2674 Hörspiel
Manchmal fährt mich eine unendliche Traurigkeit an. Ob sie
aus meinem Inneren und von welcher seiner Abteilungen kommt, von außen, vom
Luftdruck, der soebenen Mondphase, den Gestirnen, von anorganischen Lebewesen,
vom mehr oder weniger lieben Gott, einer Göttin, der Natur, dem
Universalbewußtsein, oder von psychotropen Substanzen wie Kaffee oder Zucker
(ich habe heute ausnahmsweise ein Stückerl von einem Stück Torte gegessen) –
ganz egal: mein Leben scheint dann jeden Sinn zu verlieren. So, als hätt ich
Esel die betrügerische Funktionsweise der vorgehaltenen Hoffnungskarotte
begriffen und durchschaut. Dabei fühle ich mich hier im Bett, nach zirka einer
Stunde Lektüre, gar nicht so unwohl; ich kann als leere Hülle schon irgendwie
weitertun, aber es ist so traurig.
Ich habe mir vom Leben mehr erwartet und erhofft. Ich kann
mich noch genau erinnern, wie ich als Kind im Wohnzimmer beim Radio gestanden
bin, um ja nichts vom Hörspiel, dem ich gelauscht habe, zu überhören, und wie
mir in der Anwesenheit der Eltern dann mit Schrecken gedämmert ist, dass ich im
Leben scheitern werde. Ich habe nichts gesagt und diese Erkenntnis für mich
behalten. Ich war als Kind sehr, sehr einsam. Und wie ich dann tapfer, tapfer
versucht habe, mir Hoffnung und Zuversicht einzureden und es mir gerade noch so
ein wenig wackelig einzureden gelungen ist: wenn ich größer werde, wird mein
ungenügendes Ich schon noch mitwachsen! Mit dieser Hoffnung und Erwartung habe
ich mich zu retten versucht.
Ich kann mich noch an das Hörspiel und die ganze
Wohnzimmerszene genau genug erinnern. Ich könnte auch heute mir Kind von damals
nichts Gescheites sagen; ich weiß ja immer noch nicht, warum ich nicht die Kraft
hatte, mich zu befreien.
(26./27.4.2022)
©Peter Alois Rumpf April 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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