Mittwoch, 8. April 2020

1814 Vom Tellerwäscher bis zum Millionär


Also bei uns zuhause hat es sich so eingebürgert, daß die Damen kochen und ich das Geschirr abwasche. Ich bin der Küchenjunge – sozusagen (ach! Klingt -junge gut!). Auch für die Wäsche bin hauptsächlich ich zuständig.

Das war nicht immer so. Zu Beginn unserer Ehe, als noch amerikanische Studentinnen bei uns gewohnt haben, denen wir laut Vertrag einmal in der Woche ein Mahlzeit vorsetzen mußten, da habe ich auch noch gekocht und die Studentinnen haben mich gefragt – wohl auch in Unkenntnis der österreichischen Behördenauflagen – warum ich kein Restaurant aufmache. Gut! … amerikanische Studenten … aber schon höhere Mittelklasse! Musikerinnen! Also: trotzdem!

Inzwischen bin ich der Küchenjunge und beim inzwischen verlangten veganistischen Kochen weit abgehängt und abgeschlagen. Und heute beim Mittagstisch spreche ich es nach dem Essen laut aus: „ich bin der Küchenjunge!“  Worauf meine Tochter, die jüngste, schlagfertig einwirft: „Tja! Vom Tellerwäscher bis zum Millionär!“ (Ja, ja, meine Töchter kennen mich in- und auswendig.)

„Das ist es!“, denke ich mir. Aber dann falle ich in Gedanken und frage mich, ob Geschirrwaschen mit Geschirrspüler karmamäßig ausreicht, um zum Millionär aufzusteigen.

Während ich mir das überlege setze ich mich, um es besser klären zu können, auf die Fensterbank und schaue aus dem zweiten Stock auf die Straße und den kleinen Platz hinunter, wo zwei junge Frauen im Coronaabstand am Boden sitzen und sich leicht bekleidet sonnen und plaudern, wo manchmal jemand vorbeiwandert und die ohnehin nicht stark befahrene Gasse noch weniger befahren wird.

Im Fenster gegenüber sehe ich eine junge Frau sich ebenfalls sonnen und lesen – genau genommen sehe ich von ihr nur den Kopf, ihre Fußsohlen am Fensterbrett und ein Taschenbuch in ihren Händen ab und zu aus der Dunkelheit hinter dem Fenster ins Sonnenlicht auftauchen und wieder in den Schatten niedersinken.

Undeutliche Gesprächsfetzen kommen zwar bis zu mir herauf, aber Gottlob verstehe ich nichts.

Eigentlich bin ich mehr der Gottseidank-Typ, wie jede Leserin in meinen Texten empirisch überprüfen kann, aber seit ich die Schriftstellerin Regine Koth Afzelius bei einer ihrer Oneline-Lesungen den Versprecher „Gottlog“ statt „Gottlob“ sagen hörte – was sie – wie sich im anschließenden Chat herausstellte – gar nicht bewußt wahrgenommen hatte, obwohl sie sich beim Vorlesen sofort korrigiert hat – bin ich davon so begeistert und gerührt, daß ich nun des Versprechers eingedenk auf „Gottlob“ umgestiegen bin – immer ein wenig lachend – und mit diesem Umstieg eindeutig sprachlich emporgestiegen – eigentlich emporgehoben wurde – denn in meinem Aufwachsen hörte ich fast nur „Gottseidank“, vielleicht, weil die Landbevölkerung – spräche sie „Gottlob“ - wie sie es tun täte – dialektal aus, es fast wie „Gott loub“ klänge, was Gott abhüten möge, denn „loub“ heißt in unserem (in Wirklichkeit nicht meinem) Ennstaler Dialekt „schlimm“.

Ja, wie ist das wirklich? Reicht meine Geschirrspülerei aus, es bis zum Millionär zu bringen? Eine Radfahrerin, zwei Fußgängerinnen passieren den Platz (das hat jetzt nichts mit Kochen zu tun!) - Männer sind keine unterwegs – wie auch bei uns in der Familie die Damen nicht nur kochen, sondern auch einkaufen, Geld verdienen und alle Erledigungen schaukeln.
Ah! Dort geht ein bärtiges Exemplar! Schon verschwunden. Mir soll's recht sein! Ich betrachte wiederum die schönen, sonnenden Frauen, die immer mehr werden.

Die drei Bäume da unten, deren Namen ich schon gegoogelt, aber wieder vergessen habe, haben schon ihre Knospen aufgesetzt.

Das Schicksal läßt sich nicht betrügen, heißt es – wohl zu Recht - beim bajuwarischen Affenarsch – und auch meine gelegentliche, wahrscheinlichkeitswahnsinnige Lottospielerei hat nichts nennenswertes eingebracht.

Könnte es sein, daß es beim Tellerwäscher-bis-zum-Millionär gar nicht ums Tellerwaschen, sondern um duale Schlauheit und um eine gewisse robuste und rücksichtslose Konstitution geht? Hm?









(5.4.2020)










©Peter Alois Rumpf,  April 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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