2649 Raxgedicht
12:06. Gleich nach dem Aufwachen der schwankende Blick auf
meine Bücher-Bilder-Wand, der mir die Realität festigen hilft. Im Bild der
Wirklichkeit ist noch das träumatische Pulsieren und Zittern wahrnehmbar, wie
auch mein Herz noch heftig anklopft. Der Anblick ist so schön! So schön! Die
vor Reichtum überquellenden Regalfächer, die bebilderten Wände, die neben dem
Rouleau hereingestrahlte Lichtsäule, die wunderschöne, nackte Deckenlampe und
ihre zwei Schatten. Die Berge von Rettenschoess sind heute anders:
glaubwürdiger und realistischer. Veli Lošinj verglüht wieder und Mali Lošinj
verwölbt sich, wird sich bald im Meeresstrudel auflösen, nur die ferne
Bergkette hat eine Chance aufs Überleben. Seufzen. Mit den zugefallenen Augen
sehe ich ein leuchtend rotes, lächerlich und kindisch aussehendes, gefährliches Monster
vorbeireiten, auf der Jagd nach meinem vorherigen Traum, der schon ausgelöscht
ist, und nach meiner kindlichen Unschuld. Eine Tür klescht und ich will die
gestrigen Krimis rekonstruieren, zumindest will ich mich an Täter und Ausgang
erinnern. Aktuell bahnt sich drüben eine Erpressung an. Tapfer frage ich mich,
ob ich gut ausgeschlafen bin. Nein, lautet die Antwort; ich verbleibe noch.
Wie ein Schutzwall steht meine Bücherwand. Drüben habe ich
auf der Rax gerade ein Gedicht gedichtet, unrettbar verloren auf dem Weg
hierher. In Mali Lošinj sehe ich jetzt ganz klar in die Ferne und habe die
Landschaft dahinter noch nie so gut gesehen. Könnte es sein, dass sich da
gerade die aufgehende Sonne ankündigt? Kann das der Osten sein? In
Rettenschoess benimmt sich nun der zentrale Berg, als wäre er das
Schneckengehäuse eines Einsiedlerkrebses; ich vermeine auch die krabbelnden
Beinchen des Tieres zu erkennen (meine Handschrift scheint den Tippfehler
meines Laptops übernommen zu haben und läßt das v aus). Veli Lošinj hat sich
auch verändert, aber was und wie? Die Linde steht sprachlos und kalt; im Winde
klirren … die Äste und Zweige der Pappel. Komisch, wenn ich mir's recht
überlege, kann ich dort gar keinen Wind auffinden. Inzwischen ist die
Bücherwand wieder 5 Grad realistischer. Bald haben wir es geschafft.
Die Lichtsäule beim Fenster folgt mir bis hinter die
zugefallenen Augenlider. Ja, es hat gekocht zwischen unserer arroganten
Abteilung und Ihnen.
Frühstück!
(5.4.2022)
©Peter Alois Rumpf April 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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