210 Hauptsächlich Geräusche
Von Zeit zu Zeit, aber in langen
Abständen, fällt draußen am Fensterbrett ein Wassertropfen. Ich
bin müde und mir ist kalt. Erfroren am Computer, auf der Suche nach
etwas, das mich weiterbringt oder beruhigt. Treuherzig schaue ich
über den Rand der Lesebrille hinweg, nur so, auf der Suche nach
Inspiration. Ich schaue auf die Schrunden und Flecken an den Wänden
und an der Tür, ob ich sie nicht beschreiben will. Aber nein, ich
lasse diese Idee fallen, halb aus Trägheit, halb aus Mangel an
Worten. Einiges hier habe ich zumindestens einmal erwähnt, oder
aufgezählt, wenn nicht beschrieben. Da ich mit dem Schauen nicht
weiterkomme, lausche ich.
Surren, Ticken, Tropfen – mehr ist
nicht zu hören. Und noch so ein Grundgeräusch, das ich nicht näher
bestimmen kann, das aber allen anderen Geräuschen unterlegt ist, wie
von einer fernen Maschine, ein leichtes, rhythmisches Burren, als
würde sich bei einer Maschine etwas im Kreis drehen. Ich bin mir
nicht sicher, ob dieses Geräusch außen ist, oder doch in mir, wie
das schrille Surren. Drei Tropfen hintereinander, jetzt wieder
längere Pause.
Viele Bunte Farben gibt es hier.
Das Surren in den Ohren ist sehr laut.
Wenn ich darauf meine Aufmerksamkeit richte, merke ich, daß diese
Töne schwingen. Ich bilde mir ein, ich kann den Rhythmus ein wenig
steuern. Anschwellen, abklingen. Das Geräusch meines Kopfkratzens -
viel stärker als das Geräusch des Schreibens. Das Geräusch meiner
Handbewegungen an Papier und Bettdecke. Das Geräusch meines Atmens
ist mir erst jetzt, beim Seufzen aufgefallen
Auch das Grundgeräusch scheint zu
pulsieren, es klingt wie von weit her. Ich tippe doch auf die
entfernten Geräusche der Stadt. Auch wenn ich meinen Kopf auf dem Polster
drehe, ergibt sich ein schwaches Geräusch, so nahe am Ohr gut zu
hören. Mein Gähnen ist unüberhörbar. Die Fußsohlen, die über
das Leintuch gleiten. Und immer wieder die Tropfen draußen; jetzt
fallen sie häufiger; der Regen nimmt zu.
Leere. Ich denke nicht zusammenhängend.
Die Geräusche jetzt am Morgen ganz ähnlich wie vorher die der
Nacht. Nur das Tropfen fällt weg und Türenschließen kommt dazu.
Das Ticken des Weckers – so
interessant! Intensität, Lautstärke, Tempo scheinen sich ständig
zu ändern, eine Modulation wie beim Sprechen. Sprechen ohne Sprache.
Auch das Surren ändert dauernd
Modulation und Frequenz, ein Strom mit vielen Obertönen, die sich
überlagern und verstärken.
Irgendwo im Haus ist Füßegetrampel zu
hören. Rufende, singende Kinder.
Ganz nah ist nur das Surren; hüllt
meinen Kopf ein wie ein schwebender Helm aus Geräuschen,
zusammengehalten durch irgendeine unbekannte Kraft.
Jetzt habe ich im Grundgeräusch noch
einen Ton entdeckt, offen wie ein O, das in ein A übergeht. Jetzt
kommt mir das Geräusch eines Flugzeugs dazwischen. Nun finde ich den
Ton nicht mehr. Entlüftungs- und Verkehrsgeräusche drängen sich
vor.
Das Zufallen der Haustür und sein
Krach laufen regelrecht durchs Haus und lassen auch in unserer
Wohnung die Türen zittern.
Selbst das Schleichen der Katzen auf
der Holzstiege kann ich hören. Irgendwo werden größere, schwerere
Dinge hin und her gerückt. Eine Waschmaschine – vermutlich –
arbeitet auch. Dumpfes Stoßen. Katze scharrt im Katzenstreu. Knarren
des Fußbodens bei Katzenschritten. Ans Grundgeräusch komme ich kaum
noch heran. Laute Stimmen im Lichtschacht; so nah, als wären sie im
Zimmer.
Das Ticken des Weckers: leise –
lauter, leise – lauter; und so, als würde sich das Ticken
schwerfällig im Kreis drehen; es klingt ein wenig angestrengt,
bemüht.
Das Surren klingt eher wie eine
akustische Strahlung; es ist einfach da. Wenn ich auf das Surren
höre, dann tut sich der Wecker beim Ticken leichter. Anscheinend
bremst ihn mein Horchen. Ich komme durch bis zum Grundgeräusch, aber
das O-A finde ich nicht mehr.
Das Surren schiebt sich wieder in den
Vordergrund und bekommt etwas sich Überschlagendes, als würden
sämtliche Töne in den Obertonbereich kippen.
Vor meinen geschlossenen Augen sehe ich
einen schneebedeckten Acker, mit einer niederen Hügelkette dahinter,
eine gefrorene Winterlandschaft im abendlichen Morgenrot. Mein
Aufschreiben hat das Bild und seinen Gedanken verscheucht, darum kann
ich nichts erklären.
Wellen gehen durch meine Geräusche,
nur das Zuschlagen eines Fensters schwingt nicht.
Das Surren ist nicht leise, aber
kleiner geworden. Aber jetzt dehnt es sich wieder aus.
Ich habe mit geschlossenen Augen auf
Notizbuch und Schreibhand geblickt, aber nicht bemerkt, daß ich
träume.
Ich kann und will mich von den
Geräuschen nicht lösen. Ein lila Punkt tanzt kurz vor meinem
inneren Auge. Silberne Ballen von verschiedener Größe, vom Aussehen
Topfreinigern nicht unähnlich, bewegen sich langsam durch mein
inneres Gesichtsfeld.
Ich versetze meinem Schreibtischsessel
vom Bett aus einen kräftigen Stoß, der wie eine Schockwelle durch
mich hindurch läuft, aber ich habe mich dabei nicht bewegt, nur nach
dem Aufschrecken dann die Augen geöffnet. Also geträumt, der Sessel
steht noch genauso da wie vorher.
Lassen wir es gut sein! Ich höre für
heute zu träumen und schreiben auf. Aber es fällt mir ganz schwer.
©Peter
Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite