Sonntag, 24. Juni 2018

999 Rehlein


Das Cafemima ist voll. Markttag. Buddha meditiert seine innere Stille (hoffe und glaube ich) als Tonfigur verkleidet. Der Elefantengott ist stofflich auch da und ein plakatives, papierenes Hoppala von Gitti. Die Welt wird wirklich bunter. Meinen Halsschmuck mit dem bethlehemitischen Tau-Taube-Ölbaumholzkreuz, dem mexikanischen Psilocybe-Stein und der Marienblechmarke – ich glaube ungeweiht - habe ich umzuhängen vergessen, obwohl ich ihn mitnehmen wollte. Dafür habe ich heute meine chefarztpflichtigen Antidepressiva – einzunehmen nach dem Frühstück – dabei, die ich gestern vergessen hatte. (Es gibt eine Buntheit, die ich nicht mag; und es gibt eine Buntheit, die ich mag, wie diese hier.)

An Jugendliche wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Ich glaube, ich komme jetzt allmählich wieder dort an, wo ich schon einmal war, bevor ich in die Fünfzigerjahre zurückgebombt worden bin. In solch einem Ambiente habe ich mich schon früher wohlgefühlt. Der Wiederaufbau ist sozusagen gelungen. Für mich leider zu spät.

Jetzt habe ich gerade zu den Tischnachbarn gesagt, „Geschmäcker sind verschieden, aber das Mimafrühstück schmeckt mir ganz besonders.“ (Beim Versuch, es näher zu beschreiben, sind mir natürlich einige Wörter nicht und nicht eingefallen – zum Beispiel wie das Brot heißt – und ich habe herumzappeln müssen. Aber das ist mir völlig egal. Das kann mich heute nicht erschüttern. Denn heute weiß ich, daß ich – trotz aller Blödheiten - ein Pionier des echten Fortschritts war, bevor ich in die Fünfzigerjahre zurückgebombt wurde – respektive mich habe zurückbomben lassen. Jetzt wirke ich auf alle so, als wäre ich hintennach, im besten Fall, daß ich so halbwegs gerade noch ein wenig aufgeschlossen habe. Aber schon am Abstellgleis.

An Jugendliche wird kein Alkohol ausgeschenkt.

Ich lasse mich von der Buntheit einhüllen und vielleicht „meditiere“ ich sie.

Dazu paßt es sehr gut, daß ich am Heimweg einer ehemaligen Kellnerin aus der Bluebox („Rehlein“ – scheu und unnahbar) über den Weg gelaufen bin und wir uns wieder erkannt und gegrüßt haben.
Damals in den Blueboxzeiten war ich auch depressiv, aber fröhlich! Ich habe herumgeredet, daß ich mit dreiunddreißig abtreten werde, wenn ich bis dahin den Durchbruch als Maler nicht geschafft habe. Wie zu erwarten war, habe ich das dann nicht getan und mit fünfunddreißig hat es schon ein wenig nach Durchbruch ausgeschaut, aber dann habe ich mich in die Fünfzigerjahre zurückbomben lassen oder noch weiter bis in den Krieg und die Nazizeit.

Ja und ich hatte vorher noch die überaus streng geheimen Kürzel für mich - die Bluebox-Kellnerinnen hüteten ihre Kürzel für ihre Stammkunden zum leichteren Aufschreiben der Konsumation ganz eifersüchtig – herausgefunden: zuerst „Mann mir Hut“ und nachher „Maler Krönchen“, auf ein M mit Krönchen reduziert. Ich bin heute wieder stolz darauf und muß lachen.







(23.6.2018)











©Peter Alois Rumpf    Juni 2018     peteraloisrumpf@gmail.com


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