Dienstag, 12. April 2016

332 Der Klotz

Ich komme mir vor wie ein Klotz, starr, unbeweglich, in Extremitätenlosigkeit gefangen. Ein grober Pflog, von Surren eingehüllt, bewegungslos, passiv.

Allmählich lockert sich die Starre zu meiner natürlichen Gestalt; ich habe Arme und Beine, noch ein bißchen steif, noch ein wenig fremd und unbeholfen, immer noch ein Klotz in Hals und Brust; und die Eingeweide so, als hätten sie in meiner Traumabwesenheit zum Beispiel einen Schlag bekommen, an den ich mich nicht erinnere, aber dessen Auswirkungen ich jetzt spüre.

Das grauenhafte Bild vom Samstag ist nun nicht mehr wegzudrängen. Der Kugelschreiber fällt mir aus der Hand. Es fällt mir nichts anderes ein als Verpflichtungen, wenn ich an was zu tun ist denke. Ein ankommendes Kind ruft ein freudiges „Jaaa!“ Wie eigenartig die Welt doch ist! Meine Augen füllen sich mit Tränen, aber ich weine nicht. (Dieser Impuls wird automatisch, ohne mein Zutun abgewürgt.) Einerseits – wie erleichternd, daß das Leben einfach weitergeht, andrerseits – wie befremdlich und unhaltbar. Daß die Nägel sich nicht wehren können und sich gegen die Hämmerer richten! Oder sich zumindest verflüssigen. Ich weiß, daß sie so handeln wollten, aber es ist ihnen das eigenständige Handeln nicht erlaubt. Das Eingeschlagen-Werden macht ihnen nichts aus, aber der Mißbrauch. Für Folterungen gebraucht zu werden, da wehren sie sich innerlich, denn sie haben mehr Mitgefühl als die Folterer, aber das Handeln ist ihnen nicht gegeben, sie können nichts dagegen tun. Things Liberation. Befreit die Dinge aus ihrer Sklaverei bei den Menschen. Die ganze Schöpfung wartet auf ihre Erlösung.

Ich bin als Kind eine Woche lang jeden Tag in der Bäckerei meines Onkels gestanden und habe ihnen bei der Arbeit zugeschaut. Das Handwerk hat mich fasziniert. Jetzt dreht es mir beim Wort „Handwerk“ beinah den Magen um. Wirklich, ich muß zufrieden sein, wenn ich diese Welt aushalte. Mehr ist für mich nicht drinnen. Obwohl das auch niemandem hilft, am wenigsten den Opfern, den Frauen.

(Auch die Erzählungen müssen befreit werden, das Gesprochene und Geschriebene, daß sie niemand für irgendetwas mißbrauchen kann, zum Beispiel um sich wichtig zu machen oder sich in ein gutes Licht zu stellen. Daß sie nur erzählen und nur für das Erzählte da sind und Platz haben.)












©Peter Alois Rumpf    April 2016                 peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite