1075 Ich kann niemandem in die Augen schauen
Ich kann niemandem in die Augen schauen. Und wenn ich es
doch mache, fühlt er oder sie sich überfordert oder angegriffen von meinem Zugehörigkeit
erheischenden und um Lebenserlaubnis bettelnden Blick. (Zu Recht!)
Es regnet leicht. Jetzt kommt dann der Wetterumsturz
(gefällt mir).
Mein Umsturz (innen) soll eine Revolution zur Befreiung
sein. Obwohl noch keine Revolution wirklich gelungen ist (außen). Dennoch: der
Mensch kann seinen „Paradieszustand“ wieder herstellen. Aber ganz anders, ganz
anders.
Weil ich gleich wieder in so ein schweres Thema geraten bin,
verstumme ich jetzt.
Mein heutiges T-Shirt: „da steht nichts drauf“.
Mein heutiger Text: „da steht nichts drin“.
Da oben am Ablagebord: die heilige Dreifaltigkeit der
Espressokannen. Und die Rohre tragen hier Geschichten und Wissen. Wirklich.
Kommt und überprüft es. (Paim).
Heute sind Karaffe und Wasserglas durchsichtig (gefällt mir).
Tasse und Untertasse: dunkleres Türkis (gefällt mir).
(Heute jammert das Saxophon; aber ich will das Jammern nicht
mehr rehabilitieren. (Gefällt mir).)
Tränen treten mir in die Augen. Plötzlich nach einigen
Lachanfällen bei der Lektüre eines Torberg-Briefes (liegt im Paim auf) aus dem
Jahr 1938, wo es um seine Fluchtmöglichkeiten und die Schicksale vieler
Bekannter und Freunde geht – einige sind schon im KZ – diesen Brief, den
Torberg mit „Attnag-Puchheim“ unterschreibt.
Es sind jedoch keine Tränen vor Lachen, sondern Tränen der
Trauer und des Schmerzes darüber, was und wen meine Altvorderen da alles
zerstört, verjagt und ermordet haben. Und ich bin ein Produkt dieser
Zerstörung: ohne daß mein Vater ein SS-Mann gewesen wäre, hätte ihn meine
Mutter nie geheiratet – nehme ich an.
Auf dem Weg in die Innenstadt, zu schauen, ob das Buch im
Handel erhältlich ist, begegnet mir ein schwarzer Mann, der auf seinem T-shirt
stehen hat. „how can I pray for you?“ Aber soetwas kann ich nicht annehmen.
(24.8.2018)
©Peter Alois Rumpf August
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
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