Montag, 19. Oktober 2015

212 Stillstand


Zwei Krähen sausen in der Luft herum und sind schon wieder verschwunden. Eintönig grauer Himmel. Manchmal ganz leichter Wind.
Pullover und Westen am Wäscheständer, Handtücher, Bettzeug trocknet auf der Wäscheleine.

Der Planschrank in der Ecke, darüber die Zeichnung vom alten Rathaus in Kapfenberg an der Wand.

Die Bäume stehen da und schauen herein, als wären sie Kundschafter einer eigenen Macht, gerade erst um die Ecke gekommen, als Riesen natürlich. Ich fürchte mich nicht. Sie wacheln mit ihren Zweigen, als sagten sie „nein, nein, du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten“.

Es ist alles ganz friedlich, aber irgendetwas kommt mir unrund vor. Eher etwas in mir selbst. In den Ohren surrt es wie zum Alarm. Aber alles ist ruhig. Nichts geschieht. Zuerst glaubte ich, eine ungeheuerliche Frustration in mir, ganz weit unten, aufgespürt zu haben, aber das hat sich schon längst wieder verflüchtigt, wurde nicht greifbar, ist nicht sichtbar geworden.

Die weißen Rauchfänge draußen stehen akurat da, fest, genauso fest liegen die Dächer da, mit ihren dunklen Schattenlinien, die sich zwischen den Dachziegeln horizontal hinziehen, beim einen Dach in ziemlich geraden, schönen, graphisch anmutenden Linien, beim anderen in starren Wellen.

Es ist wie Warten.

Jetzt sind wieder die zwei Krähen aufgetaucht, haben sich kurz auf einen der Rauchfänge gesetzt und sind dann gleich weitergeflogen.
Nein, ich bin nicht zufrieden. Nicht mit dem Text, mit allem anderen auch nicht. Etwas ist unrund. Irgendetwas ist nicht an seinem richtigen Platz. Ich kann es nicht finden, nicht benennen. Ich seufze. Ich warte, ich schaue mich um. Ich seufze. Aber es will sich keine Erleichterung einstellen.

Man kann nichts sagen, alles scheint zu passen. Aber es passt nichts. Jetzt kommt etwas Wind auf, ich kann es an den Bäumen draußen ablesen. Keine große Kunst, nicht wahr?

Und wieder ist es ruhig. Der Himmel grau, einheitlich, ohne daß ich im Grau unterschiedliche Abstufungen einzelner Grautöne ausmachen kann. Starre ich länger in dieses Grau, scheint es weißer zu werden und blendet mich leicht. Das wird die Kraft des Sonnenlichts dahinter sein, vermute ich.

Immer noch Stillstand. Vage Kindheitserinnerungen und Gefühle aus der Kindheit umkreisen mich, jedoch ganz verschwommen, nicht fassbar, wie Erinnerungen an vergessene Träume. Kurz taucht etwas sozusagen am Rande des Gesichtsfeldes auf, scheint ganz klar zu sein, und ist gleich weg, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf richte. Verscheucht. Irgendwelche Szenen, wo ich mich in eine Kuhle, ein „Nest“ gelegt habe beim Spielen. Ist das wirklich geschehen? Oder habe ich es mir ausgedacht? Gewünscht? Ich weiß es nicht. Wieder seufze ich.

Ich komme damit nicht weiter. Es schaut so aus, als wäre nun die Chance, auf etwas Wichtiges zu stoßen, wieder vorbei. Meine Pirsch ergebnislos.

Jetzt ist ein Vogel durch das Blattwerk gestoßen und direkt in meine Richtung geflogen, vorm Fenster natürlich hoch auf das Dach. Plötzlich, überraschend, sehr schnell. Kleiner als eine Krähe. Möglicherweise ein Amselweibchen, denn schwarz was es nicht.









©Peter Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com

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