217 Vier kleine Momente
Der Wind fährt durch die Essigbäume
und reißt die gelb gewordenen Blätter los. Einige schleudert er
hoch in die Luft. Er biegt den Weidenbaum und hält ihn einen Moment
lang unten, ehe er ihn wieder losläßt.
Und jetzt wieder die Essigbäume;
majestätisch und kraftvoll wiegt der Wind sie hin und her. Knapp
vorm Fenster, aus dem ich schaue, steigen ein paar Blätter hoch.
Immer mehr Blätter steigen im kleinen Hof herauf, aber ich sehe nur
vereinzelt welche wieder hinunterschweben.
Mich fällt eine große Müdigkeit an.
Ein leichtes Ziehen und Zerren geht über mein Gesicht. Mein Mund,
meine Lippen scheinen ein inneres Eigenleben zu führen. Ich mag es nicht
mehr, vom Surren in meinem Gehör zu schreiben. Ich spüre mein Herz
arbeiten. Dort hinzufühlen habe ich ein wenig Angst. Das Elektrokabel
vollführt eine schöne Serpentine, in einer eleganten Bewegung
stehen geblieben. Lesebrille und Müdigkeit trüben meinen suchend
umherschweifenden Blick.
Kurz ist am Rand meines äußeren oder
inneren Gesichtsfeldes – so genau weiß ich das nicht – der Kopf
einer fremden Gestalt aufgetaucht; das Gesicht zunehmend in eine
schwarze Maske verwandelt und gleich wieder verschwunden.
Das leise ferne Wummern einer Maschine
klingt fast wie das Hintergrundrauschen, das allem Dasein unterlegt
ist, nur eine beinahe unmerkliche Rotation darin enttarnt es als
Produkt eines Motors.
Aber jetzt bin ich mir nicht mehr so
sicher, vielleicht kommt die Rotation doch aus meinem Inneren und ist
ein tieferliegender Aspekt meines ständigen Surrens. Die Ohren
fühlen sich an wie aufgeblasen, wie angefüllt mit Bällen aus
komprimierter Luft.
Die Augen fallen mir zu vor Müdigkeit,
während meine Seele vom letzten Traum noch aufgescheucht ist, in dem
ich aus meiner Substandardwohnung vertrieben wurde.
Auch mein Herz arbeitet, aufgeregter
als es mir sonst aufgefallen wäre.
Ein kleines Motorflugzeug zieht einsam
durch den nächtlichen Morgenhimmel; ich habe es deutlich gehört.
Mein Körper bewegt sich von der
Schwerkraft angezogen immer mehr nach links, der Kopf wird immer
schwerer; mir kommt vor, bald kippe ich wirklich um. Erst dann merke
ich, daß es mein „innerer“ Körper ist. Der physische Körper
hat sich nicht bewegt.
©Peter
Alois Rumpf Oktober 2015 peteraloisrumpf@gmail.com
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