Mittwoch, 20. Juni 2018

991 Zack!


Zack und schon war ich direkt aus einer anderen Welt hier gelandet. 'Gelandet' ist nicht ganz richtig, eher aufgetaucht; von unten heraufgeschossen gekommen, begleitet von heftigem Surren, das mich noch stark einhüllt. In weniger als einer Sekunde. Zuerst war ich überhaupt nicht da und plötzlich war ich voll da. Ohne Übergang.

Jetzt geht es mir ein wenig wie dem Reiter über den Bodensee: zuerst war ich voll da, aber nun wird mir ein wenig flau und schlecht im nachträglichen Schrecken über meine ungewöhnliche Reise, obwohl ich ja gut angekommen bin.

Wo war ich denn überhaupt? Das ist perdu. Diese Erinnerung fehlt komplett. Aus dem lauten Surren schließe ich, daß es sehr weit weg war.

Ach ja, und die Katze hat mich gar nicht aufgeweckt. Vielleicht war tatsächlich nicht nur meine Seele, sondern ich mit meinem gesamten in Energie verwandelten Körper und der Sturm-Graz-Uhr verreist und mein Bett war leer! Sonst tatzelt mich die Katze ja immer zwischen vier und fünf Uhr früh wach. Jetzt geht es auf sieben zu. Wie immer in solchen Situationen: ein tiefer Atemzug. Und noch einer.

Mit den Atemzügen kommt aber die Müdigkeit. Gerade noch hellwach und plötzlich hundemüde. Wehrt sich mein Alltagsbewußtsein gegen die Erkenntnis über die Art meiner Reise und will in den Schlaf flüchten? Das klägliche Alltagsbewußtsein ist ja schnell beleidigt, wenn es in seinen Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt wird oder sich erweitern müßte.

Die kurzen Stimmen aus dem Lichtschacht lösen ein Krabbeln auf meiner Schädeldecke aus, das nach unten rieselt und dabei immer schwächer wird. Hm! Das könnte ein Symptom sein, das meine Theorie bestätigt: mein physischer Körper ist noch nicht ganz fest.
Ich kontrolliere meine Wahrnehmung, ob daran sonst noch etwas auffällig ist: hören, sehen, fühlen (außen: Fühler). Sind nicht die Geräusche viel näher als sonst, als wäre mein Hören noch nicht richtig in meinen physischen Körper eingerastet?
Beim Sehen fällt mir zunächst nichts auf, aber als ich meine Augen bewege, bleibt das Bild stecken und in mir macht sich ein angstmachender Abgrund auf. Wenn ich mit den Augenbewegungen aufhöre, bleibt noch ein Nachschwall dieser Angstaufwallung, der aber langsam wieder verrinnt. Ich probiere es aus: der Vorgang ist wiederholbar – ein echtes naturwissenschaftliches Experiment!
Im Taktilen und Haptischen bemerke ich meine noch verschwommenen Körpergrenzen.

Langsam wird mir meine Untersuchung fad und deren Ergebnis egal. Aha! Das brave, feige Alltagsbewußtsein hat sich durchgesetzt. Da schau her! Genau in diesem Moment kommt die Katze herein. Ich aber werde zu dieser ungewöhnlich frühen Zeit hinunter frühstücken gehen. Der Kaffeeduft, der von unten heraufsteigt, ist mir jedoch noch zu stark. Diese Empfindlichkeit deutet auch in Richtung … einer sehr weiten Reise.

Vorm eigentlichen Frühstück, aber schon unten in der Küche habe ich noch ein Stücklein meiner Haut gegessen, das ich mir, weil es vom Rand des Nagelbettes meines linken Ringfingers abgestanden ist, abgebissen habe. Wie nennt man das wissenschaftlich?

Und während ich mir meinen Frühstückskaffee – drei Viertel Getreidekaffee und höchstens ein Viertel echten – zubereitet habe und beim Durchrinnen des kochenden Wassers durch den Filter gewartet habe, habe ich mir auf meine Brust gegriffen - linke Hand linke Brust, rechte rechte – und zwar so, als hätte ich einen kleinen, weiblichen Busen und habe ihn gestreichelt. Wie nennt man das wissenschaftlich? Antworten bitte an untere Emailadresse.








(20.6.2016)












©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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