1516 Ich springe aus dem Bett
Ich höre unten in der Wohnung meine Frau reden – was! Sie
ist von ihrer Reise schon zurück?! - und springe aus dem Bett und wanke
verschlafen die Stiegen hinunter, aber da ist niemand.
Gut, es ist halb zwölf Uhr mittags. Gut, es paßt, ich habe
mich um vier Uhr morgens hingelegt. Gut, acht Stunden, genehmigt.
Ich drehe die Hühnersuppe am Herd auf auf kleinste Flamme
(die Hühnersuppe drehe ich auf – was für ein Deutsch! aber ihr versteht mich!),
steige wieder hinauf und in mein Bett, um einen Traum aufzuschreiben, in dem
unter anderem das Haus meiner Eltern immer kleiner wurde und zuletzt nur mehr
eine kleine Preßspanplatte in der Wiese war.
Nein, ich habe heute keine Lust, meine handgeschriebenen
Texte aus dem Notizbuch in den Computer zu übertragen und überarbeiten; das
verschiebe ich schon seit Tagen auf Morgen.
Mein Magen knurrt laut wie schon seit Jahren nicht mehr.
Warum mir der Abgeordnete Rosenkranz einfällt (so ein
schöner „jüdischer“ Name!) weiß ich nicht, aber ich weiß, warum ich denke, daß
der eine typische Burschenschaftlervisage hat – und damit mein ich noch gar
nicht die Narben im Gesicht – denn ich kann solche Gesichter erkennen. Der Noll
hat ihn wunderbar arrogant fertig gemacht! Die Nationalratswahl in einer Woche.
Aber das ist nicht so interessant. Interessanter finde ich
die Kirchenglocken, die gerade läuten und in mir eine große Sehnsucht
hervorrufen.
Am liebsten bin ich im Bett, warm eingehüllt, mit dem
(letztlich illusorischen) Gefühl, hier passiert mir nichts, hier bin ich
sicher. Darum mag ich oft nicht aufstehen: für draußen habe ich zu wenig …
Kompetenz. Dort draußem mache ich keine Meter. Ich wüßte nicht, wofür ich
aufstehen sollte.
Die Kirchenglocken, die schon wieder läuten – was ist denn
da los!? - erinnern mich daran, daß es angeblich auch hier eine andere Welt
geben soll, wo es um anderes geht, aber auch dort kann ich meine Erkenntnisse,
Entdeckungen, Überlegungen und Leidenschaften nicht einbringen. Also? Wozu soll
ich aufstehen? (Wie hat der Aff in München gesagt? „Über Sie will Wahrheit in
die Welt kommen. Sie haben es im Denken offen, da rutscht Ihnen einiges rein
...“ - und dann schickt er mich in seiner bajuwarisch-katholischen Verengung
zur Kirche, wo ich nichts verloren habe.)
Ich geh nicht mehr hinaus in die Welt. Für Abenteuer bin ich
zu alt, zu schüchtern, zu unsicher, zu kraftlos. Höchstens Katzenfutter kaufen.
(22.9.2019)
©Peter Alois Rumpf, September 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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