Mittwoch, 27. September 2017

774 Schrill, schrill, schrill

Schrill, schrill, schrill surrt's in meinen Ohren. Mein Hörraum scheint noch ein wenig beweglich zu sein. Mein Herzklopfen spüre ich hinter meinem Nacken als eine leicht verrutschte Geräuschsäule ungefähr mein Rückgrat entlang. Auch das Surren pulsiert. Vor meinem inneren Auge ist ganz rasch und ohne irgendeinen Laut irgendetwas von links nach rechts geflogen; zwei Zentimeter über meiner Augenhöhe. Jetzt schwebt das gesamte Gesichtsfeld nach unten und kommt dann den halben Weg wieder zurück herauf. Unglaublicher Lärm im Stiegenhaus, klirrend und scheppernd. Das Surren wird volumensmäßig kleiner. Nun zappelt etwas kaum Wahrnehmbares zwei Zentimeter unter meiner Herzhöhe, zwei Zentimeter vor meinem Körper, herum. Kurz und schnell.

Von meiner rechten Augenhöhle geht eine kleine Energieeruption aus und verteilt sich rasch im verschwommenen, schwach definierten Körper nach links unten.

Hinter meiner Nasenwurzel bis zu den Augenhöhlen entsteht ein leicht ziehender – wie kann ich das nennen? - Unterdruck? Als würde dort die Umgebung angesaugt werden.

Die Augenhöhlen spüre ich jetzt zwei Zentimeter vor meinen Augen – äußere Form und meine – amorphe – Substanz verrutschen ständig voneinander, aneinander, gegeneinander.

Das penetrante Geheule einer Kettensäge stößt und zieht meine Aufmerksamkeit nach außen. Ich stehe erschrocken auf um nachzuschauen, ob sie im Hof die Bäume schneiden. Das winselnde Geheule wird hochtouriger.

Ja, Männer rufen und einen sehe ich hoch in einem Essigbaum Äste abschneiden. Gegen diese zweifelhafte Logik komme ich nicht an und bin ich nie angekommen. Ich habe keine Macht. Hoffentlich töten sie nicht den Weidenbaum, den ich am meisten liebe. Ich bete für die Bäume, daß sie – wenn es denn schon sein muß – nur gestutzt (nur gestutzt! nur gestutzt! Was für eine Resignation!) und nicht gefällt werden. Ich bin äußerst beunruhigt und kann mich nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren. Ich gehe nochmals ans Fenster. Vom Weidenbaum, den ich jetzt jahrelang hinter dem Nachbarhaus hervorwachsen gesehen habe, zuerst nur ein paar Ästchen, und dann schon die ganze Spitze der Krone, von diesem Weidenbaum ist vom Fenster aus nichts mehr zu sehen. Geschockt gehe ich hinunter in den Hof und schaue hinter das Nachbarhaus. Vom Weidenbaum steht nur noch der nackte Stamm und ein paar kahle Äste und nur mehr vereinzelt ein paar belaubte Zweige. Einen anderen Baum hatten sie vor Jahren mit ihrer radikalen, unsachgemäßen Schnittechnik fast umgebracht, nur ein Ast hat überlebt. Auch der Holunder ist komplett zurück gestutzt! Frau Holle wird sich rächen. Wen stören die Bäume? Die Weide steht zwischen zwei Feuermauern, wem nimmt sie Licht weg?







(27.9.2017)











©Peter Alois Rumpf    September 2017     peteraloisrumpf@gmail.com

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