Mittwoch, 30. März 2022

2640 Bettler

 

Es kommt schon vor, dass ich Bettlern und Bettlerinnen etwas gebe. Dazu habe ich meistens ein paar Münzen in der Sakko- oder Hosentasche bereit. Vorgestern waren mir die Münzen ausgegangen; und die Zeiten, wo ich mir extra für diesen Dienst Münzrollen zu kaufen leisten konnte, sind vorbei. Und ich habe mein Konto für dieses Monat schon längst überzogen und nur mehr 30 € eingesteckt.

Die Bettler selbst sind sehr verschiedene Menschen; zu manchen habe ich ein recht freundliches Verhältnis. Einer aber – er ist mir unsympathisch – schnallt es einfach nicht, dass er eh immer etwas bekommt, wenn ich etwas habe, und jammert herum, wenn ich ihm nichts gebe, und bettelt mich sowieso in verlogenem Tonfall an, was ich nicht mag. Mir ist diese unglaubwürdige Anbiederei im Kombination mit versuchter „Erpresserei“ sehr zuwider. Zum Teil will ich Geben und Sympathie trennen, zum Teil bin ich schon in so eine Art Beziehungsgeflecht geraten, sodaß mir auch schlechtes Gewissen hochgetriggert werden kann, wenn ich nichts gebe. Aber das ist nur mein Problem, dass ich mit mir und dem Universum ausmachen will und muß – beim anonymen Bezahlen der Steuern zB, mit denen ja auch jede Menge Arschlöcher finanziert und gefördert werden, habe ich viel weniger Entscheidungsspielraum und erfahre ich viel weniger über mich und meine Psychostrukturen als im Face-to-Face-Setting.

Vorgestern also gehe ich wieder an diesem Mann vorbei, zum wiederholten Male ohne ihm etwas zu geben, er jammert mich an, ich sage recht klar und selbstbewußt „Nein!“ und will weitergehen, als ein Windstoß mir meine Kappe, mit der ich meine Glatze vor Sonnenbrand schütze, vom Kopf weht und ich sie mit einer blitzschnellen Reaktion in der Luft auffange und wieder auf mein Haupt platziere. Gleichzeitig sage ich lachend zum Bettler (ich leite das Wort von „beten“ ab): „Ah! Der Wind schimpft mit mir, weil ich Ihnen nichts gegeben habe“ und gehe weiter. Ich glaube nicht, dass er als Rumäne das verstanden hat. Ich gehe aber nur drei Schritte, dann stocke ich und denke: „der Geist weht, wo er will“ und „Der Wind hat gesprochen! Hugh!“, drehe mich um, nehme einen Zehn-Euro-Schein aus meinem Geldbörsel und gebe den Schein dem Bettler. Und zwar so, wie es mir eine Gewaltfreie-Kommunikation-Trainerin gelehrt hat: den Schein nicht verlegen zusammengewutzelt, sondern offen, als ganzen, mit der darauf abgebildeten Brücke nach oben, um zwischen Geber und Nehmer eine echte Verbindung herzustellen.

 

(30.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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