1503 Ein herrlicher Traum
Oh was für ein herrlicher Traum! Ich gehe irgendwo hin …
nach Hause? … schiebe einen Kinderwagen? … mit Kind? … Enkelkind? … jedenfalls
schiebe ich ein Wagerl und singe. Ich singe voller Inbrunst „am Grunde der
Moldau, da ...“. Allerdings singe ich „am Grunde der Donau“ (die Enns, in deren
Tal ich geboren und aufgewachsen bin, mündet auch in die Donau) und im Traum
schon frage ich mich, was Prag mit der Donau zu tut hat und will mir die Karte
von Mitteleuropa vor mein – im Traum! - inneres Auge rufen, was nur
verschwommen gelingt und somit die Frage diffus und unbeantwortet bleibt. (Was
mir jetzt auffällt: mein Vater war im Krieg als versehrter SS-Mann in Prag als
Laufbursche beim Rasseamt eingesetzt und hat sich von den tschechischen Männern
das selbstverständliche Schieben vom Kinderwagen abgeschaut, was bei unseren
Männer hier auch noch in meiner Kindheit absolut verpönt war. Er hat aber ohne
Scheu Kinderwagen geschoben. Ganz schön verdreht, was?)
Diese leichte Irritation hat mich im Traum nicht daran
gehindert, das Lied voller Intensität und immer wieder zu singen, manchmal
leiser, manchmal laut und schmetternd – nur vom inneren Gefühl getragen; die
Leute waren mir egal. Ich habe nicht immer ganz rein gesungen – und wenn ich es
gemerkt habe, habe ich es anschließend lauter gesungen, auf daß der letzte Rest
an Unsicherheit sich auflöse – und es hat funktioniert! Um meine kleinen Fehler
habe ich mich, auch vor den Leuten, nicht geschert.
Oh ich war so glücklich! Jetzt noch, im Wachzustand, kommt
ganz von selber ein tiefer, befreiender Atemzug nach dem andern, jeder einzelne
öffnet ein wenig den Ring um mein Herz.
Ich bin singend durch ländliche und städtische, durch
menschenleere Gegenden und solche voller Menschen gewandert, bin ich Sackgassen
geraten, habe falsche Abzweigungen genommen, mußte den Kinderwagen über
irgendwelche unerwarteten Stufen oder schlechtes Gelände tragen, habe die
Orientierung verloren, es könnte auch sein, daß ich das Ziel vergessen hatte –
im Traum ist mir das gedämmert – und zum Schluß hatte ich den Eindruck, ich bin
im Kreis gegangen. Alles egal! Ich habe gesungen und gesungen: laut, kraftvoll,
rücksichtslos, glücklich, so glücklich! mit ganzem, jubelndem Herzen …
Wieder ein tiefer Atemzug der Erleichterung hier und jetzt.
Doch nun kommt die Trauer und ein wenig Schmerz, denn jetzt realisiere ich, daß
ich nicht so lebe, so singend und jubelnd. Ich realisiere erst richtig, daß es ein
Traum war und ich nicht mehr träume.
Dieses Glücksgefühl ist immer noch wie ein verblassendes
Nachbild anwesend, wie ein verwehender Duft, der immer schwächer wird.
Oh, das tut weh! Ich lebe in einer Welt, in der ich nicht
laut und kraftvoll singe; hier getraue ich mich nicht. Ich lebe ein Leben, in
dem mein Herz nicht jubelt und mein Geist nicht frei ist. Ich weiß jedoch, daß
ein solches Leben möglich ist.
Wieder einer dieser befreienden, tiefen Atemzüge, aber schon
sehr defensiv.
Mein Gott! (oder wer oder was auch immer), was für ein
herrlicher Traum das war!
(12.9.2019)
©Peter
Alois Rumpf, September 2019 peteraloisrumpf@gmail.com
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