190 Die halbe Zwiebel
Das sulfidhaltige ätherische Öl der
halbierten Zwiebel dominiert Zimmer und Geruchssinn. Es wird meine
Erkältung sehr erfolgreich heilen. Es ist drei Uhr morgens und ich
bin gerade aufgewacht. Ich liege noch wach im Bett, aber meine
Wahrnehmung beginnt sich schon wieder zu wellen; immer wieder fallen
mir die Augen zu. Krankenzimmeratmosphäre. Mein Schreib- und
Reaktionsvermögen ist stumpf. Meinen Hörsinn dominiert das Summen
der Ohren. Gerade jetzt drückt ein Windstoß gegen das Fenster.
Einzelne Traumelemente schieben sich
zwischen meine Wahrnehmungen und Gedankenbilder.
„Was ich Sie bitte ist nur, daß Sie
mir erlauben, Angst zu haben.“, höre ich eine Stimme sagen.
Beinahe sehe ich sie auch.
Ich kauere da wie eine schiefe Existenz
aus einer anderen Welt, wie ein Vertriebener, der sich irgendwo
ausruht, erschöpft, resigniert, nur so halbwegs sicher - genau weiß
er es nicht. Dabei liege ich normal im Bett am Rücken.
Ein Hustenanfall stößt mich in diese
Welt zurück, obwohl sich am Rand meines Notizbuches schon wieder
etwas bewegt.
Die Augen fallen mir zu.
Der Wind hat schon längst aufgehört.
©Peter
Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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