198 Der verborgene Palast
Wenn ich einmal reich bin – das „Haus
am Land“ habe ich schon einigermaßen beschrieben, jetzt beschreibe
ich meine Stadtwohnung – wenn ich reich bin. Sehr, sehr reich.
Meine Idee: ein versteckter Palast! Zum Beispiel hier, wo wir jetzt
wohnen. Wir nehmen in diesem Haus noch ein, zwei Wohnungen dazu. Und
richten alle fein her. Schlicht, streng, fast spartanisch. Das
Nicht-Strenge soll erst aus dem Wohnen und Leben heraus entstehen.
Dann nehmen wir noch ein paar Wohnungen im Nachbarhaus dazu. Ich
weiß, daß es da enorme Schwierigkeiten mit den städtischen
Behörden geben wird, wenn wir die alle, über die Häusergrenzen
hinweg, zusammenlegen wollen. Aber wir sind reich, sehr reich,
geduldig und haben gute Rechtsanwälte. Und dann im Nachbarhaus auf
der anderen Seite auch ein paar Wohnungen; immer so, daß sich die
Wohnungen zusammenlegen lassen. Das geht die Stockwerke rauf und
runter und durch die Häuser hindurch ins nächste Haus. Nie aber
nehmen wir ein ganzes Haus. Toll wäre es, wenn die zusammengelegten
Wohnungen einen ganzen Häuserblock umkreisen. Das wären dann sehr
viele Räume, sehr viele Eingänge, und ein verborgener Palast. Ober,
unter, neben uns wohnen andere Leute, aber quer durch zieht sich der
versteckte Palast. Von außen sieht man dem Häuserblock nicht an,
daß sich in ihm ein Palast befindet, und innen eigentlich auch
nicht. Erst wenn man den verborgenen Palast betritt und durchwandert,
bemerkt man ihn.
Ach, wie toll! Einmal aus dem
Fenster schauen und einmal aus dem.
Einmal vom dritten Stock rausschauen und einmal vom ersten. Einmal
hofseitig und einmal straßenseitig. Und vier verschiedene Straßen!
Möglicherweise gibt es zwei Höfe!
Und
gut eingerichtet. Wieder ein großes Atelier und eine Schreibstube
mit schönem Ausblick und geräumig genug zum Hin- und Hergehen,
wenn ich mich beim Schreiben (oder Denken) in Aufregung
hineingesteigert habe. Mit Schreibtisch und Stehpulten, wo die
verschiedenen Arbeiten aufgeschlagen bereit liegen. Detto im Atelier
verschiedene Arbeitstische. Und Bibliothek. Musiksalon mit guter
Anlage. Viele Gäste-, Ruhe-, Turn- und Übungszimmer, Schlafzimmer,
eine Hauskapelle, Badezimmer mit Mosaiken der Firma Hans Pfefferle.
Genau! Und in der Hauskapelle auch Mosaike, nach meinen Entwürfen.
Hoffentlich
komme ich vor lauter Herumwandern im Palast noch zum Schreiben, oder
wenigstens Lesen! Viele Lesesessel und Couchen in verschieden
gestimmten Räumen.
Ja,
Küche, Eßzimmer, Wohnzimmer, Salons für gesellige Runden und
kleine kulturelle Veranstaltungen. Wenn es mir zu viel wird kann ich
mich zurückziehen und verstecken. Flucht durch die Zimmerfluchten.
Oder bei der einen Wohnungstüre raus und an einer anderen Adresse
heimlich wieder rein, in einen geheimen Bereich, meine ganz
persönliche Klausur.
Ja,
und dann, und dann, dann... helle Räume und Räume mit dezent
gedämpftem Licht, schönen Vorhängen. Holzböden, Teppiche,
schlichtes, praktisches, aber edles Mobiliar.
Das
mit dem Personal muß ich mir noch gut überlegen. Mein Gott! Es ist
schon viel zu überlegen, planen und zu entscheiden! X-verschiedene
Gas-, Elektro-, Heizungs- und sonstige Systeme. Wenn der
Rauchfangkehrer kommt! Verschiedene Rauchfangkehrer zu verschiedenen
Zeiten, da verschiedene Häuser! Oder die Überprüfung der
Gasthermen! Jede Woche mindestens zwei Termine für irgendetwas!
Dunstabzüge reinigen! Das Personal! Die Arbeiten planen, aufteilen,
überwachen, überprüfen! Ich werde nicht mehr zum Schreiben kommen!
Um das Haus am Land muß ich mich auch noch kümmern!
Wer
stellt das Personal ein? Ich? Menschenscheu wie ich bin? Und Befehle
geben oder Anordnungen erteilen ist mir absolut unangenehm! Ich werde
vor Verlegenheit stottern und rot werden! Nein, das Ganze wächst mir
über den Kopf!
Aber
wenn ich, so wie jetzt, nicht schlafen kann, dann im Palast
herumwandern, sogar im Kreis. Einmal da im Osten einen Blick aus dem
Fenster, einmal dort im Westen. Das Fenster aufmachen, das Fenster
zumachen. Mich da hinsetzen oder im blauen Salon. Dem Regen zuhören,
so wie jetzt, oder laut Musik hören, oder doch... einschlafen.
In
Ruhe frühstücken, baden (als wäre ich in der Früh nicht extrem
wasserscheu.) und.....
Und
die Post! Die Post! Wie machen wir das mit den zwanzig verschiedenen
Briefkästen? Zumindest ein paar verschiedene Adressen hätten schon
Sinn – eine als Schriftsteller, eine als Maler (es gäbe ja wieder
ein Atelier!), eine für die Familie oder mehrere für die einzelnen
Familienmitglieder, eine ganz persönlich, eine für die Steuer....
Wäre
eine kleine Werkstatt nicht auch nicht schlecht? Paßt besser zum
Haus am Land. Aber eine kleine...
Und
das Abschließen sämtlicher Wohnungseingangstüren! Müßte einen
eigenen Schließer einstellen.
Himmel!
Wird das alles kompliziert!
©Peter
Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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