Montag, 5. Oktober 2015

203 Nacht V


Durch das offene Fenster strömt die kühle, feuchte, finstere Nachtluft herein. Die abgestandene Luft meiner Traurigkeit fließt langsam hinaus. Ich weiß, wenn ich das Fenster schließe, werde ich merken, daß sich noch genug der abgestandenen, tausendmal ausgeatmeten, hoffnungslosen Abluft im Zimmer gehalten hat, angesaugt an den Wänden, den Büchern, an Bettzeug und Kleidungsstücken; die, die sich unter der Zimmerdecke unauffällig festgekrallt hatte, im Zwischenraum zwischen Plafond und obere Fensterkante, wird herabsinken auf mich mit ihrer Verzweiflung.
Ich werde mich im Bett wälzen und nicht einschlafen können. Mein Gedächtnis wird mir alle meine gescheiterten Vorhaben servieren, meine unzähligen Niederlagen, meine Erinnerung wird dabei ganz weit zurück gehen. Ich werde seufzen und nicht schlafen können. Ruhelosigkeit wird meinen müden Geist herumtreiben und Ausweglosigkeit wird sich breit machen, gegen die ich keine Medizin wissen werde. Alle diese Gedanken vom Versagen werden mich quälen, aber ich werde sie weder verscheuchen noch ins Leere laufen lassen. Ich werde ganz klein werden, ganz klein, und trotzdem an einem absurden, unnötigen Ich festhalten.

Ich höre in der Nacht draußen ein paar Regentropfen. Nur wenige. Der Regen kann sich nicht durchringen, die Erde zu befruchten. Himmel und Erde vereinigen sich nicht.

Ich weiß nichts von mir. Ich weiß nicht, wer ich in meinem Innersten bin.

Schließlich werde ich am Rücken liegen und mich nicht mehr bewegen, nur mehr atmen. Zuerst in den Kopf mit einem Stoß nach oben, dann in Nacken und Hals, dann in Brust und Herz und weiter bis in die Arme und Finger, dann in den Bauch und zur oft schmerzenden Stelle im Kreuz hin, dann in den Unterleib und weiter bis zu den Fußsohlen und Wurzeln. Ich werde das dreimal wiederholen und dabei dann doch in den Schlaf sinken.

Wieder ein paar Tropfen am Dach. Daß es mitten in der Stadt so still sein kann! Stiller als am Land, wo man oft Autos fahren hört in mehreren Kilometern Entfernung.














©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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