Donnerstag, 10. September 2015

186 Trauer


Meine alte, wohlvertraute, durchanalysierte, überständige, lebenslängliche, gehegte und verhätschelte, angewachsene und... geliebte Trauer umspielt mich, wie der Wind draußen vorm Fenster den Weiden- und die Essigbäume. Die Rauchfänge stehen sprachlos und starr und leuchtend in Sonne und Schatten („sprachlos und...“, ich weiß!), dahinter das milchige Blau des späten Himmels. Die roten Ziegel der Dächer mustern die Mitte des Bildausschnitts. Nur der Wind und die Äste und Blätter der Bäume beleben die Szene. Hinten links prangen rote Blüten an einem Fenster. („Seht wie die Wunden prangen....“, aus einem wunderschönen Osterlied.) Dieses lebensstarke, verheißungsvolle, dichte und intensive Rot ruft eine unbändige Sehnsucht hervor, nach einem Leben, wo alles ganz anders ist, hier und dort. „Es wäre möglich!“ spürt mein zaghaftes Herz, „Es wäre möglich!“ denkt mein müde gewordener Geist. Doch ich stehe, sitze am Rand und schaue zu. Dem Windspiel in den Bäumen, dem Blau beim Sich-Ausdehnen, den Dächern bei ihrer starren Performance, dem Licht, den Schatten...

Und immer wieder dem Wind, dem Himmelsboten.

Ich selber habe mich zurückgezogen, ganz an die Rückwand, wo mein Platz ist, mit dem Rücken zur Wand. Ich sitze bequem und angespannt, aber das Rot leuchtet da drüben. Jetzt schleicht verstohlen eine Wolke am Rand des blauen Himmels dahin, in Deckung hinter den Rauchfängen, sie kündigt irgendetwas an.

Der Wind liebkost die Blätter, sanft, und manchmal erregt. Dann hält er wieder still. Und greift sie von Neuem an.












©Peter Alois Rumpf September 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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