Samstag, 26. September 2015

198 Der verborgene Palast


Wenn ich einmal reich bin – das „Haus am Land“ habe ich schon einigermaßen beschrieben, jetzt beschreibe ich meine Stadtwohnung – wenn ich reich bin. Sehr, sehr reich. Meine Idee: ein versteckter Palast! Zum Beispiel hier, wo wir jetzt wohnen. Wir nehmen in diesem Haus noch ein, zwei Wohnungen dazu. Und richten alle fein her. Schlicht, streng, fast spartanisch. Das Nicht-Strenge soll erst aus dem Wohnen und Leben heraus entstehen. Dann nehmen wir noch ein paar Wohnungen im Nachbarhaus dazu. Ich weiß, daß es da enorme Schwierigkeiten mit den städtischen Behörden geben wird, wenn wir die alle, über die Häusergrenzen hinweg, zusammenlegen wollen. Aber wir sind reich, sehr reich, geduldig und haben gute Rechtsanwälte. Und dann im Nachbarhaus auf der anderen Seite auch ein paar Wohnungen; immer so, daß sich die Wohnungen zusammenlegen lassen. Das geht die Stockwerke rauf und runter und durch die Häuser hindurch ins nächste Haus. Nie aber nehmen wir ein ganzes Haus. Toll wäre es, wenn die zusammengelegten Wohnungen einen ganzen Häuserblock umkreisen. Das wären dann sehr viele Räume, sehr viele Eingänge, und ein verborgener Palast. Ober, unter, neben uns wohnen andere Leute, aber quer durch zieht sich der versteckte Palast. Von außen sieht man dem Häuserblock nicht an, daß sich in ihm ein Palast befindet, und innen eigentlich auch nicht. Erst wenn man den verborgenen Palast betritt und durchwandert, bemerkt man ihn.

Ach, wie toll! Einmal aus dem Fenster schauen und einmal aus dem. Einmal vom dritten Stock rausschauen und einmal vom ersten. Einmal hofseitig und einmal straßenseitig. Und vier verschiedene Straßen! Möglicherweise gibt es zwei Höfe!

Und gut eingerichtet. Wieder ein großes Atelier und eine Schreibstube mit schönem Ausblick und geräumig genug zum Hin- und Hergehen, wenn ich mich beim Schreiben (oder Denken) in Aufregung hineingesteigert habe. Mit Schreibtisch und Stehpulten, wo die verschiedenen Arbeiten aufgeschlagen bereit liegen. Detto im Atelier verschiedene Arbeitstische. Und Bibliothek. Musiksalon mit guter Anlage. Viele Gäste-, Ruhe-, Turn- und Übungszimmer, Schlafzimmer, eine Hauskapelle, Badezimmer mit Mosaiken der Firma Hans Pfefferle. Genau! Und in der Hauskapelle auch Mosaike, nach meinen Entwürfen.

Hoffentlich komme ich vor lauter Herumwandern im Palast noch zum Schreiben, oder wenigstens Lesen! Viele Lesesessel und Couchen in verschieden gestimmten Räumen.
Ja, Küche, Eßzimmer, Wohnzimmer, Salons für gesellige Runden und kleine kulturelle Veranstaltungen. Wenn es mir zu viel wird kann ich mich zurückziehen und verstecken. Flucht durch die Zimmerfluchten. Oder bei der einen Wohnungstüre raus und an einer anderen Adresse heimlich wieder rein, in einen geheimen Bereich, meine ganz persönliche Klausur.

Ja, und dann, und dann, dann... helle Räume und Räume mit dezent gedämpftem Licht, schönen Vorhängen. Holzböden, Teppiche, schlichtes, praktisches, aber edles Mobiliar.

Das mit dem Personal muß ich mir noch gut überlegen. Mein Gott! Es ist schon viel zu überlegen, planen und zu entscheiden! X-verschiedene Gas-, Elektro-, Heizungs- und sonstige Systeme. Wenn der Rauchfangkehrer kommt! Verschiedene Rauchfangkehrer zu verschiedenen Zeiten, da verschiedene Häuser! Oder die Überprüfung der Gasthermen! Jede Woche mindestens zwei Termine für irgendetwas! Dunstabzüge reinigen! Das Personal! Die Arbeiten planen, aufteilen, überwachen, überprüfen! Ich werde nicht mehr zum Schreiben kommen! Um das Haus am Land muß ich mich auch noch kümmern!

Wer stellt das Personal ein? Ich? Menschenscheu wie ich bin? Und Befehle geben oder Anordnungen erteilen ist mir absolut unangenehm! Ich werde vor Verlegenheit stottern und rot werden! Nein, das Ganze wächst mir über den Kopf!

Aber wenn ich, so wie jetzt, nicht schlafen kann, dann im Palast herumwandern, sogar im Kreis. Einmal da im Osten einen Blick aus dem Fenster, einmal dort im Westen. Das Fenster aufmachen, das Fenster zumachen. Mich da hinsetzen oder im blauen Salon. Dem Regen zuhören, so wie jetzt, oder laut Musik hören, oder doch... einschlafen.

In Ruhe frühstücken, baden (als wäre ich in der Früh nicht extrem wasserscheu.) und.....

Und die Post! Die Post! Wie machen wir das mit den zwanzig verschiedenen Briefkästen? Zumindest ein paar verschiedene Adressen hätten schon Sinn – eine als Schriftsteller, eine als Maler (es gäbe ja wieder ein Atelier!), eine für die Familie oder mehrere für die einzelnen Familienmitglieder, eine ganz persönlich, eine für die Steuer....

Wäre eine kleine Werkstatt nicht auch nicht schlecht? Paßt besser zum Haus am Land. Aber eine kleine...

Und das Abschließen sämtlicher Wohnungseingangstüren! Müßte einen eigenen Schließer einstellen.

Himmel! Wird das alles kompliziert!












©Peter Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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