Montag, 30. September 2019

1525 Wach-Schlaf-Problematik


Die zufallende Haustür kracht wie eine kleine Explosion. Sonst ist es friedlich. Aus dem Radio kommen noch Unruhe und Aufgeregtheit, die meine Gedankenketten zerreißen. Frei bin ich deswegen noch nicht, sondern erst recht dem Schlaf verfallen.
Getrocknete Heidelbeeren tauchen medizinisch nicht notwendig vor meinem inneren Auge auf.

Never marry a railroad man (Shocking Blue). Ein kleiner Wind kommt auf und klappert mit Jalousie und Fensterflügel.

Obwohl rechts meine Schreibhand ist, fällt mir der Kugelschreiber aus der linken Hand.
Die erste Abschiedsszene hallt durch das Stiegenhaus herauf.

Unerwartet mit einer Polizeisirene konfrontiert.

Meine Hand fängt zu zittern an, aber nicht wegen einer Angst, sondern wegen der Wach-Schlaf-Problematik.


Wo kommt jetzt auf einmal die Familie Rosensteiner daher und was hat das zu bedeuten? Außerdem: wer sind sie? Ich kenne sie nicht.









(30.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1524 Wahnsinnssymphonie


Kein Stein bleibt auf dem anderen, wenn man es unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit betrachtet. Das ist nichts Neues unter der Sonne.

Ich muß nichts schreiben, nur damit ich etwas schreibe, aber ich darf mein Radar ausfahren, nach außen und nach innen.

Mir fällt ein, doch auf meine akustische Landschaft zu achten, und sofort ist sie da, diese Landschaft, unglaublich dicht, reich, stark; eine Wahnsinnssymphonie in strenger, breiter Formation. Monoton nach außen, unvorstellbar vielschichtig und intensiv, wenn man sich in sie hineinfallen läßt.

Ich werde das Licht abdrehen und weiterhören.










(29.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1523 Offene Stadt


In den Morgenstunden zurückgekehrt in mein hübsches Raumschiff (hoffentlich ist mein Zimmer nicht beleidigt), erlaubt mir mein nachtschlafener Zustand, die Bilder an der Wand zu bewegen. Wie bei diesen Memes beginnen sich Elemente zu verändern und zu verschieben. Ich gaffe auf eine Wolke und sie wird dichter, kompakter und fester. Oder die Straße wird zu einem energetischen Bewässerungskanal.

Flexibel sein! Manchmal ja, manchmal nein.

Während der ganzen Besatzungszeit. Und dann: Rom, offene Stadt.


Am Abend bekommt mein Gesichtsfeld Wellen, als wäre ein Stein in den optischen See der Wahrnehmung gefallen.
Ein Schauder rieselt durch meinen Körper und Dunkelheit quillt zwischen den Lichtkorpuskeln hervor.










(27.9.2019)









©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1522 Jetzt


Je weiter ich die konzentrischen Kreise nach außen gehe, desto dünner wird die Welt in der ich lebe. Es geht gegen drei Uhr Nachmittag und ich suche die Konzentration, will sagen: aufzuwachen und nicht einzuschlafen und wegzu …

Ich stelle mir das Essen vor, das für mich unten bereit ist und ich zusammenpaschen, würzen und aufwärmen kann, um meinen Appetit anzustacheln, was jedoch keinen Erfolg hat – so schön, so schön ist es im Bett.

Dann führe ich mir vor Augen, daß es nicht lustig, sondern sehr befremdend, wenn nicht unheimlich ist, in der Abenddämmerung aufzuwachen (die schlimmste Zeit für Fiebernde, Endomorphinisten, Junkies und Ähnliche). Mein innerer Regisseur (oder bin ich, der da spricht, der Regisseur und das Ensemble gehorcht nicht?) nimmt das zur Kenntnis, aber meint, es wäre noch Zeit.

Ja! Ja! Ja! Der Wunsch aufzustehen wird dichter und schwergewichtiger. Jetzt geht es! Gleich! In ein paar Sekunden! Jetzt!











(26./30.9.2019)









©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Mittwoch, 25. September 2019

1521 Unsentimentale Betrachtungen


Mein Brustbein ist wärmer als sonst, ich spüre seine Hitze und sein Brennen innen (Es ist schön, einfach alles schreiben zu dürfen!).
Ich darf nicht vergessen, beim Arzt ein neues Rezept fürs Antidepressivum zu holen, sonst muß ich den Wahlsonntag ohne überstehen.

Laßt meinen Geist sich frei entfalten und seine wirren Träume tun! (Der Satz hat das Zeug, ein klassisches Dauerzitat zu werden, oder? Der Rhythmus stimmt.)
Falls sich jemand fragt: was will er damit sagen: er will gar nichts sagen.

Jetzt kenn ich mich nicht aus: wie hieß denn dieser .. Dings bloß? … Also … du stellst dir schon die Frage falsch!
Statistiken, die ich beim Anschauen schon vergessen habe.

Das geht auf die Besatzungszeit 1895 zurück!

Ah! Jetzt wird schon getippt! Ein völlig falsches Bild entsteht.

Das Läuten an der Wohnungstür reißt mich aus meinen unsentimentalen Betrachtungen.

Der malt ja so, als …

Realitätsrufe hallen durch das Stiegenhaus. Meine Träume haben keinen Fokus. Meine Fingernägel werden zu lang.

Meine Frühstückskellnerin …

(Kugelschreiberstriche am Blatt vom im Schlaf abgerutschten Kugelschreiber.)











(25.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1520 Konzentrische Kreise


Mit den jüngsten Gerichten ist es momentan vorbei. Meditative, holzfreie Xylophnmusik lullt mich angenehm ein – wie gesagt: kein Gerichtsverfahren.
Und mein Notizbuch hat einen roten Schwanz (ich verzichte auf ein Beweisphoto).
Das ist der Generationsunterschied, der Sprung in der Zeit: die Linkshänder, die noch nicht links schreiben durften und die, denen es schon erlaubt war.
Ich gleite in vorbeugende Phantasien ab.
Bin ich anfällig für strenge Ladies? Na, ich weiß nicht: die Peitsche brauch und mag ich nicht. Ich bin ja kein Machtmensch und Topmanager (es gibt doch Sachen, die ich von meiner Liste streichen kann)!

Interessant, was alles zu einem Sehnsuchtsanhalts- und -bezugspunkt werden kann: jetzt sind es in drei konzentrischen Kreisen geordnete Löcher in einer Metallplatte die – ich vermute – zu der Kühlung der Mehlspeisenvitrine gehört. Ich starre die ganze Zeit auf diese Löcher.

Ja, ich bleibe da und trinke noch einen Cappuccino; es geht bergauf (warum?), es geht (eben) weiter. Interessante, unbekannte Musik.

Draußen stellt sich das Wetter um; es zieht zu; Wind kommt auf und streicht die Platane.

Und: diese Kleine Zeitung hat schon was unter den anderen.









(24.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1519 Mein jüngstes Gericht


Mein jüngstes Gericht auf Raten. Immer wieder träume ich von einer fürchterlichen Schulsituation, wo ich für eine Prüfung oder den Abschluß einfach nicht das Richtige vorbereitet oder bei mir habe. Ich muß mich vor einer gnadenlosen Professorin rechtfertigen, komme mit meinem Gerede nicht durch und erhalte immense Aufgaben, die mir die nächsten eineinhalb Jahre keine Freizeit, keinen Verschnaufer lassen, einen ungeheuren Stapel zu lesen und durchzuarbeiten. Die Masse der Aufgaben scheint zu groß und ich habe die Instruktionen in meiner Panik gar nicht verstanden oder sofort vergessen.

(Beim Schreiben eingeschlafen)


Und damit ist die Angst zurückgekehrt. Sie sitzt in der Körpermitte und löst sich nur langsam auf.

In einem überraschenden Anfall von Klarheit atme ich unwillkürlich, aber selbstbewußt tief ein, daß sich die Brust weitet und den Belagerungsring dehnt. Mehrmals.

Ich streichle gedankenverloren und mit dem Einschlafen kämpfend die Bettdecke, im Glauben es sei die Katze; die jedoch ist gerade aus dem Bett gesprungen und schnüffelt an meinen Bücherstapeln neben dem Bett herum.

Jetzt werde ich doch den Schritt hinaus in die Welt machen, die für mich schon bei uns in der Küche beginnt.

Und ich schlafe dauernd weg; ich bin noch nicht aufgestanden; Zwölf Uhr siebzehn; das sind zwei Stunden später.









(24.9.2019)











©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1518 Als ob


Schon wieder fällt mir alles so schwer: aufstehen, rasieren, Essen zubereiten, Küchenarbeit, irgendwas schreiben, tippen … alles geht nur mühsam und gegen Widerstand von der Hand. Sogar jetzt, beim Zu-Bett-Gehen, mußte ich mich zur Disziplin zwingen, alles Erforderliche zu erledigen, vom Zähneputzen bis zum Abziehen der Tagesdecke vom Bett. Ich bin unausstehlich, mutlos, innerlich ist mir zum Heulen. Nur im Bett und am Computer halte ich es aus.

Jetzt atme ich zum ersten Male an diesem Tag durch. Der Kopf hängt mir ein wenig nach links.
Ja, ich beruhige mich. Ich werde mich von diesem Lebenstag noch anständig verabschieden, als ob er ein gelungener Tag gewesen wäre.











(23./24.9.2019)











©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Montag, 23. September 2019

1517 Nackte Frau


Hrbstbgnn. Mein Blick fährt die rot gepolsterte Sitzbank entlang zum roten Feuerlöscher und zum Stapel roter Sitzkissen, auf dem oben ein dickeres, größeres, rechteckiges, blaues Kissen aufliegt.
Die junge Frau in der Nische skypt und lächelt ins Laptop und drückt verlegen ihre Finger. Ich könnte weinen, wenn ich ihr zuschaue, sie wird es wohl nicht leicht haben im Leben. Gott möge abhüten: sie schafft es schon! Ich will ihr keine, und schon gar keine falsche Definition (einen Fluch) aufhalsen. Sie schafft es schon! (Segnen steht mir auch nicht zu; ich versuch es jetzt als Gegenzauber) Ihr Blick: freundlich, zurückgenommen, so viel Schmerz, so viel Trauer. (Segen, Segen, Segen) Oder war das in meinem Blick? Mitleid ist Selbstmitleid.

Peter, du gehst mir auf die Nerven mit deinem pseudempathischen Getue … das ist dir doch alles wurscht! … du schaust auf ihre Beine, ihre Oberschenkel, ob die einen schönen Frauenarsch versprechen! … naja, nicht ganz! Als ich ihre Augen gesehen habe, sind mir meine voyeuristischen Anwandlungen gleich vergangen und das Mitleid=Selbstmitleid war da.

Ich lasse jetzt dieses unwürdige Geschreibsel, hole eine Zeitung, sie riecht noch frisch und in meinem Rücken hängt das Postkartengroße Bild einer Nackten Frau.

Ach, was solls! Bevor ich wütend oder noch jämmerlicher werde, gestehe ich es gleich: ich stecke wieder einmal in einer gröberen Depression.











(23.9.2019)













©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1516 Ich springe aus dem Bett


Ich höre unten in der Wohnung meine Frau reden – was! Sie ist von ihrer Reise schon zurück?! - und springe aus dem Bett und wanke verschlafen die Stiegen hinunter, aber da ist niemand.
Gut, es ist halb zwölf Uhr mittags. Gut, es paßt, ich habe mich um vier Uhr morgens hingelegt. Gut, acht Stunden, genehmigt.

Ich drehe die Hühnersuppe am Herd auf auf kleinste Flamme (die Hühnersuppe drehe ich auf – was für ein Deutsch! aber ihr versteht mich!), steige wieder hinauf und in mein Bett, um einen Traum aufzuschreiben, in dem unter anderem das Haus meiner Eltern immer kleiner wurde und zuletzt nur mehr eine kleine Preßspanplatte in der Wiese war.

Nein, ich habe heute keine Lust, meine handgeschriebenen Texte aus dem Notizbuch in den Computer zu übertragen und überarbeiten; das verschiebe ich schon seit Tagen auf Morgen.
Mein Magen knurrt laut wie schon seit Jahren nicht mehr.

Warum mir der Abgeordnete Rosenkranz einfällt (so ein schöner „jüdischer“ Name!) weiß ich nicht, aber ich weiß, warum ich denke, daß der eine typische Burschenschaftlervisage hat – und damit mein ich noch gar nicht die Narben im Gesicht – denn ich kann solche Gesichter erkennen. Der Noll hat ihn wunderbar arrogant fertig gemacht! Die Nationalratswahl in einer Woche.

Aber das ist nicht so interessant. Interessanter finde ich die Kirchenglocken, die gerade läuten und in mir eine große Sehnsucht hervorrufen.
Am liebsten bin ich im Bett, warm eingehüllt, mit dem (letztlich illusorischen) Gefühl, hier passiert mir nichts, hier bin ich sicher. Darum mag ich oft nicht aufstehen: für draußen habe ich zu wenig … Kompetenz. Dort draußem mache ich keine Meter. Ich wüßte nicht, wofür ich aufstehen sollte.
Die Kirchenglocken, die schon wieder läuten – was ist denn da los!? - erinnern mich daran, daß es angeblich auch hier eine andere Welt geben soll, wo es um anderes geht, aber auch dort kann ich meine Erkenntnisse, Entdeckungen, Überlegungen und Leidenschaften nicht einbringen. Also? Wozu soll ich aufstehen? (Wie hat der Aff in München gesagt? „Über Sie will Wahrheit in die Welt kommen. Sie haben es im Denken offen, da rutscht Ihnen einiges rein ...“ - und dann schickt er mich in seiner bajuwarisch-katholischen Verengung zur Kirche, wo ich nichts verloren habe.)

Ich geh nicht mehr hinaus in die Welt. Für Abenteuer bin ich zu alt, zu schüchtern, zu unsicher, zu kraftlos. Höchstens Katzenfutter kaufen.










(22.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1515 Kaffeezeremonie



Kaffeezeremonie in Gedanken. Die Katze will mich heute ungestört schreiben lassen. Hoffentlich erweise ich mich dieser Ehre würdig und es kommt etwas Gscheites dabei heraus.

Ach, jetzt hat es sich die Katze anders überlegt und springt herauf – gut, weniger Stress, dann darf mein Text auch mittelmäßig sein.

Wenn überhaupt einer zustandekommt, denn mir fallen schon wieder die Augen zu.










(21.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1514 Auf meinem unbeschrieben Blatt


Auf meinem unbeschriebenen Blatt wird es strahlend hell, denn ich habe meine Nachttischgelenklampe hergedreht. Ich versuche, den Raum zu fühlen, deshalb starre ich unzentriert und mit möglichst weit geöffnetem Blick, um möglichst viel zu erfassen.

Lange halte ich das nicht durch, dann verläßt mich die unzentrierte Konzentration und ich gleite ab und/ oder/ vel mein Blick zentriert sich; auf irgendwas.

Man könnte es natürlich auch so angehen: man schaut konzentriert auf einen Punkt, bis er „aufgeht“ und sich zu einem Universum für sich eröffnet. Aber jetzt, gegen zwei Uhr nachts werde ich keine große Ausdauer haben. So liege ich an der Rückwand gelehnt im Bett und tue noch so ein wenig herum („tue“ - wie fremd das klingt! Tue, tue, tue, tue, tue tue, tue … auch dieses Wort ist ein fremdes Universum für sich).

Das sind wehmütige Spielchen vorm Einschlafen.










(20./21.9.2019)














©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1513 Unsere Spinnweben


1  Heute fallen mir unsere Spinnweben auf: vor allem die oben bei der Stiege, wo man weder mit dem Besen noch mit sonstetwas hingelangt: diese Spinnweben sind wunderschön: ihre schwebende Leichtigkeit und überaus große Verletzlichkeit bezeugen die Empfindlichkeit in unserer Welt. Wie heißt es im Kohelet? „Des Menschen Tage, sie gleichen dem Gras; er blüht wie die Blume des Feldes. Ein Hauch des Windes, und schon ist sie dahin. Und der Ort, wo sie stand, er hat sie vergessen.“ (aus dem Gedächtnis)

Auch ohne Bedeutungsaufladung sind diese Spinnweben schön.
Gut, seien wir ehrlich: man kann nicht „schön“ sagen ohne eine Theorie dazu zu haben. Also: lassen wir es offener, welche Bedeutung das hat und wofür wir es möglicherweise stehen lassen (das steht für …).

Hier herunten in den ordentlichen Bereichen der Wohnung sehe ich jetzt keine Spinnweben mehr. Ich werde nach oben gehen, wo auch mein unordentliches, kleines Reich liegt. Dort finde ich genug.


2  Ist es nicht so, daß man denkt: „ah, Spinnweben! Weg damit!“? Ich sitze nun an meinem Schreibtisch und betrachte die bereits staubbeladenen Spinnweben zwischen den vier Fensterflügeln. Das sind doch eigen-art-ige Kunstwerke. Sensibel ans Glas gehängt, in filigranen Linien und Flächen, die sich an manchen Stellen zu schwerer Dicke verdichten können, verschönern sie die Welt.
Oder die dort in der Zimmerecke: sie benutzt einen verlassenen und übriggebliebenen Nagel als Anhaltspunkt. Wie schlau und kommunikativ die Weberin war, nimmt sich des vergessenen Nagels an! (gehe ich zu weit?)

Oder da im hellen Bereich des Ateliers: in der Ecke dort kann ich gar nicht erkennen, was Spinnfäden sind und was Sprünge in Wand, Decke und Verputz: was für ein Zusammenspiel! (gehe ich zu weit?)
Und dort in der Ecke beim Mauervorsprung: kurze, kompakte Fäden hängen im Abstand zur Wand, als wären sie ein eigentümliches, futuristisches Ehrenzeichen, das magisch einen Zentimeter vor der behängten Brust schwebt (gehe ich zu weit?).

Und erst bei den Blumen am Fensterbrett! Wie organische Telefon- und Internetleitungen, mit denen sich die Pflanzen verbinden haben lassen, weil sie doch – in einzelne Blumentöpfe verbannt – nicht über ihre Wurzeln in der Erde verbunden sein können, über die sie normalerweise connected sind.

Ich schweife ab zu den Bäumen draußen: müde bewegen sie ihre Zweige, Äste, Blätter, verspielt, ein wenig fadisiert. „Herzlichen Glückwunsch! Ich bin neugierig, was ihr in zwanzig Minuten machen werdet, was euch dann eingefallen sein wird.“ (geh ich zu weit?)

(Von unten her drängen ganz ernsthafte Themen in mein Bewußtsein, aber ich scheue die volle Konfrontation.)


3  Die Spinnweben bei der Stiege sind einfach eine wunderschöne, feine, großartige Installation. Wie in der Ecke schwebende Schriftzüge einer exotischen Schrift, wie mene mene tekel upharsin - gewogen und zu leicht befunden.


4  Und die im Bad: da oben ein seidig durchsichtiges Zelt und dort wächst Gesponnenes aus einem Lüftungsloch heraus. Fischernetze, die sich über die Wand ziehen wie in einem italienischen Restaurant. Und ganz kleine, zarte Arbeiten, wo ich kaum erkennen kann, was Original, was Schatten ist.

Überhaupt Bad (keine bad news): heute ist das Wasser so gut und so flott und kraftvoll aus dem Waschbecken abgeflossen, daß sich der Metallstöpsel, mit dem der Abfluß mittels eines an den Armaturen angebrachten Hebels verschlossen und geöffnet werden kann, der dieses Metallding senkt oder hebt, dieses Metallding hat sich in der abfließenden Wasserspirale tanzend um die eigene Achse gedreht! Soetwas habe ich noch nie gesehen! Und ohne das ich dazu reparierend oder reinigend beigetragen hätte.


5  Eine Spinnwebe hängt neben einer bloßen Glühbirne ohne Lampenschirm; die Spinnwebe in respektvollem Abstand, wie jemand, der dieser einsamen, verbitterten Glühbirnexistenz beistehen (-hängen) will, ohne sie zu nerven oder zu nahe treten zu wollen. (Aber jetzt bin ich zu weit gegangen!)













(20.9.2019)













©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1512 Das Übernahmeangebot


Eine Frau in schlankem Mantel kommt flotten und aufrechten Schrittes ins Lokal herein, eilt zur Bar, ihre Hände in den Hosentaschen, was bewirkt, daß der offene Mantel zurückgeschlagen ist. Sie redet mit der Barista und streckt ihren Oberkörper und hebt damit auch ihren glaubhaften Busen, dessen Anblick meine wandernden und weidenden Augen streifen, ganz kurz verweilend, dann ist alles vorbei, ihre Tochter kommt herein und sie küsst sie.

Drei berufstätige Anzugträger trinken am Nebentisch Saft und besprechen Firmeninterna (ein Übernahmeangebot?).

Den italienischen Roller an der Wand habe ich schon lange nicht mehr beachtet.
Im Rücken habe ich einen Dschungalausschnitt (Dschungal! Sic! Tribut an Tash Sultana!), während der Jazz düdelt und das Piano elektrisiert.











(19./23.9.2019)













©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Mittwoch, 18. September 2019

1511 Über physikalische Dichte und das Bewußtsein von Dingen


Wie ich mich schon im Schubladenbeitrag Nummer 1262 „Thingsliberation“ geoutet habe, bin ich, wenn schon nicht ein Fan, dann ein Anhänger – und wenn schon nicht ein Anhänger, dann ein Sympathisant der Thingsliberation. Das heißt auf meine Lebenswelt umgelegt: ich rede nicht nur mit meiner Katze und Bäumen, sondern auch mit Dingen und traue ihnen anscheinend - denn meine Ratio staunt darob und schüttelt ihren Kopf darüber - doch eine gewisse Art von Selbstermächtigung und Bewußtsein zu. Es mag schwach sein, ganz verdünnt – ich kann es ja auch nicht erklären, weil ich mir das ja gar nicht ausgedacht habe – jedoch schließe ich es aus meinem Verhalten, daß irgendein verhaltenssteuernder Teil von mir und meiner tiefgründigen, weiten Seele davon überzeugt sein muß, denn wieso schrei ich sonst den Computer an, wenn er spinnt?! „Spinnst!“ schrei ich und klopf ihm ordentlich auf den Bauch (reflexartiger Rückfall in die schwarze Pädagogik!). Oder zu irgendwelchen Geräten „heut könnt ihrs wieder!“ wenn sie mich nerven. Oder wenn nur die Brille zum dritten mal hinunterfällt: „verdammtes Arschloch!“

Womit ich – speziell mit „Brille“ und „Arschloch“ - einen schönen Übergang zum nächsten Thema geschafft habe:
Vor meinem Kranken- und Ruhestand und bevor ich meine Antidepressiva eingenommen habe, litt ich eher an sogenannter nervöser „Sturzentleerung“ als an deren Gegenteil. Ich glaube, das muß ich nicht näher erläutern. Aber seit ich die Medikamente nehme und nicht mehr in die Arbeit gehe, zeichnen sich meine Kötteln durch eine gewisse Festigkeit und physikalische Dichte aus - wenn ich das so (nicht ganz korrekt) sagen darf (denn alles irdischen Gegenstände haben eine physikalische Dichte. Ihr Wert mag hoch oder niedrig sein) – und man könnte sagen, ich bin respektive sitze mehr auf der verstopften Seite – was mir nur recht ist! Das ist viel besser und angenehmer, als die früheren Explosionsanfälle es waren!

Als Drittes muß ich noch eine Episode aus den Büchern von Carlos Castaneda erwähnen, wo Don Genaro zu unserem Carlos sagt, hinter seinem Rücken mache sich die ganze Zaubererschar über ihn und seine Besitzzwänge lustig, indem sie erzählen, er sei so besitzergreifend, daß er sich von seinen Kötteln verabschiede, bevor er die Spülung ziehe. Ich mußte jedesmal, auch beim hundertsten Mal Lesen, an dieser Stelle – wie auch an vielen anderen – herzhaft lachen und sie hat sich mir als Bild und Gleichnis gut eingeprägt.

Jetzt bin ich bei meiner Geschichte angekommen:
Heute morgen, beim Gang auf die Toilette – empfindsame und nobel-elitäre, hochgezüchtete und Körper- und Geruchs – transzendierende und verfeinernde Wesen mögen spätestens jetzt die Lektüre abbrechen! - stelle ich nach meinem Geschäft (groß) fest, daß in der Toilettenschale drei feste, kompakte … Würste mag ich das gar nicht nennen … die Form war eher die länglicher Knödel – also die liegen da.
Ich bin noch verschlafen, meine Ratio und meine skeptische, auf meine magischen und thingsliberalen Anwandlungen allergische Instanz schlafen noch und so sehe ich, als ich die Spülung gezogen (eigentlich: gedrückt) habe, versonnen, meditierend und gedankenlos den Wasserfluß betrachtend, daß sich zwei der drei Köttel brav ihrem Schicksal ergeben und der dritte sich nicht bewegen will. Ich rufe ihm zu: „Was ist!!! Jetzt aber! Gemma, gemma!“ - da endlich entschließt er sich, sich zu bewegen und in den Schlund zu rutschen. Mir fällt die C-Szene ein und so nehme ich – so gut es in meiner Verschlafenheit geht – Haltung an, salutiere auf und rufe den drei ohne jeden Zynismus oder Spott „Adios! Tschüss! Baba!“ nach.

Wobei mir ein Rätsel bleibt, woher bei mir Zivildiener diese militärischen Anwandlungen kommen.

Naja, wenn ich ein wenig nachdenke, ist das gar nicht so ein Rätsel, woher das kommt, aber auf dieses schmutzige Kapitel will ich mich jetzt nicht einlassen.

Nur eines noch zu den Quersummen: 12 und 6+2=8(!); 1+5+1+1= 8(!) und 11(1-1) ist 1 weniger als 12!! Wobei 1+2+6+2=11 ergeben, QS 2, was wieder der 4.Teil von 8 ist, wo aber 4 gar nicht vorkommt! Aber 5 schon, was wieder 4+1 ist! Unglaublich!












(18.9.2019)













©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 17. September 2019

1510 Tagesbeginn


Vom Gestank der Katzenscheiße vor meiner Zimmertür (hoffentlich im Kisterl) aufgeweckt, schaue ich nun, nachdem ich alles Notwendige erledigt habe, auf das wunderschön dämmernde Zimmerfenster. Das leuchtende helle Blau verwandelt sich langsam ins Graue und bietet mir einen frühen, optimistischen Tagesbeginn an. Noch ist es sehr still. Meine Bilder an der Wand leben wieder und meine Bücherwand beschert meinem Status ein wenig Buntheit und Gewicht.
Aber knapp vier Stunden Schlaf sind mir eindeutig zu wenig. Wenn es denn gar nicht sein muß.

Inzwischen zeigt das Fenster einen gelblichen Schimmer und eine Taube ruft den Tagesbeginn.











(17.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1509 Sieben Minuten nach zwei Uhr nachts


Sieben Minuten nach zwei Uhr nachts. Tiefe, stille, finstere Nacht. Eine kleine, einsame Gelse surrt leise, meine zwei Ohren surren laut.
Mein verschwommener Blick wandert durchs Zimmer und findet zuerst nichts, was er betrachten mag. Doch dann fällt er auf einen größeren Schatten und verweilt dort eine Zeit lang.

Die Form des Schattens scheint sich zu sanft verändern, aber ich führe das auf meine Müdigkeit zurück ( - was ja auch wurscht ist: die Form bewegt sich leicht und langsam, weil sich ja auch mein Montagepunkt – im Wachzustand immer aktiv an seinem Platz gehalten – wegen meiner Müdigkeit sich allmählich zu bewegen beginnt, wie er sich dann im Schlafen und Träumen bewegen wird und sich von der Anstrengung des Stillstehens erholen.)

Weil mir jetzt die Augen zuzufallen beginnen, höre ich auf und lege mich flach.











(16./17.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1508 Voyeuristische Anwandllung


Ich sitze in einem meiner Lieblingsespressos und nach der heute sehr ausführlichen Zeitungslektüre ohne erhoffte Sensation (wie sie mir gefiele, zum Beispiel noch eine politische Bombe) ist mir etwas fad und mir fällt nichts Rechtes ein (und wegen oben: auch nichts Linkes). Das jedoch auch, weil ich meine voyeuristischen Anwandlungen verschweige.

Vier mittelmäßige Texte stehen schon zum Eintippen und dann Schubladisieren an, aber ich mach es nicht. Keine Lust – das hat nichts bis wenig mit der Mittelmäßigkeit zu tun, denn in meine Schublade kommen alle meine Texte und Schreiben hellt mich immer auf. Beschriebe ich meine yoyeuristischen Anwandlungen schonungslos, blühte ich auf und käme ins Schwärmen und es gäbe genug zu lachen. Heute fehlt mir noch der Mut.

So spiele ich den nachdenklichen Denker, indem ich beim Schreiben meinen Kopf mit der linken Hand an Stirn und Schläfe abstütze: ernsthaft, überlegen, verständnisvoll, vorurteilsfrei und keinen Trieben oder Kopfüberschwemmungen ausgeliefert.

Als Kompromiß mit mir selbst hole ich mir von der Zeitschriftenablage eine vielversprechende Zeitschrift, die von sich sagt, daß sie plastikfrei ist und „Lust & Leben“ heißt. Ich mache eine Schreibpause und blättere die mir völlig unbekannte „Lust & Leben“ durch.

Gourmeezeitschrift mit vielen, vielen Photos von Speisen, Getränken, Köchen, Winzern – für einen Viel- und Schnellesser und Alkoholfreien wie mich nicht unbedingt das Richtige. Ein einziges Dekolletee.

Meine (mehr oder weniger) coole Nachdenklichkeitspose hat sich jetzt, aufrecht sitzend, auf „dar ûf satzt ich den ellenbogen; ich hete in mîne hant gesmogen daz kinne und ein min wange. dô dâhte ich mir vil ange, wie man zer werlte solte leben: deheinen rât kond ich gegeben, wie man driu dinc erwurbe, der deheinez niht verdurbe.“ (W. v. d. Vw.) - also bei mir: die linke Hand umfaßt von unten den rechten Ellenbogen und stützt so den rechten Unterarm – der linke Unterarm horizontal im rechten Winkel zum rechten, dessen Hand das Kinn von unten stützt – umgestellt. Blick geht nach vorne ins Leere (Narrenkastl: hellblaue Wand, ein paar alte Photos, das größte zeigt einen Fünfzigerjahre Perkussionisten in Anzug und Mascherl, Oberlippenbart; Instrument: das, was man meistens Bongo nennt, aber keine ist. Richtiger Name vergessen).

Nun betrachte ich das in der offenen Glastür gespiegelte Theaterspiel der sich bewegenden Hände (österreichisch: inklusive Arme) will sagen: ich sehe ein paar Gäste im Spiegel draußen im Johannisgarten (Jean – Schani) sitzen und reden und gestikulieren. Und da ich sie aus dieser Entfernung nicht hören kann, tue ich so, als wären die (Unter)Arme die Schauspieler und Tänzer, die sich in einem exotischen, archaischen Theaterspiel bewegen und darstellen.

Der eine stellt so eine Art priesterliche Figur dar, indem man ihn immer wieder kelchähnliche Gefäße heben sieht. Oh! Der andere Schauspieler auch! Inbrünstig strecken sie sich selbst und ihre Kelche gen Himmel, dann kippen sie die Kelche, dann stellen sie sie wieder zu Boden und dann tanzen sie: springen hin und her und schütteln wie in Raserei und Wahn ihre Köpfe (was sie da Hahnenkammartiges am Kopf tragen kann ich aus der Entfernung und wegen der schwachen und kollagierenden Spiegelung im Glas nicht recht erkennen) auf und nieder. Dann ruhen sie meist angespannt, dann beginnt wieder die Kelchzeremonie, manchmal gleich zweimal hintereinander, manchmal die zwei gegenüber synchron, manchmal abwechselnd. Ein interessantes Spiel! Auch wenn ich nichts verstehe und mir der kulturelle Hintergrund gänzlich unbekannt und fremd ist, finde ich das Spiel spannend und es berührt mich auf einer tiefen, unterbewußten, ja, archetypischen Ebene. Manchmal treten noch zwei weitere Darsteller auf, sodaß sie zwei zu zwei gegenüber stehen und tanzen oder auch einer gegenüber zweien.

Manchmal ist dieses Drama fast erschütternd! Irgendsoein riesiges Mondgesicht am Bühnenhimmel beginnt zu nicken; nickt lange, ausdauernd und blickt so – ich weiß nicht, ob diese Geste Zustimmung, Ablehnung oder Bestätigung oder „das ist das Schicksal“ bedeutet – blickt und nickt so ganz lange auf das tanzende Bühnengeschehen hinab.

Jetzt ruhen die Kelche und ein Schauspieler legt sich flach auf den Bühnenboden und hebt und bewegt nur ein wenig seinen – was weiß ich: mit einer Federkrone? - geschmückten Kopf.

Sind es gar nur Marionetten?











(16.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1507 Fade Nummer


Eine unterdrückte Nummer ruft mich an und weckt mich auf. Ich denke, ich bin eine fade Nummer (bored fuck), aber unterdrückte Nummer? Darüber habe ich heute noch nicht nachdenken können, denn so aus dem Schlaf gerissen fällt mir das Nachdenken schwer. Noch kein stabiles Selbstbild. (Wenn ich wieder auf Touren bin werde ich sicherlich denken: unterdrückte Nummer stimmt auch.)

Ich streichle die Katze und versinke wieder in den Schlaf.










(16.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1506 Sackgasse


Die Farbe rot und gähnende Menschen. Dieser unvollständige Satz ist ein Vorläufer. Er soll irgendetwas anstechen, wo es dann weitergehen kann. Am Besten bis in die Unendlichkeit. Ich bin jedoch auch mit weniger zufrieden. Und mit näher Liegendem und Gehendem und Sitzendem.

Rot ist viel in diesem Raum (Tisch, Bank, Sessel, Barhocker, Plakate, Barbeleuchtung und diverse Schriften, KellnerInnenschürzen – äh, außen! Und nicht rothaarig!) und auch an meinem Körper (T-Shirt, Kugelschreiber Schrift).

Bing! klingelt die Küche, aber ich esse nichts.

„Nun, Vorläufer, hast du schon einen gangbaren Schreibweg eröffnet?“
„Nein.“
„Und was soll das?!“
„Der Weg geht nicht auf, weil du nicht über alles schreibt, was du fühlst, empfindest und denkst. Du hörst auf deinen feigen inneren Zensor!“

Die Mönchin (Nonne will ich nicht schreiben; das wäre irreführend, falsch und unangebracht) ist auch da.

Ja,ja, versteck dich nur hinter dem Kryptischen (den Kryptika) und deinen Wortspielen. Es führt zu nichts.

Sackgasse.









(15.9.2019)









©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



1505 „Pfahlbauten gegen Rapid“ oder kurze Reflexion gleich nach dem vorläufig letzten Aufwachen


„Pfahlbauten gegen Rapid!“ Warum? Die ist doch eh in Hütteldorf! Nein, heute hat das Traumorakel nicht funktioniert. Oder verstehe ich den Orakelspruch falsch? Pfahl. Bauten. Bau den Pfahl? Welchen? Und warum gegen Rapid? Stimmt schon, mögen tu ich sie nicht, aber trotzdem: wenn ich den Pfahl schon gebaut habe, was kümmert mich dann noch die Rapid (obwohl sie weiblich ist)?

Manchmal sind die Orakelsprüche wirklich zu rätselhaft! Oder ist meine Frau nach Hütteldorf gefahren? Ich hätte sie vor ihrer Abfahrt fragen sollen.










(14.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

1504 Ein grauslicher Kaffee


Der Kaffee, den ich vorhin in einem Cafe-Restaurant, das ich noch nie besucht hatte, genossen habe, war richtig grauslich. Weil ich das immer so vermutet hatte, bin ich nie dort eingekehrt, obwohl es an einem schönen, lebendigen Platz liegt, direkt vor den Bäumen, die ich zu meinen Freunden erkoren habe, mit einer „terrasse“ einfach auf dem Gehsteig, ohne totale Verbarrikadierung, so wie es in Paris üblich ist, also ohne Barrikaden, Zäune, Mauern, die die Gäste vom Leben auf Gehsteig und Straße abschotten. Hunderte Male hatte ich in der Nähe dieser Gaststätte zu tun, nie war ich dort Gast, weil ich den grauslichen Kaffee vermutet hatte, aber da heute ein sonniger Tag ist und ich zu früh für meinem Termin ein paar Häuser weiter dran bin, aber zu spät, um zu meinem Lieblingsespresso zu fahren und weil ich einmal dieses Pariser Gefühl genießen wollte, bin doch eingekehrt.

Jetzt sitze ich in einem Innenhof direkt unter einer miniermottenzerfressenen Roßkastanie, und ein kleiner Windstoß holt gleich ein paar der verdorrten Blätter herunter.
Vor mir, in ein paar Meter Entfernung, stehen zwei Ahornbäume. Zwei Büsche tragen lindenartige Blätter, aber ob sie Linden sind, weiß ich nicht; würden die nicht einstämmig wachsen?

Hinter einem Fenster kann ich erkennen, daß jemand Gewichte stemmt, daneben steht ein Trainer oder Partner.

Die schattige Ruhe hier ist angenehm, der Straßenlärm kommt nur gedämpft durch und gerade singt ein Vogel; sein Gesang ist mir unbekannt.

Ich sehe unter dem zerfressenen Blätterdach nur einen ganz kleinen Himmelsausschnitt, durch dessen Blau dünne, weiße Wolken ziehen.
Und jetzt gehen zwei, nein drei Meisen den Baumstamm hinauf, still und ganz leise zwitschernd hüpfen und flattern sie hier herum.

Ein Mann mit Sommerhut, ein wenig in den Nacken geschoben (wie ich), mit Kinnbart (wie ich), mit kurzärmeligem Hemd (wie ich) und Rucksack (wie ich) kommt aus einem Tor (das ich bald betreten werde) heraus und durchschreitet, mit leicht gesenktem Kopf, fest, aber nachdenklich (wie ich, wenn ich jetzt nicht säße) den Hof und geht beim anderen Tor hinaus. Wie heben zum gleichen Zeitpunkt unsere Blicke und schauen uns kurz und erstaunt an. „Das ist eigentlich alles“ (Daniil Charms).













(13./17.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com



Donnerstag, 12. September 2019

1503 Ein herrlicher Traum


Oh was für ein herrlicher Traum! Ich gehe irgendwo hin … nach Hause? … schiebe einen Kinderwagen? … mit Kind? … Enkelkind? … jedenfalls schiebe ich ein Wagerl und singe. Ich singe voller Inbrunst „am Grunde der Moldau, da ...“. Allerdings singe ich „am Grunde der Donau“ (die Enns, in deren Tal ich geboren und aufgewachsen bin, mündet auch in die Donau) und im Traum schon frage ich mich, was Prag mit der Donau zu tut hat und will mir die Karte von Mitteleuropa vor mein – im Traum! - inneres Auge rufen, was nur verschwommen gelingt und somit die Frage diffus und unbeantwortet bleibt. (Was mir jetzt auffällt: mein Vater war im Krieg als versehrter SS-Mann in Prag als Laufbursche beim Rasseamt eingesetzt und hat sich von den tschechischen Männern das selbstverständliche Schieben vom Kinderwagen abgeschaut, was bei unseren Männer hier auch noch in meiner Kindheit absolut verpönt war. Er hat aber ohne Scheu Kinderwagen geschoben. Ganz schön verdreht, was?)

Diese leichte Irritation hat mich im Traum nicht daran gehindert, das Lied voller Intensität und immer wieder zu singen, manchmal leiser, manchmal laut und schmetternd – nur vom inneren Gefühl getragen; die Leute waren mir egal. Ich habe nicht immer ganz rein gesungen – und wenn ich es gemerkt habe, habe ich es anschließend lauter gesungen, auf daß der letzte Rest an Unsicherheit sich auflöse – und es hat funktioniert! Um meine kleinen Fehler habe ich mich, auch vor den Leuten, nicht geschert.

Oh ich war so glücklich! Jetzt noch, im Wachzustand, kommt ganz von selber ein tiefer, befreiender Atemzug nach dem andern, jeder einzelne öffnet ein wenig den Ring um mein Herz.

Ich bin singend durch ländliche und städtische, durch menschenleere Gegenden und solche voller Menschen gewandert, bin ich Sackgassen geraten, habe falsche Abzweigungen genommen, mußte den Kinderwagen über irgendwelche unerwarteten Stufen oder schlechtes Gelände tragen, habe die Orientierung verloren, es könnte auch sein, daß ich das Ziel vergessen hatte – im Traum ist mir das gedämmert – und zum Schluß hatte ich den Eindruck, ich bin im Kreis gegangen. Alles egal! Ich habe gesungen und gesungen: laut, kraftvoll, rücksichtslos, glücklich, so glücklich! mit ganzem, jubelndem Herzen …

Wieder ein tiefer Atemzug der Erleichterung hier und jetzt. Doch nun kommt die Trauer und ein wenig Schmerz, denn jetzt realisiere ich, daß ich nicht so lebe, so singend und jubelnd. Ich realisiere erst richtig, daß es ein Traum war und ich nicht mehr träume.

Dieses Glücksgefühl ist immer noch wie ein verblassendes Nachbild anwesend, wie ein verwehender Duft, der immer schwächer wird.

Oh, das tut weh! Ich lebe in einer Welt, in der ich nicht laut und kraftvoll singe; hier getraue ich mich nicht. Ich lebe ein Leben, in dem mein Herz nicht jubelt und mein Geist nicht frei ist. Ich weiß jedoch, daß ein solches Leben möglich ist.

Wieder einer dieser befreienden, tiefen Atemzüge, aber schon sehr defensiv.

Mein Gott! (oder wer oder was auch immer), was für ein herrlicher Traum das war!









(12.9.2019)











©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1502 So eine Art stabilitas loci


Heute bin ich nicht außer Haus gegangen; mein Geist und meine Aufmerksamkeit schon. Ich gebe zu, daß ich nachschaue, ob ich „stabilitas loci“ eh richtig in Erinnerung und korrekt geschrieben habe. Das wäre schon ein Ausgang von Geist und Aufmerksamkeit, daß ich an Euch, liebe Leserinnen und Leser denke, ob ich mich bei euch mit Fehlern blamiere.

Aber physisch hinausgegangen bin ich nicht. Zuerst habe ich so lange gebraucht, bis ich einen passenden Zeitpunkt zum Aufstehen gefunden habe (wiewohl er fast nie wirklich passt). Dann nach dem Frühstück zu Mittag habe ich herumgetipselt, will sagen: die handgeschriebenen Texte in den Computer getippt und dabei überarbeitet und leicht verändert oder ergänzt. Dann habe ich sie auf meine Schublade gestellt. Dann diese neuen Texte auf Facebook beworben, was länger dauert, weil ich dabei auch alle Meldungen anschaue und mich gern darin verliere. Dazwischen bin ich ein wenig zu den Tageskindern hinunter, Post, Mist, Geschirrspüler, einige Kaffees gemacht und getrunken, geplaudert wenn möglich, dann gegen Abend mein Mittagessen aufgewärmt und ergänzt, die Katze gefüttert, Kisterl ausgeräumt, gelesen, am Computer simple Spiele gespielt während ich über den Kopfhörer Musik lauschte, ZiB, TV-Duelle, wieder Computer: Lesen, Musik und Spiel.

Nein, wenn ich es bis spätestens fünf Uhr nicht schaffe, nachhaltig außer Haus zu gehen, ist die Sache erledigt. Ich hatte keine rechte Lust, die Wohnung zu verlassen. Wozu auch? Jetzt ist es ein Uhr nachts. Wozu auch hätte ich rausgehen sollen? Wozu?











(11./12.9.2019)











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Mittwoch, 11. September 2019

1501 Die indirekte Welt oder: einstürzende Altbauten


Heute bin ich in einer indirekten Welt. Das Licht kommt indirekt durch Lichtschacht und Rollo herein, ähnlich die Geräusche. Ich sitze optisch und akustisch sozusagen um die Ecke. Es klopft an der Tür – aber nicht bei mir. Rundherum ist einiges los, aber nicht in meinem Zimmer. Ich bekomme es mit, bin aber nicht betroffen. Nicht direkt.

Indirekt schon: die heftige Bohrmaschinenarbeit irgendwo unten im Haus schickt Vibrationen aus, die mein Körper spürt und aufnimmt und am Rande meines Bewußtseinshorizontes leichte Bedrohungsgefühle auslöst. Aber ich will im Bett sterben, auch wenn das Haus, ein Altbau, einstürzt. Darum stehe ich nicht auf.

Ich warte, bis die Tageskinder schlafen gegangen sind, dann gehe ich hinunter, um mir ein Frühstück zu machen. Jetzt ist es 11:37. Das kann noch gut bis 13h dauern.

Ich liege im Bett, habe aber schon viel erlebt und – vor allem – gehört. Zum Beispiel singt jetzt eines der Tageskinder.










(11.9.2019)











©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1500 Herr Notar!


Meine Gedanken sausen herum und machen keinen Halt. Erlebnisse, Gespräche, Beobachtungen vom Tag, teilweise weitergesponnen, weiter zu Erlebnissen und Szenen aus der Schulzeit, aus der privaten Kindheit – vorher, nachher und Details sind meiner Erinnerung längst schon entglitten und die Spuren verwischt.

Mit den Lesebrillen blicke ich suchend auf die Bücher- und Bilderwand und sehe alles verschwommen. Es kommt keine Inspiration daraus und so verliere ich mich in Gedanken, Worten und We… nein: in Gedanken, Grübeleien und ausufernde Assoziationen. Und vergesse sogleich mitzuschreiben.


Ich höre das Weinen eines Kindes als Erinnerung, ohne Jahr, Monat, Tag und ohne Uhrzeit; weiß nicht wo, weiß nicht wer, weiß nicht ob ich dabei war, auch nicht, ob es irgendwo in der Welt stattgefunden hat, ob es ursprünglich aus dem Leben, aus einem Film, einem Hörspiel, aus einem Traum kommt (nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu); jetzt kommt das Weinen von drüben.


„Herr Notar! Ich komme direkt von der Alm und bin ansonsten per Zug unterwegs. Ich konnte im Rucksack keine amtstaugliche Bekleidung mitnehmen!“

Mein Gott! Wieso beschäftigt mich jetzt das noch!










(10./11.9.2019)












©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


Dienstag, 10. September 2019

1499 Kampf zwischen Gut und Böse


In mir findet ein Kampf zwischen Gut und Böse statt. Ich könnte auch sagen: zwischen Aufstehen und Liegenbleiben. Nur, daß ich mir nicht sicher bin, was gut und was böse ist. Es gibt vieles, das gegen das Aufstehen spricht: wenn ich hinunter in die Küche gehe, um mir ein Frühstück zu bereiten, störe ich die Tageskinder? Störe ich meine Frau bei ihrer Arbeit? Oder eventuell andere Familienmitglieder, wenn sie in der Küche sind (was ich nicht weiß)? Das Gleiche gilt für das Bad, denn dort müßte ich ja auch hin. „Ich bin eine permanent störende Existenz!“ will mir so ein fremdinstallierter innerer Lautsprecher sagen.
Was aber, wenn es doch meine innerste Stimme ist, die ich schlecht höre und falsch verstehe und die mir sagt: „Dein Geist macht Gefangene! Du manipulierst die Menschen und auch die Tageskinder, indem du ihre Aufmerksamkeit auf dich ziehst, ohne es wahrhaben zu wollen!“? Oder sie sagt mir: „Raus aus der falschen Zugehörigkeit! Raus aus der für dich ungeeigneten Herde! Du bist ein Wanderer!“ Und: „Schütze dich vor Verletzungen!“ „Man betritt kein Haus, in dem man nicht geachtet wird!“? Was dann?

So, jetzt habe ich den Salat! Jetzt ist die Entscheidung aufstehen oder nicht zu einer Entscheidung auf Leben und Tod geworden!
Komm Peter! geht’s nicht ein bißchen leichter? (Lieblingsroman des Werner Kogler: „die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“).

Eines ist mir schon klar: ich störe die Tageskinder nicht beim Durchgehen; meistens freuen sie sich, oder sie lassen sich in ihren Spielen nicht stören.
Nein, das ist mir doch nicht klar. Ich bin darob doch unsicher.

Jetzt hantiert die Tagesmutter in der Küche; auch kein guter Zeitpunkt hinunterzugehen. Ist wenigstens das Bad frei? Nein, ist es nicht.

Wie hat der gute Maler und Säufer, den ich vor zwanzig Jahren zufällig auf der Straße getroffen habe, damals gefragt? „Ich habe gehört, du bist jetzt Chef, Vater, Oberhaupt, Patriarch – das exakte Wort weiß ich nicht mehr – eines großen Clans geworden?!“  (Wer meine damalige Antwort wissen will, muß mir schreiben.)







(10.9.2019)








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1498 „He! Du Pumpe mit Hut!“


Nichts geht über einen guten und schönen Schlaf! Meine Verzweiflung von gestern Nacht habe ich weggeschlafen und weggeträumt – hmmm! Mit einem sehr erotischenTraum mit geilem Gefummel!

Nun jedoch erzeugen sanfte, pulsierende Schläge in meiner Körpermitte in der Nähe vom Nabel innen Wellen und die durchdringen zuerst meinen Körper und dann das Universum.

Meine Körpermitte signalisiert mir jetzt: „Mangel!“ und ich glaube nicht, daß sie damit das Essen meint.

Der Blick meiner geschlossenen Augen beginnt zu flimmern. Und nach langer Zeit bekommen die Konturen der sich ständig verändernden Formen kleine leuchtende bläuliche Punkte.

„He! Du Pumpe mit Hut!“ - Gedächtniszitat aus einem Brief von Daniil Charms.

Plötzlich taucht ein weiterer Kugelschreiber in meiner Sammlung auf dem Nachttisch auf, so ein bunter, kindischer, comicverziehrter mit lieblichen Feenfigürchen wie für kleine Mädchen. Ich schlage die Augen auf und weg ist er.









(10.9.2019)










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1497 Der Lichtkegel


Der Lichtkegel der Nachttischlampe beleuchtet den Bretterboden und seine fünf Bücherstapel neben meinem Bett. Und noch ein paar Dinge, die aufzuzählen ich zu träge bin. Ein schmerzhafter Ring hat sich um meine Brust gelegt und ein Albdruck auf sie.

Wieder einmal bin ich in die „Gebüsche der Schwermut“ gestolpert (ich habe vergessen, von wem diese Formulierung stammt) und mich in seinen Dornen verheddert.

Es tut fast so weh wie in meiner Kindheit: das in mir, das mir den Atem abdrückt, das mich in die Verzweiflung drängt, das mich von innen zerfrißt.

Okay, jetzt kann sich ein tiefer Atemzug behaupten und gleich setzt Erleichterung ein. Doch dann kommt das Ganze wieder zurück und drückt von innen und außen.

Ich fliehe nicht; ich halte stand.










(9./10.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com

Montag, 9. September 2019

1496 Eine neue Arbeitswoche


Eine neue Arbeitswoche. Mich als Pensionist trifft es nur am Rande, wirkt aber dennoch. In der Welt drüben jenseits hatte ich gerade einen Brei mit Pulver aus Menschenknochen und Menschenfleisch zu mir genommen. Mir ist immer noch etwas flau.

Ein Hund kläfft sich angestrengt durch den Hof und zur Haustür. Ein Kind weint. Andere Kinder spielen und lachen. Die Katze schnurrt neben mir her (ich bewege mich zwischen Traum und Wirklichkeit).

Ich werde aufstehen.









(9.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1495 Der Abfluß des Waschbeckens


Der Ausguß des Waschbeckens hat kein Sieb und auch sonst keine der üblichen Eisenverstrebungen. So eine Art Rost oder es sind die Ablagerungen verdunsteten Wassers, die den oberen Teil der Abflußröhre überziehen und durch einen Wasserfilm noch ins Schlatzige verwandeln. Das ist etwas unheimlich.
Und wenn ich mich dann darüberbeuge, um im fließenden Wasser mein Gesicht zu waschen, bekomme ich Angst, denn trotz (oder wegen?) des ungustiösen Loches verspüre ich aus dessen Abflußtiefe einen Sog. Ich fürchte, daß der Sog zu stark wird und ich einfach mit einem Köpfler in das Loch springe (wie in den Mistkübel von Rein) und durch den Ausguß für immer verschwinde.

Gut, das ginge ja noch. Aber wenn ich mitten im Sprung das Vertrauen verliere, daß ich das kann und dadurch meine Verwandlung in fließende Energie mittendrin gestoppt wird und – sagen wir mal – Kopf, Arme und Oberkörper (um nicht zu sagen: fast der ganze Rumpf) durchkommen und verschwinden, während Arsch, Gemächt und Beine der Verwandlung entzogen werden und zurückbleiben? Was gibt das für ein Bild! Die damit befaßten Leute und Fachleute von Polizei, Medizin etcetera drehen durch! Obwohl es schon lustig wäre, zu erfahren, welcher Erklärungen und Theorien sie sich ausdächten. Besonders die Erklärungen der Ärzte würden mich amüsieren!

Nein, als halbe Portion im Universum mit seinen sieben Welten herumzusausen, nein, das mag ich nicht. Immer mit dem Gefühl: da fehlt was! Nein. Es reicht mir ja schon, hier, in der Alltagswelt als ganzer Alltagsmensch nur (höchstens) eine halbe Portion zu sein.

Und dann meine Hinterbliebenen! Sie müßten sich mit der Frage abquälen: was machen wir mit den hinterlassenen Hintern, Gemächt und Beinen? Vergraben? Mit oder ohne Begräbnis? (Abgesehen davon, daß ich ausgetreten bin: ginge ein Begräbnis vom bloßen Unterleib katholisch? Muß im Codex Iuris Canonici nachlesen. Ach was!) Der Anatomie überlassen? (Der Anatomieprofessor: „Sie, Frau Kollegin Soundso, bekommen nur diese halbe Leiche zum Sezieren; für sie sind nur Arsch, Beitl, Schwanz und Beine übriggeblieben! Tut mir leid. Fangens halt unten an!“ - wenn die wüßten, daß die obere Hälfte lebendig als reine Energie durchs Universum flitzt! Und wenn sie, die obere Hälfte, einigermaßen auf Zack ist, könnte sie sich auch wieder zurückmaterialisieren. Auch vor der armen Studentin Soundso: „Sie Arme! Sie tun mir leid (nenene! Nur als kontrollierte Torheit) mit ihrer halben Leiche! Da habe ich mir gedacht: ich komme auch wieder dazu!“

Uuuuh! Wie schaut das aus! Und wie geht dann fürs Oberteil der Übergang … ihr wißt schon: zum Leichenstadium? Den reinen Energiekörper abziehen? Und damit abhauen? Könnte funktionieren. Oder auch nicht.

Nein, nein, das kann ich niemandem antun! Entweder ganz durch den Abfluß des Waschbeckens oder gar nicht!









(7.9.2019)










©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


1494 Mlek


Mlek. Durch ein winziges Fenster schaue ich aus dem ersten Stock auf die Gassen und Straßen der kleinen Stadt. Telefonierende, Begrüßungsküssende, Gehende, Stehende und auf dem Plätschernden ein „Mann mit Hut“ (Sankt Koloman – wie ich nachher in Erfahrung brachte) – diesen aber durch das große Fenster, das für zeitgenössische Verhältnisse auch noch als klein gelten kann. Rathaus mit Briefkasten in wirklich gelungenem Gelb (Gelb ist eine heikle Farbe!), Fotografierende Touristen (vielleicht bin ich auch am Foto), viele aus Asien (wie ich am nächsten Tag feststelle: hier in der Stadt ist das erste und einzige Chinarestaurant, indem ich fast ausschließlich chinesische Gäste sehe), Frauen mit Kleinkindern an der Hand, Frauen mit Kleinkindern im Arm, und Frauen ohne.
Ich bin am Land, wo Milch und Honig fließt (falsche Etymologie – nehme ich an). Äußerst internationale Touristenschaft! (Wer traut sich schon, solch einen Satz zu bilden? Gell?)

Soll ich den fotografierenden Touristen vom Fenster im ersten Stock aus winken? Oder eine Rede halten? Würde sich architektonisch und situationell anbieten. Aber momentan drehen mir alle den Rücken zu. Bald jedoch werde ich mich in diesen von links nach rechts und von rechts nach links wandelnden Menschenströmen einfügen.

Jetzt! Und plötzlich der ganze Platz leer (aus meinem Blickwinkel). Aber nur kurz. Das gackernde Gelächter der Einheimischen von der mit Baldachin meinen Blicken entzogenen Cafeterasse unter mir war die ganze Zeit über präsent.

Ein Mann in der gestelzten Gangart eines großen Vogels (so a la Storch, Reiher), jedoch in flottem Tempo, in längeren Abstände von seinem ansonsten hoch erhobenen, starren Haupt aus kurze, abrupte Blicke auf den Boden oder zur Seite werfend (was das Vogelhafte verstärkte) stakt – wirklich unglaublich schnell – an meinem Aussichtsfenster vorbei. Mich dürfte er nicht bemerkt haben.









(7.9.2019)









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1493 Der Lottogewinn


Damit das auch dokumentiert ist: Vor kurzem hat meine Frau in einer wirklich passenden Situation, nämlich aus dem Leben heraus und nicht vom Kopf einfach so gewollt und künstlich ausgedacht, sondern – wie schon gesagt: aus dem Leben heraus und aus tiefstem Herzen und voll echtem Pathos zu mir und zum Universum gesagt – was heißt gesagt: ausgerufen: „Ich wünsche dir einen Lottogewinn!“
Und tatsächlich! Ihr Wunsch wurde erhört und ich habe im Lotto gewonnen: genau 1,38 €.








(5./6.9.2019)








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Donnerstag, 5. September 2019

1492 Schwerfälliger Aufbruch


Was hält mich vom Aufstehen zurück? Achja: Überforderung. Ich hatte mir für heute vorgenommen, die Druckerpatrone auszutauschen und weiß nicht mehr, wie das geht. Und auch nicht, wo ich die Beschreibung hingegeben habe. Ich bin ja noch aus der Generation, wo man als Kind Geräte und Maschinen nicht anrühren durfte, weil man sie „eh nur kaputt macht“. (Klingt ganz falsch bei einem Drucker von einer Maschine zu sprechen; warum? Sind uns unsere Geräte viel näher, als wir glauben? In die Familie aufgenommene Maschinen?)
Ich stärke mich mit einem frugalen Frühstück und dann gehe ich es an.


Ich habe mein Vorhaben erledigt und sitze bei Kaffee und Zeitung. In den letzten Tagen umschleicht mich unglaubliche Müdigkeit. Ich könnte am Kaffeehaustischchen einschlafen. Meine Seele scheint erschöpft. Nicht einfach so, sondern rechtschaffen nach schwerer Seelenarbeit. Ich werde mich nicht gegen die Müdigkeit wehren, sondern bald nach Hause gehen und mich hinlegen.

Es kribbelt an meinem Hinterkopf bis zum Hals, und nach einiger Zeit bis zum Hintern hinunter als regelrechter Schauder, der mich durchschüttelt und durch den ganzen Körper geht.
Jetzt sitzt das dumpfe Kribbeln (also nicht spitz, sondern leicht moussierend) hinten im Genick am Halsansatz und dehnt sich nicht mehr aus.

Der Jazz ruft eine andere Zeit herauf (hat damals das Wünschen noch geholfen? Es scheint mir so, aber das kann nicht sein!).

Der Wind kommt ein wenig zur offenen Tür herein und bewegt die langen, langen Blätter einer mir unbekannten Pflanze. Bis zu mir kommt er nicht.

Schwerfälliger Aufbruch.









(4.9.2019)









©Peter Alois Rumpf,  September 2019  peteraloisrumpf@gmail.com