1905 Das sollte genügen
Es surrt heute als freundliches Singen und es fehlt ihm die
übliche ohrenverletzende Schärfe fast völlig. Dafür, daß ich so lange schlafe,
bin ich viel zu müde, schon jetzt, noch nicht einmal Mitternacht. Mein Blick
glaubt hier bereits alles zu kennen und ist sehr unaufmerksam geworden, wandert
nicht mehr, sondern eilt gleichgültig über alles hinweg.
Ich zwinge ihn, sich langsamer zu bewegen, aber er weigert
sich, mehr Input aufzunehmen, sondern trübt alles gleichmäßig ein.
Ich selber finde keine Stelle, wo ich meine Augen weiden
kann, oder wenigstens den Blick verankern. Begleitet wird das von Unlust und
deutlicher Frustration.
Das rosarote, horizontale Leuchten einer Buchrückenschrift,
das am stärksten meine Aufmerksamkeit anzieht, hasse ich und ich habe mir
geschworen, nie mehr Bücher mit Metalliseschrift zu kaufen.
Mir zu Fleiß richte ich richte ich nun mein Geschau auf
diese unangenehme Stelle; vielleicht hat gerade sie eine Botschaft für mich.
Nein, hat sie nicht. Daß das kapitalistische
Aufmerksamkeitsgeheische abstoßend ist, habe ich schon vorher gewußt.
Jetzt nehme ich einen blaßblauen vertikalen Streifen ins
Visier, viel angenehmer, wie ein kleines Nebelband oder schwaches Glitzern auf
nassem Asphalt, aber das aufdringliche Rosarot verbleibt am Rande des
Gesichtsfeldes und stört.
Wenn ich das rosarote Glitzern mit meinem Notizbuch vor
Augen abdecke, wird der Raum schlagartig angenehmer, schöner und meiniger,
jedoch ermüden meine Arme schnell. Ich brauche jedoch dieses Buch: Wörterbuch
Tschechisch – Deutsch und vice versa.
Ich stecke das Buch woanders ins Regal; immer noch sichtbar,
aber um die Hälfte gedämpft.
Das sollte genügen.
(29./30.6.2020)
©Peter Alois Rumpf, Juni 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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