1814 Vom Tellerwäscher bis zum Millionär
Also bei uns zuhause hat es sich so eingebürgert, daß die
Damen kochen und ich das Geschirr abwasche. Ich bin der Küchenjunge – sozusagen
(ach! Klingt -junge gut!). Auch für die Wäsche bin hauptsächlich ich zuständig.
Das war nicht immer so. Zu Beginn unserer Ehe, als noch
amerikanische Studentinnen bei uns gewohnt haben, denen wir laut Vertrag einmal
in der Woche ein Mahlzeit vorsetzen mußten, da habe ich auch noch gekocht und
die Studentinnen haben mich gefragt – wohl auch in Unkenntnis der
österreichischen Behördenauflagen – warum ich kein Restaurant aufmache. Gut! …
amerikanische Studenten … aber schon höhere Mittelklasse! Musikerinnen! Also:
trotzdem!
Inzwischen bin ich der Küchenjunge und beim inzwischen
verlangten veganistischen Kochen weit abgehängt und abgeschlagen. Und heute
beim Mittagstisch spreche ich es nach dem Essen laut aus: „ich bin der
Küchenjunge!“ Worauf meine Tochter, die
jüngste, schlagfertig einwirft: „Tja! Vom Tellerwäscher bis zum Millionär!“
(Ja, ja, meine Töchter kennen mich in- und auswendig.)
„Das ist es!“, denke ich mir. Aber dann falle ich in
Gedanken und frage mich, ob Geschirrwaschen mit Geschirrspüler karmamäßig
ausreicht, um zum Millionär aufzusteigen.
Während ich mir das überlege setze ich mich, um es besser
klären zu können, auf die Fensterbank und schaue aus dem zweiten Stock auf die
Straße und den kleinen Platz hinunter, wo zwei junge Frauen im Coronaabstand am
Boden sitzen und sich leicht bekleidet sonnen und plaudern, wo manchmal jemand
vorbeiwandert und die ohnehin nicht stark befahrene Gasse noch weniger befahren
wird.
Im Fenster gegenüber sehe ich eine junge Frau sich ebenfalls
sonnen und lesen – genau genommen sehe ich von ihr nur den Kopf, ihre Fußsohlen
am Fensterbrett und ein Taschenbuch in ihren Händen ab und zu aus der
Dunkelheit hinter dem Fenster ins Sonnenlicht auftauchen und wieder in den
Schatten niedersinken.
Undeutliche Gesprächsfetzen kommen zwar bis zu mir herauf,
aber Gottlob verstehe ich nichts.
Eigentlich bin ich mehr der Gottseidank-Typ, wie jede
Leserin in meinen Texten empirisch überprüfen kann, aber seit ich die
Schriftstellerin Regine Koth Afzelius bei einer ihrer Oneline-Lesungen den
Versprecher „Gottlog“ statt „Gottlob“ sagen hörte – was sie – wie sich im
anschließenden Chat herausstellte – gar nicht bewußt wahrgenommen hatte, obwohl
sie sich beim Vorlesen sofort korrigiert hat – bin ich davon so begeistert und
gerührt, daß ich nun des Versprechers eingedenk auf „Gottlob“ umgestiegen bin –
immer ein wenig lachend – und mit diesem Umstieg eindeutig sprachlich
emporgestiegen – eigentlich emporgehoben wurde – denn in meinem Aufwachsen
hörte ich fast nur „Gottseidank“, vielleicht, weil die Landbevölkerung –
spräche sie „Gottlob“ - wie sie es tun täte – dialektal aus, es fast wie „Gott
loub“ klänge, was Gott abhüten möge, denn „loub“ heißt in unserem (in
Wirklichkeit nicht meinem) Ennstaler Dialekt „schlimm“.
Ja, wie ist das wirklich? Reicht meine Geschirrspülerei aus,
es bis zum Millionär zu bringen? Eine Radfahrerin, zwei Fußgängerinnen
passieren den Platz (das hat jetzt nichts mit Kochen zu tun!) - Männer sind
keine unterwegs – wie auch bei uns in der Familie die Damen nicht nur kochen,
sondern auch einkaufen, Geld verdienen und alle Erledigungen schaukeln.
Ah! Dort geht ein bärtiges Exemplar! Schon verschwunden. Mir
soll's recht sein! Ich betrachte wiederum die schönen, sonnenden Frauen, die
immer mehr werden.
Die drei Bäume da unten, deren Namen ich schon gegoogelt,
aber wieder vergessen habe, haben schon ihre Knospen aufgesetzt.
Das Schicksal läßt sich nicht betrügen, heißt es – wohl zu
Recht - beim bajuwarischen Affenarsch – und auch meine gelegentliche,
wahrscheinlichkeitswahnsinnige Lottospielerei hat nichts nennenswertes
eingebracht.
Könnte es sein, daß es beim Tellerwäscher-bis-zum-Millionär
gar nicht ums Tellerwaschen, sondern um duale Schlauheit und um eine gewisse
robuste und rücksichtslose Konstitution geht? Hm?
(5.4.2020)
©Peter Alois Rumpf, April 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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