774 Schrill, schrill, schrill
Schrill, schrill, schrill surrt's in meinen Ohren. Mein
Hörraum scheint noch ein wenig beweglich zu sein. Mein Herzklopfen spüre ich
hinter meinem Nacken als eine leicht verrutschte Geräuschsäule ungefähr mein
Rückgrat entlang. Auch das Surren pulsiert. Vor meinem inneren Auge ist ganz
rasch und ohne irgendeinen Laut irgendetwas von links nach rechts geflogen;
zwei Zentimeter über meiner Augenhöhe. Jetzt schwebt das gesamte Gesichtsfeld
nach unten und kommt dann den halben Weg wieder zurück herauf. Unglaublicher
Lärm im Stiegenhaus, klirrend und scheppernd. Das Surren wird volumensmäßig kleiner.
Nun zappelt etwas kaum Wahrnehmbares zwei Zentimeter unter meiner Herzhöhe,
zwei Zentimeter vor meinem Körper, herum. Kurz und schnell.
Von meiner rechten Augenhöhle geht eine kleine
Energieeruption aus und verteilt sich rasch im verschwommenen, schwach
definierten Körper nach links unten.
Hinter meiner Nasenwurzel bis zu den Augenhöhlen entsteht
ein leicht ziehender – wie kann ich das nennen? - Unterdruck? Als würde dort
die Umgebung angesaugt werden.
Die Augenhöhlen spüre ich jetzt zwei Zentimeter vor
meinen Augen – äußere Form und meine – amorphe – Substanz verrutschen ständig
voneinander, aneinander, gegeneinander.
Das penetrante Geheule einer Kettensäge stößt und zieht
meine Aufmerksamkeit nach außen. Ich stehe erschrocken auf um nachzuschauen, ob
sie im Hof die Bäume schneiden. Das winselnde Geheule wird hochtouriger.
Ja, Männer rufen und einen sehe ich hoch in einem Essigbaum
Äste abschneiden. Gegen diese zweifelhafte Logik komme ich nicht an und bin ich
nie angekommen. Ich habe keine Macht. Hoffentlich töten sie nicht den
Weidenbaum, den ich am meisten liebe. Ich bete für die Bäume, daß sie – wenn es
denn schon sein muß – nur gestutzt (nur gestutzt! nur gestutzt! Was für eine
Resignation!) und nicht gefällt werden. Ich bin äußerst beunruhigt und kann
mich nicht mehr aufs Schreiben konzentrieren. Ich gehe nochmals ans Fenster.
Vom Weidenbaum, den ich jetzt jahrelang hinter dem Nachbarhaus hervorwachsen
gesehen habe, zuerst nur ein paar Ästchen, und dann schon die ganze Spitze der
Krone, von diesem Weidenbaum ist vom Fenster aus nichts mehr zu sehen. Geschockt
gehe ich hinunter in den Hof und schaue hinter das Nachbarhaus. Vom Weidenbaum
steht nur noch der nackte Stamm und ein paar kahle Äste und nur mehr vereinzelt
ein paar belaubte Zweige. Einen anderen Baum hatten sie vor Jahren mit ihrer
radikalen, unsachgemäßen Schnittechnik fast umgebracht, nur ein Ast hat
überlebt. Auch der Holunder ist komplett zurück gestutzt! Frau Holle wird sich
rächen. Wen stören die Bäume? Die Weide steht zwischen zwei Feuermauern, wem
nimmt sie Licht weg?
(27.9.2017)
©Peter
Alois Rumpf September 2017
peteraloisrumpf@gmail.com
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