204 Die Außenwand
Die Zwillingstürme aus CDs auf meinem
Schreibtisch; das heimliche Christusbild an der Wand, ganz oben unter
der Decke, wo er einem heilend das Ohr berührt, damit der endlich
hören kann; die kindische Zeichnung, die ich an den Fächerkasten
getackert habe, als ich noch vor einer Gruppe von Hörern
unterrichten zu können glauben wollte. Alle meine tastenden
Versuche, meinen Weg zu finden, die sich alle verloren haben, im Sand
verlaufen. Jetzt rufe ich Leute an und bitte sie, sie befragen zu
dürfen. Abgetragen, weit abgetragen. Der Verputz der Außenwand des
Hauses wirkt... mir fallen keine akzeptablen Bilder ein, die das
Zufällige und gleichzeitig Erstarrte daran ausdrücken können.
Trauer. Als ich die Trauer ergründen
will, löst sie sich auf. Also auch sie ohne Substanz. Gut, dann eben
nicht. Dann werde ich es nicht mit der Traurigkeit versuchen.
Ich starre wieder gedankenlos und
unzentriert auf die Hausfassade; die Schlieren und Muster des
Verputzes wirken wie in ihren Bewegungen erstarrt. Das sind sie auch,
genauso wurden sie gemacht. Daran ist nichts geheimnisvoll oder
bedeutungsschwer. Ich weiß nur, im Fieber würden sie lebendig
werden und sich bewegen. Aber auch das ist nichts Neues. Nichts Neues
unter dem trüben Himmel.
Die Frustration schabt an meinen
Eingeweiden. Kein Gedanke, kein Satz, der einrastet. Kein Bild, das
ein „das ist es!“ auslöst. Nichts ist an seinem Platz. Nichts
ist, was es ist.
Jetzt bekommt diese Außenwand etwas
anderes; als würde sie von einer neuen, hellen Kraft in die Höhe
gestreckt werden, aufgerichtet aus einer verkrümmten Erschöpfung.
Wieder stark und strahlend und weiß und sinnvoll steht sie da.
Irgendetwas Helles hat von außen eingegriffen und das Haus nicht
einstürzen lassen.
©Peter
Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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