Mittwoch, 29. Januar 2020

1731 Aufstehen!


Seit sechs Stunden spiele ich mit dem Gedanken, aufzustehen. Oder der Gedanke spielt mit mir. Nun habe ich es im Bett einmal in die Lese- und Schreibposition geschafft. Zwar fallen mir immer noch und immer wieder die Augen zu, aber einzuschlafen erlaube ich mir nicht mehr.

„Aufstehen!“ schreie ich mich still an, aber das bewirkt nichts. Vielleicht sollte ich es freundlicher versuchen: „lieber Peter, komm! Steh jetzt auf!“ Nichts. „Bitte!“ Nichts. „Du verschläfst dein junges Leben!“ Nichts. „Ist dir nicht leid um deine restliche Lebenszeit?“ Nichts. „Wie wärs mit frühstücken?“ Ah! Das löst jetzt eine Reaktion aus: der Angesprochene fühlt nach innen, wie es mit dem Bedürfnis nach Essen ausschaut.
Ja, es ist da, aber noch nicht so stark, daß ein Sprung aus dem Bett notwendig wäre. Aber das Frühstücksprinzip arbeitet, wächst, wird größer und fordernder.

Im Kopf breitet sich eine ungesunde Dumpfheit aus.

„Also! Auf!“ Der Widerstand ist zäh.
„Peter, ich befehle dir, steh auf!“ Amüsierte Gleichgültigkeit, die das schlechte Gewissen übertönen soll.
„Peter! Steh auf! Das ist ein kaiserlicher Befehl!“ Ach geh! Ich bin nicht der Joseph Roth und du, du willst mein Kaiser sein? Du bist kein Kaiser, nicht einmal ein König, du bist ein mieser kleiner Diktator! Ich kenne dich nicht! Du bist nur so ein aus meiner Kindheit dahergewehtes, elendiges Schuldgefühl. Du bist nicht aus Fleisch und Blut. Du schaust mir nicht in die Augen und zeigst mir nicht dein Gesicht. Du liebst mich nicht. Dir geht es nicht um mein Wohlbefinden und Fortkommen, sondern nur um deine kleinbürgerliche, beschissene Arschlochnorm. Du bist eine unglaubwürdige Gestalt, deine fanatische Aufsteherei in der Früh dient nur dazu, deine Erinnerung an deine Gräueltaten unten zu halten, die zwischen wachen und schlafen hochkommen würden.

So! Jetzt bin ich hungrig und gehe hinunter frühsücken.







(29.1.2020)









©Peter Alois Rumpf,  Jänner 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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