Mittwoch, 27. April 2022

2674 Hörspiel

 

Manchmal fährt mich eine unendliche Traurigkeit an. Ob sie aus meinem Inneren und von welcher seiner Abteilungen kommt, von außen, vom Luftdruck, der soebenen Mondphase, den Gestirnen, von anorganischen Lebewesen, vom mehr oder weniger lieben Gott, einer Göttin, der Natur, dem Universalbewußtsein, oder von psychotropen Substanzen wie Kaffee oder Zucker (ich habe heute ausnahmsweise ein Stückerl von einem Stück Torte gegessen) – ganz egal: mein Leben scheint dann jeden Sinn zu verlieren. So, als hätt ich Esel die betrügerische Funktionsweise der vorgehaltenen Hoffnungskarotte begriffen und durchschaut. Dabei fühle ich mich hier im Bett, nach zirka einer Stunde Lektüre, gar nicht so unwohl; ich kann als leere Hülle schon irgendwie weitertun, aber es ist so traurig.

Ich habe mir vom Leben mehr erwartet und erhofft. Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich als Kind im Wohnzimmer beim Radio gestanden bin, um ja nichts vom Hörspiel, dem ich gelauscht habe, zu überhören, und wie mir in der Anwesenheit der Eltern dann mit Schrecken gedämmert ist, dass ich im Leben scheitern werde. Ich habe nichts gesagt und diese Erkenntnis für mich behalten. Ich war als Kind sehr, sehr einsam. Und wie ich dann tapfer, tapfer versucht habe, mir Hoffnung und Zuversicht einzureden und es mir gerade noch so ein wenig wackelig einzureden gelungen ist: wenn ich größer werde, wird mein ungenügendes Ich schon noch mitwachsen! Mit dieser Hoffnung und Erwartung habe ich mich zu retten versucht.

Ich kann mich noch an das Hörspiel und die ganze Wohnzimmerszene genau genug erinnern. Ich könnte auch heute mir Kind von damals nichts Gescheites sagen; ich weiß ja immer noch nicht, warum ich nicht die Kraft hatte, mich zu befreien.

 

(26./27.4.2022)

©Peter Alois Rumpf  April 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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