Dienstag, 30. Juli 2019

1435 Es schaut cool aus


… und mein Atem geht neben mir her, obwohl ich liege. Meine Augen sind verklebt und beim Aufsetzen habe ich alle meine schönen, starken Traumbilder und alle starken, wahren, erleuchteten, in der anderen Welt drüben mühsam formulierten Sätze verloren.

Stille. Ich staune immer wieder, wie still es mitten in der Stadt sein kann. Ich blättere um und zum ersten Mal sehe ich nach tausenden Malen durchblättern in diesem anderseitigen Bildband Photos vom Bahnhof von Laibach/Ljubljana. Vorsichtig und neugierig blättere ich im Bildband noch vor und zurück, ob sich noch mehr Bilder bis jetzt versteckt gehalten haben.

Eine verworrene innere Diskussion über Intimität und Preisgabe beginnt und endet in nichts. In dem Nichts, in dem ich wach bin.

Seltsamerweise kommen jetzt Unfälle ins Spiel, gottseidank sind die Bilder verschwommen und schlecht, lösen sich beim Betrachten auf, sodaß  ich nichts sehen muß.

Ich schlage den ein Dezimeter hohen Zaun aus kleinen Metallröhrchen ein und komme so wieder herauf ans Licht, als hätten mir die Schlagbewegungen Auftrieb gegeben.

Sie, die Frau, die ich dort sehe, will nur dann in diese Welt hier mitkommen, wenn ich … was?! was?! … verdammt! … ist mir gerade entglitten!

Ich lasse diese Sucherei drüben bleiben … ein ordentlicher Schlag von rechts trifft mein Notizbuch … was war das!? Aber ich bin auch drüben keine Autoritätsperson und niemand antwortet meiner Aufforderung.

Ich lache bei der Vorstellung still auf, daß Kurt P. die Verantwortung über die Parkbänke der Stadt Graz übertragen bekommt – so halb als Sozialmaßnahme für ihn – und staune über das gefällige Gitarrenspiel irgendeiner Abspaltung von ihm.

Überhaupt haben es mir die Grazer Verhältnisse angetan; ich mach mir ernsthafte Gedanken über die Stadtentwicklung und das Bevölkerungswohl, fast wie ein klandestiner Stadtrat, oder gar Bürgermeister.

Ich atme seufzend, tief, erleichtert. Erleichtert, daß ich hier bin? Mit der Stille ist es aus, Sirenenautos jagen durch die Straßen.

Wieder drüben heule ich mit verzerrtem Gesicht wegen … der Stadtentwicklung? Aber nicht mehr in Graz, oder? Oder über den ganzen Staat? Nicht ganz glaubwürdig, hätte ich gesagt.
Die asiatische Frau hat sich in einen Obstkorb gelegt, auf die exotischen Früchte drauf, ich bekomme ein Eis, eine Zusage für ein Treffen später? Wo bin ich? In Vietnam?

Ahja! Wann läuft meine Therapiekarte ab? Wo habe ich sie nur?
„Da!“- ich überreiche sie dem Mann am Schalter.

Ich stolpere die dunkle Treppe hinunter, denn ich sehe nichts. Ich schaue mir von außen zu und stelle fest, daß die Welt um die Stiege bunt ist, nur die Treppe ist ganz einfach in direktes Schwarz gehüllt. Keine Wolken, keine schwarze Substanz, nur Schwarz.

Ich habe da tausende schöne, ergiebige und inspirierte Sätze auf einem Haufen, aber schon ist das Bild wieder verschwunden beziehungsweise bin ich aufgetaucht.

Mein Gott! Sind diese Kurzreisen hin und her schön! Ich danke dir, lieber Gott, und dem österreichischen Pensionssystem und meiner lieben Frau, daß sie mir Obdach, Bett, Nahrung und Kaffee gibt (inklusive der Erlaubnis, ihre Kaffeemaschine zu benutzen) und Zeit; Notizbücher und Kugelschreiber – das wieder an Gott, denn die kaufe und bezahle ich selber.

Nun ist es wieder still, nur die Katze gibt in ihrem Schlaf fast liebliche, fast jammernd-stöhnende Atemgeräusche in eher hoher Tonlage von sich (manchmal hatte ich schon geglaubt, in irgendeiner Nachbarwohnung vögelt wer).

Bin ich damit ganz in unserer realen, modernen, übersexualisierten Welt angekommen? Oder schlafe ich wieder ein? Ich frage mich absichtlich, ob ich nicht hungrig bin, lenke meine Aufmerksamkeit darauf und fühle dem nach, im Versuch, meine realen, realistischen Anteile zu stärken. Ja, ja, schaut aus, es gelingt! Nur daß meine reale Welt hier in meiner stillen, bücherintensiven Kammer keinen Sex hat. Hier bin ich Mönch, hier darf ichs sein!

Genüßlich strecke ich meine Glieder und beschließe, das Pflaster von der gestrigen Blutabnahme noch am Arm zu lassen, weil es so cool ausschaut.











(30.7.2019)













©Peter Alois Rumpf  Juli 2019  peteraloisrumpf@gmail.com


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