Montag, 27. August 2018

1076 Ich blicke ins Leere


Ich blicke ins Leere, immer wieder für Momente herausgeholt, wenn sich Menschen oder Autobusse vorbeibewegen oder das ganz leicht wackelnde Kaffeetischchen die Lichtspiegelungen des Wassers im Glas auf der roten Resopaloberfläche hin und her zucken läßt. Ich vermeide es, Menschen direkt anzuschauen und blicke in mein Notizbuch, auf das Tischchen oder zu Boden. Das zeigt Schuldgefühle an. Weil ich da im Café bin, wo ich glaube, nicht willkommen, sondern fremd zu sein (sensible Wahrnehmung oder reine Projektion? Das ist hier die Frage). Bis jetzt war mir das wurscht – im Gegenteil, es hat mir Spaß gemacht, trotzdem sitzen zu bleiben – heute ist es mir jedoch nicht egal. Ich bleibe dennoch weiterhin sitzen und will mir noch einen Kapuziner bestellen (Tja, der Cappuccino kommt ursprünglich aus Österreich, ihr Italienfreaks!), aber habe Hemmungen, meinen Bestellwunsch auszurufen. Aha, das heißt, ich bin wieder am Rand des depressiven Abgrunds. Ich werde versuchen, geschickt zu manövrieren um den Absturz zu vermeiden. Wenn er jedoch passiert, werde ich mir trotzdem nichts vorwerfen.

Das Problem ist, daß ich, bevor ich jemanden ansprechen kann, kurzen Augenkontakt brauche, der aber von der anderen Person ausgehen muß (oder die direkte Frage, ob ich noch etwas bestellen will). Ich selber schaue nur verstohlen und lauernd (auf den richtigen Moment für die Bestellung; also auf den Augenkontakt) den Kellnern/Kellnerinnen nach, was – so vermute ich – oft oder schnell einmal als kontrollierend, bei Kellnerinnen möglicherweise auch als anlassig, jedenfalls als belästigend empfunden wird. Dabei kann ich als nicht-initiiertes Nicht-Mitglied der Gesellschaft – also als jemand ohne Bürger- Handels- Vertrags- etc. -Rechte – niemanden von mir aus ansprechen, ohne von der Person zumindest mit Augenkontakt die Erlaubnis zum Grüßen und Ansprechen bekommen zu haben, schon gar nicht darf ich sie einfach so anrufen (He! Herr Ober! Fräulein! (sagt man das noch?) etc.). Ich würde riskieren – so mein inneres Szenario – als Paria erkannt (darf keine Kaffeehäuser, Geschäfte betreten!) und wenn schon nicht gleich getötet, so im besten Fall rausgeworfen zu werden. In echt: ich habe schon tatsächlich damit spekuliert, daß hier ein Kellner auf mich zu kommt und sagt: „Sie sind hier unerwünscht!“ (Wie gesagt: das riecht schon sehr nach Projektion. Aber – Zitat Gurkenkönig: „der Paranoiker hat immer recht; er artikuliert nur falsch.“)

Jetzt bin ich ganz nah am depressiven Abgrund, darum höre ich mit diesen Spekulationen auf, lege Buch, Kugelschreiber und Lesebrille weg und schaue so herum.

Ein Schauder läuft mir über den Rücken. Ich verstehe die Geräusche um mich teilweise nicht, kann sie nicht zuordnen; Tränen steigen mir in die Augen (das kann auch die Überdosis Kaffee sein), werden abgebremst (Selbstmitleid verboten!).

Ein Nichts zu sein ertrag ich länger. Meine Signale sind viel zu schwach. Ein Nichts zu sein ist toll, wenn ich meine Ohrenstöpsel angesteckt, den MP3 aufgedreht, mit San Pedro im Rucksack losmarschiere und voller Lautstärke eingehüllt durch die Stadt gehe. Das Glück des Hans im  ... des Peterles, mein lieeeeebes Peterle, im Glück.

Ja das ist die Lösung: Spätsommerreise („Fremd bin ich eingezohogen, fremd zieh ich wihiedeher aus“).









(27.8.2018)











©Peter Alois Rumpf    August 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


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