2635 Am Donaukanal
Ich sitz am Ufer und schaue dem fließenden Wasser zu. Krähen
schreien, dass es hallt, Autos lärmen, dass es dröhnt und rauscht, Amseln
pfeifen, dass es eine Freude und Frühling ist, U-Bahnzüge dröhnen, dass fast
alles übertönt wird. Die Sonne steht mir direkt gegenüber, sodass ich nicht
aufschauen kann. Ich habe einen sehr bequemen Uferstein zum Sitzen gefunden,
mit Fußstütze im genau richtigen Abstand. Viele Bäume schlagen aus. Die
Wiesenkräuter und Gräser treiben sowieso. Plätschern im Wasser. Die nackten
Beine einer Joggerin am anderen Ufer. Der Donauarm fließt für mich immer
erstaunlich schnell. Kleine Wasserwirbel überholen einander. Die Brücke links
hat mächtige Träger. Wildentengeschrei. Am Baum rechts von mir leuchten ganz
zarte Blüten und Blätter im Gegenlicht über den Wassern. Ich stecke eine kleine
vertrocknete Pflanze, die auf einem Uferstein liegt, in einen Spalt, auf dass
sie dort Erde und Feuchtigkeit finde. Sirene mit Dopplereffekt. Umdrehen? Nach
Hause gehen?
Nein. Komm ins Offene Freund. Jetzt sitze ich auf einer Bank
weiter oben am Uferhang, goutiere den weiteren Ausblick. Die Donau fließt hier
genauso schnell. Viele Passanten und rasante RadfahrerInnen. Die momentan
unbekleideten, weißen Oberschenkel und Knie einer am Wiesenhang schlafenden
Frau. Ich bin nicht der Einzige, der hingeschaut hat. Es bewegt sich. Die Frau
liegt nicht allein – ich habe von hier nach dort eine sehr steile Blickachse,
sodass ich nur das obere Viertel des Geschehens über der Hügelkante sehen kann.
Schon sehr viel Unruhe rundherum, aber die Uferbäume stehen
aufrecht und stumm in ihrem aufgeleuchteten Grün. Die erste Vorhut des
Schattens hat schon beinah den gesamten Flußarm überquert. Viele Hunde. Ich
werde unruhig: zu dicht, zu nah. Der Hauptweg geht nur einen halben bis einen Meter an mir vorbei. Ich werde gehen. Eine Joggerin atmet tief und hörbar
seufzend aus. Viele Sprachen, auch aus der Steiermark und Oberösterreich bis
Salzburg. Die Menschenmenge ist mir nicht mehr geheuer. Ist es die öffentliche
Sonnen- und Lebensgier, die mich so verunsichert?
(28.3.2022)
©Peter Alois Rumpf
März 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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