186 Trauer
Meine alte, wohlvertraute,
durchanalysierte, überständige, lebenslängliche, gehegte und
verhätschelte, angewachsene und... geliebte Trauer umspielt mich,
wie der Wind draußen vorm Fenster den Weiden- und die Essigbäume.
Die Rauchfänge stehen sprachlos und starr und leuchtend in Sonne und
Schatten („sprachlos und...“, ich weiß!), dahinter das milchige
Blau des späten Himmels. Die roten Ziegel der Dächer mustern die
Mitte des Bildausschnitts. Nur der Wind und die Äste und Blätter
der Bäume beleben die Szene. Hinten links prangen rote Blüten an
einem Fenster. („Seht wie die Wunden prangen....“, aus einem
wunderschönen Osterlied.) Dieses lebensstarke, verheißungsvolle,
dichte und intensive Rot ruft eine unbändige Sehnsucht hervor, nach
einem Leben, wo alles ganz anders ist, hier und dort. „Es wäre
möglich!“ spürt mein zaghaftes Herz, „Es wäre möglich!“
denkt mein müde gewordener Geist. Doch ich stehe, sitze am Rand und
schaue zu. Dem Windspiel in den Bäumen, dem Blau beim
Sich-Ausdehnen, den Dächern bei ihrer starren Performance, dem
Licht, den Schatten...
Und immer wieder dem Wind, dem
Himmelsboten.
Ich selber habe mich zurückgezogen,
ganz an die Rückwand, wo mein Platz ist, mit dem Rücken zur Wand.
Ich sitze bequem und angespannt, aber das Rot leuchtet da drüben.
Jetzt schleicht verstohlen eine Wolke am Rand des blauen Himmels
dahin, in Deckung hinter den Rauchfängen, sie kündigt irgendetwas
an.
Der Wind liebkost die Blätter, sanft,
und manchmal erregt. Dann hält er wieder still. Und greift sie von
Neuem an.
©Peter
Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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