommen in heiterem Gespräch und Lachen die Stiege herauf. Regentropfen klopfen an mein Fenster. Ratlos blicke ich umher. Was jetzt?












©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Dienstag, 6. Oktober 2015

204 Die Außenwand


Die Zwillingstürme aus CDs auf meinem Schreibtisch; das heimliche Christusbild an der Wand, ganz oben unter der Decke, wo er einem heilend das Ohr berührt, damit der endlich hören kann; die kindische Zeichnung, die ich an den Fächerkasten getackert habe, als ich noch vor einer Gruppe von Hörern unterrichten zu können glauben wollte. Alle meine tastenden Versuche, meinen Weg zu finden, die sich alle verloren haben, im Sand verlaufen. Jetzt rufe ich Leute an und bitte sie, sie befragen zu dürfen. Abgetragen, weit abgetragen. Der Verputz der Außenwand des Hauses wirkt... mir fallen keine akzeptablen Bilder ein, die das Zufällige und gleichzeitig Erstarrte daran ausdrücken können.

Trauer. Als ich die Trauer ergründen will, löst sie sich auf. Also auch sie ohne Substanz. Gut, dann eben nicht. Dann werde ich es nicht mit der Traurigkeit versuchen.

Ich starre wieder gedankenlos und unzentriert auf die Hausfassade; die Schlieren und Muster des Verputzes wirken wie in ihren Bewegungen erstarrt. Das sind sie auch, genauso wurden sie gemacht. Daran ist nichts geheimnisvoll oder bedeutungsschwer. Ich weiß nur, im Fieber würden sie lebendig werden und sich bewegen. Aber auch das ist nichts Neues. Nichts Neues unter dem trüben Himmel.

Die Frustration schabt an meinen Eingeweiden. Kein Gedanke, kein Satz, der einrastet. Kein Bild, das ein „das ist es!“ auslöst. Nichts ist an seinem Platz. Nichts ist, was es ist.


Jetzt bekommt diese Außenwand etwas anderes; als würde sie von einer neuen, hellen Kraft in die Höhe gestreckt werden, aufgerichtet aus einer verkrümmten Erschöpfung. Wieder stark und strahlend und weiß und sinnvoll steht sie da. Irgendetwas Helles hat von außen eingegriffen und das Haus nicht einstürzen lassen.














©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 5. Oktober 2015

203 Nacht V


Durch das offene Fenster strömt die kühle, feuchte, finstere Nachtluft herein. Die abgestandene Luft meiner Traurigkeit fließt langsam hinaus. Ich weiß, wenn ich das Fenster schließe, werde ich merken, daß sich noch genug der abgestandenen, tausendmal ausgeatmeten, hoffnungslosen Abluft im Zimmer gehalten hat, angesaugt an den Wänden, den Büchern, an Bettzeug und Kleidungsstücken; die, die sich unter der Zimmerdecke unauffällig festgekrallt hatte, im Zwischenraum zwischen Plafond und obere Fensterkante, wird herabsinken auf mich mit ihrer Verzweiflung.
Ich werde mich im Bett wälzen und nicht einschlafen können. Mein Gedächtnis wird mir alle meine gescheiterten Vorhaben servieren, meine unzähligen Niederlagen, meine Erinnerung wird dabei ganz weit zurück gehen. Ich werde seufzen und nicht schlafen können. Ruhelosigkeit wird meinen müden Geist herumtreiben und Ausweglosigkeit wird sich breit machen, gegen die ich keine Medizin wissen werde. Alle diese Gedanken vom Versagen werden mich quälen, aber ich werde sie weder verscheuchen noch ins Leere laufen lassen. Ich werde ganz klein werden, ganz klein, und trotzdem an einem absurden, unnötigen Ich festhalten.

Ich höre in der Nacht draußen ein paar Regentropfen. Nur wenige. Der Regen kann sich nicht durchringen, die Erde zu befruchten. Himmel und Erde vereinigen sich nicht.

Ich weiß nichts von mir. Ich weiß nicht, wer ich in meinem Innersten bin.

Schließlich werde ich am Rücken liegen und mich nicht mehr bewegen, nur mehr atmen. Zuerst in den Kopf mit einem Stoß nach oben, dann in Nacken und Hals, dann in Brust und Herz und weiter bis in die Arme und Finger, dann in den Bauch und zur oft schmerzenden Stelle im Kreuz hin, dann in den Unterleib und weiter bis zu den Fußsohlen und Wurzeln. Ich werde das dreimal wiederholen und dabei dann doch in den Schlaf sinken.

Wieder ein paar Tropfen am Dach. Daß es mitten in der Stadt so still sein kann! Stiller als am Land, wo man oft Autos fahren hört in mehreren Kilometern Entfernung.














©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

Freitag, 2. Oktober 2015

202 Freitag


Die fernen Kirchenglocken höre ich bis in meinen Schlaf. Sie rufen mich. Ich fühle, daß sie mich rufen. Eine leichte Wehmut und ein leichter Schmerz ziehen durch meine Seele. Wie beim Gedanken an eine gescheiterte Liebe. Sei's drum! Es ist vorbei. Ich wundere mich und schüttle den Kopf und wende mich neuen Abenteuern zu. Meinen neuen Liebesgeschichten.


Der Schmerz in meinem Kreuz sitzt einem strahlend blauen Himmel gegenüber. Komuskra tengri. Langsam biegt ein sanfter Wind den Weidenbaum nach rechts, nicht ruckartig, sondern stetig, zart und dennoch kraftvoll. Dann läßt er ihn wieder in die Aufrechte zurückgleiten. Dann wiegt er alle Bäume hin und her, wie in einer Liebkosung. „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind!“ „Himmel und Erde vereinigen sich.“

Die wiegenden Bäume scheinen keine Kreuzschmerzen zu kennen, sie verhärten sich nicht in falschem Widerstand. Sie geben sich dem Wind hin, aber unterwerfen sich nicht. Ist es wrklich so?

Was will mir mein Kreuz sagen? In diesem Kreuzschmerz werde ich nicht siegen? Bei diesem Kreuzworträtsel finde ich keine Lösung.

Lebhaft bewegen sich die Bäume. Sie scheinen mir irgendeine Erleuchtung zuzufächeln, aber ich sitze verständnislos da. Ein kleines Ästchen strengt sich besonders an und winkt mir heftig zu. Ich verstehe nichts. Ich schaue drein wie ein dumber Tor. Die ganze Welt weiß es, hat es verstanden, nur ich nicht.

Bevor sich der Frust verfestigt, muß ich lächeln. Wie kann ich nur so vernagelt sein ?! Ich schüttle meinen Kopf. Wie sehr kann man sich gegen die Erleuchtung wehren!

Trotzdem bin ich im Frieden mit mir. Das ist ja alles ganz normal. „Aniada a noar!“ Ein jeder ein Narr. Ein tiefer, erleichternder Seufzer entströmt meiner Brust. Ich kann immer noch lächeln. Das tue ich doch gern.









©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com