332 Der Klotz
Ich komme mir vor wie ein Klotz, starr, unbeweglich, in
Extremitätenlosigkeit gefangen. Ein grober Pflog, von Surren eingehüllt,
bewegungslos, passiv.
Allmählich lockert sich die Starre zu meiner natürlichen
Gestalt; ich habe Arme und Beine, noch ein bißchen steif, noch ein wenig fremd
und unbeholfen, immer noch ein Klotz in Hals und Brust; und die Eingeweide so,
als hätten sie in meiner Traumabwesenheit zum Beispiel einen Schlag bekommen,
an den ich mich nicht erinnere, aber dessen Auswirkungen ich jetzt spüre.
Das grauenhafte Bild vom Samstag ist nun nicht mehr
wegzudrängen. Der Kugelschreiber fällt mir aus der Hand. Es fällt mir nichts
anderes ein als Verpflichtungen, wenn ich an was zu tun ist denke. Ein
ankommendes Kind ruft ein freudiges „Jaaa!“ Wie eigenartig die Welt doch ist!
Meine Augen füllen sich mit Tränen, aber ich weine nicht. (Dieser Impuls wird
automatisch, ohne mein Zutun abgewürgt.) Einerseits – wie erleichternd, daß das
Leben einfach weitergeht, andrerseits – wie befremdlich und unhaltbar. Daß die
Nägel sich nicht wehren können und sich gegen die Hämmerer richten! Oder sich
zumindest verflüssigen. Ich weiß, daß sie so handeln wollten, aber es ist ihnen
das eigenständige Handeln nicht erlaubt. Das Eingeschlagen-Werden macht ihnen
nichts aus, aber der Mißbrauch. Für Folterungen gebraucht zu werden, da wehren
sie sich innerlich, denn sie haben mehr Mitgefühl als die Folterer, aber das
Handeln ist ihnen nicht gegeben, sie können nichts dagegen tun. Things
Liberation. Befreit die Dinge aus ihrer Sklaverei bei den Menschen. Die ganze
Schöpfung wartet auf ihre Erlösung.
Ich bin als Kind eine Woche lang jeden Tag in der
Bäckerei meines Onkels gestanden und habe ihnen bei der Arbeit zugeschaut. Das
Handwerk hat mich fasziniert. Jetzt dreht es mir beim Wort „Handwerk“ beinah
den Magen um. Wirklich, ich muß zufrieden sein, wenn ich diese Welt aushalte.
Mehr ist für mich nicht drinnen. Obwohl das auch niemandem hilft, am wenigsten
den Opfern, den Frauen.
(Auch die Erzählungen müssen befreit werden, das Gesprochene
und Geschriebene, daß sie niemand für irgendetwas mißbrauchen kann, zum
Beispiel um sich wichtig zu machen oder sich in ein gutes Licht zu stellen. Daß
sie nur erzählen und nur für das Erzählte da sind und Platz haben.)
©Peter
Alois Rumpf April
2016
peteraloisrumpf@gmail.com
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