Montag, 28. März 2022

2635 Am Donaukanal

 

Ich sitz am Ufer und schaue dem fließenden Wasser zu. Krähen schreien, dass es hallt, Autos lärmen, dass es dröhnt und rauscht, Amseln pfeifen, dass es eine Freude und Frühling ist, U-Bahnzüge dröhnen, dass fast alles übertönt wird. Die Sonne steht mir direkt gegenüber, sodass ich nicht aufschauen kann. Ich habe einen sehr bequemen Uferstein zum Sitzen gefunden, mit Fußstütze im genau richtigen Abstand. Viele Bäume schlagen aus. Die Wiesenkräuter und Gräser treiben sowieso. Plätschern im Wasser. Die nackten Beine einer Joggerin am anderen Ufer. Der Donauarm fließt für mich immer erstaunlich schnell. Kleine Wasserwirbel überholen einander. Die Brücke links hat mächtige Träger. Wildentengeschrei. Am Baum rechts von mir leuchten ganz zarte Blüten und Blätter im Gegenlicht über den Wassern. Ich stecke eine kleine vertrocknete Pflanze, die auf einem Uferstein liegt, in einen Spalt, auf dass sie dort Erde und Feuchtigkeit finde. Sirene mit Dopplereffekt. Umdrehen? Nach Hause gehen?

Nein. Komm ins Offene Freund. Jetzt sitze ich auf einer Bank weiter oben am Uferhang, goutiere den weiteren Ausblick. Die Donau fließt hier genauso schnell. Viele Passanten und rasante RadfahrerInnen. Die momentan unbekleideten, weißen Oberschenkel und Knie einer am Wiesenhang schlafenden Frau. Ich bin nicht der Einzige, der hingeschaut hat. Es bewegt sich. Die Frau liegt nicht allein – ich habe von hier nach dort eine sehr steile Blickachse, sodass ich nur das obere Viertel des Geschehens über der Hügelkante sehen kann.

Schon sehr viel Unruhe rundherum, aber die Uferbäume stehen aufrecht und stumm in ihrem aufgeleuchteten Grün. Die erste Vorhut des Schattens hat schon beinah den gesamten Flußarm überquert. Viele Hunde. Ich werde unruhig: zu dicht, zu nah. Der Hauptweg geht nur einen halben bis einen Meter an mir vorbei. Ich werde gehen. Eine Joggerin atmet tief und hörbar seufzend aus. Viele Sprachen, auch aus der Steiermark und Oberösterreich bis Salzburg. Die Menschenmenge ist mir nicht mehr geheuer. Ist es die öffentliche Sonnen- und Lebensgier, die mich so verunsichert?

 

(28.3.2022)

©Peter Alois Rumpf  März 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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