Donnerstag, 15. Oktober 2015

210 Hauptsächlich Geräusche


Von Zeit zu Zeit, aber in langen Abständen, fällt draußen am Fensterbrett ein Wassertropfen. Ich bin müde und mir ist kalt. Erfroren am Computer, auf der Suche nach etwas, das mich weiterbringt oder beruhigt. Treuherzig schaue ich über den Rand der Lesebrille hinweg, nur so, auf der Suche nach Inspiration. Ich schaue auf die Schrunden und Flecken an den Wänden und an der Tür, ob ich sie nicht beschreiben will. Aber nein, ich lasse diese Idee fallen, halb aus Trägheit, halb aus Mangel an Worten. Einiges hier habe ich zumindestens einmal erwähnt, oder aufgezählt, wenn nicht beschrieben. Da ich mit dem Schauen nicht weiterkomme, lausche ich.

Surren, Ticken, Tropfen – mehr ist nicht zu hören. Und noch so ein Grundgeräusch, das ich nicht näher bestimmen kann, das aber allen anderen Geräuschen unterlegt ist, wie von einer fernen Maschine, ein leichtes, rhythmisches Burren, als würde sich bei einer Maschine etwas im Kreis drehen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Geräusch außen ist, oder doch in mir, wie das schrille Surren. Drei Tropfen hintereinander, jetzt wieder längere Pause.

Viele Bunte Farben gibt es hier.

Das Surren in den Ohren ist sehr laut. Wenn ich darauf meine Aufmerksamkeit richte, merke ich, daß diese Töne schwingen. Ich bilde mir ein, ich kann den Rhythmus ein wenig steuern. Anschwellen, abklingen. Das Geräusch meines Kopfkratzens - viel stärker als das Geräusch des Schreibens. Das Geräusch meiner Handbewegungen an Papier und Bettdecke. Das Geräusch meines Atmens ist mir erst jetzt, beim Seufzen aufgefallen
Auch das Grundgeräusch scheint zu pulsieren, es klingt wie von weit her. Ich tippe doch auf die entfernten Geräusche der Stadt. Auch wenn ich meinen Kopf auf dem Polster drehe, ergibt sich ein schwaches Geräusch, so nahe am Ohr gut zu hören. Mein Gähnen ist unüberhörbar. Die Fußsohlen, die über das Leintuch gleiten. Und immer wieder die Tropfen draußen; jetzt fallen sie häufiger; der Regen nimmt zu.


Leere. Ich denke nicht zusammenhängend. Die Geräusche jetzt am Morgen ganz ähnlich wie vorher die der Nacht. Nur das Tropfen fällt weg und Türenschließen kommt dazu.
Das Ticken des Weckers – so interessant! Intensität, Lautstärke, Tempo scheinen sich ständig zu ändern, eine Modulation wie beim Sprechen. Sprechen ohne Sprache.
Auch das Surren ändert dauernd Modulation und Frequenz, ein Strom mit vielen Obertönen, die sich überlagern und verstärken.
Irgendwo im Haus ist Füßegetrampel zu hören. Rufende, singende Kinder.
Ganz nah ist nur das Surren; hüllt meinen Kopf ein wie ein schwebender Helm aus Geräuschen, zusammengehalten durch irgendeine unbekannte Kraft.

Jetzt habe ich im Grundgeräusch noch einen Ton entdeckt, offen wie ein O, das in ein A übergeht. Jetzt kommt mir das Geräusch eines Flugzeugs dazwischen. Nun finde ich den Ton nicht mehr. Entlüftungs- und Verkehrsgeräusche drängen sich vor.
Das Zufallen der Haustür und sein Krach laufen regelrecht durchs Haus und lassen auch in unserer Wohnung die Türen zittern.
Selbst das Schleichen der Katzen auf der Holzstiege kann ich hören. Irgendwo werden größere, schwerere Dinge hin und her gerückt. Eine Waschmaschine – vermutlich – arbeitet auch. Dumpfes Stoßen. Katze scharrt im Katzenstreu. Knarren des Fußbodens bei Katzenschritten. Ans Grundgeräusch komme ich kaum noch heran. Laute Stimmen im Lichtschacht; so nah, als wären sie im Zimmer.

Das Ticken des Weckers: leise – lauter, leise – lauter; und so, als würde sich das Ticken schwerfällig im Kreis drehen; es klingt ein wenig angestrengt, bemüht.
Das Surren klingt eher wie eine akustische Strahlung; es ist einfach da. Wenn ich auf das Surren höre, dann tut sich der Wecker beim Ticken leichter. Anscheinend bremst ihn mein Horchen. Ich komme durch bis zum Grundgeräusch, aber das O-A finde ich nicht mehr.

Das Surren schiebt sich wieder in den Vordergrund und bekommt etwas sich Überschlagendes, als würden sämtliche Töne in den Obertonbereich kippen.

Vor meinen geschlossenen Augen sehe ich einen schneebedeckten Acker, mit einer niederen Hügelkette dahinter, eine gefrorene Winterlandschaft im abendlichen Morgenrot. Mein Aufschreiben hat das Bild und seinen Gedanken verscheucht, darum kann ich nichts erklären.
Wellen gehen durch meine Geräusche, nur das Zuschlagen eines Fensters schwingt nicht.
Das Surren ist nicht leise, aber kleiner geworden. Aber jetzt dehnt es sich wieder aus.

Ich habe mit geschlossenen Augen auf Notizbuch und Schreibhand geblickt, aber nicht bemerkt, daß ich träume.

Ich kann und will mich von den Geräuschen nicht lösen. Ein lila Punkt tanzt kurz vor meinem inneren Auge. Silberne Ballen von verschiedener Größe, vom Aussehen Topfreinigern nicht unähnlich, bewegen sich langsam durch mein inneres Gesichtsfeld.

Ich versetze meinem Schreibtischsessel vom Bett aus einen kräftigen Stoß, der wie eine Schockwelle durch mich hindurch läuft, aber ich habe mich dabei nicht bewegt, nur nach dem Aufschrecken dann die Augen geöffnet. Also geträumt, der Sessel steht noch genauso da wie vorher.

Lassen wir es gut sein! Ich höre für heute zu träumen und schreiben auf. Aber es fällt mir ganz schwer.














©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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